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Wovon man nicht sprechen kann


 
 
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BlueNote
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Wohnort: NBY



Beitrag04.10.2013 07:45

von BlueNote
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Zwar ist in diesem Text das Bernhard-Zitat hervorragend umgesetzt, trotzdem gefällt mir der Text nicht so besonders. Was will er eigentlich genau im Leser bewirken? Betroffenheit über den Tod von Menschen auslösen? Wir sind doch schon betroffen von den Ereignisse an sich. Die ganzen Gleise im Text wirken ziemlich aufgepfropft (weil es halt das Thema verlangt), die Gedanken an das Leben mit der Frau sind zwar teilweise anrührend, aber doch durch die ganzen "weil"-Satzkonstruktion auch ein wenig unangenehm zu lesen. Hier soll wohl Verzweiflung geschildert werden, aber so richtig nachvollziehen konnte ich das nicht.

Ein Text, der ernsthaft sein will (E-Literatur), nur weil er schreckliche Ereignisse schildert und eine wirre Gedankenwelt andeutet? Für mich funktioniert das nicht richtig.
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag04.10.2013 10:36

von anderswolf
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Aus Zeitmangel derweil nur ein Kommentar zum Befedern, Erläuterung später.
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Rübenach
Geschlecht:männlichExposéadler
R


Beiträge: 2832



R
Beitrag04.10.2013 13:03

von Rübenach
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Vorab:
Um alle Texte befedern zu können, musste ich mich häufig bei der Bewertung sehr kurz fassen. Außerdem habe ich dieses Mal sehr subjektiv bewertet und keine Bewertungsschemata (drei Federn für die Umsetzung der Vorgaben etc.) benutzt. Natürlich führt dies im Einzelfall zu völlig ungerechten Beurteilungen. Ist mir aber auch egal. Was mir bei sehr vielen Texten aufgefallen ist, ist die fehlende Auseinandersetzung mit dem Bernhard-Zitat. Entweder es wird ohne triftigen Grund in den Text gepackt, oder der Autorin glaubt, es sei ausreichend zu zeigen (oder zu behaupten), dass es immer mehrere Wahrheiten gebe.

Sorry, aber für eine individuelle Kommentierung ist die Zeit zu knapp.

Beim Erstlesen hatte ich mir notiert:
grünes T-Shirt oder blaues T-Shirt?

5 Federn. Ich habe im Schnitt 4,32 Federn vergeben


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Akiragirl
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Beitrag04.10.2013 13:13

von Akiragirl
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Hallo Inko,

diesen Text zu befedern ist mir nicht leicht gefallen. Ich erkenne an, dass er fehlerfrei formuliert ist und interessante popkulturelle Zitate enthält, die sich mit den Vorgaben auseinandersetzen. Ich erkenne an, dass dieser Text auf keinen Fall dahingeschludert wurde, sondern mit Sorgfalt formuliert wurde und viele gute Gedanken darin stecken. Ich erkenne auch an, dass hier sicherlich kein Anfänger am Werk war, sondern jemand, der weiß, was er tut.

Leider können alle diese rationalen Argumente nichts dagegen tun, dass der Text einfach an mir vorbeigegangen ist. Er hat mich nicht „gepackt“; mir nichts gegeben, irgendwie. Schon 5 Minuten nach dem Lesen wusste ich gar nicht mehr, was ich da eigentlich gerade gelesen hatte. Irgendwie wolltest du es wohl so aufbauen, dass man denkt, der eine Mann wird sich umbringen, dabei wird er später zum Retter und das Unglück hatte nichts mit einem Selbstmordversuch zu tun. Dass du das Ganze in das real stattgefundene Zugunglück von Eschede eingewoben hast, macht diesen Fakt und das „Denken in falschen Bahnen“ vorher umso wichtiger.

Dennoch – mich hat der Text schlichtweg nicht erreicht. Das ist eine sehr subjektive Bewertung, aber ich kann da nicht aus meiner Haut.  Die Figuren und auch die Handlung hat mich kalt gelassen; ich habe nach dem Ende der Lektüre nicht mehr darüber nachgedacht.

Deshalb leider nur 4 Federn von mir.

