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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Schwarzer Dienstag


 
 
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Schmerzlos
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Beiträge: 15



S
Beitrag20.05.2013 19:49
Schwarzer Dienstag
von Schmerzlos
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Neue Version »

Der Wecker klingelt. Es ist kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.
Er steht auf und zieht die Rolladen hoch, kippt die Fenster und geht ins Badezimmer. Er nimmt die Zahnbürste in den Mund und geht in die Küche. Er befüllt die Kaffeemaschine mit der üblichen Menge Kaffeepulver und Wasser und schaltet sie ein. Er schiebt zwei Scheiben Brot in den Toaster und drückt die Zeile runter. Er geht zurück ins Badezimmer, spuckt aus und stellt die Bürste in den Becher. Zähneputzen: dreiandhalb Minuten. Zweihundertzehn Sekunden.
Er geht zurück in die Küche. Der Kaffee braucht noch. Die Brotscheiben sind goldbraun.
Er beschmiert sie mit Marmelade. Der Kaffee ist durchgelaufen. Er muss schneller schmieren. Der Kaffee ist durch. Er greift zur Kaffeekanne und sucht die passende Tasse heraus. Heute ist Dienstag. Dienstag ist schwarz. Zwei Teelöffel Zucker in die schwarze Tasse mit dem schwarzen Kaffee.
Er isst, trinkt und räumt den Tisch ab. Essen und Trinken und Tisch abräumen: Vierdreiviertel Minuten. Zweihundertfünfundachtzig Sekunden.
Er geht ins Schlafzimmer. Er schließt die Fenster. Lüftungszeit um acht Sekunden überschritten. Er muss die Brote schneller schmieren. Er öffnet den Kleiderschrank. Welcher Tag ist heute? Die Tasse ist schwarz. Heute ist Dienstag. Dienstag ist schwarz. Er zieht das schwarze Hemd an. Ihm fällt auf, dass er das Donnerstagsunterhemd an hat. Er zieht das Hemd und dann das Unterhemd aus, zieht das richtige Unterhemd an. Er zieht das Hemd an. Auch die Strümpfe. Und die richtige Hose. Anziehzeit: Zwei Minuten, inklusive Zeitverlust durch die Wahl des falschen Unterhemds. 120 Sekunden.
Er überprüft ob die Kaffeemaschine aus ist. Aus. Er überprüft die Herdplatten, auch wenn er sie nicht gebraucht hat; vielleicht hat er den Schalter ohne es zu merken betätigt. Er zieht ja auch das falsche Unterhemd an. Sie sind kalt. Er überprüft die Kühlschranktür. Geschlossen. Er geht wieder zur Kaffeemaschine. Aus. Er streicht mit de n Händen über die Herdplatten. Kalt. Er überprüft den Kühlschrank. Geschlossen.
Er geht aus der Küche, geht zurück und überprüft noch mal. Er geht aus der Küche und schließt die Tür hinter sich. Er schließt die Badezimmertür. Er geht ins Schlafzimmer und überprüft ob die Fenster geschlossen sind. Geschlossen. Er verlässt das Zimmer und schließt auch hier die Tür. Er zieht seine Schuhe an. Dann seine Jacke. Er schaut in den Spiegel und verlässt die Wohnung. Er schließt die Tür ab, schließt sie wieder auf und wieder ab. Morgendliche Routinekontrolle 34 Minuten. 2040 Sekunden.
Er schließt die Tür wieder auf und geht zurück in die Wohnung. Irgendwas ist nicht richtig. Er schaut wieder in den Spiegel. Sein Hemd ist weiß. Weiß ist Montag, aber heute ist Dienstag. Er geht zum Kleiderschrank und öffnet ihn. Er greift ein Dienstagshemd und zieht es an. Er muss sich setzen. Er steht wieder auf und geht in die Küche. Die Kaffeemaschine ist an, die Kaffeekanne voll. Er schüttet den Kaffee in die Spüle, spritzt sich  das Hemd voll. Er schaut an sich herunter und schaut auf den Fleck. Schwarzer Fleck auf weißem Hemd. Weiß war Montag. Aber heute ist Dienstag. Maschine aus. Er schaut auf den Kalender. Er zeigt Freitag. Er rennt zum Kleiderschrank, zieht sich ein blaues Freitagshemd an und rennt in die Küche. Die Kaffeemaschine ist an, die Kaffeekanne voll. Er greift eine blaue Tasse aus dem Schrank. Füllt sie mit Kaffee. Leert sie in einem Zug. Rennt aus der Küche. Schaut in den Spiegel. Er hat kein Hemd an. Er ist nackt. Er will zum Kalender, danach zum Kleiderschrank und in die Küche, aber er bleibt stehen und schaut ins Leere. Er hebt seinen Arm und schlägt sich. Mit der flachen Hand gegen den Kopf. Immer auf die selbe Stelle; rhythmisch. Fester und fester. Er fällt. Es wird dunkel.
Der Wecker klingelt. Alles nur ein verrückter Traum. Er schaut zur Uhr. Kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.

