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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 10/2013
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anuphti
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Beitrag03.10.2013 22:48

von anuphti
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Tja.
Irgendwie fehlen mir hier die Worte ...

Wieso ist es von Belang, dass die Katze im Karton sitzt ...

Irgendwie klingt die Geschichte mir zu gewollt nach E ...

Oder ich verstehe sie nicht.
Egal.
Deshalb nur 4 Federn

LG
Nuff


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Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)

You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach)
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Rübenach
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Beiträge: 2832



R
Beitrag04.10.2013 12:41

von Rübenach
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Vorab:
Um alle Texte befedern zu können, musste ich mich häufig bei der Bewertung sehr kurz fassen. Außerdem habe ich dieses Mal sehr subjektiv bewertet und keine Bewertungsschemata (drei Federn für die Umsetzung der Vorgaben etc.) benutzt. Natürlich führt dies im Einzelfall zu völlig ungerechten Beurteilungen. Ist mir aber auch egal. Was mir bei sehr vielen Texten aufgefallen ist, ist die fehlende Auseinandersetzung mit dem Bernhard-Zitat. Entweder es wird ohne triftigen Grund in den Text gepackt, oder der Autorin glaubt, es sei ausreichend zu zeigen (oder zu behaupten), dass es immer mehrere Wahrheiten gebe.

Sorry, aber für eine individuelle Kommentierung ist die Zeit zu knapp.

3 Federn. Ich habe im Schnitt 4,32 Federn vergeben


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Zinna
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Beitrag04.10.2013 15:46

von Zinna
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Hallo Inko/a,

bei deiner Geschichte bin ich unsicher. Ein paar schön eingefangene Momentaufnahmen, doch weiß ich nicht, wie die Geschichte zu mir spricht.
Sie erinnert mich an einen Episodenfilm, am Ende fühle ich mich unentschlossen wie Herr Niehr.

Die Katze sitzt wie immer im Altpapierkarton. Dann sitzt die Katze nach erfolgreicher Jagd auf dem Autodach. Da ich keine Katzenbewegung wahrnehmen konnte, stoppt mich dieses Bild und ich muss neu Schwung holen, um weiter zu kommen.

So richtig für mich ist deine Geschichte leider nicht.

LG
Zinna


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shao
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Beitrag04.10.2013 18:29

von shao
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Hier fällt es mir enorm schwer, etwas zu zu sagen, weil die Katze im Altpapier irgendwie das einzige war, was für mich diese Geschichte lebendig gemacht hat, sorry
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finis
Klammeraffe
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Beiträge: 577
Wohnort: zurück
Die lange Johanne in Bronze


F
Beitrag05.10.2013 15:54

von finis
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Hallo -

Erstmal danke, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, in meinen Text hineinzuschauen. Ich habe nicht erwartet in zehn Tagen einen perfekten Text zu schreiben, normalerweise hätte der hier wohl noch mindestens einen Monat ruhen müssen. Die fehlenden Kommata tun mir sehr leid, ich hoffe, sie haben euch das Lesen nicht allzu sehr erschwert, aufgefallen sind sie mir, als es zu spät war.
Ich finde es sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich Meinungen und Bewertungen sind und sein können und bedanke mich für jede einzelne Feder sehr herzlich.

Ich war etwas erstaunt, dass es vielen schwer gefallen ist, den Text zu verstehen, damit hatte ich nicht gerechnet. Es geht NICHT um eine gescheiterte Beziehung, zumindest mir geht es nicht darum. Das ist ganz eurer Fantasie überlassen, mir ist es egal, ob Martha und Herrman sich kennen oder nicht, liiert sind oder nicht, liiert waren oder nicht. Es sind Querschnitte/oder doch nur einer? Dabei kann nicht die ganze Geschichte erzählt werden.

Der Text sollte sich eigentlich selbst erklären. Wenn er das nicht tut, dann ist er gescheitert, so einfach ist das. Mehr Worte habe ich nicht.

----------------------------

Liebe lady-in-black,

Das Mehr würde mich interessieren, wenn Du die Zeit dafür findest. Danke für's Lesen.

---

Liebe KeTam,

Zitat:
Auch beschreibst du die Außensicht im Gegensatz zur Innensicht der Protagonisten auch das gefällt mir, weil hier etwas gezeigt wird, anstatt es zu erklären.

Das hatte ich gehofft.

 
Zitat:

Aber der richtige Funke ist leider trotzdem nicht übergesprungen.

Das wiederum finde ich schade, da kannst Du aber nichts für Wink
Danke, dass Du dem Text trotzdem eine Chance gegeben hast.

---

Liebe firstoffertio,

Danke für das Kompliment. Meiner Ansicht nach ist die Beziehungsthematik das Unwesentlichste am Text, das habe ich offensichtlich schlecht präsentiert, tut mir leid.

---

Liebe hobbes,

Die fehlenden Kommata sind mir auch gleich aufgefallen, als der Text zu Bewertung freigegeben wurde und es tut mir wirklich leid. Bezüglich der Kursivschreibung: Ich habe das immer wieder ausprobiert und mich dann dagegen entschieden, weil ich fand, dass eine andere Formatierung das zu sehr hervorhebt. Ich denke, ich werde es mit Gänsefüßchen probieren...

Was meinst Du mit "sprachlichen Merkwürdigkeiten"? Ein Beispiel reicht, ich bin mir momentan nur etwas unschlüssig, was gemeint sein könnte.

Schön, dass Dir manche Stellen gefallen.

Zitat:

Die Handlung an sich verstehe ich leider noch nicht, aber das wird vielleicht noch. Im Moment frage ich mich noch, ob es um Herrman und/oder Martha oder um Katzen und/oder Tauben geht. Oder um irgendeine andere mögliche Kombination.


Ich bin mir etwas unschlüssig, ob man das Handlung nennen kann. Das ist mehr, hm, so eine Art "Betrachtung". Es geht um die Person Herrman. Es geht um die Person Martha. Dadurch, dass Martha ständig mit Tauben rumhängt und Herrman mit seiner Katze, geht es irgendwie auch um Tauben und Katzen.

Danke für Deine Anmerkungen!

---

Liebe Kara,

Zitat:
Den letzten Satz ( die wörtliche Rede) , finde ich, hättest Du Dir sparen können. Er nimmt die ganze Luft raus und lässt den Leser enttäuscht zurück. Irgendwie betrügst Du den Leser damit um seine eigene Erkenntnis, indem Du sie von Deinem Prota denken läßt. Aber ich glaube, ich habe in meinem Text Ähnliches getan, den Leser unterschätzt. Nun weiß ich, wie sich´s anfühlt wink.


Ich versuche gerade mir vorzustellen, welche Schlussfolgerung ich aus dem Text gezogen hätte, wenn ich diesen letzten Satz nicht hätte. Schwierig. Und was ist das überhaupt für eine Erkenntnis? Auf jeden Fall eine Relativierte, sonst würde da nicht "vielleicht" stehen. Und gibt es in diesem Text soetwas wie eine Erkenntnis?
Schwierige Fragen, mit denen ich mich auf jeden Fall weiter auseinandersetzten muss und werde.

Danke.

---

Liebe Kateli,

Schade, dass Du auf dem Schlauch stehst oder denkst, da zu stehen.

Zitat:

Es liest sich mehr wie zwei Charakterisierungen, eben Beschreibungen von Menschen, was sie manchmal oder öfter tun und was nicht und warum nicht.
Ja, das trifft es doch ganz gut.

Zitat:
Aber unterm Strich steckt zu viel Info drin (zum Beispiel über die Eigenschaften seines Chefs), die ich nicht in den Zusammenhang einordnen kann und die mich leider ziemlich verwirrt.
Herrman kann seinen Chef nicht ausstehen. Herrmans Leben wird aber sehr von seiner Arbeit dominiert (sie bzw. der Vorgesetzte wird gleich im dritten Absatz schon erwähnt), deshalb ist sein Chef existentiell für Herrmans Leben, Einstellung, Motivation usw. un der Chef prägt Herrmans Wesen. Kennst Du doch sicher auch, dass irgendwelche anderen Leute eine unverschämt dominante Rolle im eigenen Leben einnehmen? Den Vorgesetzten nicht zu erwähnen wäre schlimmer als eine Lüge gewesen - und es soll ja um Wahrheit gehen...

Danke, dass Du Dir die Mühe gemacht hast!

---

Liebe Gold,

 love smile extra

Das freut mich wahnsinnig, danke!
Und danke für den ausführlichen Kommentar!

---

Liebe Lorraine,

Zitat:

Ich versuch's mal so: Quer durch die Geschichte geht ein Schnitt. Wäre sie kreisförmig, und man würde die beiden Hälfte gegeneinander verschieben, dann passiert, wie hier geschehen/gelesen. Man findet sich unvermittelt nach dem Schnitt auf einem anderen Weg, in einem anderen "Geschichtengleis".

Ich hatte gehofft, dass es jemandem auffällt!

Zitat:
Ich lese von zwei sehr verschiedenen Menschen, der eine analysiert das, was gesagt wird und bastelt sich seine Sicht der Dinge aus dem, was an (nackter) Wahrheit übrig bleibt.
Die andere schweigt, behält ihre Sicht für sich, weil sie zu wissen glaubt, dass man sie nicht verstehen kann, aus Erfahrung weiss sie, dass ihre Aussagen sie abstempeln, sie ist überzeugt, inzwischen, dass nur sie selbst weiss, wovon sie spricht.

Dieselbe Stadt, derselbe Kreis, beide Figuren erfahren, empfinden sie anders. Es gibt Berührungspunkte, flüchtige.
!!! (Warum versuche ich eigentlich noch irgendwas zu erklären? Du kannst das viel besser...)

"seltsam", "erstaunlich" und Co. häufen sich vor allem in der Beschreibung von Herrmans Äußerem, das sollte ich nochmal überarbeiten, vielen Dank.

Du bist an dem gluckernden Lächeln, also dem Geräusch, in erster Linie hängengeblieben, verstehe ich das richtig?

Es freut mich sehr, dass Du dem Text etwas abgewinnen konntest. Danke für die intensive Arbeit, die Du da rein gesteckt hast!

---

Lieber anderswolf,

Dass Dir die Strommasten gefallen, freut mich.

Zitat:
Ansonsten schludernde Textführung, keine erkennbare innere Logik, irritierende Beschreibungen unnützer Charaktere und Situationen.

Das mit der schludernden Textführung musst Du mir erklären, ich habe diesen Text bewusst (!) konstruiert. Und die Wertung "unnütz" bezieht sich auf welche Charaktere und Situationen?
Schade, dass für Dich keine innere Logik erkennbar wird und der Text insgesamt irritierend wirkt.

Zitat:
Sicherlich interessante Grundidee, die sich allerdings zwischen den Tauben und Gleisen einfach verliert.

Was ist denn Deiner Meinung nach die Grundidee?

Danke fürs Lesen und kritische Hinterfragen.

---

Liebe ash_p,

Das "fast schon poetisch" schmeichelt mir sehr, danke!

Das "Oder" soll eine latente Drohung sein. "Lass die Finger von den Tauben, oder..."

Schade, dass der Text Dich nicht erreichen konnte und danke, dass Du trotzdem versucht hast, ihn zu verstehen.

---

Lieber Bawali,

Bezüglich der Umsetzung des Zitats zitiere ich mal wahllos:

Zitat:

Die Frau am Telefon: „Du hast mich all die Jahre immer belogen.“ Hysterisch. „Ich habe gar nichts gesagt“, dachte er. Schrieb „egal“ in den Staub auf dem Klavierdeckel.


Zitat:
Stattdessen fütterte sie die Tauben und sprach mit sich selbst, zerhackte Fragmente sprach sie und mit niemandem sonst, weil – so meinte sie – nur sie wusste, wovon sie redete.


Zitat:
Hin und wieder kaufte er sich sogar eine Zeitung, obwohl er vehement die Meinung vertrat, Zeitungen verbreiteten nichts als Lügen und seien ein Medium, um die Leute aufzuhetzen,


Und so weiter.

Die Gleise: Die Strommasten breiten ihre Arme quer über die Gleise aus und sind wichtig für die Geschichte, ein wiederkehrendes Element, auf jeden Fall, dass irgendwie Herrman und Martha verbindet.

Siehst Du die Themenumsetzung jetzt?

Dass Du den Text nicht verstanden hast, tut mir leid. Naja, jeder nach seinem Geschmack...
Danke, dass Du dem Text eine Chance gegeben hast.

----

Auf alle anderen Kommentare werde ich im Laufe des Tages noch eingehen, jetzt noch mal ein kollektives danke!
Liebe Grüße
finis


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finis
Klammeraffe
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Die lange Johanne in Bronze


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Beitrag05.10.2013 18:35

von finis
Antworten mit Zitat

Lieber holg,

Deine Meinung würde mich sehr interessieren!

Danke fürs Lesen.

---

Liebe Mardii,

Ja, da ist was dran, der Plural wäre vermutlich geschickter gewesen.

Zitat:
Ein Schnitt quer durch einen Körper macht sichtbar, was sich auf der Ebene des Schnitts befindet (z.B. in medizinischen Darstellungen).
Man sieht Herrman Niehr in seiner Wohnung, auf der Straße, bei seiner Arbeitsstelle und wieder in seiner Wohnung. Man beobachtet seine Bewegungen.
Dann folgt die Darstellung Marthas auf dem Bahnhof.
Man fragt sich, ob es eine Schnittebene gibt, auf der sich beide begegnen. Vielleicht ist es die, auf der die Katze die Taube frisst.
[...]
Für mein Gefühl befindet sich Martha dieser Ebene am nächsten.
[...]
Aber sie begegnen sich nicht. Am Schluss ist Herrman wieder allein in seiner Wohnung.
!!! (Wieder ein Kommentar, bei dem ich dachte, dass da jemand meinen Text besser erklären kann als ich.) Danke, Mardii,  genau das ist es!

Mardii hat Folgendes geschrieben:

finis hat Folgendes geschrieben:

Hin und wieder kaufte er sich sogar eine Zeitung, obwohl er vehement die Meinung vertrat, Zeitungen verbreiteten nichts als Lügen und seien ein Medium, um die Leute aufzuhetzen, eine Ansicht, die maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass seine Ex-Frau als Journalistin bei immer wieder unterschiedlichen Zeitungen arbeitete, sodass er vollkommen den Überblick verloren hatte, welche Zeitung er nicht kaufen wollte.



gearbeitet hatte

Nein. Das "arbeitete" passt, weil die beiden Handlungsabläufe gleichzeitig zu einander ablaufen. Plusquamperfekt würde hier eine Vorzeitigkeit ausdrücken, aber das ist hier nicht der Fall. Nur weil sie sich getrennt haben, hat sie nicht aufgehört bei den Zeitungen zu arbeiten.

Die Füllwörter haben mich ein wenig verblüfft, ich habe speziell auf Füllwörter hin Korrektur gelesen und mir sind keine aufgefallen, bzw. die habe ich dann rausgestrichen. Oder meinst Du etwas anderes als ich? Ich suche nochmal.

Danke, dass Du Dir Gedanken um diesen Text gemacht hast!

---

Liebe Lapidar,

Schade, dass Du den Sinn nicht verstehst. "Wortgewaltig". Ich hoffe, ich habe dem Text damit keine Gewalt angetan.

Danke fürs Lesen.

---

Lieber Lupo,

Ich glaube, dass war die beste Umschreibung für "Ich finde den Text scheiße", die ich je gelesen habe, so gut, dass ich mir erst nicht sicher war, ob es das heißt oder nicht. Es gibt weder einen Protagonisten noch einen Antagonisten. (Wie kommst Du darauf?)
Nietzsche kann auch kurze Sätze. Es ging mir darum, das Verhältnis der beiden Personen zu einander dadurch zu charakterisieren (an Hand von Zarathustra z.B.smile der eine, der sich dem anderen überlegen sieht, aber bitte: "Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel". Nietzsche (Menschliches, Allzumenschliches I). Kurz genug.
Ja, vielleicht ein bisschen viel Vogelscheiße, vielleicht ein bisschen viel vielleicht.

Danke fürs Lesen und genial Kommentieren.

---

Liebe adelbo,

Das freut mich sehr, dass Du dem Text etwas abgewinnen kannst, und dass Dir seine Sprache gefällt. Auch der Vergleich mit dem abstrakten Gemälde freut (und ehrt) mich sehr.

Was passt denn für Dein Empfinden nicht zusammen?

Danke für Deinen Kommentar!

---

Lieber Herbert Blaser,

Zitat:
Die Geschichte - oder besser: der Situationsbeschrieb - transportiert einen Grauton, der mich dazu veranlasst, die Taube auf dem Balkon zu erschiessen.

 Laughing  Ohne Worte.

Danke Dir fürs Lesen.

----

Liebe Jenni,

Es ist mir im Grunde egal, wie sie zusammenhängen, dass darfst Du Dir aussuchen. Meine Schreibidee war, dass Martha Herrman am Bahnhof kennengelernt hat, Herrman sich aber nicht mehr, bzw. kaum noch an sie erinnert, sie können sich aber auch genau so gut gar nicht begegnen, es gibt nur wenige Berührungspunkte.

Das freut mich sehr, dass Dir die Bilder und Wahrnehmungsdetails gefallen.
Danke, dass Du den Text gelesen und Dich hast mitnehmen lassen.

----

Liebe Anne (Akiragirl),

Zitat:

dein Text handelt von Herrman Niehr und von Martha, die sich wohl irgendwoher kennen; leider erfahre ich nicht, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen.

Darum geht es dem Text auch nicht in erster Linie.

