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Sonne
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 55
Beiträge: 13
Wohnort: Schleswig-Holstein


Beitrag23.10.2013 09:20
Puzzleteil
von Sonne
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Hallo ihr Lieben,
jetzt werde ich mich eurem kritischen Blick aussetzen und euch den Anfang meines Manuskripts lesen lassen.
Dieser Anfang soll, bevor die Handlung dann richtig in Fahrt kommt, einen kleinen Eindruck geben von mir, der Erzählerin.
Ist er zu langatmig, zu langweilig? Zu viele Gedankengänge..?


Wir stehen an der Bahnsteigkante und plötzlich erfasst uns der Wind, den die heranratternde U-Bahn vor sich her schiebt, und lässt unsere Haare flattern. Wie schön, Wind tief unter der Erde!
Sowas kann auch nur ein Landei aus der Provinz denken, schießt es mir durch den Kopf, ein Landei wie ich. Für die meisten Berliner ist dieser Wind, der Untergrund, die Stadt mit allen ihren kleinen und großen Wundern bestimmt so selbstverständlich, dass sie wohl selten einen Gedanken daran verschwenden. Einen unwichtigen, aber schönen Gedanken.
Oder sind die gar nicht so gedankenlos und cool..? Ich jedenfalls war gleich beim ersten Abstieg in die Unterwelt ein wenig uncool weil ich fragen musste, wo ich die Fahrkarten her bekomme und erst nicht kapiert habe, dass man in beide Richtungen fahren kann, obwohl über der Treppe zwei gleiche Hinweisschilder hängen.
Der Geruch hier unten ist mir irgendwie vertraut, fast so wie in den Treppenhäusern meiner alten Schule. Die waren komplett aus Beton und dünsteten auch nach Jahren noch diesen besonderen, leicht muffigen Geruch aus...
Leas goldene Locken fliegen ihr ins Gesicht und sie lacht. Ich lache auch, mein Herz wird warm, wenn sie so spontan lacht, wenn sie sich über kleine Dinge freut wie Wind im Haar.

Der Zug hält. Unsere erste gemeinsame Fahrt in einer U-Bahn. Es ist ein kleines Abenteuer und der Gedanke macht mir nichts aus, dass ich es so empfinde, denn diese Reise ist ein Abenteuer für mich. Ich gebe es zu, die große Stadt macht mir ein wenig Angst... Aber diese Herausforderung nehme ich gern an!
Der Nachmittag soll auf jeden Fall schön werden, er soll Lea im Voraus entschädigen für das Unangenehme, das in den nächsten beiden Tagen folgen wird. Aber auch ich will mich entschädigen, ich habe das Gefühl, dass ich es mir verdient habe, ein nettes kleines Abenteuer zu erleben - aber bitte nicht zu abenteuerlich, schön übersichtlich und nach Plan ist es mir lieber. Also genau genommen doch kein echtes Abenteuer, denn der Plan steht fest, sorgfältig recherchiert am Tag zuvor, damit ja nicht zu viel Unvorhergesehenes passiert. Überraschungen mögen für viele Menschen erfreulich sein, ich hatte aber so einige höchst unerfreuliche Überraschungen in den letzten Jahren, da nehme ich den Zufall lieber erst mal an die kurze Leine.

Als wir aus der Unterwelt hinaufsteigen und wieder ins Licht eintauchen, durchströmt mich ein wohliges Gefühl, ich bin dankbar, dass die Sonne am blauen Oktoberhimmel strahlt und mich von außen und innen wärmt. Alles ist gut! Wir beide sind zusammen unterwegs, wir machen uns einen schönen Tag und der Rest kann warten. Im Beiseiteschieben habe ich ja inzwischen Übung, eine Überlebenstaktik sozusagen, aber jetzt wird es leichter, denn das berühmte Päckchen ist nun wirklich langsam auf Päckchengröße geschrumpft. Das hoffe ich jedenfalls... Ganz hinten links im Kopf lauert noch immer die bekannte Angst, aber inzwischen glaube ich die Machtverhältnisse zwischen der Angst und mir zu meinen Gunsten geklärt zu haben. Also weg damit und rein ins pralle Leben der Stadt.