Liebe Grüße
Anne


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Zinna
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Beitrag04.10.2013 15:57

von Zinna
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Hallo Inko/a,

die Bilder von dem furchtbaren Zugunglück schieben sich mir umgehend vors innere Auge, wenn ich den Namen Eschede höre oder lese.
Unzählige Menschen sind betroffen, Zuginsassen, Angehörige, Bahnangestellte, Rettungskräfte, Helfer und Augenzeugen und und…
So viele Einzelschicksale, durch dieses Ereignis verwoben.

Doch dein Beitrag ist mir persönlich zu konfus. Die Personen und ihre Handlungen sind Bruchstücke, über die ich nachdenke, die sich erst am Ende mit BÄNG zusammen fügen.
Es tut mir leid, diese Art von Text ist nicht für mich gemacht.

LG
Zinna


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Aranka
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Beitrag05.10.2013 14:26

von Aranka
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Hallo Holg,

ich habe reingeschaut, nein mehr, ich bin hängen geblieben und bin beeindruckt. Eine wirklich interessante und gut geschriebene Auseinandersetzung mit der Thematik. Gefällt mir, klasse gemacht! Die letzten vier Zeilen braucht es für mich nicht, stören mich eher, aber sonst packt mich der Text auf seine ganz eigene Weise.

Gern gelesen. Alle Daumen hoch. Liebe Grüße Aranka


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holg
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Beitrag06.10.2013 19:23

von holg
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Da war die Idee, Thema und Vorgabe sehr konkret und wörtlich umzusetzen, nicht darüber zu theoretisieren, sondern auf mehreren Ebenen zu demonstrieren, wie ich den Kern des Bernhard-Zitates, die Unmöglichkeit, die (eigene) Wahrheit vollständig, unverfälscht und uninterpretierbar zu kommunizieren, sehe.

Es sollte eine Geschichte über Liebe und Tod werden, weil alles andere, frei nach dem gerade erst verstorbenen MRR, Mumpitz ist. Und sie sollte seiner Forderung nach Unterhaltung, auch und gerade in der ernsthaften Literatur gerecht werden. Höheren Ansprüchen, mit denen ich bei diesem Wettbewerb fest gerechnet habe, wollte ich durch die Erzählung zweier paralleler Geschichten, und der Realisierung von Thema und Vorgabe auf inhaltlicher, struktureller, Sub- und natürlich Metaebene genügen.

Das Wort „parallel“ ist schon gefallen und liegt beim Thema Gleise irgendwie nahe. Parallel sind nach alter Definition zwei Linien, deren Schnittpunkt in der Unendlichkeit liegt. Die Auflösung unserer Wahrnehmung lässt in weiter Ferne nur das ungefähre Erkennen von Bewegung zu. Ebenso wie wir die Gleise zunächst nicht optisch trennen können, scheinen die beiden Geschichten eine zu sein, eine leise Melodie, ein heran wehendes Thema.

Erst beim zweiten Blick erkennen wir, dass es sich um zwei Geschichten handelt, im musikalischen Bild bleibend, durch zwei neue Themen: Anzug, T-Shirt.

Auf einem Nebengleis rauscht ein Zug vorbei. Jakob und der von den Ausrichtern zitierte erste Satz. Er bringt ein weiteres Thema quer über die Gleise in die Melodie (: schräg) und verschwindet aus dem Blick, denn wir schauen wieder genauer auf unsere beiden Geschichten, die sich jetzt deutlicher von einander abheben.

Nach dem dritten Blinzeln erfahren wir etwas über den zeitlichen Hintergrund der beiden scheinbar parallel stattfindenden Geschichten, jeweils aus der Sicht des Protagonisten. Hier klingt die Diskrepanz aus Erfahrung, erlebter Wahrheit und den Möglichkeiten der Sprache erstmals an.