Das Problem ist, dass die Leerstellen die Grundidee sind. Bei einem Querschnitt siehst Du nie die vollständigen Geschichten. Es ist ein Augenblick, auch wenn ein Zug durch den Rahmen der Strommasten fährt, sind die Geschichten nur für einen Moment sichtbar, es sind Momentaufnahmen, Querschnitte.
Klar, man kann nicht jeden erreichen, es ist einfach nur schade, dass Dich diese Idee nicht ansprechen konnte.

Zitat:
Besonders gut gefallen haben mit die Abschnitt in den eckigen Klammern, in denen du die Stadt einmal aus Herrmans und Marthas Sicht schilderst; da sind wirklich schöne Momente dabei. Nur, leider reicht mir das irgendwie nicht; dieses schön-Schreiben als Selbstzweck.

Es war ganz sicher nicht als Selbstzweck gedacht! Ich sehe, ich muss einiges überdenken.

Danke für Deinen ehrlichen und ausführlichen Kommentar! Er wird mir sicher sehr weiterhelfen.

---

Liebe Amaryllis,

Das freut mich sehr, dass Dir die sprachliche Umsetzung gefällt und Du Spaß dabei hattest, die Fragmente zusammenzusetzen.

Ja, das "verankert" wäre wahrscheinlich besser.

Vielen Dank für Dein Einlassen auf meinen Text!

---

Liebe anuphti,

Zitat:

Wieso ist es von Belang, dass die Katze im Karton sitzt ...

Es ist nicht von Belang. Doch irgendwo schon, abgelegtes altes Papier. Aber an diesem Detail hängt nicht der ganze Text.

Zitat:

Irgendwie klingt die Geschichte mir zu gewollt nach E ...

hm. So schreib ich immer. Nicht immer so konstruiert, aber sprachlich. Shocked Scheiße, ich muss an die Grundsätze...

Zitat:
Oder ich verstehe sie nicht.

Das ist schade.

Zitat:
Egal.

Das auch.

Danke für Dein Lesen und den ehrlichen Kommentar.

---

Lieber Rübenach,

Zitat:

Sorry, aber für eine individuelle Kommentierung ist die Zeit zu knapp.

3 Federn.


Wenn Du die Zeit findest, würde mich Deine Meinung sehr interessieren.

Danke fürs Lesen.

---

Liebe Zinna,

Die Geschichte ist fragmentiert. Deshalb gibt es keine sehbare Katzenbewegung.

Schade, dass sie Dich nicht mitnehmen konnte, aber danke, dass Du es versucht hast.

---
Liebe shao,

schade. Aber danke.


--------

Allen Danke und LG
finis


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holg
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Beitrag07.10.2013 11:30

von holg
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Hallo finis,
ja, i9ch  in dir meine Meinung schuldig geblieben. Die zeit war knapp und am Ende dachte ich, ich hätte alle Texte zumindest kurz kommentiert. Deine rist mir wohl durch gegangen.
Ich habe ihn gerade noch einmal gelesen und denke, ich hätte auch gut mehr Federn vergeben können. Oder auch nicht. Nach dem Rausch der vielen Texte und wenn das Gehirnschmalz langsam, aufhört zu kochen, ist vieles anders.

Was mir auch beim ersten Lesen schon aufgefallen ist, sind einige wunderschöne poetische Momente, tolle Sprachbilder in deinem Text.

Zitat:
Die Frau am Telefon: „Du hast mich all die Jahre immer belogen.“ Hysterisch. „Ich habe gar nichts gesagt“, dachte er.


Zitat:
bei schönem Wetter war er einsam, dann spazierten überall die Paare entlang,

Nur als Beispiel.

Aber dann hängen die beiden Hälften Deiner Geschichte nur ganz lose und irgendwie ungefähr gehalten von Tauben, Katzen und dem Vergleich der beiden Charaktere. Echte Berührungspunkte und Parallelitäten konnte ich ebenso wenig finden wie eine wirkliche Unterscheidung der beiden. Klar steht da rational und geordnet gegen emotional und chaotisch, aber eben nur so ungefähr.
Dann gibt es ein paar Missverständlichkeiten.
Zitat:
Sie war der Meinung jeder hielte sie für verrückt, selbst Herrman;

Zitat:
Sie mochte keine Katzen. Herrman hatte sie gemocht.

Entweder ist in diesen der Sätzen Hermann nicht der Herrmann Niehr aus dem ersten Teil der Geschichte, oder doch. Das würfe dann aber die Frage auf, wie der an die Bahnhofsfrau kommt. Im letzten Satz könnte Herrman die Katzen gemocht haben oder Martha.

Die Sequenzen in den eckigen Klammern stellen die verschiedenen Sichtweisen Herrmans und Marthas gegenüber. Das ist interessant, aber warum kommt das nicht so deutlich aus dem Rest des Textes hervor, dass du darauf verzichten kannst? Und: Martha wird als Taubenliebhaberin (sie verteidigt sie gegen die ach so bösen Katzen) Vogelscheisse nicht als solche sehen.

Dazu kommen ein paar in meinen Augen nicht so gelungene Formulierungen
Zitat:
Lächeln, das tief aus ihrem Brustkorb hervorgluckerte.
und Kommafehler, die mir den Text entweder nicht wirklich fertig oder aber nicht besser gekonnt erscheinen lassen (in deinem Fall wohl eher ersteres, denn ich habe hier im Forum schon besseres von dir gelesen).

Dei Volte zurück zu Niehr im letzten Abschnitt wirkt wie übrig geblieben oder zugefügt, weil das Ende der Martha-Episode zu schwach war.

Also insgesamt trotz einiger schöner Passagen leider im Wettbewerb unter dem Durchschnitt.

hol


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hobbes
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Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
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Beitrag07.10.2013 14:01

von hobbes
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finis hat Folgendes geschrieben:
Bezüglich der Kursivschreibung: Ich habe das immer wieder ausprobiert und mich dann dagegen entschieden, weil ich fand, dass eine andere Formatierung das zu sehr hervorhebt. Ich denke, ich werde es mit Gänsefüßchen probieren...

Ich finde Gänsefüßchen in dem Fall störender als kursiv. Aber gut, das kann man natürlich auch anders sehen. Ich fand den Artikel hier bei vergangenen Entscheidungsfindungen ganz nützlich.

finis hat Folgendes geschrieben:
Was meinst Du mit "sprachlichen Merkwürdigkeiten"? Ein Beispiel reicht, ich bin mir momentan nur etwas unschlüssig, was gemeint sein könnte.

Damit meinte ich einfach nur all das, was mich aus dem Text rauswirft. Gar nichts Großes, eher Kleinigkeiten. Moment, ich mach mich noch einmal auf die Suche.

Zitat:
Auf dem Autodach saß die Katze, eine tote Taube zwischen den Pfoten. Der Spaziergänger nebenan ging vorbei.

Da frag ich mich zum Beispiel: Hä, was für ein Spaziergänger? Mach "der" zu "ein" und ich frag mich das nicht mehr. "nebenan" passt für mich dann allerdings trotzdem nicht, das ist für mich mehr so was statisches ("die Ilse von nebenan", sowas), aber ein Spaziergänger, der bewegt sich und mit dieser "Ortsangabe" kann ich nichts anfangen, ich kann nicht einordnen, wo Herrman ist und wo der Spaziergänger. Was ja eigentlich auch uninteressant ist, es geht ja nur darum, dass Herrman die Federn bemerkt und der Spaziergänger eben nicht. Von daher braucht es das "nebenan" eigentlich sowieso nicht.
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finis
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Die lange Johanne in Bronze


F
Beitrag07.10.2013 18:40

von finis
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Lieber holg,

Das war nicht als Vorwurf gemeint, ich wollte nur deutlich machen, dass mich Deine Meinung immer interessiert.
Mir ging es auch so, dass ich mit etwas mehr Abstand (und ohne Zeitdruck) viele Texte anders gesehen habe, als sonst.

Danke für das Kompliment bezüglich der sprachlichen Bilder und poetischen Momente...

Zu Deinen Kritikpunkten:
Ich kann sie alle gut am Text nachvollziehen (es wäre mir auch lieber gewesen, wenn er etwas mehr Ruhe gehabt hätte, aber naja), mir ist auch in anderen Kommentaren schon aufgefallen, dass die Verbindung von Herrman und Martha scheinbar nicht geklappt hat, bzw. dass die Überleitung sorgfältiger hätte sein müssen.

Ich versuche mal, das eine oder andere zu erklären. Das war beides als Querschnitt gedacht, als ein Querschnitt in konträre Leben(sweisen). Erst war da Herrman Niehr. Dann kam Martha dazu, einfach so, und doch als ziemlicher Gegensatz zu Herrman.
Ich meine, in allem was Herrman und Martha tun, unterscheiden sie sich. Herrman ist ein bisschen etepetete, Martha hat ein Vogelnest auf dem Kopf. Herrman geht lieber im Regen spazieren, Martha geht an schönen Tagen durch die Stadt. Herrman achtet beim Spazierengehen auf Elemente der Moderne, der Konsumgesellschaft, Martha auf Zeichen des öffentlichen Lebens und der Vergangenheit. (Deshalb sind mir persönlich die Abschnitte in den eckigen Klammern auch ziemlich wichtig).
Es ging mir eben um diese Unterschiede. Dass das nicht funktioniert hat, ist ziemlich offensichtlich.

Zitat:
Martha wird als Taubenliebhaberin (sie verteidigt sie gegen die ach so bösen Katzen) Vogelscheisse nicht als solche sehen.

Geschenkt. Wink
(Wobei Martha einen eindeutigen Unterschied macht zwischen Tauben und anderen Vögeln. Spatzen zum Beispiel sind bei ihr völlig unten durch... das steht aber nicht im Text Wink - außerdem hast Du natürlich recht und ich habe nicht sorgfältig genug Korrektur gelesen...)

Martha ist in meinen Augen ein wenig schrullig und ein wenig seltsam, dass sollte ihr Lachen auch widerspiegeln, war aber zu viel gewollt, denke ich.

Ich habe hieraus einiges gelernt, unter anderem, dass ich nie wieder abschnittweise überarbeiten werde, weil sonst der Gesamttext verloren geht... und auch in diesem Punkt hast Du recht: der Text war einfach noch nicht fertig, ich habe auch ziemlich mit mir gerungen, ob ich ihn nun abschicken soll oder nicht, vielleicht hätte ich es lieber nicht tun sollen, aber jetzt ist es dafür zu spät.

Eins ist mir noch wichtig: Ich versuche hier nicht, Kritik zu relativieren oder für nichtig zu erklären. Mir ist klar, dass der Text noch einige Baustellen hat und ich werde ihn außerhalb des Wettbewerbes nochmal sorgfältig überarbeiten. Deswegen bin ich Dir auch sehr dankbar für Deine detaillierte post-Auseinandersetzung, bzw. Mitteilung Deiner Gedanken, die sind mir sehr wichtig, für diesen Text und für zukünftige.
Und auch wenn ich hier lang und breit erkläre, wie ich mir was vorgestellt habe, werde ich Deine und die vielen anderen Kritikpunkte natürlich (!) berücksichtigen und bin sehr dankbar dafür.

Vielen herzlichen Dank Dir und lieben Gruß
finis


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finis
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Beitrag07.10.2013 18:46

von finis
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Liebe hobbes,

Der Artikel ist toll, danke!

Und danke für Deine Erhellung. Hm, in meinem (vielleicht etwas verdrehten?) Gehirn machte das Sinn, ich meinte diesen einen Spaziergänger, der in dem Moment vorbeiging.
"nebenan" machte für mich auch Sinn, weil "nebenan" für mich so eine direkte Trennung von Lebensräumen ist. Der Spaziergänger sieht die tote Taube nicht, weil er eben "nebenan" ist, weil er zu Hermanns Lebensraum keinen Zugang hat. Das war wahrscheinlich zu viel gewollt.
Auf diesen Aspekt hin werde ich noch so ein paar Formulierungen abklopfen.

Danke, dass Du Dich nochmals gemeldet hast und für Deine kritischen Anmerkungen, das hilft mir sehr weiter!

Lieben Gruß
finis


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Mardii
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Beitrag07.10.2013 20:52

von Mardii
Antworten mit Zitat

Hallo finis,

das PQP bringt mich immer wieder in Bredoullien. Deine Antwort zu meinem Posting ebenso:

finis hat Folgendes geschrieben:
Nein. Das "arbeitete" passt, weil die beiden  Handlungsabläufe gleichzeitig zu einander ablaufen. Plusquamperfekt würde hier eine Vorzeitigkeit ausdrücken, aber das ist hier nicht der Fall. Nur weil sie sich getrennt haben, hat sie nicht aufgehört bei den Zeitungen zu arbeiten.


Das ist nämlich die Frage, ob die beendete Beziehung in der Vergangenheit liegt und ob Herrman weiß, was seine Frau gerade tut. Dann ist die Frau mit der er anfangs telefoniert, seine Ex. Aber das ging für mich nicht klar hervor, weil der Text ja einiges in der Schwebe lässt.

Mit dem Satz ist es auch etwas schwierig.

finis hat Folgendes geschrieben:
Hin und wieder kaufte er sich sogar eine Zeitung, obwohl er vehement die Meinung vertrat, Zeitungen verbreiteten nichts als Lügen und seien ein Medium, um die Leute aufzuhetzen, eine Ansicht, die maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass seine Ex-Frau als Journalistin bei immer wieder unterschiedlichen Zeitungen arbeitete, sodass er vollkommen den Überblick verloren hatte, welche Zeitung er nicht kaufen wollte.


Er impliziert mehreres gleichzeitig. Herrman denkt, Zeitungen verbreiten generell Lügen, warum er sie nicht lesen sollte. Und, er will keine Zeitung lesen, bei welcher seine Frau arbeitet und gearbeitet hatte. Eine etwas verschwommene dritte Implikation ist: Herrman mag keine Zeitungen mehr lesen, seit seine Frau sich von ihm getrennt hat.
Das zusammen macht die PQP-Frage etwas kompliziert. Vielleicht könnte man daraus zwei Sätze machen?

Mit den Füllwörtern: Ist Auffassungssache. Habe hier mal ein paar unterstrichen, die aber nicht alle wegmüssten.

Ja schade, dein Text hätte m.Mn. eine bessere Platzierung verdient.

LG
Mardii


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Ridickully
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Beitrag09.10.2013 20:58

von finis
Antworten mit Zitat

Liebe Mardii,

Entschuldige bitte die späte Antwort, aber ich musste das erstmal mit Herrman gründlich durchdiskutieren (es geht ja um seine Wahrheit, nicht um meine).

Herrman ist noch nicht so alt, zumindest in dem Alter, in dem man noch ganz normal zur Arbeit geht, keine Rente oder ähnliches bevorsteht. Ebenso seine Ex-Frau. Demnach ist davon auszugehen, dass sie noch arbeitet.
Und ist es nicht immer so, dass man von-wem-auch-immer Informationen bekommt, die man eigentlich gar nicht haben wollte? Kollegen zum Beispiel.
Sagt Kollege Schubert zu Kollege Niehr: "Du, ich hab neulich gesehen, ja, die Annelies, die arbeitet jetzt bei der FAZ." Sagt der Niehr: "Wusste ich ja noch gar nicht." Wollte er zwar auch nicht wissen, aber das kann er ja nicht sagen.
Also: Herrman weiß irgendwie schon, dass sie noch arbeitet. Er weiß aber nicht wo und kauft deshalb lieber gar keine Zeitung.

Ob sie die Frau am Telefon ist, bleibt ganz Dir überlassen, das heißt dem Leser. (Jedem seine eigene Wahrheit. Der Text basiert gewissermaßen auf den Leerstellen. Vielleicht ist es auch deshalb so schwierig, ihn zu erklären. Jedenfalls für mich.)

Zitat:
Das zusammen macht die PQP-Frage etwas kompliziert. Vielleicht könnte man daraus zwei Sätze machen?

Wäre wohl ratsam, das war auch hier einfach zu viel gewollt, nehme ich an. Ich neige dazu, viel zu lange Sätze zu machen, ohne Punkt, aber mit ganz viel Komma (aber auch davon zu wenig).

Füllwörter: Verstanden. Klopfe die Wörter jetzt nochmal sorgfältiger auf ihren Sinngehalt ab, da können sicherlich noch welche raus.

Danke. Ob verdient, weiß ich nicht. Gefreut hätte ich mich natürlich. Gelernt habe ich trotzdem (deswegen?) so einiges.

Vielen Dank für Deine Rückmeldung!
Lieben Gruß
finis


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"Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky)
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anderswolf
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Beitrag30.10.2013 15:11

von anderswolf
Antworten mit Zitat

finis hat Folgendes geschrieben:
Lieber anderswolf,

Dass Dir die Strommasten gefallen, freut mich.

Zitat:
Ansonsten schludernde Textführung, keine erkennbare innere Logik, irritierende Beschreibungen unnützer Charaktere und Situationen.

Das mit der schludernden Textführung musst Du mir erklären, ich habe diesen Text bewusst (!) konstruiert. Und die Wertung "unnütz" bezieht sich auf welche Charaktere und Situationen?
Schade, dass für Dich keine innere Logik erkennbar wird und der Text insgesamt irritierend wirkt.

Zitat:
Sicherlich interessante Grundidee, die sich allerdings zwischen den Tauben und Gleisen einfach verliert.

Was ist denn Deiner Meinung nach die Grundidee?

Danke fürs Lesen und kritische Hinterfragen.


Hallo finis,
vielen Dank fürs Hinterfragen meines Kommentars. Andererseits habe ich Dir ja auch nur eine dürftige Feder zukommen lassen, da ist ein Nachhaken eigentlich ja selbstverständlich. Insofern will ich mal versuchen, was ich bei Jennys Text schon gemacht habe, nämlich erklären, wieso ich was wie empfunden habe.
Der Umstand, dass ich mittlerweile andere Kommentare und vor allem Deine eigene Erklärung gelesen habe, verwischt einiges meines ursprünglichen Kommentars, insofern kann es sein, dass ich mir auch selbst widerspreche.