Früher habe ich mich gern mokiert über diese typischen Touristen, jetzt erfülle ich innerlich schmunzelnd selbst das Klischee: Ich fotografiere meine Tochter vor dieser und jener Sehenswürdigkeit, wir durchstöbern die Bestände an Postkarten und stellen uns brav in die Warteschlange, um in den Fernsehturm zu gelangen und die Stadt von oben zu sehen.
Wir sitzen am Alexanderplatz auf einer Stufe im letzten Sonnenstrahl und beobachten die vielen Menschen, die dort unterwegs sind oder auch eine Pause einlegen. Eine Frau setzt sich neben uns, wir lächeln uns an und unterhalten uns kurz auf Englisch, sie ist eine Dänin. Ich bin angenehm überrascht von meiner eigenen Kontaktfreudigkeit, denn ich habe das Gespräch selbst eröffnet und mir wird bewusst, dass ich ohne diese ganze Geschichte der letzten drei Jahre mit Sicherheit auch nicht so spontan auf Englisch hätte umschalten können.
Alles ist für irgendwas gut.
Zwei Akkordeonspieler faszinieren mich, denn sie spielen Bach und das unglaublich virtuos. Als wir den Platz wieder verlassen, stehen dort sechs Bläser, die auch auf ungewöhnliche Weise spielen, aber diese Musik berührt mich nicht so sehr. Eher stimmt mich der alte Mann etwas melancholisch, der so verloren wirkt und immer noch an derselben Stelle steht und die Musiker dirigiert.

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Gast







Beitrag23.10.2013 09:37

von Gast
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Zitat:
Ist er zu langatmig, zu langweilig? Zu viele Gedankengänge..?


Ja.

Ich sage das jetzt mal mit all dem mir zur Verfügung stehenden Charme:

Du bist völlig uninteressant. Mutti mit Kind in der Großstadt. Das kannst du als Brief aus dem Urlaub an deine Familie schicken, die wird das lesen, weil sie sich für dich interessiert und deine Gedankengänge. Wahrscheinlich aber nur quer, denn Menschen sind gemein, die hören nur zu, wenn man über sie redet.

Ich, als böser, gemeiner Leser - ich interessiere mich da null für. Ich will gar nicht wissen, was du denkst und fühlst: ich kenne dich nicht, uns verbindet nichts.

Erst wenn eine Verbindung da ist - dann, dann höre ich dir zu. Und selbst dann würde ich kürzen. Auf eine Emotion, auf einen Eindruck von der großen Stadt.

Das Kind, seine Krankheit - das ist der Hook. Damit sollte die Geschichte beginnen. Das Unangenehme nicht mal eben im Nebensatz.

Kind muss ins Krankenhaus. Mama in Sorge. Letzte Stunden davor, noch einmal einfach nur unbeschwert Tourist sein. Dafür ein! Bild. Sonnenschein, Eis, Blick vom Fernsehturm. Von mir aus, kann auch was anderes sein.
Aber das Thema ist das Thema. Und nicht, was du so über Berlin denkst und dachtest ...

Wobei ich eigentlich und wirklich all das Weglassen und direkt mit der Krankheit beginnen würde. Wer du bist - das zeigt sich auf den restlichen 300 Seiten zur Genüge. Und diese Andeutungen über Päckchen und Überleben - das ist Böh. Butter bei die Fische. Sag mir was los ist. Worum geht es, was ist passiert?
Diese pers. Betrachtungen können später durchaus kommen, aber auch da: greifbar. Nicht in irgendwelchen Allgemeinplätzen ergehen.
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MosesBob
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Beitrag23.10.2013 10:43

von MosesBob
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Hallo!

