Überraschung vom Nikolaus

[Anna Berg]

Da ich neu in diesem Forum bin, stelle ich hier ein paar Texte ein, damit Ihr einen Eindruck bekommt, was und wie ich so schreibe. Manche Texte sind recht kurz, andere länger und andere waren Teil diverser Lesungen in meiner Heimatstadt.


Es war der 5. Dezember, und unsere zehn Jahre alte Tochter erwartete für die kommende Nacht den alljährlichen Besuch vom Nikolaus. Wir hatten vergeblich gehofft, diese Tradition abschaffen zu können, Emily fand es nach wie vor „wahnsinnig aufregend“. In diesem Jahr hatte sie die Freude an diversen Hausarbeiten entdeckt, etwas das mir bislang gänzlich fehlt. Vermutlich liegt es an einem Gendefekt. Jedenfalls sammelte sie die Schuhe der Familie ein und in ihrem Eifer, diese blitzblank geputzt für die milden Gaben zur Verfügung zu stellen, erwischte sie auch die Schuhe ihres Bruders. Seines Zeichens Gymnasiast, Künstler und „Pubertier“ der ärgsten Sorte. Es muss ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, die Treter zu putzen, denn Alex hielt absolut gar nichts davon, mit sauberen Schuhen durchs Leben zu gehen, und wir hatten beschlossen, ihm seinen Willen zu lassen.
Am Morgen des 6. Dezember war Alex der erste, der das Haus verlassen musste. Ich saß in der Küche bei einer großen Tasse Tee und beobachtete, dass er wie ein aufgescheuchtes Huhn die Treppen hinauf und hinunter rannte, hörte wie er einen Schrank nach dem anderen öffnete und leise vor sich hin fluchte. Schließlich wurde es mir zu bunt und ich erkundigte mich nach der Ursache seines Problems.
„Meine Schuhe sind nicht da!“, maulte er. „Ich weiß aber mit Sicherheit, dass ich sie gestern an ihren Platz gestellt habe.“
Ausnahmsweise hatten sie tatsächlich dort gestanden, ich hatte es mit eigenen Augen gesehen. Und sie waren auch am Morgen an ihrem Platz. Allerdings mit dem einen großen Unterschied: Sie waren sauber! Man konnte die Farbe – ein leuchtendes Kobaltblau –wieder identifizieren.
Ich nahm das Schuhpaar aus dem Regal und hielt es Alex vor die Nase. Der sah mich verständnislos an: „Die anderen waren doch noch völlig okay! Ich hätte keine neuen Schuhe gebraucht!“
Eine Erwiderung verkniff ich mir. Schließlich war ich froh, dass er mir deswegen keine Szene machte. Früher durfte ich nämlich seinen Kissenbezug nicht waschen, weil der sonst nicht mehr nach ihm roch. In diesem Fall hatten die Schuhe ihren Geruch behalten. Nicht auszudenken, wie er reagiert hätte, wenn der Mief verschwunden wäre…

[Murmel]

Ehrlich gesagt, ich tue mich schwer, mit der Beurteilung, denn ich finde das Stück zwar sprachlich gut geschrieben, aber irgendwie ... blah. Es ist erzählt, nicht erlebt, die Pointe geht von daher fast unter.

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, Alter der Kinder und den Gendefekt unter einen Hut zu bekommen.   Mein Fehler sicher, aber auch ein bisschen deiner.
Wenn die Schuhe nach ihm riechen, wieso stellt er das nicht fest?

Etwas weniger Erzählung und mehr Erleben würden dieser Geschichte guttun, auch wenn sie dabei einige Sätze länger würde.

Findet Murmel.

[Anna Berg]

[Marie-Pascale]

Ich finde den Text ulkig. Die Formulierungen haben Humor, und es macht Spaß, den Text zu lesen. Auch die Länge finde ich genau richtig.

[Lonlav]

Hallo Anna Berg,
Also ich finde die Idee auch ulkig, aber würde das Textstück lieber noch mal in der Werkstatt sehen. Ich würde hier entweder gerne noch ein paar Späne gegen Anfang abgeraspelt sehen oder noch ein bisschen mehr Story (Alex gibt als schräger Charakter bestimmt noch mehr her). So steht dieser Text hier so eigenartig unentschlossen zwischen Anekdote und Kurzgeschichte.