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Kissa
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Beiträge: 630
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Der silberne Spiegel - Lyrik Silberne Neonzeit


Beitrag20.05.2013 21:50

von Kissa
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Hallo Schmerzlos,
diese Geschichte verläuft wie ein sich steigerndes Stakkato: Was kommt noch, Mensch, worauf läufts hinaus, wann knallts endlich.  ... und täglich grüßt das Murmeltier - kam mir im letzten Viertel in den Sinn. Dass es jedoch ein Traum ist, wurde mir wirklich erst am Ende klar.
Gefällt mir so, wie es ist. Eine fachliche Beurteilung maße ich mir nicht an, da müssen Andere ran ...  wink

Liebe Grüße
Kissa


_________________
"Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige."

Voltaire (1694 - 1778)
eigentlich François-Marie Arouet,
französischer Philosoph der Aufklärung, Historiker und Geschichts-Schriftsteller

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Kateli
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Beiträge: 256
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Das goldene Gleis


Beitrag20.05.2013 22:03

von Kateli
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Hallo Schmerzlos!

Du machst hier etwas sehr Geschicktes, indem du einen bestimmten sich wiederholenden Satzbau und leicht abgewandelte, wiederholte Handlungen so zusammenfügst, dass sie als Stilmittel fungieren. Ich gebe zu, als erstes dachte ich beim Lesen, was ist denn das, nervige gleich klingende Sätze, bis mir klar wurde, dass genau das das Zwanghafte ausdrückt, das Sich-Klammern an äußere Formen und Regeln. Wie gesagt, geschickt gemacht, genau so, dass ich es als Leser noch merke, bevor ich genervt aufhöre zu lesen Wink
Dass es letzten Endes ein Traum war, hat mich überrascht, ich habe nicht damit gerechnet. Und wieder machst du etwas Geschicktes: Eigentlich ist dieses "Nur-ein-Traum" als Ende, als Auflösung meist für den Leser sehr unbefriedigend - man fühlt sich ein bisschen verschaukelt, ein bisschen schmeckt es auch nach deus ex machina. Hier nicht, in deinem Text, finde ich zumindest: Die Klammer, der Bogen zum Anfang ist da, und in diesem Moment wird aus dem simplen Aufwachen aus dem Traum die unheimliche Frage "Wo endet der Traum, wo beginnt die Realität?"
Ein Gefangener, dein Prota, im Traum, in seinem zwanghaften Verhalten, in einem Labyrinth ohne Ausgang? Gänsehautmäßig.
Ein paar Rechtschreibfehlerchen sind noch drin, aber die findest du bestimmt selbst.

Viele Grüße
Nina
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Kanezzo
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Beiträge: 83
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K
Beitrag21.05.2013 14:27

von Kanezzo
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Hallo Schmerzlos,

ich finde deine Geschichte wirklich toll. Ja, zugegeben, noch zu Beginn dachte ich mir "oje, ganz grausame Schreibe...Erst tut er das, dann das, dann das, er hier, er dort.." aber du hast mich wirklich überrascht. Der Text fasst diese Zwanghaftigkeit, die später dann zum Vorschein kommt schon in sich auf, was die Geschichte absolut bereichert! Die Situation spitzt sich richtig schön zu, wird zum Schluss immer schneller, hektischer und somit für den Leser noch spannender. Dass es ein Traum ist, damit hatte ich auch nicht gerechnet, aber super! Das ist genau die richtige "Pointe", auf die man während des Lesens schon gewartet hat. Ich persönlich hätte mir beim letzten Satz beinahe die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und laut "oh nein!" gerufen Wink
Die Geschichte ist super aufgebaut!


