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Teil 1 Der Entschluss


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag13.03.2008 01:45
Teil 1 Der Entschluss
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Entschluß

Eine unbestimmte Sehnsucht
schlummert schon früh
unter den Tagen der Kindheit
erwacht dann und wann
wächst wie du
Nimm es an die Hand
dein Fernweh
(Roswitha Hofmann)
„Wir wandern aus.“

So bewusst war mir dieser Schritt in allen seinen Konsequenzen, dass ich wochenlang zwischen Stress und Trauer schwankte.
Ja ich wollte weg, restlos weg aus der Enge der Reglements, des Gartenzwergidyll und der kollektiven Depression in Deutschland.
Alles war überall geregelt. Selbst für den Abstand der Handtuchhalter zu den Waschbecken in öffentlichen Toiletten, gab es eine Vorschrift. Die Gärten zeigten Leben im Miniformat. Kleines Grundstück, kleines Haus, kleine heile Welt.
Ich kann mich noch gut erinnern, wenn ich ins Büro über die Berliner Avus fuhr, stellte ich mir links und rechts Palmen vor, legte eine Kassette ein, ließ die Sonne strahlen und fühlte die Wärme auf der Haut. Die dunklen Wolken störten nicht mehr, auch nicht das nasskalte Wetter. Das pure Fernweh.
Endlich war es soweit, wir hatten uns entschlossen zu gehen.
Für immer.
Wohin?
Madagaskar!

Mein Gott, wie kommt man darauf, ausgerechnet nach Madagaskar auszuwandern?
Schicksal.
Schon seit Jahren sah ich mich im Internet um und suchte nach einem Land, dass mir gefiel. Aber auch Einwanderungsbedingungen, Wirtschaft, und die Möglichkeit eine neue Existenz zu gründen waren wichtig. Lebensfreude, Palmen, Meer und durchweg ewiger Sommer sollten das Sahnehäubchen sein.
Kontakte hatte ich per Internet schnell und intensiv. Besonders Torsten, der in der Hauptstadt Antananarivo lebte, gab mir alle Auskünfte, alle Antworten, die ich brauchte.
Wir tauschten uns aus und schon bald sah ich viele Fotos vom Land und las Berichte.
Gedanklich war ich bereits in dem Land, in dem der Pfeffer wächst.
Es musste Madagaskar sein. Ich hatte mich an diesem Wort fest gebissen: Madagaskar!
Ein Paradies musste das sein. Exotisch, tropisch, bunt, laut und unheimlich aufregend.
Doch letztendlich gab es einen nächtlichen Traum, der mich führte.

Es war Anfang September 2002, als unsere Kündigungen wirksam und die Vorbereitungen für das große Abenteuer zum Lebensinhalt wurden.
Wir, das waren mein Freund und Lebenspartner Jan, mein Sohn Sebastian und ich.

Sebastian haderte.
Er konnte sich nur schwer entscheiden. Geht er mit oder bleibt er bei seinem Vater?
Endlose Diskussionen hatte ich zu bestehen, doch ich wollte keine Rücksicht mehr nehmen. Er war 18 Jahre alt und sollte selbst entscheiden. Ich hatte Ehe, Familie und Rücksichten hinter mir. Zumindest wollte ich es versuchen. Gewissheit, den richtigen Weg zu gehen, aber gab mir dieser Traum.

Eines nachts träumte ich eine Szene, die so wirklich war und die mir fortan Glauben und Zuversicht gab.
Es war heiß, ich war in den Tropen, am Meer und lief an einem Strand entlang. Weißer Sand und ein azurblauer Himmel. Die Sonne knallte heiß.
Barfuß lief ich durch das Wasser, kleine Wellen, die mit dem Sand spielten. Weicher, weißer Sand für meine empfindlichen Füße… Warmes Wasser…einfach herrlich… nichts, was Überwindung kosten würde, einfach ins Wasser zu laufen…
Ich war glücklich, einfach nur glücklich… atmete tief ein und hätte den ganzen Himmel einatmen können, so sehr wollte ich alles in mir aufsaugen… Das Lächeln kam aus dem Herzen. Von ganz weit drinnen, legte es sich auf die Lippen und ich konnte nicht aufhören mit diesem Lächeln.
Immer wieder dachte ich „Endlich! endlich!“, hob die Arme dem Sonnenlicht entgegen und umarmte in Gedanken die ganze Welt.
Glücklich war ich, tief in mir glücklich.
„Das Leben ist schön, so wunderschön.“
Der leichte Wind von der See spielte mit den Haaren. Ich schloss die Augen, hob das Gesicht der Sonne entgegen, fühlte die Wärme auf der Haut und blinzelte in die Sonnenstrahlen.
Herrlich.
“Ich bin da!“ war der einzige Gedanke.
Hinter mir lief Jan, hatte die Hosen hoch gekrempelt.
Er rief mir etwas zu. Doch ich ging allein weiter.
Die Sonne brannte heiß und das Meer war endlos.