Zunächst aber noch:
Zitat:
Was ist denn Deiner Meinung nach die Grundidee?

Ich habe das Gefühl, dass da jemand sein gesamtes Leben hinterfragen muss, weil plötzlich alles weggebrochen ist. Aber er hinterfragt es nicht mit Worten, sondern mit all seiner Wahrnehmung, die ganz plötzlich, im Schließen der Tür hinter sich, anders wird. Ich finde das eine bemerkenswert wichtige Sache: ab und zu die eigene Wahrnehmung (oder deutlicher Wahr-Nehmung) zu hinterfragen und damit auch das Gefühl von: "Ist das, was ich tue, richtig? Und wenn ja, auch für mich?" Ich habe diesen Gedanken oft, und wahrscheinlich sprach es mich deswegen an. Allerdings war ich dann, wie geschrieben, enttäuscht davon, dass das, was ich zu erkennen glaubte, nicht weiter entwickelt wurde.

So. Jetzt aber zum Text. Wahrscheinlich wird dann deutlicher, was ich meine.

Zitat:
Querschnitt
Es fehlte ihm die Lust aufzustehen. Herrman Niehr war kein Mann der schnellen Entscheidungen und diese Lustlosigkeit drohte ihn zu überfordern. Eine Stunde später saß er am Küchentisch und starrte seinen gewohnten Kaffee an, die Katze saß  wie immer im Altpapierkarton und starrte ihn an.

An sich mag ich sowas. Diese Statik, Bewegungslosigkeit, das Fallen von Bild zu Bild. Gerade zur Beschreibung Herrmans innerer Bewegungslosigkeit passt das gut. Allerdings stören zwei schwierige Bezüge: 1. Entscheidungsschwäche ist keine Lustlosigkeit. Klar, "kein Mann der schnellen Entscheidungen" zu sein, muss kein Zeichen von Entscheidungsschwäche sein, ich lege es aber mal so aus, weil es meistens so ist. Ebenso klar, die Lustlosigkeit bezieht sich auf das Aufstehen. Dazu braucht es ja auch Lust und keine schnelle Entscheidung, sondern einzig und allein aufzubringenden Willen. Es ist an sich nicht falsch, es so auszudrücken, aber der Wechsel von Lustlosigkeit zu Entscheidungsschwäche und dann wieder zu Lustlosigkeit stolpert. Das meine ich beispielsweise mit "schludernde Textführung". 2. Die Katze. Sie "saß wie immer im Altpapierkarton und starrte ihn an." Wen starrte die Katze an? Rein grammatikalisch gesehen: den Karton. Dass es anders gemeint ist, ist mir schon klar, es ist aber unsauber formuliert.
Schön finde ich das Dazwischen. Dass es ohne Übergang eine Stunde später ist. Siehe oben: Diese Statik, Bewegungslosigkeit, das Fallen von Bild zu Bild.

Zitat:
Die Frau am Telefon: „Du hast mich all die Jahre immer belogen.“ Hysterisch. „Ich habe gar nichts gesagt“, dachte er. Schrieb „egal“ in den Staub auf dem Klavierdeckel.


Auch hier wieder toll: Fallen durch Bilder. Nicht so toll: In welchem Zusammenhang steht dieser Einschub? Wer ist die Frau? Was soll das, dass sie ihn anschreit? Warum ist das auch nur in irgendeiner Art und Weise wichtig? Ist diese Frau wichtig? Wenn es seine Exfrau ist: hat sie ihn nur angerufen, um ihm das entgegenzubrüllen? So wie ich manchmal aufstehe und mir denke, ich habe was seltsames geträumt, das muss ich jemandem erzählen, steht die Frau aus dämlichen Träumen auf, in denen sie sich offensichtlich mit den Ehejahren auseinandergesetzt hat, und den Frust darüber lässt sie bei Herrman ab?
Und so schön an sich die Auseinandersetzung oder vielmehr das Nicht-Einlassen auf den Vorwurf beschrieben ist:
Zitat:
„Ich habe gar nichts gesagt“, dachte er. Schrieb „egal“ in den Staub auf dem Klavierdeckel.
Es bleibt leider unklar, was das soll. Der Einschub wirkt, als solle er etwas demonstrieren, vielleicht dokumentieren, eine Facette zeigen, die aber niemand sehen muss. Vielleicht sollte sie einen Charakterzug Herrmans zeigen, als Leser spüre ich da aber höchstens die Konstruktion und nicht den Charakter.
Und dass die Frau hysterisch war, käme wahrscheinlich auch ohne die Erklärung durch. Und selbst wenn nicht: die Bewertung der Randfigur durch den Erzähler enthebt den Leser der Eigenwahrnehmung, es nimmt mehr als es gibt. Insofern plädiere ich für: weglassen.

Zitat:
Als er die Haustür hinter sich schloss, fragte er sich, ob dieser Morgen anders sein könnte als andere, weil er sich nicht entschließen konnte aufzustehen, aber er fand keine Worte.

Bis eben hatte ich das Gefühl, Herrman sei immer schon ein Mann der nicht-so-schnellen Entscheidungen gewesen. Jetzt erfahre ich, dass das unlustige Aufstehen für Herrman eine Ausnahme darstellt. Jetzt plötzlich wird Herrman, der Staub auf dem Klavier und eine Katze im Altpapierkarton sitzen hat, plötzlich zu einem Pedanten (was durch die später angesprochene Manierertheit noch verstärkt wird). Allein schon späteres Aufstehen lässt ihn denken, er breche schon aus seinem Alltag aus. Ich finde diese beiden Beschreibungen nicht unbedingt irreführend, aber doch immerhin konterkarierend. Es ergibt sich kein klares Bild von Herrman, was bei einem irgendwie ja doch festgefahrenen Menschen einfacher sein sollte.
Der größere Haken an dem Satz ist aber: "er fand keine Worte." Fand er keine Antwort auf seine Frage? Das müsste dann da stehen auch auf die Gefahr der Wiederholung "fragte" - "Frage" hin. Oder aber man müsste den Halbsatz weglassen, so ergibt das nämlich keinen Sinn. Herrman muss sich ja niemandem erklären direkt an der Haustür. Er muss also auch keine Worte finden, noch nicht mal für sich selbst.
Der größte Haken allerdings ist der Zeitenfehler, denn es müsste heißen: "weil er sich nicht hatte entschließen können aufzustehen." Immerhin steht er ja jetzt vor der Haustür und liegt nicht mehr im Bett. Gleichzeitigkeit ist da fehl am Platze.

Zitat:
Der Putz an der Hauswand bröckelte ab, auf der Schwelle klebte Vogelschiss und Herrman Niehr hasste es, zu spät zu kommen.

Auch hier frage ich mich: wo will der Text hin mit mir? Soll die äußerliche Beschreibung von Gegenständen, also des Hausputzes und der beschissenen Türschwelle, als Kontrast dienen bei der Darstellung von Herrmans Innenleben? Oder sollen Putz und Scheiße für Dinge stehen, die Herrman eben auch hasst, wie er es hasst zu spät zu kommen? Oder sind es nur Beobachtungen, die zwischen Außen und Innen fallen? Auch hier drängt sich mir der Gedanke "schludernde Textführung" auf, was sich hier aber auch auf die Personenführung auswirkt. Es fällt mir schwer, das zu dem Bild hinzuzufügen, das ich bislang von Herrman bekommen sollte.

Zitat:
Sein Vorgesetzter war zweifellos ein intelligenter Mann, denn er sagte agendo discere anstatt learning by doing und trug eine diskret-rahmenlose Brille auf der Nasenspitze, darin lag aber vielleicht auch die Fähigkeit, sich mit höchst unangenehmen Folgen über die kleinsten Vergehen seiner Angestellten zu ärgern, vor allem derer, die er nicht besonders schätzte – ein Empfinden, das im Falle Herrman Niehrs auf Gegenseitigkeit beruhte.

Dieser Satz weist gleich mehrere meiner Einwände gegen Deinen Text auf. Beginnen wir mit dem bruchlosen Anschluss an den Satz davor. Herrman hasst es also, zu spät zu kommen. Dann erfahren wir etwas über seinen Vorgesetzten: jener sei ein überhebliches Arschloch, das keine Gelegenheit ausließe, um anderen eines reinzuwürgen. So weit so gut. Allerdings ist der Satz so lang, dass ich am Ende vergessen habe, dass es im vorigen Satz darum ging, dass Herrman es hasst zu spät zu kommen. Dachte ich da noch, es sei Herrmans Pedanterie geschuldet, dass er nicht zu spät kommen wolle, bekomme ich nach dem Grübeln, warum wir direkt von Putz und Vogelscheiße zum aufgeblasenen Arschloch kommen, plötzlich den Eindruck, Herrman, dem es eigentlich doch egal ist, dass sich keiner für seine Wahrheiten interessiert, habe Angst vor seinem Vorgesetzten. Warum muss dazu der Blick vollkommen von Herrman weggeführt werden? Könnte nicht bspw. mittels eines einleitenden Wortes wie "denn" der Leser erfahren, dass die folgende Beschreibung eine Erklärung ist?
Oder könnte man sich den Vorgesetzten nicht eigentlich auch sparen? Er ist nämlich einer jener unnützen Charaktere (wie schon die Frau am Telefon). Seine Beschreibung erhellt nichts, wenn er nach diesem einen Satz nie wieder gebraucht wird (ja, ich weiß, dass er später nochmal kommt, um Nietzsche zu zitieren, aber auch da trägt er nichts zur Geschichte bei). Klar, man könnte einwenden, dass durch das agendo discere und das Erkennen eines Nietzsche-Zitats deutlich werden soll, dass auch Herrman nicht ungebildet ist und beides erkennen und übersetzen kann. Wäre dieser Charakterzug nicht unnütz. Welchen Unterschied macht es, wenn Herrman Latein übersetzen kann und Nietzsche kennt? Lustlosigkeit und Entscheidungsschwäche sind davon unabhängig, man braucht keinen besonderen Bildungsstand, um zu erkennen, dass man irgendwann aus seinem Leben ausbrechen muss.
Und - nebenbei gefragt - was ist eine "diskret-rahmenlose Brille"?

Hier habe ich eine Bearbeitungspause einlegen müssen, deswegen kann es sein, dass die folgenden Ausführungen nicht mehr so ganz kohärent mit dem vorigen sind.

Zitat:
Auf dem Autodach saß die Katze, eine tote Taube zwischen den Pfoten. Der Spaziergänger nebenan ging vorbei. Überall hingen Federn, jedenfalls hatte es für Herrman den Anschein, während der Spaziergänger offenbar überhaupt nichts sah. Er wischte die Federn fort, nur aus seinem Blickfeld, verjagte die Katze, deren Schnurrbarthaare seltsam zitterten, wie elektrisiert.

Ganz schwieriger Absatz.
Dass unklar ist, ob es die selbe oder eine andere Katze ist, wurde ja von anderen schon bemängelt. Da sie in der Zeit, die Herrman gebraucht hat, um vom Tisch zur Tür zu kommen, schon eine Taube gefangen hat, deutet darauf hin, dass sie vor ihm rausgegangen ist. Genauso gut könnte die Katze aber auch vollkommen imaginär sein.
Wo sitzt die Katze? Auf dem Autodach. Auf dem Dach des Autos wie sie auch auf dem Dach der Welt sitzen könnte, es gibt nur eines. Oder gibt es mehr Autos? Gibt es am Ende mehrere Autodächer? Aber auf welchem sitzt dann die Katze?
Hat die Katze die Taube zwischen den Pfoten, während sie sitzt? Macht die Katze also Männchen und präsentiert die Taube zwischen Pfoten? Oder hat sie die Taube vielleicht eher unter den Pfoten und stützt sich gewissermaßen darauf ab?
Ging der Spaziergänger vorbei? Also der eine, der wie die Kanzlerin aus Film, Funk und Fernsehen bekannt ist? Und wo nebenan ist der Spaziergänger? Ist es der Nachbar, der sich heute als Spaziergänger verkleidet hat? Oder ist es einfach ein Spaziergänger, der an Herrman, dem Auto, der Katze und der vollkommen zerfledderten Taube vorbei geht ohne Notiz zu nehmen? Das ist sicherlich gemeint damit, dass "der Spaziergänger offenbar überhaupt nichts sah". So wie es da allerdings steht, tastet sich der Spaziergänger über Straße und Gehweg und läuft vielleicht ab und an gegen eine Straßenlaterne.
Im folgenden Satz wird dann klar, was mit "überall hingen Federn" gemeint ist: Alles ist wie tapeziert mit Federn, auch die Menschen offensichtlich, denn Herrman muss sie sich sogar aus dem Blickfeld wischen, von der Brille wahrscheinlich oder von den ungeschützten Augen. Wahrscheinlich würde Herrman sie sogar in seiner Unterwäsche finden, so viele Federn hängen überall.
Mal vom Bezugsfehler abgesehen. Derjenige, der die Federn wegwischt, ist vom grammatikalischen Bezug her der Spaziergänger, der ja nichts sieht, insofern ist es vielleicht sinnvoll, dass er sich die Federn aus dem Blickfeld wischt.
Und schließlich verjagt er "die Katze, deren Schnurrbarthaare seltsam zitterten, wie elektrisiert." Da könnte man, wenn man so pedantisch wäre wie ich, klarer darstellen, dass es die Schnurrbarthaare sind, die wie elektrisiert zitterten, und dass Herrman nicht etwa die Katze wie elektrisiert verjagt. Beispielsweise so: "verjagte die Katze, deren Schnurrbarthaare seltsam, wie elektrisiert zitterten." Oder aber man lässt das aussagelose, weil beliebige Wort "seltsam" einfach weg.
Der ganze Absatz ist unsauber formuliert. Das beispielsweise meine ich mit "schludernder Textführung".

Zitat:
Im Büro nannten sie ihn nur den Manierierten, was wohl, wenn auch mehr aus einem Gefühl heraus als durch besondere Beobachtungsgabe, mit seiner eigenwilligen Art sich das Haupthaar zu glätten zusammenhing.

An sich bin ich ein großer Fan von Fremdworten. Aber ganz ehrlich? Spitznamen müssen griffig sein, jeder muss sie auf Anhieb verstehen. Und wenn es sich bei dem Büro, in dem der Chef zwar lateinische Aphorismen und Nietzsche in seine Ansprachen einbaut, nicht gerade um eine Agentur für blasierte Kommunikation handelt, dann werden auch Büroangestellte nicht jemanden als "Maniererten" bezeichnen. Der folgende Einschub "wenn auch mehr aus einem Gefühl heraus als durch besondere Beobachtungsgabe" ist in seinem Bezug vollkommen unklar. Bezieht sich das auf die Kollegen, die ihn aus diesem Gefühl heraus so nennen oder ist es Herrmans Gefühl und nicht die besondere Beobachtungsgabe, die ihm ermöglichen zu erkennen, dass die Kollegen ihn aufgrund des Haarglättens so nennen? Wenn der Einschub die Annahme Herrmans ist, dann ist das "wohl" ausreichend, denn es beschreibt schon, dass es sich bei der danach folgenden Aussage um eine Annahme handelt.
Außerdem könnte man den Satz durch Umschieberei noch entstolpern: "was wohl (…) mit seiner eigenwilligen Art zusammenhing, sich das Haupthaar zu glätten."
Gut, dass gleich noch geklärt wird, was die eigenwillige Art des Haarglättens ist.
Zitat:
Auch jetzt, da von dem ehemals üppigen Haar nichts mehr zu sehen war, hatte er die seltsam eitle Angewohnheit sich über den nackten, asketischen Schädel – auf dem die Haut so sehr spannte, dass die Schädelplatten markant hervorstachen – zu streichen beibehalten.

Blöd nur, dass da gar keine Haare zum Glätten mehr da sind. Die Geste an sich kann man ja trotzdem beschreiben, es muss dann aber oben zeitlich angepasst werden. Denn er streicht sich ja das Haar nicht mehr glatt, sondern fährt sich mittlerweile über die Glatze. Entweder hat der Spitzname  sich eingebürgert, als Herrman noch Haar hatte, oder aber die Information mit den Haaren ist so, wie sie da steht, überflüssig. Egal wie, besser wäre vielleicht gewesen zu schreiben: "was wohl (…) mit der eitlen Art zusammenhing, wie Herrman sich - als wolle er üppiges Haar glätten - gelegentlich über den nackten, asketischen Schädel strich, auf dem die Haut mittlerweile so sehr spannte, dass die Schädelplatten markant hervorstachen." Ja, ist auch nicht perfekt, aber vielleicht wird klar, was ich meine. Die Gewichtung der beschriebenen Merkmale sollte stimmen und stimmig sein.
Mal davon abgesehen, dass da schon wieder ein "seltsam" war. Raus damit wegen s. o.

Zitat:
Auch die erstaunlich fleischigen und behaarten Hände fielen in ihrer Plumpheit kaum auf, wenn man ihm begegnete, er verstand es, sie grazil zur Geltung zu bringen, man hielt sie unwillkürlich für fein gestaltet.

Niemandem fällt auf, was für Pranken Herrman hat, weil er sie so grazil präsentiert, dass sie fein aussehen? Na meinetwegen.
Wie bringt man etwas grazil zur Geltung? Indem man sich dürre Damen von QVC ausleiht? Keine Ahnung, wie das aussehen soll.
Wer hat Herrmans Hände so fein gestaltet? Solange Herrman keine Hände aus Porzellan hat, handelt es sich um feingliedrige Hände, denn "fein gestaltet" bezeichnet immer ein Kunstwerk.
Vor allem aber frage ich mich: was soll diese Beschreibung? Sollen seine fleischigen Hände beschrieben werden, Herrmans grazile Präsentation oder etwa, dass keiner merkt, wie grobschlächtig er eigentlich ist? Und ist das tatsächlich so? Ist Herrman ein graziler Klops oder denkt er das nur von sich? Soll diese in ihrer Intention unklare Beschreibung dazu dienen, die Differenz zwischen Innen- und Außenwahrnehmung zu beleuchten? Wenn ja, muss das deutlicher sein.