Sonne hat Folgendes geschrieben:
Hallo ihr Lieben,
jetzt werde ich mich eurem kritischen Blick aussetzen und euch den Anfang meines Manuskripts lesen lassen.
Dieser Anfang soll, bevor die Handlung dann richtig in Fahrt kommt, einen kleinen Eindruck geben von mir, der Erzählerin.
Ist er zu langatmig, zu langweilig? Zu viele Gedankengänge..?

Meiner Meinung nach ist der Anfang tatsächlich zu langatmig und zu langweilig. Auch was die Gedankengänge anbetrifft, finde ich keinen richtigen Draht zu der Erzählerin. Das wirkt besonders am Anfang alles sehr verworren und holterdiepolter. Gleich im ersten Satz hätte ich mir gewünscht, dass du sagst, mit wem du an der Bahnsteigkante stehst. Dass es deine Tochter ist, ist ja kein Geheimnis. Und dass es deine Tochter ist, kann man sich zwar nach einiger Zeit denken. Dass es aber wirklich deine Tochter ist, erfahre ich strenggenommen erst, wenn du sie vor der Sehenswürdigkeit fotografierst, denn dann fällt zum ersten Mal das Wort „Tochter“. Aber das ist nur eine Kleinigkeit. Besonders würde ich das Augenmerk darauf richten, welchen Eindruck du dem Leser vermitteln möchtest. Es werden allerhand Anspielungen gemacht, die auch gut und gerne Anspielungen bleiben können – zum Beispiel die „höchst unerfreulichen Überraschungen in den letzten Jahren“ –, aber sie tragen auch dazu bei, dass ich nach dem Lesen dieser Textprobe mit einem Gefühl zurückbleibe, das mich fragend anschaut und murmelt: Was soll mir dieser Anfang sagen? Der Weg vom U-Bahnschacht bis hin zu den Straßenmusikern wirkt auf mich wie eine wahllose und vor allem unkoordinierte Aneinanderreihung von Gedanken.

Die Geschichte wird lebendiger und nicht mehr ganz so konfus, wenn Mutter und Tochter auf dem Alexanderplatz ankommen und das Treiben verfolgen. Von allem, was davor kam, habe ich nur behalten, dass die Erzählerin ein Landei ist. Um das zu vermitteln, braucht man aber keine 500 Wörter. Was ich auch schade finde ist, dass die Tochter so blass bleibt. Die erste gemeinsame Fahrt in der U-Bahn! Ist es auch Leas erste Fahrt? Wie reagiert sie? Staunt sie? Wenn ja: Wie und worüber? Selbiges auf dem Alexanderplatz.

Wo würde ich ansetzen? Ich würde mir zunächst überlegen, welchen Eindruck der Anfang der Geschichte vermitteln soll. Welchen Eindruck soll der Leser gewinnen (vor allem auch von der Erzählerin), in welche Stimmung soll er versetzt werden? Soll es unterhaltsam sein, fidel, ein bisschen melancholisch? Möchtest du mit dem „Landei“ kokettieren? In welchen Szenen kannst du das am besten, welche Szene eignet sich am ehesten dazu? Was ist relevant, was ist wichtig für die weitere Entwicklung vom Plot und von der Protagonistin?

Bring ein bisschen Struktur und Persönlichkeit in deine Geschichte. Weniger „Quassellaune“. Da würde ich ansetzen. smile

Viele Grüße,

Martin


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(Laotse)
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Gast







Beitrag23.10.2013 12:50

von Gast
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Nachtrag: Mir fällt gerade auf, dass ich meinen Senf noch in den Kontext setzen muss.

Ich weiß aus der Diskussion hier - http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=44625&highlight= - in welchem Genre sich der Text bewegen soll. Memoir.

Es steht also eine reale (Krankheits)Geschichte im Zentrum.

Jetzt ist es z.B. im ChickLit üblich und gängig, das ICH erstmal mittels Plauderton vorzustellen und da funzt das auch.

Aber:
1. sind es in der ChickLit keine realen Menschen, sondern Spiegelfiguren. Heißt, fiktive Personen mit hohem Identifikationspotential. Die so sind, wie man ist, sein will oder die beste Freundin sein sollte.