Der Wittgenstein-Shinkansen zischt vorbei, bringt durch seine extreme Lösung des Bernhard-Dilemmas ein weiteres Thema in die Melodie:
das Schweigen, als Möglichkeit des Ausdrucks des Unsagbaren oder als Verneinung der Lüge. Schweigen als Subtext des nun Folgenden, demonstriert am nächsten Abschnitt. Die Komplexität des Mitzuteilenden reduziert auf pauschale Floskeln, später im Ringelnatz-Gedicht und so weiter. Schweigen über Stefan B. Es wird gar nicht versucht, irgendeine großartige Wahrheit mitzuteilen. Und da wo (die Geschichte Stefan B.‘s), wird sie durch Ungenauigkeiten („vielleicht“) nur so ungefähr mitgeteilt, dass sie hinter die wortreich erzählte erfundene Geschichte des Olaf B. zurück tritt.

Der Stand By Me-Absatz grätscht gleich mehrfach quer über Gleise und Weichen, ist Zwischenspiel, neues Thema („Bäng!“ - auch das sehr schräg über gleich mehrere Gleise hinweg [Wheaton/Crusher/BBT]) und bietet den Tod als Subtext und Thema an. Tod schwang bisher nur aus der individuellen Erfahrung und Erwartung des Lesers und nirgends direkt im Text begründet mit. Jetzt wird das ganze Grauen des Unfalls, des Todes, der begleitenden Umstände, all das Unsagbare in ein geradezu schweigendes und ebenso beredtes, aber die Wahrheit verfälschendes Bäng! kanalisiert.

Der Matrix-TGV: Nachhall des Unvermeidlichen, der Katastrophe Stefan B.‘s, Ankündigung des Unheils Olaf B.‘s. Subtext.
Olaf B. Alles gelogen. Nur die Beschreibung des Unfallherganges ist aus dem Unfallbericht paraphrasiert. Was ist wahr, was hat mehr Wahrheitsgehalt, was berührt uns mehr. Das Schicksal der 101 Menschen, die in Wirklichkeit gestorben sind, oder der erfundene Olaf H., der Glück hatte? Der wahre Stefan B., der seinem Leben eine Ende setzte oder der erfundene Olaf H., der seiner Liebe wieder geschenkt wurde? Welche Wahrheit sind wir eher bereit anzunehmen und in wiefern trägt nicht nur der Erzählende, sondern auch der Leser/Zuhörer zum Verfälschen der Wahrheit bei?
Wie viele sind bereit, in dem namenlosen mit dem grünen T-Shirt einen alternativen Stefan B. zu sehen, der nicht vor die S6 getreten ist?

Der Bernhard‘sche Güterzug rappelt noch einmal vorüber, weil der Text auch außerhalb des Wettbewerbs und ohne die Erklärung/Vorgabe der Ausschreibung verständlich sein soll.

Der letzet Abschnitt schließt alle offenen Klammern, führt die sich niemals kreuzenden Geschichten weiter. Der letzte Satz, der eigentlich der Schlüssel sein sollte, ist beim Formatieren abhanden gekommen: „Stefan B. nicht.“
Ich habe es so als gegeben stehen lassen, im Vertrauen auf den Wittgenstein-Text und in der Hoffnung, dass sich der ein oder andere die Frage selbst stellen würde. (Danke, Nuff)


Patzer: Es gab einen Nebensatz, der die Funken, die von dem unter dem Wagen verkeilten Stück Stahl geschlagen werden, mit Ginsterblüten gleich setzt. Ohne diesen Bezug wäre jede andere Stelle aus dem Ringelnatz-Gedicht deutlich besser geeignet.

Geschrieben in einem zwei Tage währenden Rausch reinen Mythenmetzschen Orms. Selbst jetzt entdecke ich beim Lesen noch unbewusst eingebrachte Bezüge und „Quer“-verweise.
Sollte es noch Fragen geben, bitte!

holg


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hobbes
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Beitrag06.10.2013 21:07

von hobbes
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Hallo holg,
dass mir dein Text gefallen hat, weißt du ja schon smile
Deine Kommentare zu den anderen Texten haben mir auch gefallen, einige so sehr, dass ich lauthals losgelacht habe. Danke dafür.
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anderswolf
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Beitrag07.10.2013 16:09

von anderswolf
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Wie angekündigt, eine Erläuterung. Möglicherweise, aber nicht beabsichtigt, eingefärbt durch die derweil erfolgte Kür.