Zitat:
Es war tatsächlich schwer zu ermessen, ob dies seiner Eitelkeit oder dem verzweifelten Versuch autarke Schönheit zu schaffen anzulasten war, Herrman Niehr wusste es schließlich selbst nicht, und vielleicht lag in dieser vermeintlichen Eitelkeit auch der Grund für die unterschwellige Abneigung seiner Kollegen ihm gegenüber, die den Kontakt mit ihm vermieden oder – im Falle seines Vorgesetzten – ihn mit hochgezogener Augenbraue und einem Nietzschezitat zugleich begrüßten und wieder entließen.

Autarke Schönheit.
Who the fuck is Alice?
Autarkie betrifft immer Systeme, bezeichnet Selbstgenügsamkeit, Selbstversorgung. Schönheit, die sich aus sich selbst speist? Schönheit als selbstreferentielles Merkmal? Oder ist damit gemeint, dass diese Schönheit, die Herrman da verzweifelt zu erschaffen sucht, außerhalb der grundsätzlichen Relativität von Schönheit anzusiedeln ist, die besagt, dass Schönheit im Auge des Betrachters entsteht und sich also für jeden anders ausdrückt? Oder versucht Herrman die Schönheit, von der er weiß, dass sie in ihm selbst liegt, für sich selbst wahr werden zu lassen? Und wie schafft er diese autarke Schönheit? Indem er sich über den Kopf streicht und seine Hände grazil zur Geltung bringt. Soso.

Der Rest des Satzes ist eine Katastrophe.
Worauf bezieht sich beispielsweise "dies" (aus "Es war tatsächlich schwer zu ermessen, ob dies seiner Eitelkeit oder dem verzweifelten Versuch autarke Schönheit zu schaffen anzulasten war")? Ich kann mich nicht entscheiden, ob es sich auf den Umstand bezieht, dass alle Welt Herrmans Hände für feingliedrig hält, oder auf die Art, wie Herrman seine Hände grazil zur Geltung bringt.
Warum steht "Herrman Niehr wusste es schließlich selbst nicht" mitten in diesem Satzmonster? Warum steht es da überhaupt, warum begnügt man sich nicht mit einem "selbst für Herrman" im Satzanfang: "Es war selbst für Herrman schwer zu ermessen..." Auf Füllworte wie "tatsächlich" oder "schließlich" würde ich verzichten, da sie  anders als das folgende "vielleicht" keine sichtbare Funktion haben.
Mit "dieser vermeintlichen Eitelkeit" dürfte eigentlich "Herrman Niehr wusste es schließlich selbst nicht" adressiert werden, denn das ist grammatikalisch der gültige Bezug, sonst hätte man die beiden Satzteile ja nicht mit einem "und" verbinden müssen. Ignoranz kann dummerweise auch ein eitler Zug sein, insofern ergäbe es sogar irgendwie Sinn. Dass es nicht so gemeint ist, ist irgendwie auch klar, aber eben auch nur irgendwie. Sätze, bei  denen man davon ausgehen muss, dass der Leser schon irgendwie ihren Inhalt erschließt, sind nicht wünschenswert für den Autoren.
Dass die Abneigung "unterschwellig" ist, würde ich mal für schlecht beobachtet halten, wenn die Kollegen ihn mobben und meiden. Die Grammatik des der Abneigung folgenden Relativsatzes ist irreführend. Denn die Kollegen meiden ihn, der Vorgesetzte begrüßt und entlässt ihn. Der Grammatik des Satzes folgend müssten es auch die Kollegen sein, die ihn begrüßen und entlassen. Es hängt nur an dem "ihn" hinter der Parenthese, dass der Leser nicht das Gefühl haben muss, die Kollegen würden den Vorgesetzten mit Augenbraue und Nietzschezitat begrüßen und entlassen.
Und der Vorgesetzte? Zieht die Braue hoch und hält Nietzschezitate zur Begrüßung bereit. Welches? Nietzsche hat viel gesagt: "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Oder: "Welches Kind hätte nicht Grund, über seine Eltern zu weinen?" Oder: "Wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, ist ein Sklave." Nochmals stellt sich mir die Frage: Welche Relevanz hat der Vorgesetzte für die Geschichte? Und ist mit der Entlassung gewissermaßen das Ende einer Audienz gemeint oder ist die Entlassung die Folge des Zuspätkommens? Wahrscheinlich ersteres, aber kann man sich sicher sein an diesem Tag, da für Herrman einfach alles anders ist?

Zitat:
Manchmal ging Herrman Niehr durch die städtischen Straßen

Und nicht etwa über die Landstraßen, wie es all die coolen Kids von heute tun.

Zitat:
[In allen Reklamen 10:10 Uhr. Wehendes Haar, überschlagene Knie summieren sich auf zur Steigerung der Begierde. Ein Kinofilm. Ein Pflastermaler vor der Bushaltestelle: zweihundertfach dasselbe Motiv. Gebäude wie glattpolierte Metallschränke. Attention – Interest – Desire – Action.  Träume hinter Gittern. Ein Kondomat.  Strommasten, die Arme quer über den gegenläufigen Straßenbahngleisen ausgebreitet. Menschen. Autos fahren aneinander vorbei. ]

Schön. Also die knappe Wiedergabe von Eindrücken, die Herrman hat. Schräge Bilder dabei wie die sich zu Begierde summierenden überschlagenen Knie, nicht etwa übergeschlagenen Beine. Wobei es schon wieder fast witzig ist, dass die Knie erst überschlagen und dann summiert werden. Aber eben auch schöne Bilder wie die Metallschrank-Gebäude oder die Arme der Strommasten.

Zitat:
und dachte darüber nach, ob ihn jemand betrachtete, hin und wieder genoss er es auch, einer unter vielen zu sein;

Üblicherweise fühlt man sich ja beobachtet und nicht betrachtet, aber sei's drum. Schlimmer finde ich es, nicht zu wissen, ob das nachfolgende, mit "hin und wieder" eingeleitete Satzstück einen Bezug zum vorigen hat. Ich schwanke. Denn einerseits denke ich, er wünscht sich vielleicht eine Beobachtung durch andere, was ihn irgendwie ja auch zu einem unter vielen Beobachteten macht. Andererseits denke ich, dass das ja gar keinen richtigen Sinn ergibt, auch wenn es im Satzzusammenhang da so steht. Also würde er sich dann eben wünschen, dass ihn keiner beobachtet, damit er in der Masse der Vielen einfach untergehen kann. Ein erklärendes "denn" oder ein widersprechendes "doch" hülfen hier.

Zitat:
bei schönem Wetter war er einsam, dann spazierten überall die Paare entlang, bei Regen war er auch einsam, aber es war weniger offensichtlich.

Schön. Wirklich.

Zitat:
Hin und wieder kaufte er sich sogar eine Zeitung, obwohl er vehement die Meinung vertrat, Zeitungen verbreiteten nichts als Lügen und seien ein Medium, um die Leute aufzuhetzen, eine Ansicht, die maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass seine Ex-Frau als Journalistin bei immer wieder unterschiedlichen Zeitungen arbeitete, sodass er vollkommen den Überblick verloren hatte, welche Zeitung er nicht kaufen wollte.

Da der gelegentliche Zeitungskauf ja nichts mehr mit den Spaziergängen zu tun hat, würde ich ihn nochmals durch eine Leerzeile vom vorigen Absatz abtrennen. Es geht hier ja um die Beschreibung von Herrmans üblichen Gewohnheiten. Nehme ich zumindest an. Wobei man sich da ja nicht so sicher sein kann, anfangs gab es ja noch mal eine Handlung, die zeigen wollte, wie Herrman aus seinem eingefahrenen Leben ausbrechen wollte, aber dieser Zug ist ja dann aufs Abstellgleis gelandet.
Ansonsten finde ich den Zeitungsabsatz in sich sogar mal schlüssig und irgendwie auch witzig. Ich weiß zwar nicht, wie leicht man als Journalist von einer Zeitung zur einer anderen mit dem gleichen Absatzmarkt wechseln kann, aber auch hier: sei's drum. Allein schon der Gedanke, dass er keine Zeitung mehr kaufen mag aus Angst, irgendwo dem Namen oder gar dem Bild seiner Ex-Frau zu begegnen, ist nett. Zeigt zwar, dass sie ihm nicht wirklich so egal ist, wie er es auf das staubige Klavier gemalt hat, aber: egal.

Hier kommt gleich der Bruch. Der Erzähler verlässt Herrman und wechselt zu Martha. Erst beim zweiten Lesen habe ich erkannt, dass die beiden tatsächlich nichts miteinander zu tun haben außer ihre Anwesenheit in einem Betrachtungskosmos. Die Figur Hermann bleibt einfach zurück, irgendwo, vielleicht spazierend, vielleicht eine Zeitung kaufend, vielleicht aber auch immer noch vor der Haustür, die Federn wegwischend. Vielleicht auch, vielleicht aber auch nicht. Es wirkt, als hätte der Autor die Lust an der Figur verloren, als wäre die bisher erzählte Geschichte eigentlich egal.
Ich habe das beim ersten, beim zweiten und beim dritten Mal so verspürt. Danach habe ich es nicht noch mal gelesen, erst jetzt, beim kommentierenden Lesen wieder. Und wieder habe ich das Gefühl, ich habe mich übermäßig lange mit dem uninteressanten Herrn mit der Glatze und den Fleischerhänden befasst, den ich erst ganz am Ende wiedersehe, wo ich fast alles über ihn schon wieder vergessen habe, so irrelevant war es.

Zitat:
Am Bahnhof hingen Kabel über den Gleisen, Strommasten streckten ihre Arme aus, boten den entgegenkommenden Zügen die Stirn. Martha sah in ihnen einen Rahmen, den sie um die Gleise herum zogen. „Die Züge fahren hindurch und mit ihnen alle Geschichten der Menschen darin.

Das ist sehr schön beschrieben.

Zitat:
Eigentlich müsste man sehen, wie sie in der Luft flimmern, wirklich sichtbar werden.“Als Kind hatte sie immer daran geglaubt und sie sprach auch später noch oft davon, um es sich selbst zu versichern.

Wer müsste flimmern und sichtbar werden? Intendiert sind sicherlich die Geschichten. Es könnten aber auch die Menschen, die Züge, die Gleise, die Masten oder die Kabel sein. Naja, ok. Außer den Geschichten nur noch die Menschen. Beim Lesen flimmerten aber als erstes die Züge vor meinem inneren Auge.
Ob Kinder sowas wirklich glauben, weiß ich nicht. Das mit den Geschichten in den Menschen in den Zügen sicherlich, aber dass diese Geschichten in der Luft flimmern müssten (wo eigentlich? Direkt neben dem Zug? Darüber? Da, wo der Zug eben noch stand?), das muss ziemlich Martha-spezifisch sein.
Und sprach sie wirklich davon oder sagte sie es zu sich selbst? Mit wem sprach sie sonst, wo sie sich doch von allen fernhielt (wie man gleich erfährt).
Ansonsten würde ich ein "wie " einfügen: "wie um es sich selbst zu versichern." Das drückt besser aus, was wahrscheinlich gemeint ist, dass sie nämlich immer daran glaubt, es aber auch immer wieder sagt. Ohne das "wie" könnte man denken, sie falle immer mal wieder vom Glauben an ihre eigenen Wahrheiten ab und sage sich dann ihre zwei Sätzchen vor, um sich selbst wieder zu überzeugen.

Pause.

Zitat:
Sie war der Meinung jeder hielte sie für verrückt, selbst Herrman; zunächst empfand sie dies stets als eine Beleidigung und manchmal versuchte sie nicht daran zu glauben. Stattdessen fütterte sie die Tauben und sprach mit sich selbst, zerhackte Fragmente sprach sie und mit niemandem sonst, weil – so meinte sie – nur sie wusste, wovon sie redete.


Kennt sie Herrman? Kennt Herrman sie? Wenn sie ihn nicht kennt, warum sollte Herrman dann eine Ausnahme sein, so auffällig kann er ja nicht sein. Wenn sie ihn kennt, warum sollte dann "selbst Herrman" für verrückt halten? Es ist doch gerade Herrman, der so normal wie möglich sein will (bis er eben an jenem Tag, da er zu spät aufstand, rebellierte).
Die Kombination von "stets" und "zunächst" im folgenden Satz irritiert: Ist Martha jedes Mal aufs Neue irritiert, wenn sie von einem Menschen für verrückt gehalten wird? Oder ging ihr das nur am Anfang so, wie ich eigentlich mal annehmen würde. Immerhin interessiert sich Martha ja nicht für die Anderen, sie redet mit sich und vielleicht noch mit den Vögeln. So, wie es da steht, klingt es aber so, als sei Martha jedes Mal wieder davon überrascht, dass man sie für verrückt hält. Und ich frage mich, ob es nicht "manchmal versuchte sie, nicht daran zu denken" heißen müsste, dann ergäbe auch das anschließende "Stattdessen" mehr Sinn, da "denken" eher eine Tätigkeit als "glauben" darstellt und das Taubenfüttern und Mit-sich-selbst-Sprechen dann tatsächlich dazu kontrastierende Tätigkeiten sein können.
"Zerhackte Fragmente" ist ein Pleonasmus, kann verkürzt werden. Vor allem aber würde ich "in Fragmenten sprach sie" schreiben, dann klingt der Anschluss "und mit niemandem sonst" nicht wie ein Grammatikfehler. Außerdem wäre dann in der Parenthese ein "glauben" angebracht. Martha bringt ja hier nicht ihre änderbare Meinung zum Ausdruck, sondern einen starken Glauben, eine feste Überzeugung.

Zitat:
An schönen Tagen ging Martha durch die Stadt,

[Kopfsteinpflaster. Stuckverzierte Hauswände. Auf einer Fassade die Großaufschrift 1903. Eisschleckende kleine Mädchen. Tauben. Ein Häkelgeschäft. Vogelscheiße auf der Rathaustreppe. Blumen an den Straßenlaternen. Ein Café. Streunende Hunde. Straßenbahnen, vorbeiratternd, in ihnen Menschen miteinander, alle gemeinsam in den Straßenbahnwaggons.]


Wie oben: schön, die knappe Aneinanderreihung oberflächlicher Eindrücke. Wie man es eben hat, wenn man durch die Stadt geht und Dinge sieht.
Nur was ist ein Häkelgeschäft? Gibt es Läden nur für Häkelbedarf?
Und: Das mit den Menschen in den Waggons… Das soll sicherlich irgendwie Marthas Einsamkeit unterstreichen. Wie sie eben nicht gemeinsam oder miteinander mit anderen Menschen ist. Für mich liest sich das aber eher so, als kenne sie das eher nicht, dass alle Menschen, die die Straßenbahn nehmen, gemeinsam im Waggon sitzen, sondern als müssten zumindest einige eigentlich auf dem Dach sitzen.

Zitat:
sonst saß sie am Bahnhof und wartete auf den Zug.

Auf welchen? Der Leser weiß ja jetzt schon, dass es viele Züge an diesem Bahnhof gibt, es wurde ja schon beschrieben, wie sie ein- und ausfahren, in ihnen die flimmernden Menschen.  

Zitat:
Die Menschen stiegen ein und aus, sie legte die knochigen Hände in den Schoß, es gefiel ihr am Knotenpunkt unterschiedlichster Geschichten zu sitzen, die sie nicht kannte, ein Bild entstehen zu sehen.

Der letzte Halbsatz fällt ohne Bezug aus dem Lesefluss. Klar, er gehört noch zu "es gefiel ihr", allerdings stört der dazwischenliegende Relativsatz die Verbindung.

Zitat:
Dabei fiel sie nur den wenigsten Menschen auf, die sie kurz darauf wieder vergaßen.

Das ist ähnlich der ebenso beliebten wie falschen Naidoo-Einschränkung, bekannt aus Sätzen wie "Ich bin einer der letzten, der um Dich weint."
Im Beispielsatz von Naidoo soll gesagt werden, dass der Sprecher noch bis ganz zum Schluss weint, tatsächlich wird gesagt, dass er einer von denen ist, die als Letzte mit dem Weinen beginnen. Soll eigentlich gezeigt werden, dass die Trauer so groß ist, dass das Weinen eigentlich kein Ende kennen dürfte, wird tatsächlich dargestellt, dass die Trauer über den Verlust der beweinten Person nicht wirklich groß ist.
Im vorliegenden Fall des Wettbewerbtextes erscheint sie in einer Variante, die nicht ganz so grammatikalisch falsch, aber gleichermaßen sinnverstellend ist. Die Naidoo-Einschränkung erzeugt hier den Eindruck, dass Martha nur einem Bruchteil jener Menschen auffällt, die sie wieder vergaßen. Die anderen Menschen, die Martha vergaßen, ist sie vorher gar nicht aufgefallen. Das mag so unlogisch klingen, wie es ist, tatsächlich ist es sogar äußerst paradox. Eigentlich müsste es heißen: "Dabei fiel sie nur den wenigsten Menschen auf, und selbst diese vergaßen sie kurz danach wieder."

Zitat:
Martha war keine Person, die sich leicht in die Gedankenströme einfügte, ihrem Wesen  schienen die Widerhaken zu fehlen, mit denen man sich im Gedächtnis festhakt, und so streifte sie nur nebenbei Gedanken und Hirnwindungen, blieb Außen.