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Schmerzlos
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S
Beitrag22.05.2013 22:42

von Schmerzlos
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Hallo zusammen,

auch ich hatte am Anfang Bedenken, ob die extrem kurze Schilderung die Geduld des Lesers nicht überstrapazieren würde, habe dann aber vermutet, dass sie - solange es bei diesen paar Zeilen bleibt - erträglich sein könnte. Schön, dass es hier wohl ähnlich aufgefasst wurde und die Verbindung zwischen dem pedantischen Ordnungsverlangen des Protagonisten und der mechanischen Schreibweise erkennbar wurde.

Dankend der netten Worte wegen

Schmerzlos
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finis
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Die lange Johanne in Bronze


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Beitrag22.05.2013 22:56

von finis
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Hallo Schmerzlos,

Sauber. Wirklich sauber. Da sitzt alles.

Gruß
finis


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"Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky)
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nebenfluss
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Beitrag24.05.2013 13:01
Re: Schwarzer Dienstag
von nebenfluss
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Hallo Schmerzlos,

ein tolles Beispiel, wie man durch bewusstes Brechen vielbeschworener Regeln eine großartige Wirkung erzielen kann.

Besonders beeindruckt mich, wie virtuos du die Monotonie an genau den richtigen Stellen unterbrichst und damit die bedrückende Atmosphäre verstärkst, z. B. hier:

Schmerzlos hat Folgendes geschrieben:
Der Kaffee ist durchgelaufen. Er muss schneller schmieren. Der Kaffee ist durch.

und hier:
Zitat:
Er überprüft ob die Kaffeemaschine aus ist. Aus. Er überprüft die Herdplatten, auch wenn er sie nicht gebraucht hat; vielleicht hat er den Schalter ohne es zu merken betätigt. Er zieht ja auch das falsche Unterhemd an.


Am Ende nimmt der Text Fahrt auf und macht die Panik des Protas hervorragend spürbar.

Ich sehe hier nichts, was dringend geändert gehört. Ein bisschen gestoßen habe ich mich nur hier:

Zitat:
Alles nur ein verrückter Traum.


Die Idee, dass es nur ein Traum war, der aber nichts an der Fortsetzung seines zwanghaften Verhaltens endet, ist OK. Ich denke auch, dass du das "verrückt" bewusst gewählt hast, um zu verdeutlichen, dass er den Traum für verrückt hält, sein alltägliches Verhalten aber für normal.
Trotzdem wirkt der Satz auf mich irgendwie abgedroschen.

Werde den Text seines Stils wegen für den KL nominieren.

Echt super geschrieben. Es sieht so einfach aus, aber ich vermute, da steckt verdammt viel Arbeit drin.

LG


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"You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson)
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Schmerzlos
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S
Beitrag24.05.2013 14:06

von Schmerzlos
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@finis

Vielen Dank für das starke Lob. Schön, dass dir mein kleiner Text gefallen hat.

@nebenfluss

Auch dir sei gedankt für die netten Worte. Mir geht es ähnlich mit diesem von dir kritisierten verrückten Satz. Wie wäre es statt

Zitat:
Der Wecker klingelt. Alles nur ein verrückter Traum. Er schaut zur Uhr. Kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.


mit

Zitat:
Der Wecker klingelt. Ein Traum? Verrückt. Er schaut zur Uhr. Kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.


?
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag24.05.2013 14:47

von Constantine
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Hallo Schmerzlos,

dein "Schwarzer Dienstag" ist sehr gelungen und das Zwanghafte deines Protagonisten hast du sehr gut eingefangen. Stil und Inhalt harmonieren und erzeugen ein stimmiges Gesamtbild. Richtig gut gefallen mir die Angaben in Sekunden und Minuten, die für die Abläufe benötigt werden.

Allerdings hab ich mich leider an deiner Schlusspointe, dass es sich um einen Traum handelt, etwas gestossen. Dein Protagonist mag seinen Traum als verrückt bezeichnen, und seinen Alltag als normal ansehen, damit habe ich kein Problem. Dein Satz "Alles nur ein verrückter Traum." wirkt für mich unpassend. Spannender fände ich zu wissen, was macht er, wenn es kein Traum wäre, als er nackt vor dem Spiegel steht und seine Ordnung nicht mehr im Griff hat und sich schlägt.

Sein Sich-Schlagen ist für mich ein Indiz, dass er realisiert hat, dass er träumt und sich somit wachschlagen möchte. Hierbei hätte ich mir gewünscht, dass er panischer wird, weil es für ihn eine Alptraumsituation ist und ihm noch mehr Zeit verloren gegangen ist und er längst auf seinem Weg sein müsste. Stattdessen ein Kurzschluss in ihm, fast gelähmt steht er da, weil das Chaos um ihn ist, und er ohrfeigt sich wach.