Wunderbare Durchschraubung dreier Erzählstränge, die unauflöslich und doch nur scheinbar aneinanderhängen. Als ob sich nach dem Unfall langsam das Bewusstsein wieder einstellte, kehrt auch die Wahrnehmung der Ereignisse wieder. Der Effekt gefällt sehr, wird aber durch die mutwillige Einflechtung des Selbstmörders untergraben, da nicht klar wird, ob und inwieweit er mit dem Zugunglück selbst zusammenhängt. Der Einbezug äußerer Elemente wie Film- und Buchverweise stören den Lesefluss, da auch hier der Bezug zur Geschichte nicht klar wird oder maßig konstruiert wirkt. Souverän gehaltener Spannungsbogen, sprachlich gut.
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holg
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Beitrag09.10.2013 09:00

von holg
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@hobbes: wink

@anderswolf: Danke für den nachgereichten Kommentar.
An den Einschüben haben sich wohl mehr Leser gestört als erfreut. Habe oben etwas zu ihrer beabsichtigten Funktion geschrieben. Hat aber nicht so ganz super geklappt.

holg


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Gast







Beitrag09.10.2013 10:37

von Gast
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Hallo holg,

Wenn ich mir ein, zwei Bemerkungen erlauben darf?

Ich lese deine nachgereichte Auto-Interpretation, die mir suggeriert (durch die Teile in der ersten Person Plural) was ich da "sehe", während ich die Geschichte lese.

holg hat Folgendes geschrieben:
Die Auflösung unserer Wahrnehmung lässt in weiter Ferne nur das ungefähre Erkennen von Bewegung zu. Ebenso wie wir die Gleise zunächst nicht optisch trennen können, scheinen die beiden Geschichten eine zu sein, eine leise Melodie, ein heran wehendes Thema.

Erst beim zweiten Blick erkennen wir, dass es sich um zwei Geschichten handelt, im musikalischen Bild bleibend, durch zwei neue Themen: Anzug, T-Shirt.

Auf einem Nebengleis rauscht ein Zug vorbei. Jakob und der von den Ausrichtern zitierte erste Satz. Er bringt ein weiteres Thema quer über die Gleise in die Melodie (: schräg) und verschwindet aus dem Blick, denn wir schauen wieder genauer auf unsere beiden Geschichten, die sich jetzt deutlicher von einander abheben.


Ich find das nicht schlecht, wie du über deine Geschichte schreiben kannst, dieses Talent wird dir sicher noch zu Gute kommen. Wenn ich die Geschichte erst nach diesen Betrachtungen zu lesen bekommen hätte, wäre ich bezugnehmend auf das, was ich oben zitiert habe, auf der Suche nach dem Nebengleis und dem vorbeirauschenden Jakob-Satz-Zug leicht ins Schleudern gekommen:

holgs Geschichte hat Folgendes geschrieben:
Ein Mann geht quer über die Gleise. Der Zugverkehr kommt für Stunden zum Erliegen.

Ein Mann im dunklen Anzug geht quer über die Gleise. »So viele Menschen«, sagt er. Der Zugverkehr kommt für Stunden zum Erliegen.
Ein Mann geht quer über die Gleise. Er trägt ein grünes T-Shirt. Der Zugverkehr kommt für Stunden zum Erliegen.

Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gegangen. Quer oder schräg? Jakob ging ganz sicher schräg.

Der Mann im dunklen Anzug taumelt schräg über die Gleise. Ein Handy an seinem Ohr. »Es geht mir gut«, sagt er. »So viele Menschen.«
Der Mann im blauen T-Shirt steht am Gleis. Ein Handy an seinem Ohr: »Ich muss los.«



Es war recht schnell klar, dass du verschiedene, parallele Geschichten erzählst, der Gleisgedanke lag nahe, du hast das Thema klar und offensichtlich getroffen.

Was das Zitat anbelangt, auch hier hast du dich auseinandergesetzt, in der Art nämlich, dass du ihm ausweichst:

Zitat:
Der Wittgenstein-Shinkansen zischt vorbei*, bringt durch seine extreme Lösung des Bernhard-Dilemmas ein weiteres Thema in die Melodie:
das Schweigen, als Möglichkeit des Ausdrucks des Unsagbaren oder als Verneinung der Lüge.