Du bist aber eine reale Person, die ihre reale Geschichte erzählt. Der Verbindungspunkt zum Leser ist also: Die Sorge, die Angst, die Belastung. Das ist, was jeder nachvollziehen kann, sich damit identifizieren.

Ob du vom Land bist, je in Berlin warst und das Akkordeon super findest - spielt für diese Geschichte keine Rolle.

2. reale Personen und ihre Gedanken sind - so unnett das jetzt ist, dieses laut zu sagen - selten bis sehr selten wirklich spannend.
Deswegen tut es i.d.R. gut im Falle einer solchen Geschichte als ICH ein Stück zurückzutreten und der Geschichte die Bühne zu überlassen.
Wenn man von den Emotionen und Gedanken erzählt, dann sollte man dies eher kurz und präzise tun.

Ich versuche es nochmal anders: im Chick-Lit spielt die Person die Hauptrolle. Im Memoir das Ereignis. m.E. (Ausnahmen gibt es immer, aber Ausnahmen schreiben ist schwer, sonst wären es keine.)
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Sonne
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Beitrag23.10.2013 16:01

von Sonne
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Danke erstmal für eure Einschätzungen.
Also werde ich den Anfang noch etwas zusammenkürzen, ich hab's mir ja schon gedacht...
Allerdings habe ich bewusst nicht mit einer dramatischen Szene begonnen, Drama kommt noch genug, sondern wollte einen einigermaßen unbeschwerten Einstieg finden.
Mich als Person ein wenig vorzustellen halte ich (bis jetzt jedenfalls) für sinnvoll, damit der Leser im weiteren Verlauf die Möglichkeit hat einzuschätzen, wie die Ereignisse auf mich einwirken. Denn darum geht es ja auch, nicht nur um Fakten.
Der Leser kann, was ihr nicht konntet, anhand der Kapitelüberschrift und des Inhaltsverzeichnisses erkennen, dass diese Episode schon fast am Ende der Geschichte spielt. Das 2. Kapitel erzählt den Beginn.

"Ich, als böser, gemeiner Leser - ich interessiere mich da null für. Ich will gar nicht wissen, was du denkst und fühlst: ich kenne dich nicht, uns verbindet nichts."
Das hieße ja, dass man überhaupt keine Geschichten über irgendwelche Leute lesen würde, die man nicht kennt! Diesen Einwand verstehe ich nicht.

"...aber sie (die Anspielungen) tragen auch dazu bei, dass ich nach dem Lesen dieser Textprobe mit einem Gefühl zurückbleibe, das mich fragend anschaut und murmelt: Was soll mir dieser Anfang sagen?"
Neugierig machen..?

"...fiktive Personen mit hohem Identifikationspotential. Die so sind, wie man ist, sein will oder die beste Freundin sein sollte."
Ist es für den Leser so wichtig, ob er eine fiktive oder reale Person kennenlernt? Und genau das möchte ich ja, mich als einen Menschen zeigen, der wie du und ich ist, nicht irgendwie besonders.

"Ob du vom Land bist, je in Berlin warst und das Akkordeon super findest - spielt für diese Geschichte keine Rolle."
Stimmt, ist nicht wichtig, könnte aber ein Gesamtbild schaffen. Kommt anscheinend nicht an.

"Deswegen tut es i.d.R. gut im Falle einer solchen Geschichte als ICH ein Stück zurückzutreten und der Geschichte die Bühne zu überlassen."
Ok, kann man so sehen, ich habe es bis jetzt anders gesehen, denn gerade die Emotionen und Gedanken sind mir ja wichtig. Nicht nur die Ereignisse. Symptome und Behandlung kann man inzwischen im Internet nachlesen...

Ich werde also die Stellen mit zu vielen oder nicht so relevanten Gedankengängen kürzen.
Aber bei dem gesamten Aufbau bin ich mir nicht so sicher, ob es gut wäre, den komplett zu ändern.
Das erste Kapitel habe ich sozusagen zum Kennenlernen und als Einstieg in die Thematik so gewählt, denn da werden einige Dinge schon erklärt (im weiteren Verlauf).
Warum mit der Tür ins Haus fallen?
Und ist stur chronologisch nicht langweilig..?