Schöne Beschreibung, die Haken müssten allerdings keine Widerhaken sein, um sich festzuhaken. Die Wortwiederholung muss nicht sein. Am besten (und irgendwie auch am wenigsten) gefällt mir "blieb Außen". Ob es beabsichtigt war oder nicht, dass da "Außen" statt "außen vor" steht, ist relativ egal, denn so wie es da steht, wird sehr viel klarer, wie sehr Martha tatsächlich nicht dazugehört, denn sie ist nicht einfach abseits, sie ist wirklich außerhalb, immer außen vor, sie ist das personifizierte "Außen". Und das ist auch mein Problem damit, denn als personifiziertes "Außen" müsste sie auch überall sein, und dann wird es schon wieder schwieriger mit der Bildakzeptanz. Ich bin hin- und hergerissen, tendiere aber mehr dazu, es gut zu finden, wenngleich ich es fast für einen Zufall halte.

Zitat:
Ein paar Penner nannten sie Tante Emma und ein bisschen sah sie tatsächlich aus wie eine etwas schrullige, wenn auch noch sehr junge Tante Emma.

Ich habe keine Ahnung, wie eine alte oder eine junge Tante Emma aussieht. Das ist keine hilfreiche, daher eher schädliche Beschreibung.

Zitat:
Ihre Knochen waren kaum zu sehen,
Ich dachte, sie hat so knochige Hände?
Zitat:
nur an den Handgelenken bohrten sie sich durch die Haut hervor,
Ah, sie hat knochige Handgelenke. Warum stand das oben anders?
[quote]zwei eigenwillig zerbrechliche Hügel [/quote ] Wie sind denn Dinge eigenwillig zerbrechlich?
Zitat:
über die sich ihre papierartige Haut blätterte, die überall sonst an ihrem Körper Falten schlug.
Und hier hört meine Vorstellungskraft dann ganz auf. Ich glaube, dass sie ziemliche Schuppenflechte hat, außerdem hat sie Hautfalten überall, weil sie irgendwann mal sehr stark abgenommen hat. Irgendwie kann es das aber nicht sein.

Zitat:
Sie hatte eine Schwäche für die Romane von Charlotte und Emily Brontë, sie erzählte sich immer wieder, wie bald ein Heathcliff oder Mr. Rochester aus dem Zug steigen würde, nur um sie kennenzulernen. Die Tauben mochten dieses Märchenland nicht, in das sie entführt werden wollte, sie flogen immer davon, wenn sie davon anfing, die Penner lachten einmal, als sie es mitbekamen. Martha rupfte sich zerstreut an den fedrigen Haaren, dem unordentlichen Nest auf ihrem Kopf, und sagte nichts.

So sehr das stimmig sein mag, dass Martha Brontë-Geschichten mag, so ungünstig ist der Wechsel von Außen- zu Innenbeschreibung. Er wirkt wie zufällig, zusammenhanglos, eklektisch im schlechteren Sinn. Vor allem, wo ja vorher schon angesprochen wurde, dass Martha überwiegend mit sich selbst spricht, da hätte man ja schon erwähnen können, dass das einzig unfragmentarische, das Martha sagt, mit ihrem Aufstieg in das Brontë-Land zu tun hat.
Und à propos ungünstiger Wechsel: die folgenden Subjektwechsel sind störend, weil verwirrend. Sie mochten das nicht, sie wollte entführt werden, sie flogen davon, sie fing davon an. Klar, durch die Verbform wird schon deutlich, dass es sich immer um andere Subjekte handelt, mal die Tauben, mal Martha. Es behindert aber nicht nur den Lesefluss, ich bin durch diese Holperei auch genötigt, wirklich über diese Stelle nachzudenken, die keine innere Logik zu haben scheint. Warum interessiert es Tauben auch nur einen Schiss, wovon die Alte wieder faselt?
Und dann die Zeit. Die Penner hatten einmal gelacht, als sie es mitbekommen hatten, und Martha hatte zerstreut an ihren fedrigen Haaren gerupft und nichts gesagt. Wenn es nur einmal geschehen ist, ist es Vergangenheit und die Vergangenheit der Vergangenheit ist nun mal nicht Imperfekt, sondern Plusquamperfekt.

Zitat:
Manchmal strichen Katzen um ihre Beine und verjagten die Tauben. Dann schimpfte Martha wie ein Rohrspatz und schlug mit ihrem Regenschirm um sich, meistens half ihr daraufhin jemand, die Katze loszuwerden.

Wieso? Also ich frage wirklich: wieso sollte das jemand tun?

Zitat:
In diesen Fällen hoben sich Marthas Mundwinkel zu den Menschen hinauf,
Sehr schön.
Zitat:
ein Lächeln, das tief aus ihrem Brustkorb hervorgluckerte.
Nicht schön. Lungenödem.

Zitat:
Sie mochte keine Katzen. Herrman hatte sie gemocht.

Bezug. Hatte Herrman Martha gemocht oder die Katzen? Und was macht Herrman denn jetzt plötzlich wieder in der Geschichte? Kennen sich die beiden denn nun oder nicht?

Zitat:
Das Pamphlet mit Straßenkreide auf dem Bürgersteig: „Lass die Finger von den Tauben.“ Das Oder wurde großgeschrieben.

Ein Pamphlet ist an sich eine politisch-religiöse, vor allem aber polemische Streitschrift und nicht etwa einfach nur eine Warnung. Der zweite Satz ist nett. Nachdem ich ihn verstanden habe.

Und damit sind wir wieder bei Herrman. Das Martha-Intermezzo hat genauso unvermittelt geendet, wie es begonnen hat. War es eine Beobachtung, die Herrman auf seinem Spaziergang gemacht hat? Kann nicht sein, denn die Beobachtung hat ein auktorialer Erzähler gemacht. Einer, der Verallgemeinerungen über Martha machen kann und ihren Alltag kennt. Das kann Herrman nicht sein.

Zitat:
Herrman Niehr beschloss, nicht ins Büro zu gehen. Er begrub die Taube. Regenstaub hing in der Luft, als könne das Wetter sich nicht entscheiden, ob es nun regnen sollte oder nicht.
Er stand in seiner Wohnung, immer mehr Staub sammelte sich auf dem Klavierdeckel und die Katze saß im Altpapierkarton und starrte ihn an. Durch sein Spiegelbild im Fenster hindurch konnte er die Straßenbahnhaltestelle sehen und die Strommasten. Er meinte sogar, die Elektronen durch die Leitungen sirren hören zu können.


Regenstaub? Naja. In Herrmans Leben ist eh alles so verstaubt, warum nicht auch der Regen. Die Katze starrt immer noch den Altpapierkarton an. Warum ich den falschen Bezug noch mal anspreche? Weil er den ganzen Rest durchzieht, der sich genauso auf den Karton wie auf Herrman beziehen könnte. Und dann ist es eben der Karton, der durch sein Spiegelbild im Fenster die Elektronen zu hören glaubt. In diesem Satz passt das "meinte" übrigens". Anders als das "sogar", das in der Regel auf "mehr als sonst" hindeutet. Aber er hört ja sonst gar nichts.

Zitat:
Langsamkeit überrollte ihn. „Vielleicht“, dachte er, „liegt alles irgendwo dazwischen.“

Schöner Abschluss. Wenn man den letzten Satz einfach weglässt, der nichts erklärt, nichts illustriert, noch nicht mal irgendwie passt in seiner Beliebigkeit. Zumal er dem Satz, dem er folgt, jede Chance nimmt, nachzuhallen. Schade.

So. Vielleicht wirst Du mich jetzt hassen, finis. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich sehr rücksichtslos mit Deinem Text umgegangen bin. Andererseits nutzt falsche Rücksicht niemandem.
Ich will gleichzeitig aber betonen, dass meine Anmerkungen vielleicht auf einem falschen Verständnis Deines Textes fußen. Erst nachdem ich den Kommentar eines Anderen hier im Forum gelesen habe, Dein Text sei wie eine aufgeschnittener Kreis, dessen Schnittflächen man gegeneinander verschoben habe, habe ich ansatzweise die Komposition erkannt. Ich sage "ansatzweise", denn ganz nachvollziehen kann ich es immer noch nicht.  Das mag durchaus an mir liegen, vielleicht aber auch nicht. Entscheide selbst.
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finis
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Die lange Johanne in Bronze


F
Beitrag31.10.2013 01:25

von finis
Antworten mit Zitat

Lieber anderswolf,

Natürlich könnte ich jetzt losknatschen ("Er hat meinen Text nicht gelooobt"), aber das wäre Unsinn. Dein Kommentar hat mir die Augen geöffnet, wie blind ich meinem Text gegenüber gewesen bin und mittlerweile wundert es mich sogar, warum niemand sonst die falschen Bezüge bemängelt hat.
Natürlich habe ich Deinen Kommentar hinterfragt, durch die knappe Kommentierzeit konnte darin nur das Konzentrat stehen und weil ich mich ernsthaft mit meinen Texten auseinandersetze, hat mich natürlich das Warum interessiert, bei Deinem wie auch bei jedem anderen Kommentar. Ich schließe nicht kategorisch aus, dass das absoluter Mist ist, den ich produziere, aber ich will eben wissen, wo die Problemquellen liegen. Deshalb habe ich - selbstverständlich - nachgefragt. Und Du hast mit einem Kommentar geantwortet, der weitaus länger und ausführlicher ist, als ich es hätte erwarten können. Dafür bin ich Dir sehr, sehr dankbar, auch weil mir klar ist, wie viel Zeit und Arbeit dahinterstecken muss.
Wie könnte ich Dich also dafür hassen, dass Du so viel Mühe in meinen Text investiert hast? Natürlich hasse ich Dich nicht.
Falsche Rücksicht - da bin ich ganz Deiner Meinung - nützt niemandem und ist auch nicht zu erwarten. Weder hier im Forum noch sonst irgendwo. Ich bin Kritik gewohnt, ich bin auch harte und rücksichtslose Kritik gewohnt. Und ich bin nicht mehr vier Jahre alt, ich weiß, wie sehr gute, ehrliche, fundierte Kritik einen weiterbringen kann und deshalb kann ich nur wiederholen, dass ich Dir sehr dankbar bin.

Ich gehe Deinen Kommentar mal Schritt für Schritt mit:

anderswolf hat Folgendes geschrieben:

Ich habe das Gefühl, dass da jemand sein gesamtes Leben hinterfragen muss, weil plötzlich alles weggebrochen ist. Aber er hinterfragt es nicht mit Worten, sondern mit all seiner Wahrnehmung, die ganz plötzlich, im Schließen der Tür hinter sich, anders wird. Ich finde das eine bemerkenswert wichtige Sache: ab und zu die eigene Wahrnehmung (oder deutlicher Wahr-Nehmung) zu hinterfragen und damit auch das Gefühl von: "Ist das, was ich tue, richtig? Und wenn ja, auch für mich?" Ich habe diesen Gedanken oft, und wahrscheinlich sprach es mich deswegen an. Allerdings war ich dann, wie geschrieben, enttäuscht davon, dass das, was ich zu erkennen glaubte, nicht weiter entwickelt wurde.

Vielleicht wäre der Text mit dieser Idee besser gewesen als er ist. Die Idee, die ich hatte, ist im Grunde eine banale und vielleicht deshalb problematische. Ich wollte Querschnitte machen, einen in Marthas und einen in Herrmans Leben (d.h. zwei gegensätzlichen Personen), die sich an manchen Stellen berühren. Und der Text basiert gewissermaßen auf den Leerstellen, zum einen wegen der Querschnitte, weil eben nicht alles zu sehen sein kann, wenn man Querschnitte macht, zum anderen wegen des Themas. Ich hatte die Vorstellung, das jeder Leser dadurch vielleicht seinen eigenen Text zusammensetzen könnte, weil jeder Leser die Leerstellen auf seine Art füllen muss. Gleichzeitig ist der Text in seinen Absätzen gespiegelt und kann in der Mitte durchgeschnitten werden. Querschnitt.
Es ist offensichtlich, dass das nicht funktioniert hat und wahrscheinlich habe ich zu viel gewollt, das nicht deutlich geworden ist. Deine Gedanken bezüglich der Wahrnehmung gefallen mir sehr und sie hätten dem Text sicher gut getan. Er bleibt doch sehr flach...

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Querschnitt

Es fehlte ihm die Lust aufzustehen. Herrman Niehr war kein Mann der schnellen Entscheidungen und diese Lustlosigkeit drohte ihn zu überfordern. Eine Stunde später saß er am Küchentisch und starrte seinen gewohnten Kaffee an, die Katze saß wie immer im Altpapierkarton und starrte ihn an.


An sich mag ich sowas. Diese Statik, Bewegungslosigkeit, das Fallen von Bild zu Bild. Gerade zur Beschreibung Herrmans innerer Bewegungslosigkeit passt das gut. Allerdings stören zwei schwierige Bezüge: 1. Entscheidungsschwäche ist keine Lustlosigkeit. Klar, "kein Mann der schnellen Entscheidungen" zu sein, muss kein Zeichen von Entscheidungsschwäche sein, ich lege es aber mal so aus, weil es meistens so ist. Ebenso klar, die Lustlosigkeit bezieht sich auf das Aufstehen. Dazu braucht es ja auch Lust und keine schnelle Entscheidung, sondern einzig und allein aufzubringenden Willen. Es ist an sich nicht falsch, es so auszudrücken, aber der Wechsel von Lustlosigkeit zu Entscheidungsschwäche und dann wieder zu Lustlosigkeit stolpert. Das meine ich beispielsweise mit "schludernde Textführung". 2. Die Katze. Sie "saß wie immer im Altpapierkarton und starrte ihn an." Wen starrte die Katze an? Rein grammatikalisch gesehen: den Karton. Dass es anders gemeint ist, ist mir schon klar, es ist aber unsauber formuliert.
Schön finde ich das Dazwischen. Dass es ohne Übergang eine Stunde später ist. Siehe oben: Diese Statik, Bewegungslosigkeit, das Fallen von Bild zu Bild.

Es ging mir um die Entscheidung: gebe ich der Lustlosigkeit nach oder nicht? bringe ich den Willen auf oder nicht? Da hätten ein paar Worte sicher nicht geschadet - ja, ich verstehe jetzt, was Du mit schludernder Textführung meinst. Das war mir nur, als es so in Deinem ersten Kommentar stand, nicht klar: worauf sich das "Schludern" bezieht. Aber ja, ich habe es verstanden, und ja, Du hast recht. Gleiches gilt für die Katze im Altpapierkarton./Ich stelle fest, dass ich, dadurch, dass mir klar war, was ich meine, die ganzen Bezugsschwächen schlichtweg übersehen habe... also hier nochmal ein Danke für Dein genaues Lesen!

finis hat Folgendes geschrieben:
Die Frau am Telefeon usw.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Nicht so toll: In welchem Zusammenhang steht dieser Einschub? Wer ist die Frau? Was soll das, dass sie ihn anschreit? Warum ist das auch nur in irgendeiner Art und Weise wichtig? Ist diese Frau wichtig? Wenn es seine Exfrau ist: hat sie ihn nur angerufen, um ihm das entgegenzubrüllen? So wie ich manchmal aufstehe und mir denke, ich habe was seltsames geträumt, das muss ich jemandem erzählen, steht die Frau aus dämlichen Träumen auf, in denen sie sich offensichtlich mit den Ehejahren auseinandergesetzt hat, und den Frust darüber lässt sie bei Herrman ab?

Das ist genau das Problem, das ich oben schon angesprochen habe: die Leerstellen. Und: der Text ist nicht unbedingt linear. (Es könnte eine Erinnerung sein. Es könnte genau an dem morgen passieren. Es könnte am nächsten morgen passieren.) Er hat zu viele "vielleichts".
Ist die Frau wichtig, das Szenario? Für Herrman sicherlich. Ich habe versucht, einen Querschnitt aus seiner Lebenssituation zu ziehen. Was ist für ihn wichtig? Was sieht er? Womit beschäftigt er sich?
Ein nächstes Problem ist sicher, dass der Text zu konstruiert ist, wie Du auch schreibst:
Zitat:
Vielleicht sollte sie einen Charakterzug Herrmans zeigen, als Leser spüre ich da aber höchstens die Konstruktion und nicht den Charakter.

Allerdings wollte ich Herrman damit weniger charakterisieren, eher die gescheiterte Kommunikation zwischen ihm und der Frau (seiner Frau?) darstellen und - natürlich - den Bezug zum Bernhardzitat offensichtlich herstellen, weil ich mir nicht sicher war, ob es sonst im Text erkennbar würde, dass es mich inspiriert hat, reicht schließlich nicht.
Ich weiß nicht, ob der Leser am Text erkennen kann, dass die Frau hysterisch ist. Ich weiß auch nicht, ob das hier meine oder Herrmans Wertung ist. Vermutlich meine, wenn ich mir den Text so angucke. Wahrscheinlich ist der Kommentar überflüssig, ja.

Als er die Haustür hinter sich schloss...

Tempusfehler: Ja, du hast recht. (Peinlich! Offensichtlich nicht sorgfältig genug Korrekturgelesen.)
Pedant soll er sein, ja. Aber in Bezug auf seinen Tagesablauf (er trifft keine schnellen Entscheidungen, also vermeidet er sie), nicht in Bezug auf Ordnung und Sauberkeit. Das kann konterkarierend sein, aber ich denke nicht, dass menschliche Eigenschaften sich unbedingt der Logik beugen. Ich kenne sehr "ordentliche" Menschen, die chronisch unpünktlich sind und ebenso das Gegenteil. Herrman hat durchaus seine Vorbilder...