Ich frage mich, was mag dein Protagonist arbeiten. Er ist ein Gehetzter und wir von der Uhr regiert, damit alles seine Ordnung hat. Er optimiert Arbeitsabläufe und wird wahrscheinlich einen sehr geregelten Job haben, einen Job, bei dem es auch auf Einhaltung von Zeitpunkten und absolute Ordnung angeht. Früher, vielleicht in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als es die ersten Ampeln gab, da wurden diese manuell gesteuert und da hätte ich mir deinen Protagonisten gut vorstellen können. Überstunden wären ein Alptraum für ihn.
Anstelle mit dem Erwachen aus einem Alptraum aufzuhören, wäre genau da der Beginn seines "Schwarzen Dienstags", er hat wertvolle Zeit verloren, spürt eine Verzweiflung und einen Wahnsinn, weil er den korrekten Tag nicht greifen kann. Reagiert er immer mit Lähmung und Ohrfeigen, sobald er aus dem Takt gerät?
Wodurch kennzeichnet sich der weiße Montag, außer dass er ein weisses Hemd trägt? Vielleicht trinkt er Milch anstelle Kaffee. Gleiche Frage am blauen Freitag, außer, dass er ein blaues Hemd trägt (und der Kalender auf Freitag gestellt ist)? Hier könntest du jeweils 1-2 Details aufzeigen, die ihn völlig daran zweifeln lassen, welcher Tag gerade ist.

Ich hätte eine inhalliche Anmerkung:
"Anziehzeit: Zwei Minuten, inklusive Zeitverlust durch die Wahl des falschen Unterhemds. 120 Sekunden."

Ich würde den Satz umsellen, damit Sekunden wieder auf Minuten folgen, so wie du es im gesamten Text beibehalten hast.
"Anziehzeit inklusive Zeitverlust durch die Wahl des falschen Unterhemds: Zwei Minuten. 120 Sekunden."

Hab deine Geschichte sehr gerne gelesen. Vielen Dank fürs Veröffentlichen.

LG,
Constantine
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nebenfluss
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5994
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Beitrag24.05.2013 15:06

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Auf jeden Fall besser, finde ich.

LG


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Schmerzlos
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Beiträge: 15



S
Beitrag25.05.2013 13:10

von Schmerzlos
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Constantine hat Folgendes geschrieben:
Hallo Schmerzlos,

dein "Schwarzer Dienstag" ist sehr gelungen und das Zwanghafte deines Protagonisten hast du sehr gut eingefangen. Stil und Inhalt harmonieren und erzeugen ein stimmiges Gesamtbild. Richtig gut gefallen mir die Angaben in Sekunden und Minuten, die für die Abläufe benötigt werden.


Auch Dir ein ernstgemeintes Dankeschön für die positive Kritik.

Constantine hat Folgendes geschrieben:

Sein Sich-Schlagen ist für mich ein Indiz, dass er realisiert hat, dass er träumt und sich somit wachschlagen möchte. Hierbei hätte ich mir gewünscht, dass er panischer wird, weil es für ihn eine Alptraumsituation ist und ihm noch mehr Zeit verloren gegangen ist und er längst auf seinem Weg sein müsste. Stattdessen ein Kurzschluss in ihm, fast gelähmt steht er da, weil das Chaos um ihn ist, und er ohrfeigt sich wach.


Eigentlich hatte ich das beim Schreiben nicht im Sinn. Das Sich-Schlagen soll für mich die Überforderung des Protagonisten zeigen - der sont jede Sekunde seines Lebens durchgeplant hat - und nicht weiß, wie er mit dieser Situation und den wirklich verrückten Begebenheiten gegen Ende umgehen soll. Typische Kurzschlussreaktion.

Constantine hat Folgendes geschrieben:

 Reagiert er immer mit Lähmung und Ohrfeigen, sobald er aus dem Takt gerät?


Naja, es ist ja nicht so, dass die Sachen die zum Schluß der Geschichte passieren trivial wären. Im Gegenteil: Ich denke in so einer Situation würden wirklich viele Menschen erstmal durchdrehen. Der eine würde sich schlagen, ein anderer würde wild rumschreien und der nächste unaufhörlich im Kreis gehen. Natürlich kann man sich da auch etwas anderes einfallen lassen.  