[...Übrigens: Wie kann ich hier einzelne Zitate auswählen mit der Zitatfunktion?
Wenn ich eine Stelle markiere, dann erscheint sofort ein Antwortfenster mit dem gesamten Text. Geht das irgendwie anders?]
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Gast







Beitrag23.10.2013 16:31

von Gast
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Zitat:
Das hieße ja, dass man überhaupt keine Geschichten über irgendwelche Leute lesen würde, die man nicht kennt! Diesen Einwand verstehe ich nicht.


Der Punkt ist - egal ob du eine Präsentation hältst, jemanden ein paar Socken verkaufst oder eine Geschichte erzählen willst. Du kannst nur dann seine Aufmerksamkeit gewinnen, wenn das, was du 'sagst', irgendetwas mit ihm zu tun hat.

Seinen Interessen, seinem Leben, seinen Erfahrungen, Wünschen und Träumen. Die meisten Menschen beginnen aber schreiben damit, von sich und nur von sich zu reden, weil es ihnen darum geht, was sie sagen wollen.

Ich halte es für elementar, egal was man schreibt, für jemanden zu schreiben. Und nicht zu fragen: 'was möchte ich sagen' sondern 'was möchte der andere denn hören?' Und wie bekomme ich das zusammen?

Daraus folgt dann: er möchte etwas über sich hören, etwas, dass ihn persönlich angeht.

Daraus folgt dann: wo sind unsere Schnittstellen?

usw.
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Sonne
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Beitrag23.10.2013 17:23

von Sonne
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Ok, so kann ich deinen Gedanken verstehen.
Das frage ich mich ja auch beim Schreiben: Wie würde ich es gern lesen? Was würde mich ansprechen, neugierig machen, mir die Person vertraut machen, damit ich ihre Geschichte lesen will?
Und speziell hier: Haben die anderen Betroffenen ihre Reise nach Berlin ähnlich erlebt? (Viele suchen dort denselben Arzt auf wie wir.)  
Irgendeinen Grund wird der potenzielle Leser ja haben, um nach so einem Buch zu greifen, er hat wahrscheinlich irgendeine ähnliche Erfahrung gemacht oder ein Angehöriger ist betroffen...

Ist ein guter Gedanke, werde ihn im Hinterkopf behalten bei der Überarbeitung.

Hier die geänderte Version:

Wir stehen an der Bahnsteigkante und plötzlich erfasst uns der Wind, den die heranratternde U-Bahn vor sich her schiebt, und lässt unsere Haare flattern. Wie schön, Wind tief unter der Erde!
Sowas kann auch nur ein Landei aus der Provinz denken, schießt es mir durch den Kopf, ein Landei wie ich. Für die meisten Berliner ist dieser Wind, der Untergrund, die Stadt mit allen ihren kleinen und großen Wundern bestimmt so selbstverständlich, dass sie wohl selten einen Gedanken daran verschwenden. Einen unwichtigen, aber schönen Gedanken.
Leas goldene Locken fliegen ihr ins Gesicht und sie lacht. Ich lache auch, mein Herz wird warm, wenn sie so spontan lacht, wenn sie sich über kleine Dinge freut wie Wind im Haar.

Der Zug hält. Unsere erste gemeinsame Fahrt in einer U-Bahn ist ein kleines Abenteuer für uns beide, wie auch diese Reise nach Berlin. Ich gebe es zu, die große Stadt macht mir ein wenig Angst... Lea aber saugt neugierig alle Eindrücke in sich auf.
Der Nachmittag soll auf jeden Fall schön werden, er soll Lea im Voraus entschädigen für das Unangenehme, das in den nächsten beiden Tagen folgen wird. Aber auch ich will mich entschädigen, ich habe das Gefühl, dass ich es mir verdient habe, ein nettes kleines Abenteuer zu erleben - aber bitte nicht zu abenteuerlich, schön übersichtlich und nach Plan ist es mir lieber. Also genau genommen doch kein echtes Abenteuer, denn der Plan steht fest, sorgfältig recherchiert am Tag zuvor, damit ja nicht zu viel Unvorhergesehenes passiert. Überraschungen mögen für viele Menschen erfreulich sein, ich hatte aber so manche höchst unerfreuliche Überraschung in den letzten Jahren, da nehme ich den Zufall lieber erst mal an die kurze Leine.