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Der größere Haken an dem Satz ist aber: "er fand keine Worte." Fand er keine Antwort auf seine Frage? Das müsste dann da stehen auch auf die Gefahr der Wiederholung "fragte" - "Frage" hin. Oder aber man müsste den Halbsatz weglassen, so ergibt das nämlich keinen Sinn. Herrman muss sich ja niemandem erklären direkt an der Haustür. Er muss also auch keine Worte finden, noch nicht mal für sich selbst.

Doch, er muss sich sich selbst gegenüber erklären. Er findet keine Worte, um DAS zu greifen. Etwas an dem Morgen ist ungewöhnlich, er steht vor der Haustür, fragt sich, ob sich etwas geändert haben könnte, und findet weder eine Antwort noch irgendwelche beschreibenden Worte.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:

finis hat Folgendes geschrieben:

Der Putz an der Hauswand bröckelte ab, auf der Schwelle klebte Vogelschiss und Herrman Niehr hasste es, zu spät zu kommen.

Auch hier frage ich mich: wo will der Text hin mit mir? Soll die äußerliche Beschreibung von Gegenständen, also des Hausputzes und der beschissenen Türschwelle, als Kontrast dienen bei der Darstellung von Herrmans Innenleben? Oder sollen Putz und Scheiße für Dinge stehen, die Herrman eben auch hasst, wie er es hasst zu spät zu kommen? Oder sind es nur Beobachtungen, die zwischen Außen und Innen fallen? Auch hier drängt sich mir der Gedanke "schludernde Textführung" auf, was sich hier aber auch auf die Personenführung auswirkt. Es fällt mir schwer, das zu dem Bild hinzuzufügen, das ich bislang von Herrman bekommen sollte.

Das finde ich natürlich schade, dass das für Dich nicht ins Herrmanbild hineinpasst. Ich denke, dass es in erster Linie Beobachtungen sein sollen. Genauso sind es eben Teile seines Lebens, der Putz bröckelte wahrscheinlich schon als er eingezogen ist, und die Vogelscheiße klebt immer wieder an unterschiedlichen Stellen. Zumindest stelle ich mir das so vor. Und nein, es gibt hier keine eindeutige Lösung, kein richtig und kein falsch. Du hast so viele Ideen, was das bedeuten könnte, viel mehr als ich und eben darum geht es viel mehr: um Deine Gedanken zu dem Text, nicht meine. (Denn letztlich bist Du doch allein mit dem Text. Ich kann Dir erklären, was ich wie gemeint und gewollt habe, aber das ändert nichts an Deinen Empfindungen dem Text gegenüber, bzw. er kommt immer noch an oder tut es nicht. Ich will Dir auch gar nicht erklären, dass der Text, oder ob der Text, so toll ist, genausowenig will ich Dir meine Vorstellungen aufdrängen. Das kann ich gar nicht.)

anderswolf hat Folgendes geschrieben:

finis hat Folgendes geschrieben:
Sein Vorgesetzter war zweifellos ein intelligenter Mann, denn er sagte agendo discere anstatt learning by doing und trug eine diskret-rahmenlose Brille auf der Nasenspitze, darin lag aber vielleicht auch die Fähigkeit, sich mit höchst unangenehmen Folgen über die kleinsten Vergehen seiner Angestellten zu ärgern, vor allem derer, die er nicht besonders schätzte – ein Empfinden, das im Falle Herrman Niehrs auf Gegenseitigkeit beruhte.

Dieser Satz weist gleich mehrere meiner Einwände gegen Deinen Text auf. Beginnen wir mit dem bruchlosen Anschluss an den Satz davor. Herrman hasst es also, zu spät zu kommen. Dann erfahren wir etwas über seinen Vorgesetzten: jener sei ein überhebliches Arschloch, das keine Gelegenheit ausließe, um anderen eines reinzuwürgen. So weit so gut. Allerdings ist der Satz so lang, dass ich am Ende vergessen habe, dass es im vorigen Satz darum ging, dass Herrman es hasst zu spät zu kommen. Dachte ich da noch, es sei Herrmans Pedanterie geschuldet, dass er nicht zu spät kommen wolle, bekomme ich nach dem Grübeln, warum wir direkt von Putz und Vogelscheiße zum aufgeblasenen Arschloch kommen, plötzlich den Eindruck, Herrman, dem es eigentlich doch egal ist, dass sich keiner für seine Wahrheiten interessiert, habe Angst vor seinem Vorgesetzten. Warum muss dazu der Blick vollkommen von Herrman weggeführt werden? Könnte nicht bspw. mittels eines einleitenden Wortes wie "denn" der Leser erfahren, dass die folgende Beschreibung eine Erklärung ist?
Oder könnte man sich den Vorgesetzten nicht eigentlich auch sparen? Er ist nämlich einer jener unnützen Charaktere (wie schon die Frau am Telefon). Seine Beschreibung erhellt nichts, wenn er nach diesem einen Satz nie wieder gebraucht wird (ja, ich weiß, dass er später nochmal kommt, um Nietzsche zu zitieren, aber auch da trägt er nichts zur Geschichte bei). Klar, man könnte einwenden, dass durch das agendo discere und das Erkennen eines Nietzsche-Zitats deutlich werden soll, dass auch Herrman nicht ungebildet ist und beides erkennen und übersetzen kann. Wäre dieser Charakterzug nicht unnütz. Welchen Unterschied macht es, wenn Herrman Latein übersetzen kann und Nietzsche kennt? Lustlosigkeit und Entscheidungsschwäche sind davon unabhängig, man braucht keinen besonderen Bildungsstand, um zu erkennen, dass man irgendwann aus seinem Leben ausbrechen muss.
Und - nebenbei gefragt - was ist eine "diskret-rahmenlose Brille"?

Inwiefern ist der Vorgesetzte wichtig? Wie gesagt: ich habe mich gefragt, was für Herrman wichtig ist. Die Frau sicherlich und natürlich seine Arbeit. Ehrlich gesagt ist doch die Arbeit das, mit dem man am meisten Zeit verbringt, dementsprechend hoch ist die Bedeutung von Vorgesetzten und Kollegen. Sie haben eine dominante Rolle, ob es einem passt oder nicht. Und für Herrman nochmal besonders: er und sein Vorgesetzter können sich nicht ausstehen, reiben sich ergo ständig aneinander. Das macht den Vorgesetzten noch wichtiger als er ohnehin schon ist.
Herrman hat keine Angst vor seinem Vorgesetzten, zumindest nicht in meiner Vorstellung, er will ihm nur möglichst wenig Angriffsfläche bieten, weil er die Auseinandersetzungen mit ihm immer verliert, oder zumindest das Gefühl hat, er würde es tun. Er hasst es, dass sein Vorgesetzter am längeren Hebel sitzt, denke ich. Trotzdem wäre ein "denn" wohl angebracht.
Das agendo discere soll weniger zeigen, dass Herrman intelligent ist, sondern, dass das Urteil, der Vorgesetzte sei intelligent, nur auf wenig aussagekräftigem Kleinkram beruht. Er benutzt lateinische Floskeln und zitiert Nietzsche, also muss er intelligent sein. Häufig ein Trugschluss, wenn Du mich fragst. Der Kommentar zu seinem Vorgesetzten kommt auch vom auktorialen Erzähler, nicht von Herrman selbst, Herrman muss das also überhaupt nicht übersetzen können.
Ich will auch nicht behaupten, dass jemand der nicht mit solchen Floskeln kommt, nicht fähig sei, zu erkennen, dass man aus seinem Alltag ausbrechen muss!! Meiner Meinung nach werden die Menschen, die mit ihrer Scheinintelligenz hausieren gehen in diesem Text vom auktorialen Erzähler auch eher abgewertet.
Die "diskret-rahmenlose" Brille? "diskret" im Duden:
1. a) (bildungssprachlich) so unauffällig behandelt, ausgeführt, dass es von anderen nicht bemerkt wird, vertraulich
[...]
    c) (bildungssprachlich) unaufdringlich, zurückhaltend, dezent
Eine Brille, die man nicht bemerkt, weil sie rahmenlos ist.  (die gleichzeitig vielleicht dennoch präsent ist und das Intelligenzurteil unterstützt? hm.) Sie soll auch soetwas wie äußere Sorgfalt verdeutlichen, eine zurückhaltende Brille, die nicht gleich ins Auge springt, macht vielleicht einen guten Eindruck auf das Gegenüber...
Der Satz ist wahrscheinlich zu lang, da hast Du sicherlich recht.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Auf dem Autodach saß die Katze, eine tote Taube zwischen den Pfoten. Der Spaziergänger nebenan ging vorbei. Überall hingen Federn, jedenfalls hatte es für Herrman den Anschein, während der Spaziergänger offenbar überhaupt nichts sah. Er wischte die Federn fort, nur aus seinem Blickfeld, verjagte die Katze, deren Schnurrbarthaare seltsam zitterten, wie elektrisiert.

Ganz schwieriger Absatz.
Dass unklar ist, ob es die selbe oder eine andere Katze ist, wurde ja von anderen schon bemängelt. Da sie in der Zeit, die Herrman gebraucht hat, um vom Tisch zur Tür zu kommen, schon eine Taube gefangen hat, deutet darauf hin, dass sie vor ihm rausgegangen ist. Genauso gut könnte die Katze aber auch vollkommen imaginär sein.
Wo sitzt die Katze? Auf dem Autodach. Auf dem Dach des Autos wie sie auch auf dem Dach der Welt sitzen könnte, es gibt nur eines. Oder gibt es mehr Autos? Gibt es am Ende mehrere Autodächer? Aber auf welchem sitzt dann die Katze?
Hat die Katze die Taube zwischen den Pfoten, während sie sitzt? Macht die Katze also Männchen und präsentiert die Taube zwischen Pfoten? Oder hat sie die Taube vielleicht eher unter den Pfoten und stützt sich gewissermaßen darauf ab?

Ging der Spaziergänger vorbei? Also der eine, der wie die Kanzlerin aus Film, Funk und Fernsehen bekannt ist? Und wo nebenan ist der Spaziergänger? Ist es der Nachbar, der sich heute als Spaziergänger verkleidet hat? Oder ist es einfach ein Spaziergänger, der an Herrman, dem Auto, der Katze und der vollkommen zerfledderten Taube vorbei geht ohne Notiz zu nehmen? Das ist sicherlich gemeint damit, dass "der Spaziergänger offenbar überhaupt nichts sah". So wie es da allerdings steht, tastet sich der Spaziergänger über Straße und Gehweg und läuft vielleicht ab und an gegen eine Straßenlaterne.
Im folgenden Satz wird dann klar, was mit "überall hingen Federn" gemeint ist: Alles ist wie tapeziert mit Federn, auch die Menschen offensichtlich, denn Herrman muss sie sich sogar aus dem Blickfeld wischen, von der Brille wahrscheinlich oder von den ungeschützten Augen. Wahrscheinlich würde Herrman sie sogar in seiner Unterwäsche finden, so viele Federn hängen überall.
Mal vom Bezugsfehler abgesehen. Derjenige, der die Federn wegwischt, ist vom grammatikalischen Bezug her der Spaziergänger, der ja nichts sieht, insofern ist es vielleicht sinnvoll, dass er sich die Federn aus dem Blickfeld wischt.
Und schließlich verjagt er "die Katze, deren Schnurrbarthaare seltsam zitterten, wie elektrisiert." Da könnte man, wenn man so pedantisch wäre wie ich, klarer darstellen, dass es die Schnurrbarthaare sind, die wie elektrisiert zitterten, und dass Herrman nicht etwa die Katze wie elektrisiert verjagt. Beispielsweise so: "verjagte die Katze, deren Schnurrbarthaare seltsam, wie elektrisiert zitterten." Oder aber man lässt das aussagelose, weil beliebige Wort "seltsam" einfach weg.
Der ganze Absatz ist unsauber formuliert. Das beispielsweise meine ich mit "schludernder Textführung".

Die gesamten Unklarheiten, die Du monierst schiebe ich mal auf das problematische Textkonzept: natürlich ist das alles irgendwie unklar. Und mir ist klar, dass ich - obwohl ich fast immer bestimme Artikel verwende - nie wirklich sage, welche Katze ich meine. Das liegt aber an den Leerstellen, die der Querschnitt auch irgendwo fordert.
Der Spaziergänger befindet sich aus Hermans Sicht nebenan. Ich verwende bewusst den bestimmten Artikel. Es ist DER Spaziergänger. Wenn Du willst, meinetwegen auch der Filmstar. Für mich ist aber einfach der eine Spaziergänger, der heute vorbeigeht. Und vorbei im wahrsten Sinne des Wortes, nebenan. Es gibt eine klare Abgrenzung zwischen Herrman und dem Spaziergänger und die wollte ich durch das "nebenan" deutlich machen. In dieser Situation schildert der auktoriale Erzähler auch relativ eindeutig - wie ich finde - Herrmans Eindrücke. Und deshalb sieht der Spaziergänger überhaupt nichts, was stellvertretend für nichts Relevantes steht, womit wir wieder bei Thomas Bernhard wären.
Deshalb scheinen die Federn überall zu sein, und so sehr mich der Gedanke belustigt, dass sie auch in seiner Unterhose zu finden seien, halte ich es doch für unwahrscheinlich, dass er in der Situation in seine Unterhose guckt, um sie auf Federn zu überprüfen. Ich versuche seine Wahrnehmung zu beschreiben. Mehr nicht.
Der Bezugsfehler ist mir wiederum sehr peinlich.
Sind die Schnurrbarthaare elektrisiert oder seine Handbewegung? Gute Frage.

Der Manierierte.
anderswolf hat Folgendes geschrieben:

An sich bin ich ein großer Fan von Fremdworten. Aber ganz ehrlich? Spitznamen müssen griffig sein, jeder muss sie auf Anhieb verstehen. Und wenn es sich bei dem Büro, in dem der Chef zwar lateinische Aphorismen und Nietzsche in seine Ansprachen einbaut, nicht gerade um eine Agentur für blasierte Kommunikation handelt, dann werden auch Büroangestellte nicht jemanden als "Maniererten" bezeichnen. Der folgende Einschub "wenn auch mehr aus einem Gefühl heraus als durch besondere Beobachtungsgabe" ist in seinem Bezug vollkommen unklar. Bezieht sich das auf die Kollegen, die ihn aus diesem Gefühl heraus so nennen oder ist es Herrmans Gefühl und nicht die besondere Beobachtungsgabe, die ihm ermöglichen zu erkennen, dass die Kollegen ihn aufgrund des Haarglättens so nennen? Wenn der Einschub die Annahme Herrmans ist, dann ist das "wohl" ausreichend, denn es beschreibt schon, dass es sich bei der danach folgenden Aussage um eine Annahme handelt.
Außerdem könnte man den Satz durch Umschieberei noch entstolpern: "was wohl (…) mit seiner eigenwilligen Art zusammenhing, sich das Haupthaar zu glätten."

Wozu den Satz entstolpern... Nein, ernsthaft: Der Einschub muss da schon rein (finde ich).
Wir haben einen auktorialen Erzähler. Er macht Annahmen, in diesem Fall die, dass die Kollegen Herrman aus einem Gefühl heraus für manieriert halten, nicht weil sie ihn beobachtet hätten.
"manieriert" ergibt sich schon rein lautlich aus Hermans Namen: (Herr) man-Niehr (iert). Das war meine Idee dahinter. Vielleicht etwas unrealistisch, kann sein.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Gut, dass gleich noch geklärt wird, was die eigenwillige Art des Haarglättens ist.
Ja, nicht?

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Blöd nur, dass da gar keine Haare zum Glätten mehr da sind. Die Geste an sich kann man ja trotzdem beschreiben, es muss dann aber oben zeitlich angepasst werden. Denn er streicht sich ja das Haar nicht mehr glatt, sondern fährt sich mittlerweile über die Glatze. Entweder hat der Spitzname sich eingebürgert, als Herrman noch Haar hatte, oder aber die Information mit den Haaren ist so, wie sie da steht, überflüssig. Egal wie, besser wäre vielleicht gewesen zu schreiben: "was wohl (…) mit der eitlen Art zusammenhing, wie Herrman sich - als wolle er üppiges Haar glätten - gelegentlich über den nackten, asketischen Schädel strich, auf dem die Haut mittlerweile so sehr spannte, dass die Schädelplatten markant hervorstachen." Ja, ist auch nicht perfekt, aber vielleicht wird klar, was ich meine. Die Gewichtung der beschriebenen Merkmale sollte stimmen und stimmig sein.
Mal davon abgesehen, dass da schon wieder ein "seltsam" war. Raus damit wegen s. o.

Ja, das seltsam muss raus.
Mal ehrlich, Du kommst mir mit entstolpern und dann ist Deine Satzkonstruktion verschachtelter als meine? Aber im Ernst: Ich habe verstanden, was Du meinst. Vielleicht habe ich mich zu sehr auf die Details konzentriert. Andererseits war es mir wichtig, diese kleinen Marotten zu zeigen, die jeder Mensch doch irgendwie hat. Und Herrman glättet sich das Haar, egal ob welches da ist oder nicht. Dementsprechend passt das Tempus auch. Klar ist das schräg. Aber er tut so, als würde er sich das Haar glätten (und weil er schon länger da arbeitet, wissen die Kollegen auch, wie die Geste zu verstehen ist), auch wenn da kein Haar mehr ist. Deshalb ist das im selben zeitlichen Rahmen.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Auch die erstaunlich fleischigen und behaarten Hände fielen in ihrer Plumpheit kaum auf, wenn man ihm begegnete, er verstand es, sie grazil zur Geltung zu bringen, man hielt sie unwillkürlich für fein gestaltet.