Er reagiert nicht immer so auf unplanmäßige Situationen, im Gegenteil, er behält immer die Kontrolle. Egal was auch passiert, er besitzt den richtigen "Plan B" -
natürlich nur so lange alles nach den Regeln der Naturgesetze abläuft. Laughing

Constantine hat Folgendes geschrieben:

Ich würde den Satz umsellen, damit Sekunden wieder auf Minuten folgen, so wie du es im gesamten Text beibehalten hast.
"Anziehzeit inklusive Zeitverlust durch die Wahl des falschen Unterhemds: Zwei Minuten. 120 Sekunden."


Diesen Vorschlag nehme ich gerne an. Danke!
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Paradigma
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Beiträge: 960
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Beitrag25.05.2013 13:42

von Paradigma
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Wirklich Klasse, und verdient für den kleinen Literaten vorgeschlagen, meine ich.

Anfang und Ende würde ich so ändern das beide exakt gleich lauten:

Der Wecker klingelt. Er schlägt die Augen auf. Er schaut zur Uhr. Es ist kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.
Das es ein Traum war, wird dann (denke ich) auch ohne den expliziten Hinweis darauf klar. Und so verzahnen sich Traumebene und Wirklichkeit, die sich beide in Kontrollrad drehen, noch enger miteinander.


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Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will.

William Faulkner
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Vincent Vice.
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Beitrag25.05.2013 15:25

von Vincent Vice.
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Hi Schmerzlos,

auch mir hat dieser Text sehr gut gefallen.
Am Anfang hat es sich für mich natürlich sehr gezogen und ich hatte ehrlich gesagt schon mit dem Gedanken gespielt, abzubrechen.
Aber ich schreibe auch gerne von Charakteren, die in ihrer Routine feststecken oder sehr neurotisch sind.
Deshalb ging ich davon aus, dass diese ganze Sache natürlich irgendwohin führen muss.
Am Schluss dreht er komplett durch. Keine wirklich Überraschung.
Aber die Sätze sind alle so aufgebaut, dass er zwar durchdreht, es sich aber im Verhältnis zum Rest gar nicht mehr so anhört, als würde er durchdrehen.
Das hat mir gut gefallen.
Und das Ende funktioniert auch nur deshalb, weil der Rest eben so zäh und monoton ist.
Ein wirklich interessanter Text.

LG

W


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Wenn der scheiß Berg nicht zum Propheten kommt, fahr ich halt ans Meer.
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Nora_Sa
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Beitrag25.05.2013 15:39

von Nora_Sa
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Auch von mir ein Kompliment, echt großes Kino!
Als ich den Text fertig gelesen hatte, dachte ich wenn das der Prolog für einen Roman wäre, hätte ich das Buch wahrscheinlich gekauft. Die Frage was in der Zeit die ihm da fehlt passiert ist traktiert schon ziemlich fies. Twisted Evil Solltest du wirklich eine Fortsetzung im Kopf haben, könnte man die Sache mit dem Traum einfach weglassen und die Geschichte endet damit, dass er den Zeitverlust schlichtweg ignoriert.

Quasi so:
Er fällt. Es wird dunkel. Der Wecker klingelt. Er schaut zur Uhr. Kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.


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Am Ende wird alles gut und wenn es noch nicht gut ist, sorge dafür, dass es noch nicht das Ende ist.
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Schmerzlos
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Beitrag26.05.2013 14:00

von Schmerzlos
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@Paradigma

Dieses Ende finde ich auch gut. Wichtig war mir aber auch, dass klar wird, dass der Protagonist sein Verhalten als absolut normal und eben nur diesen Traum für verrückt hält. Er also kaum hinterfragt, ob das, was er da so den ganzen Tag treibt, "normal" ist.

@VincentVice

Freut mich, dass du den Text interessant findest und nicht "nur" monoton.

@Nora_Sa

Das mit dem Prolog ist eine wirklich tolle Idee. Könnte ich mir ebenfalls gut vorstellen. Danke für den Vorschlag!
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Kanezzo
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Alter: 32
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K
Beitrag26.05.2013 14:03

von Kanezzo
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Ich möchte mich Nora_Sa an dieser Stelle nochmal anschließen.
Wäre das die erste Seite eines Buches gewesen, dass ich im Buchladen angelesen hätte: Ich hätte es sofort gekauft. Ich finde grade durch das Ende baut sich so eine Spannung auf, dass man unbedingt mehr über diese Person wissen will, man will unbedingt wissen, wie es weitergeht Wink


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Schmerzlos
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Beiträge: 15



S
Beitrag27.05.2013 23:59

von Schmerzlos
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(Hier noch mal eine überarbeitete Version, mit kleinen Ausbesserungen und den hoffentlich richtig umgesetzten Vorschlägen. Vielen Dank noch mal dafür!)