Als wir aus der Unterwelt hinaufsteigen und wieder ins Licht eintauchen, durchströmt mich ein wohliges Gefühl, ich bin dankbar, dass die Sonne am blauen Oktoberhimmel strahlt und mich von außen und innen wärmt. Alles ist gut! Wir beide sind zusammen unterwegs, wir machen uns einen schönen Tag und der Rest kann warten. Im Beiseiteschieben habe ich ja inzwischen Übung, eine Überlebenstaktik sozusagen, aber jetzt wird es leichter, denn das berühmte Päckchen ist nun wirklich langsam auf Päckchengröße geschrumpft. Das hoffe ich jedenfalls... Ganz hinten links im Kopf lauert noch immer die bekannte Angst, aber inzwischen glaube ich die Machtverhältnisse zwischen der Angst und mir zu meinen Gunsten geklärt zu haben. Also weg damit und rein ins pralle Leben der Stadt.

Früher habe ich mich gern mokiert über diese typischen Touristen, jetzt erfülle ich innerlich schmunzelnd selbst das Klischee: Ich fotografiere meine Tochter vor dieser und jener Sehenswürdigkeit, wir durchstöbern die Bestände an Postkarten und stellen uns brav in die Warteschlange, um in den Fernsehturm zu gelangen und die Stadt von oben zu sehen.
Wir sitzen am Alexanderplatz auf einer Stufe im letzten Sonnenstrahl und beobachten die vielen Menschen, die dort unterwegs sind oder auch eine Pause einlegen. Eine Frau setzt sich neben uns, wir lächeln uns an und unterhalten uns kurz auf Englisch, sie ist eine Dänin. Mir wird bewusst, dass ich ohne diese ganze Geschichte der letzten drei Jahre mit Sicherheit nicht so spontan auf Englisch hätte umschalten können.
Alles ist für irgendwas gut.
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Jack Burns
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Beitrag23.10.2013 19:11

von Jack Burns
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Hallo liebe Sonne,

Ich habe jetzt mehrmals, beide Versionen gelesen. Die zweite ist schon besser aber es stört mich immer noch etwas;
Debruma schrieb es bereits so ähnlich, wie ich es empfinde: Ich will die Gefühle und Gedanken des Protagonisten nachvollziehen können.
Als kurze Information, im ersten Absatz, ist es in Ordnung, vielleicht sogar notwendig das Landei-Thema zu bringen; ein oder zwei selbstironische Kommentare.
Aber es kommt immer wieder. Und ich denke dann: Ja, ja, ich hab's verstanden.
Es gibt sicher einige Landeier, die sich mit der Situation identifizieren können, aber sie ist nicht sehr interessant.
Man könnte natürlich auch einen lustigen Reisebericht daraus machen - dann erwartet der Leser genau das, was Du schreibst. Aber das ist ja nicht Dein Ziel.

Liebe Grüße
Martin


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Sonne
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Beitrag23.10.2013 19:59

von Sonne
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Auch dir danke für deine Einschätzung, aber ich steh gerade etwas auf'm Schlauch: Wo kommt das Landei immer wieder..?
Meinst du das mit der Großstadt, die mir Angst macht..?
Viele Leute würden sich vielleicht irritiert fragen: Wieso is'n U-Bahn fahren oder ein Besuch in der Stadt ein Abenteuer? Für uns war es aber so - weil wir halt die vielzitierten Landeier sind. Hatte echt Muffen, mich da zurechtzufinden - und ja, es war also etwas selbstironisch gemeint.