Diese Szene dauerte vielleicht nur wenige Sekunden. Doch war sie so intensiv, dass ich sie nicht wieder vergaß. Ganz im Gegenteil, ich hatte nun eine innere Stimme, die mir sagte, genau so wird es sein. Eines Tages werde ich es real erleben. Nun hielt mich nichts, aber auch gar nichts mehr ab, diesem Wahnsinn entgegen zu rennen.

Meine Freundin Cindy verstand die Welt nicht mehr und ganz besonders mich.
Kein Tag verging, an dem sie nicht anrief oder Emails schrieb, ob ich es wirklich riskieren will. Immer neue Zweifel und Warnungen fielen ihr ein. Dabei traf sie mit ihren Fragen sogar den ein oder anderen Nerv.
„Was machst du, wenn du auf die Nase fällst? Wenn es schief geht?“

Das kann dir immer passieren; dann komme ich halt zurück. Aber ich habe es wenigstens versucht! dachte ich trotzig.
Mann oh mann, muss ich denn immer mit dem Kopf durch die Wand?
Aber wenn ich noch länger warte, dann habe ich vielleicht nicht mehr den Mut oder keine Kraft dafür. Auch Sebastian hat irgendwann seine eigene Familie. Andreas, mein erst geborener Sohn, führte schon jetzt sein eigenes Leben, auch wenn er uns monatlich besuchte. Er war bereits abgenabelt.
Ich wollte es unbedingt wissen.

Und Jan?
Ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern, ob er mir jemals sagte, was er davon hielt.
Er stimmte zu und sagte, er käme mit. Das reichte mir aus, um wie aus einer Kanone abgeschossen auf Wolke Sieben zu landen.
Aber ich habe nie erfahren, aus welchen Motiven er mitgehen wollte.
Natürlich bildete ich mir ein, dass er mich liebt und mit mir ein anderes Leben beginnen will.
Was bilden sich Weiber auch immer gleich ein. Ich glaubte, es sei so und das war mir genug.
Wenn ein Mann sich entscheidet, mit mir bis ans Ende der Welt zu gehen, dann musste es doch Liebe sein. Oder doch nicht?

“…Aber hier hast du etwas Sicherheit …Wenn gar nichts mehr geht, hilft dir Vater Staat. Du hast eine schöne Wohnung … deine Freunde. Willst du das wirklich alles aufgeben?“ jammerte Cindy.
„Jeder Traum hat seinen Preis. Wer A sagt, muss auch B mögen. Oder? Entweder ich gehe das Risiko ein oder ich verbringe die nächsten Jahre mit der Frage, warum ich es nicht gewagt habe. Cindy! Ich bin schon 43 , vergiss das mal nicht! Ich möchte meinem Leben noch eine andere Richtung geben. Ich will noch was schaffen, bewegen, etwas auf die Beine stellen.“

Vom Auswandern träumen eben viele. Aber dass jemand es wirklich macht, ist doch eher selten. So bemerkenswert, dass es heute Fernsehserien gibt von den Aussteigern, Gewinnern und Loosern.
Zum damaligen Zeitpunkt hörte man nichts davon, dass jährlich 130.000 Deutsche ihre Heimat für immer verlassen, mit steigender Tendenz.

Worauf sollten wir noch warten?
Wenn wir gehen, dann noch in diesem Jahr 2002, sagten wir uns. Jeder weitere Monat kostete Miete und andere Fixkosten, die ins Geld gingen.
Wir wollten auch keine Hintertür offen lassen. Wir würden alles auf eine Karte setzen. Nachmieter suchen, Wohnung auflösen und ab die Post.
Kein Besuch vorher und sich umsehen?
In einem Urlaub kann ich nicht erfahren, wie es sein wird in diesem Land eine Firma zu gründen, oder wie es sein wird, dort zu leben. Ich kann es ahnen, aber diese „Ahnung“ verschlingt einige Tausender. Und am Ende bin ich auch nicht viel schlauer.
So dachte ich damals.
Heute würde ich es wohl wieder genauso machen, aber aus anderen Gründen.
Mein Motiv heute wäre, dass man nur die Flucht nach vorn nehmen kann, wenn die Hintertür verschlossen ist. Und diese Gewissheit, es gibt kein Zurück, es geht nur nach vorn weiter, setzt ungeahnte Energien und Durchhaltekräfte frei.