Der Wecker klingelt. Es ist kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.
Er steht auf und zieht die Rollladen hoch, kippt die Fenster und geht ins Badezimmer. Er nimmt die Zahnbürste in den Mund und geht in die Küche. Er befüllt die Kaffeemaschine mit der üblichen Menge Kaffeepulver und Wasser und schaltet sie ein. Er schiebt zwei Scheiben Brot in den Toaster und drückt die Zeile runter. Er geht zurück ins Badezimmer, spuckt aus und stellt die Bürste zurück in in den Becher. Zähneputzen: dreiandhalb Minuten. Zweihundertzehn Sekunden.
Er geht zurück in die Küche. Der Kaffee braucht noch. Die Brotscheiben sind goldbraun.
Er beschmiert sie mit Marmelade. Der Kaffee ist durchgelaufen. Er muss schneller schmieren. Der Kaffee ist durch. Er greift die Kaffeekanne und sucht die passende Tasse heraus. Heute ist Dienstag. Dienstag ist schwarz. Zwei Teelöffel Zucker in die schwarze Tasse mit dem schwarzen Kaffee.
Er isst, trinkt und räumt den Tisch ab. Essen und Trinken und Tisch abräumen: vierdreiviertel Minuten. Zweihundertfünfundachtzig Sekunden.
Er geht ins Schlafzimmer. Er schließt die Fenster. Lüftungszeit um acht Sekunden überschritten. Er muss die Brote schneller schmieren. Er öffnet den Kleiderschrank. Welcher Tag ist heute? Die Tasse ist schwarz. Heute ist Dienstag. Dienstag ist schwarz. Er zieht ein schwarzes Hemd an. Ihm fällt auf, dass er ein Donnerstagsunterhemd an hat. Er zieht das Hemd und dann das Unterhemd aus, zieht das richtige Unterhemd an. Er zieht das Hemd an. Auch die Strümpfe. Und die richtige Hose. Anziehzeit inklusive Zeitverlust durch die Wahl des falschen Unterhemds: zwei Minuten. 120 Sekunden.
Er überprüft ob die Kaffeemaschine aus ist. Aus. Er überprüft die Herdplatten, auch wenn er sie nicht gebraucht hat; vielleicht hat er den Schalter ohne es zu merken betätigt. Er zieht ja auch das falsche Unterhemd an. Sie sind kalt. Er überprüft die Kühlschranktür. Geschlossen. Er geht wieder zur Kaffeemaschine. Aus. Er streicht mit den Händen über die Herdplatten. Kalt. Er überprüft den Kühlschrank. Geschlossen.
Er geht aus der Küche, geht zurück und prüft noch mal. Er geht aus der Küche und schließt die Tür hinter sich. Er schließt die Badezimmertür. Er geht ins Schlafzimmer und vergewisser sich, ob die Fenster geschlossen sind. Geschlossen. Er verlässt das Zimmer und schließt auch hier die Tür. Er zieht seine Schuhe an. Dann seine Jacke. Er schaut in den Spiegel und verlässt die Wohnung. Er schließt die Tür ab, schließt sie wieder auf und wieder ab. Morgendliche Routinekontrolle: vierunddreißig Minuten. Zweitausendundvierzig Sekunden.
Er schließt die Tür wieder auf und geht zurück in die Wohnung. Irgendwas ist nicht richtig. Er schaut wieder in den Spiegel. Sein Hemd ist weiß. Weiß ist Montag, aber heute ist Dienstag. Er geht zum Kleiderschrank und öffnet ihn. Er greift ein Dienstagshemd heraus und zieht es an. Er muss sich setzen. Er steht wieder auf und geht in die Küche. Die Kaffeemaschine ist an, die Kaffeekanne voll. Er schüttet den Kaffee in die Spüle, spritzt sich das Hemd voll. Er schaut an sich herunter und schaut auf den Fleck. Schwarzer Fleck auf weißem Hemd. Weiß war Montag. Aber heute ist Dienstag. Maschine aus. Er schaut auf den Kalender. Er zeigt Freitag. Er rennt zum Kleiderschrank, zieht ein blaues Freitagshemd an und rennt in die Küche. Die Kaffeemaschine ist an, die Kaffeekanne voll. Er nimmt eine blaue Tasse aus dem Schrank. Füllt sie mit Kaffee. Leert sie in einem Zug. Rennt aus der Küche. Schaut in den Spiegel. Er hat kein Hemd an. Er ist nackt. Er will zum Kalender, danach zum Kleiderschrank und in die Küche, aber er bleibt stehen und schaut ins Leere. Er hebt seinen Arm und schlägt sich. Mit der flachen Hand gegen den Kopf. Immer auf die selbe Stelle. Rhythmisch. Fester und fester. Er fällt. Es wird dunkel.
Der Wecker klingelt. Ein Traum. Verrückt. Er schaut zur Uhr. Kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.
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Nolwen
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N