Klar, wer schweigt, versucht nicht, eine Wahrheit mitzuteilen.

(* Das "Vorbeizischen" ist eine Behauptung. Für mich durch den Text nicht belegbar.

holgs Geschichte hat Folgendes geschrieben:
Bis zur Brücke. Und quer über die Gleise. Aber ich brauche dich. Sie sagt, du musst lernen, alleine zu leben. Und Stopp. »Da kommt mein Zug.«

Ludwig Wittgenstein: »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.«


Es könnte sich genau so gut um ein Hindernis, oder einen Rammbock handeln. Oder eine Verspätung. )

Noch etwas. Du rechtfertigst den Schluss also so:
holg hat Folgendes geschrieben:
Der Bernhard‘sche Güterzug rappelt noch einmal vorüber, weil der Text auch außerhalb des Wettbewerbs und ohne die Erklärung/Vorgabe der Ausschreibung verständlich sein soll.

Ich habe deinen Text innerhalb des Wettbewerbs gelesen, und fühlte mich gegängelt.
Als Fazit zu meinem kleinen Zusatzkommentar: Die Geschichte, die du jetzt erklärst, finde ich so nicht in deinem Text, kann aber sehr gut die Gedankengänge nachvollziehen, die du vor/während dem Schreiben hattest.

Einen Gruß,
Lorraine
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anderswolf
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Beitrag09.10.2013 10:43

von anderswolf
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holg hat Folgendes geschrieben:
An den Einschüben haben sich wohl mehr Leser gestört als erfreut. Habe oben etwas zu ihrer beabsichtigten Funktion geschrieben. Hat aber nicht so ganz super geklappt.


Ich habe deine Erklärung zu den Einschüben mit Interesse gelesen, aber für die Geschichte keinen Nutzen erkannt. Vielleicht bin ich da aber auch zu wenig drin.
Um einen Bezug zur Realität herzustellen, hätte Eschede gereicht. Sogar Menschen, die nicht damals die grauenvollen Bilder in den Nachrichten gesehen haben, ist Eschede ein Begriff. Die dagegen fast platt anmutende Fiktion von Fernsehserien und Kinofilmen hat dagegen keine Resonanz in die Wirklichkeit.
Je länger ich darüber nachdenke, geht mir vielleicht doch eine Resonanz auf, nämlich eben in die Unwirklichkeit. Zwischen dem Hintergrund der historischen Realität Eschedes und der plötzlich in den Vordergrund rückenden Fiktion entsteht die Halbwirklichkeit der Geschichte, in der erfundene Personen in einer historischen Umgebung agieren können. An sich wäre das wohl machbar gewesen, dazu stolpert die Fiktion aber zu spät übers Gleis und verdröselt den vorher mühevoll aufgebauten Handlungszopf.
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holg
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Beitrag09.10.2013 15:12

von holg
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Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Hallo holg,

Wenn ich mir ein, zwei Bemerkungen erlauben darf?
Nein, das lehne ich strikt ab. Wo kämen wir denn da hin?

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
... die mir suggeriert (durch die Teile in der ersten Person Plural) was ich da "sehe", ...
Sie ist eher ein Versuch zu erklären, was ich mir gedacht habe. Ob das bei dir auch so ankommt, ist eine andre Frage. Ok, über den Stil kann man streiten.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich die Geschichte erst nach diesen Betrachtungen zu lesen bekommen hätte, wäre ich bezugnehmend auf das, was ich oben zitiert habe, auf der Suche nach dem Nebengleis und dem vorbeirauschenden Jakob-Satz-Zug leicht ins Schleudern gekommen
verstehe ich nicht. Bitte erklären.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Was das Zitat anbelangt, auch hier hast du dich auseinandergesetzt, in der Art nämlich, dass du ihm ausweichst:

Zitat:
Der Wittgenstein-Shinkansen zischt vorbei*, bringt durch seine extreme Lösung des Bernhard-Dilemmas ein weiteres Thema in die Melodie:
das Schweigen, als Möglichkeit des Ausdrucks des Unsagbaren oder als Verneinung der Lüge.