Niemandem fällt auf, was für Pranken Herrman hat, weil er sie so grazil präsentiert, dass sie fein aussehen? Na meinetwegen.
Wie bringt man etwas grazil zur Geltung? Indem man sich dürre Damen von QVC ausleiht? Keine Ahnung, wie das aussehen soll.
Wer hat Herrmans Hände so fein gestaltet? Solange Herrman keine Hände aus Porzellan hat, handelt es sich um feingliedrige Hände, denn "fein gestaltet" bezeichnet immer ein Kunstwerk.
Vor allem aber frage ich mich: was soll diese Beschreibung? Sollen seine fleischigen Hände beschrieben werden, Herrmans grazile Präsentation oder etwa, dass keiner merkt, wie grobschlächtig er eigentlich ist? Und ist das tatsächlich so? Ist Herrman ein graziler Klops oder denkt er das nur von sich? Soll diese in ihrer Intention unklare Beschreibung dazu dienen, die Differenz zwischen Innen- und Außenwahrnehmung zu beleuchten? Wenn ja, muss das deutlicher sein.

Was ist QVC?
Herrman präsentiert die Hände als ein Kunstwerk. (Mal abgesehen davon könnte man jetzt darüber streiten, ob der menschliche Körper nicht ein Stück weit ebenfalls gestaltet ist...)
Die Intention der Beschreibung ist, dass die Leute nicht das sehen, was da ist, sondern was ihnen präsentiert wird. Es geht um die allgemeine Wahrnehmung von Herrmans Händen, die deutlich von dem Ist-Zustand abweicht, weil er sie entsprechend inszeniert.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Es war tatsächlich schwer zu ermessen, ob dies seiner Eitelkeit oder dem verzweifelten Versuch autarke Schönheit zu schaffen anzulasten war, Herrman Niehr wusste es schließlich selbst nicht, und vielleicht lag in dieser vermeintlichen Eitelkeit auch der Grund für die unterschwellige Abneigung seiner Kollegen ihm gegenüber, die den Kontakt mit ihm vermieden oder – im Falle seines Vorgesetzten – ihn mit hochgezogener Augenbraue und einem Nietzschezitat zugleich begrüßten und wieder entließen.

Autarke Schönheit.
Who the fuck is Alice?
Autarkie betrifft immer Systeme, bezeichnet Selbstgenügsamkeit, Selbstversorgung. Schönheit, die sich aus sich selbst speist? Schönheit als selbstreferentielles Merkmal? Oder ist damit gemeint, dass diese Schönheit, die Herrman da verzweifelt zu erschaffen sucht, außerhalb der grundsätzlichen Relativität von Schönheit anzusiedeln ist, die besagt, dass Schönheit im Auge des Betrachters entsteht und sich also für jeden anders ausdrückt? Oder versucht Herrman die Schönheit, von der er weiß, dass sie in ihm selbst liegt, für sich selbst wahr werden zu lassen? Und wie schafft er diese autarke Schönheit? Indem er sich über den Kopf streicht und seine Hände grazil zur Geltung bringt. Soso.

Der Rest des Satzes ist eine Katastrophe.
Worauf bezieht sich beispielsweise "dies" (aus "Es war tatsächlich schwer zu ermessen, ob dies seiner Eitelkeit oder dem verzweifelten Versuch autarke Schönheit zu schaffen anzulasten war")? Ich kann mich nicht entscheiden, ob es sich auf den Umstand bezieht, dass alle Welt Herrmans Hände für feingliedrig hält, oder auf die Art, wie Herrman seine Hände grazil zur Geltung bringt.
Warum steht "Herrman Niehr wusste es schließlich selbst nicht" mitten in diesem Satzmonster? Warum steht es da überhaupt, warum begnügt man sich nicht mit einem "selbst für Herrman" im Satzanfang: "Es war selbst für Herrman schwer zu ermessen..." Auf Füllworte wie "tatsächlich" oder "schließlich" würde ich verzichten, da sie anders als das folgende "vielleicht" keine sichtbare Funktion haben.
Mit "dieser vermeintlichen Eitelkeit" dürfte eigentlich "Herrman Niehr wusste es schließlich selbst nicht" adressiert werden, denn das ist grammatikalisch der gültige Bezug, sonst hätte man die beiden Satzteile ja nicht mit einem "und" verbinden müssen. Ignoranz kann dummerweise auch ein eitler Zug sein, insofern ergäbe es sogar irgendwie Sinn. Dass es nicht so gemeint ist, ist irgendwie auch klar, aber eben auch nur irgendwie. Sätze, bei denen man davon ausgehen muss, dass der Leser schon irgendwie ihren Inhalt erschließt, sind nicht wünschenswert für den Autoren.
Dass die Abneigung "unterschwellig" ist, würde ich mal für schlecht beobachtet halten, wenn die Kollegen ihn mobben und meiden. Die Grammatik des der Abneigung folgenden Relativsatzes ist irreführend. Denn die Kollegen meiden ihn, der Vorgesetzte begrüßt und entlässt ihn. Der Grammatik des Satzes folgend müssten es auch die Kollegen sein, die ihn begrüßen und entlassen. Es hängt nur an dem "ihn" hinter der Parenthese, dass der Leser nicht das Gefühl haben muss, die Kollegen würden den Vorgesetzten mit Augenbraue und Nietzschezitat begrüßen und entlassen.
Und der Vorgesetzte? Zieht die Braue hoch und hält Nietzschezitate zur Begrüßung bereit. Welches? Nietzsche hat viel gesagt: "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Oder: "Welches Kind hätte nicht Grund, über seine Eltern zu weinen?" Oder: "Wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, ist ein Sklave." Nochmals stellt sich mir die Frage: Welche Relevanz hat der Vorgesetzte für die Geschichte? Und ist mit der Entlassung gewissermaßen das Ende einer Audienz gemeint oder ist die Entlassung die Folge des Zuspätkommens? Wahrscheinlich ersteres, aber kann man sich sicher sein an diesem Tag, da für Herrman einfach alles anders ist?

autark (selbstbestimmend, selbstherschend, aus sich selbst heraus). Mit autarker Schönheit meine ich genau das: unabhängige, eigenständige Schönheit. Die Schönheit, die in der Sache selbst liegt.
Was hat Alice damit zu tun?

Der letzte Teil des Satzes davor: "man hielt sie unwillkürlich für fein gestaltet". Logischerweise bezieht sich darauf das "dies" im Satz danach.
"Herrman wusste es schließlich selbst nicht" ist ein Einschub, damit es nicht untergeht. Das ist aber wahrscheinlich übertrieben, das sehe ich ein, "selbst für Herrman" wäre geschickter gewesen.
"tatsächlich" und Co sind tatsächlich überflüssig, genauso das "unterschwellig".
Was die Eitelkeit betrifft: Der Bezug wäre wahrscheinlich eindeutig gewesen, wenn ich den Einschub in Gedankenstriche gesetzt hätte. Natürlich sind Sätze, die nur irgendwie verständlich sind, für den Autoren nicht wünschenswert. Aber: das "und" steht erst nach dem Komma. Macht daher deutlich, dass das nicht mit dem vorherigen Einschub verbunden werden soll. Optimal wäre wahrscheinlich gewesen, zwischendurch mal einen Punkt zu setzen. (Ich sollte es mir wirklich angewöhnen).
Ich habe den Vorgesetzten zu den Kollegen dazugezählt, im Grunde teilen sie dieselbe Empfindensebene zu Herrman Niehr.
Mit der Entlassung ist gewissermaßen das Ende einer Audienz gemeint.
Das Nietzschezitat soll dazu dienen, den Zusammenhang der beiden Figuren deutlich zu machen: Der Vorgesetzte, der sich für den Übermenschen hält und Herrman ständig seine angebliche intellektuelle Überlegenheit unter die Nase reibt, was ihn auch denkbar unsympathisch machen soll.
Nochmal: der Vorgesetzte ist wichtig für die Geschichte, weil er wichtig für Herrmans Leben ist. Da ist nicht so viel Handlung. Weder Herrman ist wirklich ein Handlungsträger noch sonst irgendwer. Das gleiche Querschnittsprozedere könnte man mit jeder anderen Person auch machen (frag mich jetzt bitte nicht, warum ich ausgerechnet Herrman beschrieben habe. Das kann ich Dir nicht ehrlich beantworten). Und: das ist nicht wirklich linear. Deshalb auch nicht alles an dem Tag, Morgen oder sonst wie.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Und nicht etwa über die Landstraßen, wie es all die coolen Kids von heute tun.

Herrman hat eine Menge zu bieten, aber Coolness ganz sicher nicht.
(Obwohl. Jetzt fange ich an darüber nachzudenken. Vielleicht könnte man... nein, das ist quatsch.)

Zitat:
Schräge Bilder dabei wie die sich zu Begierde summierenden überschlagenen Knie, nicht etwa übergeschlagenen Beine.

Konventionell ist langweilig. Und wenn ich mir die Werbung so angucke, habe ich immer den Eindruck, dass die Knie viel wichtiger sind als die Beine. Und je mehr Knie, desto besser... also summieren.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
und dachte darüber nach, ob ihn jemand betrachtete, hin und wieder genoss er es auch, einer unter vielen zu sein;

Üblicherweise fühlt man sich ja beobachtet und nicht betrachtet, aber sei's drum. Schlimmer finde ich es, nicht zu wissen, ob das nachfolgende, mit "hin und wieder" eingeleitete Satzstück einen Bezug zum vorigen hat. Ich schwanke. Denn einerseits denke ich, er wünscht sich vielleicht eine Beobachtung durch andere, was ihn irgendwie ja auch zu einem unter vielen Beobachteten macht. Andererseits denke ich, dass das ja gar keinen richtigen Sinn ergibt, auch wenn es im Satzzusammenhang da so steht. Also würde er sich dann eben wünschen, dass ihn keiner beobachtet, damit er in der Masse der Vielen einfach untergehen kann. Ein erklärendes "denn" oder ein widersprechendes "doch" hülfen hier.

Herrman möchte betrachtet werden. Geprüft. Beurteilt. Nicht beobachtet.
Nein, das "hin und wieder" hat keinen Bezug dahin. (Ist auch grammatikalisch nicht zwingend so, denke ich). Ich hatte da ursprünglich noch eine Konjunktion, habe sie gestrichen, weil es zu viele Konjunktionen zu werden drohten, habe sie wieder hingeschrieben und dann wieder gestrichen. Dein Kommentar verleitet mich jetzt dazu, sie wieder aufzunehmen.

Zum Zeitungskauf:
anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Da der gelegentliche Zeitungskauf ja nichts mehr mit den Spaziergängen zu tun hat, würde ich ihn nochmals durch eine Leerzeile vom vorigen Absatz abtrennen. Es geht hier ja um die Beschreibung von Herrmans üblichen Gewohnheiten. Nehme ich zumindest an. Wobei man sich da ja nicht so sicher sein kann, anfangs gab es ja noch mal eine Handlung, die zeigen wollte, wie Herrman aus seinem eingefahrenen Leben ausbrechen wollte, aber dieser Zug ist ja dann aufs Abstellgleis gelandet.

In meiner Vorstellung kauft Herrman seine Zeitungen auf seinen Spaziergängen, aber gut. Aber die Handlung gab es nicht. Vielleicht gibt es dieses Innehalten und Ausbrechen bei Herrman gelegentlich, aber: das ist nicht Gegenstand des Textes. Und diese Handlung gibt es so nicht. Es würde dem Text vielleicht guttun, das bezweifele ich nicht, aber es widerspricht der ursprünglichen Idee. Wenn man das aufgriffe - was sich sicherlich lohnen würde - schriebe man einen anderen Text.

Freie Mitarbeiter können ganz gut wechseln, so weit ich weiß. Freut mich, dass Dir der Absatz gefällt.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:

Hier kommt gleich der Bruch. Der Erzähler verlässt Herrman und wechselt zu Martha. Erst beim zweiten Lesen habe ich erkannt, dass die beiden tatsächlich nichts miteinander zu tun haben außer ihre Anwesenheit in einem Betrachtungskosmos. Die Figur Hermann bleibt einfach zurück, irgendwo, vielleicht spazierend, vielleicht eine Zeitung kaufend, vielleicht aber auch immer noch vor der Haustür, die Federn wegwischend. Vielleicht auch, vielleicht aber auch nicht. Es wirkt, als hätte der Autor die Lust an der Figur verloren, als wäre die bisher erzählte Geschichte eigentlich egal.
Ich habe das beim ersten, beim zweiten und beim dritten Mal so verspürt. Danach habe ich es nicht noch mal gelesen, erst jetzt, beim kommentierenden Lesen wieder. Und wieder habe ich das Gefühl, ich habe mich übermäßig lange mit dem uninteressanten Herrn mit der Glatze und den Fleischerhänden befasst, den ich erst ganz am Ende wiedersehe, wo ich fast alles über ihn schon wieder vergessen habe, so irrelevant war es.

Das finde ich zum einen schade und zum anderen wird es Herrman, denke ich, nicht gerecht. Eine nicht aufregende Persönlichkeit ist nicht unbedingt eine irrelevante. Und der ganze Kleinkram - dominiert der nicht dann doch die eigene Realität? Womit verbringt man am meisten Zeit, was sieht man, was macht ein Leben aus, wie verhält man sich, in welchen Beziehungen steht man zu seinen Mitmenschen... Wenn man jemanden nicht kennt, mag es irrelevant sein, Du kannst mir aber glauben, dass dieser Kleinkram für Herrman Niehr existentiell ist. Genauso wie die Geste mit der er seinen Schädel streichelt. Was bedeutet das eigentlich, sich das nicht mehr vorhandene Haar zu glätten, was sagt das über einen Menschen aus? Was bedeutet das, wenn er sich selbst die ganze Zeit in Szene setzt? Ja, irrelevant. Für Dich vielleicht.
Es soll definitiv nicht so wirken, als hätte der Autor die Lust an Herrman verloren. Aber es war mir wichtig zu zeigen, dass es eben nicht nur Herrman gibt. Herrman als der (vielleicht typische) nicht beobachtete Büromensch. Martha ist gewissermaßen seine Gegenspielerin, sein Gegensatz, der Kontrast. Beide sind dabei auf ihre Weise "außen" und einsam. Ob freiwillig oder nicht ist eine andere Frage. Und ob Herrman und Martha wirklich sonst nichts miteinander zu tun haben? Ich wage es zu bezweifeln, auch wenn es eine Entscheidung ist, die Du fällen musst. Haben sie für Dich etwas miteinander zu tun? Bei mir sind sie sich einmal begegnet. Herrman hat die Begegnung vergessen, Martha nicht. Aber das ist wie gesagt Dein Bier.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:

Eigentlich müsste man sehen, wie sie in der Luft flimmern, wirklich sichtbar werden.“Als Kind hatte sie immer daran geglaubt und sie sprach auch später noch oft davon, um es sich selbst zu versichern.

Wer müsste flimmern und sichtbar werden? Intendiert sind sicherlich die Geschichten. Es könnten aber auch die Menschen, die Züge, die Gleise, die Masten oder die Kabel sein. Naja, ok. Außer den Geschichten nur noch die Menschen. Beim Lesen flimmerten aber als erstes die Züge vor meinem inneren Auge.
Ob Kinder sowas wirklich glauben, weiß ich nicht. Das mit den Geschichten in den Menschen in den Zügen sicherlich, aber dass diese Geschichten in der Luft flimmern müssten (wo eigentlich? Direkt neben dem Zug? Darüber? Da, wo der Zug eben noch stand?), das muss ziemlich Martha-spezifisch sein.
Und sprach sie wirklich davon oder sagte sie es zu sich selbst? Mit wem sprach sie sonst, wo sie sich doch von allen fernhielt (wie man gleich erfährt).
Ansonsten würde ich ein "wie " einfügen: "wie um es sich selbst zu versichern." Das drückt besser aus, was wahrscheinlich gemeint ist, dass sie nämlich immer daran glaubt, es aber auch immer wieder sagt. Ohne das "wie" könnte man denken, sie falle immer mal wieder vom Glauben an ihre eigenen Wahrheiten ab und sage sich dann ihre zwei Sätzchen vor, um sich selbst wieder zu überzeugen.

Das ist wohl dann finis-spezifisch. (Nein, ich bin nicht die Vorlage für Martha. Nur an der Stelle). Die Geschichten sollen flimmern, ja. In dem Rahmen aus Strommasten, wie ein Bild in der Luft. Die Züge sind aber insofern auch okay, dass die mit den Geschichten verbunden sind.
Sie spricht wirklich mit sich selbst, höchstens noch mit den Tauben. Das "wie" ist eine sinnvolle Ergänzung, danke.

Pause

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Sie war der Meinung jeder hielte sie für verrückt, selbst Herrman; zunächst empfand sie dies stets als eine Beleidigung und manchmal versuchte sie nicht daran zu glauben. Stattdessen fütterte sie die Tauben und sprach mit sich selbst, zerhackte Fragmente sprach sie und mit niemandem sonst, weil – so meinte sie – nur sie wusste, wovon sie redete.

Kennt sie Herrman? Kennt Herrman sie? Wenn sie ihn nicht kennt, warum sollte Herrman dann eine Ausnahme sein, so auffällig kann er ja nicht sein. Wenn sie ihn kennt, warum sollte dann "selbst Herrman" für verrückt halten? Es ist doch gerade Herrman, der so normal wie möglich sein will (bis er eben an jenem Tag, da er zu spät aufstand, rebellierte).
Die Kombination von "stets" und "zunächst" im folgenden Satz irritiert: Ist Martha jedes Mal aufs Neue irritiert, wenn sie von einem Menschen für verrückt gehalten wird? Oder ging ihr das nur am Anfang so, wie ich eigentlich mal annehmen würde. Immerhin interessiert sich Martha ja nicht für die Anderen, sie redet mit sich und vielleicht noch mit den Vögeln. So, wie es da steht, klingt es aber so, als sei Martha jedes Mal wieder davon überrascht, dass man sie für verrückt hält. Und ich frage mich, ob es nicht "manchmal versuchte sie, nicht daran zu denken" heißen müsste, dann ergäbe auch das anschließende "Stattdessen" mehr Sinn, da "denken" eher eine Tätigkeit als "glauben" darstellt und das Taubenfüttern und Mit-sich-selbst-Sprechen dann tatsächlich dazu kontrastierende Tätigkeiten sein können.
"Zerhackte Fragmente" ist ein Pleonasmus, kann verkürzt werden. Vor allem aber würde ich "in Fragmenten sprach sie" schreiben, dann klingt der Anschluss "und mit niemandem sonst" nicht wie ein Grammatikfehler. Außerdem wäre dann in der Parenthese ein "glauben" angebracht. Martha bringt ja hier nicht ihre änderbare Meinung zum Ausdruck, sondern einen starken Glauben, eine feste Überzeugung.