Beiträge: 81



N
Beitrag14.06.2013 13:44

von Nolwen
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Hallo Schmerzlos,

ich liebe Deinen Text, Geschichten, die Einblicke in die Welt kranker Menschen erlauben. Da ich in einer psychiatrischen Praxis arbeite, weiß ich, dass Dein Protagonist an einer hochgradigen Zwangserkrankung leidet und dass es viele Erwachsene, Jugendliche und Kinder gibt, deren Welt aus Zahlen besteht und Zwängen besteht. Und diese, ihre Welt völlig aus den Fugen gerät, wenn man sie daran hindert, ihre Zwangshandlungen auszuüben.
Sehr plastisch und glaubwürdig beschrieben, einfach toll. Ließe sich gut in einen Psychothriller einbauen ...

LG
Nolwen
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amanda11
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Beitrag14.06.2013 18:36

von amanda11
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Hallo Schmerzlos,

unglaublich bewegend und glaubhaft, wie du die Zwangshandlungen des Protagonisten schilderst. Man kann sich richtig vorstellen in welchem bedrückenden inneren "Gefängnis" er lebt. Bitte mehr davon! Grüsse amanda


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errare humanum est...
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Easy_Read
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Beiträge: 70
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Beitrag29.06.2013 20:58

von Easy_Read
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Hey Schmerzlos,

super Geschichte, auch, weil du geschrieben hast, wie viele Minuten/ Sekunden er für die jeweiligen Dinge braucht. Das Ende fand ich auch gut, weil das "wahre Leben" genauso begann, wie der "verrückte Traum". Gute Idee.
Was mich am Anfang ein bisschen gestört hat, war, dass du die Sätze fast immer mit "Er" angefangen hast. Hab mich aber im Verlauf daran gewöhnt.

Schreib weiter, es ist super! smile smile extra

Easy_Read


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Nehmt das Leben nicht so ernst, man kommt sowieso nicht lebendig raus!
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Piratin
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Ei 2


Beitrag30.06.2013 13:57

von Piratin
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Hallo Schmerzlos,

ich habe gleich nur die schon verbesserte Version gelesen und bin beeindruckt. Bei den ersten Sätzen dachte ich noch, was für eine Monotonie der Satzsstellung ... doch eben dieses geradezu zwanghafte der Sprache passt in perfekter Symbiose zum Inhalt. Diese Inneneinsicht in so harmlose Tätigkeiten, wie das morgendliche Aufstehen, ist pures Kopf- und Fühlkino. Es wäre toll, wenn daraus etwas Längeres würde.
Eine Erbse:
Zitat:
Er geht ins Schlafzimmer und vergewissert sich,