Oder meint ihr, es interessiert generell nicht, wie ich mich dort fühle/wir uns?

Tja, der Anfang ist wohl das Schwierigste... Er soll neugierig machen, einen hineinziehen, den Protagonisten vorstellbar machen...
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Nolwen
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Beitrag23.10.2013 20:01

von Nolwen
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Liebe Sonne,

ich kann diese Darstellung der "Ängste" vor dem Untergrund gut nachvollziehen -auch als Nicht-Landei. Obwohl ich als Münchnerin S-/U-Bahn kenne, war die Metro in Paris trotzdem eine echte Herausforderung ... ich finde das ganz gut beschrieben.
Ich glaube auch, dass Du Dein Manu sicherlich kaptivierender darstellen kannst, aber mich hat es trotzdem gepackt, weil ich wissen möchte, was in zwei Tagen auf Lea zukommt...
Was mir auch sehr gut gefallen hat - der Windstoß, den Du beschreibst. Dinge, die unsereinem gar nicht mehr auffallen. Ich mag es, wenn mir jemand solche Details wieder vor Augen führt.
Könnte durchaus eine fesselnde Geschichte werden...

LG Nolwen
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Jack Burns
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Beitrag24.10.2013 00:32

von Jack Burns
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Hallo Sonne smile

Ich hab jetzt noch mal die aktuelle Version gelesen. Ich hätte vorhin nicht beide hintereinander lesen sollen, jetzt erscheint mir die zweite Version doch ganz in Ornung. Ich verstehe, dass Du dieses Gefühl unbedingt rüberbringen willst und dann mach es auch! Vielleicht solltest Du die Wiederholung des "Landei" vermeiden.

Jetzt will ich auch wissen, wie es weiter geht!

Grundsätzlich muss ich sagen, dass es nicht das Gleiche ist, ob ich als Leser eine Situation nachvollziehen kann (weil ich sie kenne) oder ob mich deren Beschreibung interessiert.
Triviales Beispiel:
"Ich wartete an der Kasse. 10 Leute standen vor mir. Ich blickte auf die Uhr. Nach 5 Minuten standen immer noch 19 Leute vor mir. Ich zählte die Kartoffeln in meinem Einkaufskorb..."
Stell Dir das mal über 3 Absätze vor!
Diese Situation kenne ich leider sehr gut. Trotzdem will ich nicht darüber lesen; es sei denn, dass nach ein paar Zeilen ein Außerirdischer aus dem Regal hüpft.
( Oder ein attraktiver Werwolf mit seiner hübschen Vampir-Verlobten, auf der Flucht vor einem Superhelden, der auf die Seite des Bösen gewechselt ist, obwohl er eigentlich nur von seinem Vater geliebt werden will ...)

Also mach Dich nicht verrückt wegen meiner Anmerkungen. Ich liebe nun mal stark reduzierte oder sehr bildhafte Texte. Ein Fachmann bin ich auch nicht.

Frohes Schaffen
Martin[/quote]


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Sonne
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Beitrag24.10.2013 01:10

von Sonne
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Vielen dank Nolwen, da bin ich ja beruhigt, dass es auch anders rüberkommen kann smile

Und danke Martin, dass du es noch mal mit Abstand gelesen und etwas positiver empfunden hast.

...........eine kleine Abhandlung über das Kartoffelnzählen in der Warteschlange könnte durchaus auch über 3 Absätze interessant sein, wenn sie richtig gut geschrieben ist........... wink  

Insgesamt habt ihr sicher recht, ich bin beim ersten Kapitel, also beim Warmschreiben, wohl etwas zu ausschweifend geworden... Ist immerhin mein allererster ernsthafter Schreibversuch!
Da gibt es noch zwei, drei Stellen im ersten Kapitel, wo ich zB meine Übernachtung bei fremden Leuten oder einen Besuch beschreibe, die tatsächlich nicht unbedingt mit dem Hauptthema zu tun haben, sondern "nur" etwas über mich als Mensch aussagen. Bin jetzt etwas verunsichert, ob ich das so lassen soll....
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