Martha geht davon aus, dass Herrman sie für verrückt hält. Dabei ist nicht gesagt, dass es tatsächlich so ist. Ob und wie sie sich kennen, ist Deine Sache, wiederum, das ist abhängig von dem Bild, das Du entstehen lässt oder auch nicht entstehen lässt.
Herrman möchte auch nicht so normal wie möglich sein. Es geht auch nicht  um "den Tag, an dem sich alles änderte". Er hat seinen eigenen, eigenwilligen Charakter, der genauso normal und anormal ist wie jeder andere auch.
Das zunächst/stets meint anfangs/immer, das halte ich allerdings für eindeutig. Martha war nicht irritiert, sondern beleidigt. Das ist ein Unterschied.
Für mich ist "glauben" ein Aktiv: "glauben" bedeutet unter anderem auch, eine Überzeugung zu leben, dadurch wird es für mich zur Tätigkeit. Und die Anderen sind Martha nicht unbedingt gleichgültig; sie fühlt sich unverstanden und unbeachtet. Gleichgültigkeit ist daraus keine zwingende Schlussfolgerung.
Und auch das ist eine Meinung, die sich entwickelt hat. Deshalb steht da "meinte", "glaubte" geht aber auch.
Die "zerhackten Fragmente": eine bewusste Übertreibung. Ich wollte das Kleinstmögliche. Ist mir aber nicht so übermäßig wichtig, dass es sich nicht ändern ließe.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:

 knappe Aneinanderreihung oberflächlicher Eindrücke. Wie man es eben hat, wenn man durch die Stadt geht und Dinge sieht.
Nur was ist ein Häkelgeschäft? Gibt es Läden nur für Häkelbedarf?
Und: Das mit den Menschen in den Waggons… Das soll sicherlich irgendwie Marthas Einsamkeit unterstreichen. Wie sie eben nicht gemeinsam oder miteinander mit anderen Menschen ist. Für mich liest sich das aber eher so, als kenne sie das eher nicht, dass alle Menschen, die die Straßenbahn nehmen, gemeinsam im Waggon sitzen, sondern als müssten zumindest einige eigentlich auf dem Dach sitzen.

Häkelgeschäfte gibt's.
Hast Du nie auf Straßenbahndächern gesessen?
(Ich sollte den Satz umstellen).

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
sonst saß sie am Bahnhof und wartete auf den Zug.
Auf welchen? Der Leser weiß ja jetzt schon, dass es viele Züge an diesem Bahnhof gibt, es wurde ja schon beschrieben, wie sie ein- und ausfahren, in ihnen die flimmernden Menschen.

Immer auf den nächsten Zug. Und meinetwegen auch flimmernde Menschen.

finis hat Folgendes geschrieben:
Die Menschen stiegen ein und aus, sie legte die knochigen Hände in den Schoß, es gefiel ihr am Knotenpunkt unterschiedlichster Geschichten zu sitzen, die sie nicht kannte, ein Bild entstehen zu sehen.
anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Der letzte Halbsatz fällt ohne Bezug aus dem Lesefluss. Klar, er gehört noch zu "es gefiel ihr", allerdings stört der dazwischenliegende Relativsatz die Verbindung.

Notiert.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Dabei fiel sie nur den wenigsten Menschen auf, die sie kurz darauf wieder vergaßen.

Das ist ähnlich der ebenso beliebten wie falschen Naidoo-Einschränkung, bekannt aus Sätzen wie "Ich bin einer der letzten, der um Dich weint."
Im Beispielsatz von Naidoo soll gesagt werden, dass der Sprecher noch bis ganz zum Schluss weint, tatsächlich wird gesagt, dass er einer von denen ist, die als Letzte mit dem Weinen beginnen. Soll eigentlich gezeigt werden, dass die Trauer so groß ist, dass das Weinen eigentlich kein Ende kennen dürfte, wird tatsächlich dargestellt, dass die Trauer über den Verlust der beweinten Person nicht wirklich groß ist.
Im vorliegenden Fall des Wettbewerbtextes erscheint sie in einer Variante, die nicht ganz so grammatikalisch falsch, aber gleichermaßen sinnverstellend ist. Die Naidoo-Einschränkung erzeugt hier den Eindruck, dass Martha nur einem Bruchteil jener Menschen auffällt, die sie wieder vergaßen. Die anderen Menschen, die Martha vergaßen, ist sie vorher gar nicht aufgefallen. Das mag so unlogisch klingen, wie es ist, tatsächlich ist es sogar äußerst paradox. Eigentlich müsste es heißen: "Dabei fiel sie nur den wenigsten Menschen auf, und selbst diese vergaßen sie kurz danach wieder."

Musste Naidoo gerade googlen, war mir nicht ganz sicher, ob es (bzw. er) wirklich war, was mir als erstes  in den Sinn kam. Danke für die Richtigstellung!

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Martha war keine Person, die sich leicht in die Gedankenströme einfügte, ihrem Wesen schienen die Widerhaken zu fehlen, mit denen man sich im Gedächtnis festhakt, und so streifte sie nur nebenbei Gedanken und Hirnwindungen, blieb Außen.
Schöne Beschreibung, die Haken müssten allerdings keine Widerhaken sein, um sich festzuhaken. Die Wortwiederholung muss nicht sein. Am besten (und irgendwie auch am wenigsten) gefällt mir "blieb Außen". Ob es beabsichtigt war oder nicht, dass da "Außen" statt "außen vor" steht, ist relativ egal, denn so wie es da steht, wird sehr viel klarer, wie sehr Martha tatsächlich nicht dazugehört, denn sie ist nicht einfach abseits, sie ist wirklich außerhalb, immer außen vor, sie ist das personifizierte "Außen". Und das ist auch mein Problem damit, denn als personifiziertes "Außen" müsste sie auch überall sein, und dann wird es schon wieder schwieriger mit der Bildakzeptanz. Ich bin hin- und hergerissen, tendiere aber mehr dazu, es gut zu finden, wenngleich ich es fast für einen Zufall halte.

Ja, die Wiederholung habe ich entfernt. Der Widerhaken ist wegen der Dauerhaftigkeit wichtig. Haken kann man mehr oder weniger problemlos entfernen. Widerhaken nicht.
Bin mir gerade unschlüssig, ob ich geschmeichelt sein soll oder nicht und fühle mich bemüßigt, Dich darauf hinzuweisen, dass das nicht mein erster Text ist. Ich benutze meine Worte bewusst. Und nein, ein personifiziertes Außen muss nicht überall sein, jedenfalls nicht meiner Ansicht nach. Die Personifizierung bezieht sich nur auf den Textraum. Und dort ist sie überall, nur nicht Innen. In der Konstruktion wiederum ist sie Innen, aber auch da ein Fremdkörper.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Ich habe keine Ahnung, wie eine alte oder eine junge Tante Emma aussieht. Das ist keine hilfreiche, daher eher schädliche Beschreibung.

Notiert. Tante Emma ist für mich eine Klischeefigur, deshalb dachte ich, sie problemlos benutzen zu können. Scheinbar doch nicht.

anderwolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Ihre Knochen waren kaum zu sehen,
Ich dachte, sie hat so knochige Hände?
finis hat Folgendes geschrieben:
nur an den Handgelenken bohrten sie sich durch die Haut hervor,
 
Ah, sie hat knochige Handgelenke. Warum stand das oben anders?

Kaum zu sehen heißt nicht gar nicht zu sehen. Oben habe ich Hände benutzt, weil sich die Handgelenke sonst häuften. Ist aber missverständlich, da hast Du recht, werde ich ändern.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Wie sind denn Dinge eigenwillig zerbrechlich?

Martha will nicht, dass sie zerbrechlich sind, sie sind es aber und widersetzen sich ihr dadurch. Im Grunde kann man das auch auf Marthas Persönlichkeit übertragen.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
über die sich ihre papierartige Haut blätterte, die überall sonst an ihrem Körper Falten schlug.
Und hier hört meine Vorstellungskraft dann ganz auf. Ich glaube, dass sie ziemliche Schuppenflechte hat, außerdem hat sie Hautfalten überall, weil sie irgendwann mal sehr stark abgenommen hat. Irgendwie kann es das aber nicht sein.

Kennst Du das, bei älteren Menschen? Die Haut, die an den Händen und Handgelenken straff ist und gespannt, am Rest des Körpers aber Falten wirft, am Kehllappen, Ellenbogen, Oberarm, Unterarm, Schultern, Wangen, Stirn, Kinn, Knie, Füße...?
Das meine ich.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Sie hatte eine Schwäche für die Romane von Charlotte und Emily Brontë, sie erzählte sich immer wieder, wie bald ein Heathcliff oder Mr. Rochester aus dem Zug steigen würde, nur um sie kennenzulernen. Die Tauben mochten dieses Märchenland nicht, in das sie entführt werden wollte, sie flogen immer davon, wenn sie davon anfing, die Penner lachten einmal, als sie es mitbekamen. Martha rupfte sich zerstreut an den fedrigen Haaren, dem unordentlichen Nest auf ihrem Kopf, und sagte nichts.

So sehr das stimmig sein mag, dass Martha Brontë-Geschichten mag, so ungünstig ist der Wechsel von Außen- zu Innenbeschreibung. Er wirkt wie zufällig, zusammenhanglos, eklektisch im schlechteren Sinn. Vor allem, wo ja vorher schon angesprochen wurde, dass Martha überwiegend mit sich selbst spricht, da hätte man ja schon erwähnen können, dass das einzig unfragmentarische, das Martha sagt, mit ihrem Aufstieg in das Brontë-Land zu tun hat.
Und à propos ungünstiger Wechsel: die folgenden Subjektwechsel sind störend, weil verwirrend. Sie mochten das nicht, sie wollte entführt werden, sie flogen davon, sie fing davon an. Klar, durch die Verbform wird schon deutlich, dass es sich immer um andere Subjekte handelt, mal die Tauben, mal Martha. Es behindert aber nicht nur den Lesefluss, ich bin durch diese Holperei auch genötigt, wirklich über diese Stelle nachzudenken, die keine innere Logik zu haben scheint. Warum interessiert es Tauben auch nur einen Schiss, wovon die Alte wieder faselt?
Und dann die Zeit. Die Penner hatten einmal gelacht, als sie es mitbekommen hatten, und Martha hatte zerstreut an ihren fedrigen Haaren gerupft und nichts gesagt. Wenn es nur einmal geschehen ist, ist es Vergangenheit und die Vergangenheit der Vergangenheit ist nun mal nicht Imperfekt, sondern Plusquamperfekt.

Hm. Was den Wechsel von Außen nach Innen angeht, bin ich nicht wirklich Deiner Meinung. Das ist doch ganz schulbuchmäßg: So sah sie aus, sie hatte die und die Hobbys... Und Brontë kann da vorher nicht hin, weil es da nicht hingehört. (Da würde ich mich dann ernsthaft fragen, was denn bitte Gesprächsgewohnheiten mit Literaturvorlieben gemein haben...)
Der Subjektwechsel kam mir bisher nicht störend vor, aber ich bin da voreingenommen, deswegen stelle ich das um.
Warum es die Tauben interessiert? Vielleicht, weil Martha ihre regelmäßige Futterquelle ist. Zum Beispiel. Oder weil sie eine Bindung zu ihr entwickelt haben (wobei Martha auch hier außen ist, immerhin ist sie ein Mensch).
Vorzeitigkeit: Nein, das ist keine Vorzeitigkeit, bzw. nicht gezwungenermaßen.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Manchmal strichen Katzen um ihre Beine und verjagten die Tauben. Dann schimpfte Martha wie ein Rohrspatz und schlug mit ihrem Regenschirm um sich, meistens half ihr daraufhin jemand, die Katze loszuwerden.
Wieso? Also ich frage wirklich: wieso sollte das jemand tun?

a) Weil Marthas Reaktion auf die Katze nervt.
b) Weil sie verzweifelt wirkt.
c) Weil sie darum bittet.
d) Weil man selbst Katzen nicht leiden kann.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
ein Lächeln, das tief aus ihrem Brustkorb hervorgluckerte.
Nicht schön. Lungenödem.

Jep. Genau.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:

Sie mochte keine Katzen. Herrman hatte sie gemocht.
Bezug. Hatte Herrman Martha gemocht oder die Katzen? Und was macht Herrman denn jetzt plötzlich wieder in der Geschichte? Kennen sich die beiden denn nun oder nicht?

Der Satz kann - meiner Meinung nach - mit mehreren Bedeutungen gelesen werden:
a) Martha mochte keine Katzen. Herrman hatte Katzen gemocht.
b) Martha mochte keine Katzen. Martha hatte Herrman gemocht.
c) Martha mochte keine Katzen. Herrman hatte Martha gemocht.
Das ist auch bewusst so.
Ich mache einerseits wieder den Bogen zu Herrman. Andererseits hast Du jetzt noch einen Anhaltspunkt, um zu überlegen, in welcher Beziehung Herrman und Martha zueinander stehen.

Zum Pamphlet:
anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Ein Pamphlet ist an sich eine politisch-religiöse, vor allem aber polemische Streitschrift und nicht etwa einfach nur eine Warnung.

Ein Pamphlet ist in erster Linie eine Streit- oder Schmähschrift. Nicht zwingend politisch. Ich kann auch meinen Nachbarn ein Pamphlet schreiben, weil die jeden Sonntag grillen.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Und damit sind wir wieder bei Herrman. Das Martha-Intermezzo hat genauso unvermittelt geendet, wie es begonnen hat. War es eine Beobachtung, die Herrman auf seinem Spaziergang gemacht hat? Kann nicht sein, denn die Beobachtung hat ein auktorialer Erzähler gemacht. Einer, der Verallgemeinerungen über Martha machen kann und ihren Alltag kennt. Das kann Herrman nicht sein.

Vermutlich nicht, nein. Aber das ist ganz Dir überlassen...

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
finis hat Folgendes geschrieben:
Herrman Niehr beschloss, nicht ins Büro zu gehen. Er begrub die Taube. Regenstaub hing in der Luft, als könne das Wetter sich nicht entscheiden, ob es nun regnen sollte oder nicht.
Er stand in seiner Wohnung, immer mehr Staub sammelte sich auf dem Klavierdeckel und die Katze saß im Altpapierkarton und starrte ihn an. Durch sein Spiegelbild im Fenster hindurch konnte er die Straßenbahnhaltestelle sehen und die Strommasten. Er meinte sogar, die Elektronen durch die Leitungen sirren hören zu können.
Regenstaub? Naja. In Herrmans Leben ist eh alles so verstaubt, warum nicht auch der Regen. Die Katze starrt immer noch den Altpapierkarton an. Warum ich den falschen Bezug noch mal anspreche? Weil er den ganzen Rest durchzieht, der sich genauso auf den Karton wie auf Herrman beziehen könnte. Und dann ist es eben der Karton, der durch sein Spiegelbild im Fenster die Elektronen zu hören glaubt. In diesem Satz passt das "meinte" übrigens". Anders als das "sogar", das in der Regel auf "mehr als sonst" hindeutet. Aber er hört ja sonst gar nichts.

Ja, Regenstaub.
Ich bin mir relativ sicher, dass der Altpapierkarton nicht der einzig mögliche Bezugspunkt ist, d.h. dass die Katze auch ihn anstarren kann, ihn aber nicht unbedingt anstarren muss, wenn noch ein anderes mögliches Bezugswort gegeben ist.
Ich habe "sogar" mal nachgeschlagen, wurde auf "auch" verwiesen, wo es zusammen mit "selbst" und "schon" zu finden ist, in einer anderen Kategorie übrigens als "darüber hinaus". Das deckt sich mit meinen Vorstellungen des Gebrauchs.

Ja. Der letzte Satz ist durchaus strittig.

Uff.
Ich hoffe, ich konnte Deinem Kommentar in meinen kurzen Stellungnahmen gerecht werden.
Ob es an Dir liegt oder an mir, kann, werde und will ich nicht entscheiden. Ich denke, wir treffen uns da in der Mitte. Der Text hat seine Schwächen, das ist mir bewusst, es wäre auch seltsam, wenn nicht. Das Hauptproblem scheint dabei aber die Grundidee zu sein, die zum einen vielleicht überstrapaziert wird und nicht optimal umgesetzt wird, zum anderen aber zu viel vom Leser verlangt.

Und noch etwas, das mir beim Beantworten Deines Kommentars sehr bewusst geworden ist: Du warst nicht direkt rücksichtslos. Vielleicht an manchen Stellen etwas penibler, als ich es gewesen wäre, aber das tut dem Text nicht weh. Und dabei hast Du nicht nur die negativen Seiten beleuchtet, Du warst ehrlich. Das ist nicht rücksichtslos, sondern fair. Ich wäre schon glücklich gewesen, wenn Du gesagt hättest: Das ist Mist, und das und das und der Satz ist eine Katastrophe. Was Du stattdessen getan hast, war mehr als ich hätte verlangen können.
Vielen herzlichen Dank.

Liebe Grüße
finis


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