Liebe Grüße
Piratin


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Assy
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Beitrag19.01.2014 20:40
Re: Schwarzer Dienstag
von Assy
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Schmerzlos hat Folgendes geschrieben:
Der Wecker klingelt. Es ist kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.
Er steht auf und zieht die Rolladen hoch, kippt die Fenster und geht ins Badezimmer. Er nimmt die Zahnbürste in den Mund und geht in die Küche. Er befüllt die Kaffeemaschine mit der üblichen Menge Kaffeepulver und Wasser und schaltet sie ein. Er schiebt zwei Scheiben Brot in den Toaster und drückt die Zeile runter. Er geht zurück ins Badezimmer, spuckt aus und stellt die Bürste in den Becher. Zähneputzen: dreiandhalb Minuten. Zweihundertzehn Sekunden.
Er geht zurück in die Küche. Der Kaffee braucht noch. Die Brotscheiben sind goldbraun.
Er beschmiert sie mit Marmelade. Der Kaffee ist durchgelaufen. Er muss schneller schmieren. Der Kaffee ist durch. Er greift zur Kaffeekanne und sucht die passende Tasse heraus. Heute ist Dienstag. Dienstag ist schwarz. Zwei Teelöffel Zucker in die schwarze Tasse mit dem schwarzen Kaffee.
Er isst, trinkt und räumt den Tisch ab. Essen und Trinken und Tisch abräumen: Vierdreiviertel Minuten. Zweihundertfünfundachtzig Sekunden.
Er geht ins Schlafzimmer. Er schließt die Fenster. Lüftungszeit um acht Sekunden überschritten. Er muss die Brote schneller schmieren. Er öffnet den Kleiderschrank. Welcher Tag ist heute? Die Tasse ist schwarz. Heute ist Dienstag. Dienstag ist schwarz. Er zieht das schwarze Hemd an. Ihm fällt auf, dass er das Donnerstagsunterhemd an hat. Er zieht das Hemd und dann das Unterhemd aus, zieht das richtige Unterhemd an. Er zieht das Hemd an. Auch die Strümpfe. Und die richtige Hose. Anziehzeit: Zwei Minuten, inklusive Zeitverlust durch die Wahl des falschen Unterhemds. 120 Sekunden.
Er überprüft ob die Kaffeemaschine aus ist. Aus. Er überprüft die Herdplatten, auch wenn er sie nicht gebraucht hat; vielleicht hat er den Schalter ohne es zu merken betätigt. Er zieht ja auch das falsche Unterhemd an. Sie sind kalt. Er überprüft die Kühlschranktür. Geschlossen. Er geht wieder zur Kaffeemaschine. Aus. Er streicht mit de n Händen über die Herdplatten. Kalt. Er überprüft den Kühlschrank. Geschlossen.
Er geht aus der Küche, geht zurück und überprüft noch mal. Er geht aus der Küche und schließt die Tür hinter sich. Er schließt die Badezimmertür. Er geht ins Schlafzimmer und überprüft ob die Fenster geschlossen sind. Geschlossen. Er verlässt das Zimmer und schließt auch hier die Tür. Er zieht seine Schuhe an. Dann seine Jacke. Er schaut in den Spiegel und verlässt die Wohnung. Er schließt die Tür ab, schließt sie wieder auf und wieder ab. Morgendliche Routinekontrolle 34 Minuten. 2040 Sekunden.
Er schließt die Tür wieder auf und geht zurück in die Wohnung. Irgendwas ist nicht richtig. Er schaut wieder in den Spiegel. Sein Hemd ist weiß. Weiß ist Montag, aber heute ist Dienstag. Er geht zum Kleiderschrank und öffnet ihn. Er greift ein Dienstagshemd und zieht es an. Er muss sich setzen. Er steht wieder auf und geht in die Küche. Die Kaffeemaschine ist an, die Kaffeekanne voll. Er schüttet den Kaffee in die Spüle, spritzt sich  das Hemd voll. Er schaut an sich herunter und schaut auf den Fleck. Schwarzer Fleck auf weißem Hemd. Weiß war Montag. Aber heute ist Dienstag. Maschine aus. Er schaut auf den Kalender. Er zeigt Freitag. Er rennt zum Kleiderschrank, zieht sich ein blaues Freitagshemd an und rennt in die Küche. Die Kaffeemaschine ist an, die Kaffeekanne voll. Er greift eine blaue Tasse aus dem Schrank. Füllt sie mit Kaffee. Leert sie in einem Zug. Rennt aus der Küche. Schaut in den Spiegel. Er hat kein Hemd an. Er ist nackt. Er will zum Kalender, danach zum Kleiderschrank und in die Küche, aber er bleibt stehen und schaut ins Leere. Er hebt seinen Arm und schlägt sich. Mit der flachen Hand gegen den Kopf. Immer auf die selbe Stelle; rhythmisch. Fester und fester. Er fällt. Es wird dunkel.
Der Wecker klingelt. Alles nur ein verrückter Traum. Er schaut zur Uhr. Kurz nach sechs. Zeit zum Aufstehen. Zeit zum Aufstehen: eine halbe Minute. Dreißig Sekunden.


Hallo Schmerzlos,

toll gemacht und vor allem im richtigen Moment das Ende. Gerade richtig, denn sonst hätte ich eingeliefert werden müssen, so irre gut waren die rasend schnellen Gedankensprünge deines Protagonisten.

Super!

Viele Grüße
Assy
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