Ein Besuch bei der Madagassischen Botschaft in Berlin Falkensee brachte, außer dem Wissen, wo sie sich befindet, was man für die Visa alles vorlegen musste, nichts an weiteren Erkenntnissen über Marktchancen oder Möglichkeiten zur Existenzgründung.
Studien über die wirtschaftliche Entwicklung und Statistiken gab es nicht.
Doch die Dame, die für die Sektion Wirtschaft zuständig war, gab mir einige Adressen und Telefonnummern. Ich hatte nun ihre Visitenkarte und konnte den Kontakt jederzeit aufnehmen.

Wie bekamen wir nun den Umzug in den Griff?
Mit einem Container wäre es ziemlich teuer geworden. Ich bekam Auskünfte, die besagten zwischen 6000 und 8000 Euro pro Container. Doch das kostet nur der Transport.
Eine andere Lösung erschien mir effektiver:
Ein Kleintransporter wird gekauft und mit dem Umzugsgut beladen. Auch unser Opel sollte beladen werden und anschließend beide Autos nach Madagaskar verschifft.
Nach dem Empfang des Umzugsgutes, wird der Transporter wieder verkauft und damit würden wir etwas von den Kosten zurück erhalten.
So war der Plan.

Wir gehen für unbestimmte Zeit weit weg und ich weiß nicht, wann ich das alles wieder sehen werde.
Ob wir das hier wirklich alles brauchen? Oder ob ich mich von allem trennen kann. Viele Dinge sind einem doch ans Herz gewachsen oder man verbindet eine Erinnerung daran.
Ich werde nicht ruhen bis ich wieder ein schönes Heim habe.
Ewiger Sommer, blauer Himmel.
Werde ich mich wohl fühlen? Werden wir das alles bewältigen? Uns zu Recht finden? Überschätze ich meine Kraft?
Und wenn es doch der falsche Weg ist?
Ja und? Dann gehen wir zurück. Wo ist das Problem?

Manchmal wünschte ich mir ein kleines grünes Männchen, das mir sagen sollte, was zu tun sei und mir die Entscheidungen abnehmen könnte.

Schlafwandlerin. Fliehst.
Zurück in geschützte Gewässer.
Die Angst reißt Löcher
in den Mut.
Das Floß der Freunde
gibt in der Sturmflut
Halt.
(Roswitha Hofmann)
[/i]



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Lore
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Beiträge: 932
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Frauenschicksale in einer Großstadt
Beitrag24.03.2008 20:49

von Lore
Antworten mit Zitat

Der Entschluß ist also gefaßt und außer Sebastian war niemand wirklich zu überzeugen oder gar zu überreden.

Das ist für eine abenteuerlustige Seele dann schon mal Unterstützung genug...scheint es.

Aber die Ängste sind bildlich spürbar.
Sollen sie wohl auch sein, denn gänzlich bedenkenlos stürzen sich in ein solches Unternehmen wohl nur Hippies oder Aussteiger aus der gesamten wirtschaftlichen Szene.

Madagaskar...das ist schon Abenteuer genug, das Gebiet fällt wohl kaum einem Auswanderer auf Anhieb ein...bleibe äussert gespannt und werde mich Folge für Folge durchlesen.

Du schreibst flüssig und angenehm, der Spannungsbogen ist durchaus erkennbar.

Lore


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R
Beitrag13.01.2013 20:57

von Roland Rafael Repczuk
Antworten mit Zitat

Sprache ist zum beeindrucken da. Und die ihre, die unsere aller ist, fasziniert mit Wortkreationen, die immer wieder überraschen. Sie leben ihre Sprache aus. Für mich selber sind Sie neben einigen wenigen anderen ein Phänomen. Der Spagat ihrer Texte ist weit, und im Konsens mit ihrem eigenen Dasein schenken sie uns immer wieder Einblicke in die Sicht der Dinge, die sie für mittteilungswert empfinden.
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teccla
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Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag14.01.2013 00:43

von teccla
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,

es gibt mich noch smile
Ich sehe gerade, ich habe die Geschichte hier garnicht bis zum Ende eingestellt.
Das Madagaskar-Buch ist auch noch nicht veröffentlicht. Ich hatte 2009 erstmal ein Kinderbuch und eine CD mit Kinderlieder veröffentlicht. 2011 dann ein kleines Büchlein mit Kurzgeschichten.
Und nun 2013 geht es endlich noch einmal an dieses Manuskript "Madagaskar".

Ihr Kommentar beeindruckt mich und vielleicht wird er nun der Anstoss sein, den ich brauchte.
Danke dafür.

All the best
Angela


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