Klar, wer schweigt, versucht nicht, eine Wahrheit mitzuteilen.

(* Das "Vorbeizischen" ist eine Behauptung. Für mich durch den Text nicht belegbar.

Das "Vorbeizischen" hat mit dem Text nicht direkt was zu tun. Ich habe mich beim Erklären auf das Gleis-und-Schienen-Bild festgelegt. Deshalb habe ich in diesen Kontext passende Ausdrücke benutzt. Besser so: Es ist als Schlaglicht gedacht, das die Aufmerksamkeit des Lesers ganz plump darauf fokussieren soll, dieses Stilmittel (also das Schweigen, um nicht lügen zu müssen) im weiteren Text aufzuspüren?

Ich bin dem Zitat nicht ausgewichen. Ich habe im Sinne der ursprünglichen Idee Wahrheiten so erzählt, dass sie wie Lügen (Erfundenes) scheinen können und umgekehrt. Damit war ich im Wettbewerb nicht der einzige.
Wittgenstein sagt, dass alles was gesagt werden kann, klar und eindeutig gesagt werden kann. Bernhard negiert das in seiner These. Heute wissen wir, unter anderem dank Watzlawick, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen, nämlich auf dem Weg vom Sender zum Empfänger, liegt. Ein Ausweg aus dem Dilemma bieten entweder Schweigen oder die Einigung auf gewisse Standard-Floskeln, die allgemein verständlich und entweder so offen sind, dass jeder Empfänger seine Version hinein interpretieren kann, ohne die Botschaft allzu sehr zu "verfälschen" (BÄNG) oder die kulturell stark definiert sind (aber immer noch mit einer gewissen Unschärfe versehen: Ich liebe dich). Auch das Problem des Kontextes, in dem eine Wahrheit geäußert wird, will ich demonstrieren. "Der Zugverkehr kommt für Stunden zum erliegen". Dieser Satz ist wahr, trifft auf beide Geschichten zu. Doch im Zusammenhang mit der jeweiligen Geschichte und kleinen Erweiterungen (auf der Strecke, in der Region) ändert sich die transportierte Wahrheit.  

die Lothringerin hat Folgendes geschrieben:

Noch etwas. Du rechtfertigst den Schluss also so:
holg hat Folgendes geschrieben:
Der Bernhard‘sche Güterzug rappelt noch einmal vorüber, weil der Text auch außerhalb des Wettbewerbs und ohne die Erklärung/Vorgabe der Ausschreibung verständlich sein soll.

Ich habe deinen Text innerhalb des Wettbewerbs gelesen, und fühlte mich gegängelt.
Das war blöd, ja. Die Wahrheit über das Einfügen dieses Zitates ist komplexer. In diesem Sinne habe ich auch in der Erläuterung zum Text "den Bernhard gemacht" und verfälscht. Nach kurzem Hin und Her überlegen (sonst hätte ich schon am 16. abgeschickt), anfangs viel zu wenigen Zeichen und der Überlegung, ob, wie und warum das Wittgenstein-Zitat in den Text gehört und als solches gekennzeichnet wird, in Verbindung mit dem oben genannten Grund ...

die Lothringerin hat Folgendes geschrieben:
Die Geschichte, die du jetzt erklärst, finde ich so nicht in deinem Text, kann aber sehr gut die Gedankengänge nachvollziehen, die du vor/während dem Schreiben hattest.
Teilsatz eins betrübt mich, Teilsatz zwei war der Grund für das Posting.

holg


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Beitrag09.10.2013 17:19

von holg
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Ich glaub, ich muss da noch einmal detaillierter ran.
anderswolf hat Folgendes geschrieben:

Wunderbare Durchschraubung dreier Erzählstränge, die unauflöslich und doch nur scheinbar aneinanderhängen.
Das freut das Schreiberherz.
Als ob sich nach dem Unfall langsam das Bewusstsein wieder einstellte, kehrt auch die Wahrnehmung der Ereignisse wieder. Der Effekt gefällt sehr, wird aber durch die mutwillige Einflechtung des Selbstmörders untergraben, da nicht klar wird, ob und inwieweit er mit dem Zugunglück selbst zusammenhängt.
Die Geschichte des Selbstmörders ist eine der zwei/drei Geschichten, die am Anfang angelegt sind. Er ist mit Trainingshose und blauem T-shirt eindeutig angelegt. Seine Geschichte ist die zentrale wahre Geschichte. Dass kein Zusammenhang zum Zugunglück besteht, hast du oben gesagt: "nur scheinbar".
Der Einbezug äußerer Elemente wie Film- und Buchverweise stören den Lesefluss, da auch hier der Bezug zur Geschichte nicht klar wird oder maßig konstruiert wirkt.
Dazu weiter unten.
Souverän gehaltener Spannungsbogen, sprachlich gut.
 Cool



anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Ich habe deine Erklärung zu den Einschüben mit Interesse gelesen, aber für die Geschichte keinen Nutzen erkannt. Vielleicht bin ich da aber auch zu wenig drin.
Vielleicht hat es nicht so funktioniert wie beabsichtigt.
Um einen Bezug zur Realität herzustellen, hätte Eschede gereicht. Sogar Menschen, die nicht damals die grauenvollen Bilder in den Nachrichten gesehen haben, ist Eschede ein Begriff. Die dagegen fast platt anmutende Fiktion von Fernsehserien und Kinofilmen hat dagegen keine Resonanz in die Wirklichkeit.
Je länger ich darüber nachdenke, geht mir vielleicht doch eine Resonanz auf, nämlich eben in die Unwirklichkeit.
Das ist ein interessanter Gedanke.
Zwischen dem Hintergrund der historischen Realität Eschedes und der plötzlich in den Vordergrund rückenden Fiktion entsteht die Halbwirklichkeit der Geschichte, in der erfundene Personen in einer historischen Umgebung agieren können. An sich wäre das wohl machbar gewesen, dazu stolpert die Fiktion aber zu spät übers Gleis und verdröselt den vorher mühevoll aufgebauten Handlungszopf.
So war es von mir auch nicht ganz beabsichtigt.

Ich habe mir das ungefähr so gedacht (was nicht heißt, dass es für jeden so funktioniert oder funktionieren sollte):
Die Geschichten entwickeln sich ungefähr parallel (durch das wiederholte Ansetzen nicht ganz linear) und werden immer wieder von quer laufenden Einschüben unterbrochen, die schon ziemlich quer über den Erzählgleisen liegen, aber doch eben nicht nur sperren, sondern mit Querbezügen die Geschichten bereichern und in sie hinein reichen.
Der StandByMe-Einschub ist eine kleine Geschichte in der Geschichte, die in sich ein Ausbrechen aus den alltäglichen Gleisen ganz anderer Art beschreibt (die Jungs auf der Suche) und wieder gequert wird durch die Volte zu Wheaton und BBT, woher der Bäng geliehen wird. (wobei ich die Idee des Schauspielers, der sich als Privatmann spielt, der früher mal  diese eine Rolle gespielt hat schon seeehr quer zum Gleis finde). Er kann aber auch nur ein kleines Luftholen, ein fröhlich trällerndes Zwischenspiel sein. Oder den Tod als Thema in die Geschichte impfen. Möglicherweise pfeift er das Wesley-Crusher-Thema, das in der Hauptgeschichte wieder aufgenommen wird. (Auch die dort beschriebene Episode [bedeutungsschwangerer Titel: Das Ende der Reise] ein Ausbruch aus den festen Gleisen [Ausritt aus der Sternenflotte, um durch das Weltall zu vagabundieren], genau das, was Olaf H.s Frau ihm rät.)

Ähnliches gilt analog für den Matrix-Einschub.

Mit allen hatte ich die Absicht, die Erwartung des Lesers hin zu einer persönlichen Katastrophe für die Hauptperson zu lenken, ein bisschen die Spannung erhöhen, ein bisschen ablenken, ein bisschen unterhalten und mit Wahrheit und Lüge, Wirklichkeit und Fiktion spielen.

Warum das Bernhard-Zitat da, wo es steht? Als Resümee und Hinweisschild. Jetzt kommt etwas, das direkt damit zu tun hat. Der letzte Abschnitt.

holg


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