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kammerwimmern

 
 
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MrPink
Geschlecht:männlichLyromane

Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
Der Bronzene Wegweiser


Beitrag03.12.2012 01:00
kammerwimmern
von MrPink
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

kammerwimmern

jetzt werden wir uns begegnen  auf augenhöhe
weil ich mit meinem ego für
deine sehnsucht bürge
(mein elfenbeinturm für deine op am offnen herzen)

jetzt sind wir quitt
weil elfensteinquader im babylonischen
gezeitenrot einer durchtrennten aorta
wie (an)klagemauern aus deinem blutenden auge ragen

jetzt begegnen wir uns auf augenhöhe (unter der gürtel- doch über der nulllinie)

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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag03.12.2012 19:54

von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

Hallo Unbekannter, hallo Unbekannte, Smile

für mich bisher der schwerste Text mit vielen Einzeldetails - deswegen, weil ich einerseits sprachlich mitgenommen werde und zugleich etwas sehr Verschwurbeltes (bildlich) empfinde.

Einerseits bin ich geneigt anzunehmen, dass es sich hierbei fast schon um einen Art Zweisamkeits-Racheakt handelt - als hätte das unbenannte LI seinem Gegenüber LD irgendwie ein ähnliches Leid (angelegt und gelungen ...) zugefügt, wie davor wohl umgekehrt LI passiert - andererseits bin ich mir gleichzeitig sehr unsicher ob dieser Annahme.

Und diese mittleren beiden Zeilen in S1:

"weil ich mit meinem ego für
deine sehnsucht bürge"

... habe sie bestimmt 10mal gelesen, um vllt ansatzweise zu verstehen, was hier gesagt sein könnte - denn: die hier Verwendung des Begriffes "bürge" bekomme ich letztlich nicht auf die Reihe.
MMn müsste hier inhaltlich etwas wie 'verantrwortlich bin' stehen (oder initiiert habe ...),

aber "bürgen" ??? / für etwas oder jemanden bürgen hat mMn nichts damit zu tun, für eine provozierte Reaktion von ... verantwortlich zu sein ..., zumindest, wenn ich hier verstehe, dass dieses unbenannte LI bewusst LD's Sehnsucht geweckt hat ...


... und unter dieser Annahme (die wohl falsch ist ??), sehe ich dieses Gedicht nicht in der vorgegebenen Themenstellung ... mmhhh  Rolling Eyes

... egal wie, letztlich bleibt da für mich etwas offenkundig verschwurbelt Geschriebenes - und doch interessant ... / und mich gerne mit diesem Text befasst, aber ...

Du siehst meinen inneren Konflikt Wink

... auch klar:
"weil elfensteinquader im babylonischen gezeitenrot einer durchtrennten aorta wie (an)klagemauern aus deinem blutenden auge ragen "

solch ein Satzgebilde strahlt natürlich schon geheimnisvoll aus sich heraus - doch das gesamte Detail bleibt natürlich dem Leser mehr oder weniger verschlossenen, mMn ... / ... ok, da ist eine Verletzung passiert ... (vllt sogar aus einem Beziehungskampf ??? oder aus einem Fallen in die Wirklichkeit, nachdem die Rosa Brille weg ist ...)

mal gucken, wo ich beim Bewerten lande Wink , momentan keine Ahnung ...

liebe Grüße Stimmgabel

-


_________________
Gabel im Mund / nicht so hastig...
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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A
Beitrag04.12.2012 16:41

von Aranka
Antworten mit Zitat

Das hier geht nicht in einem Kurzkommentar. Ich muss hier nämlich jetzt einfach mal reinstolpern und mich schreibend vergewissern.

Ich gestehe: dieses Gedicht hat vom ersten Lesen an, an mir gezupft und gezerrt und mich geschubst zwischen „reizvoll / herausfordernd“ und „unterkühlt / gewaltig in der Bildsprache“ und „viele Versatzstücke auch etwas bemüht“ und „sich widerstrebende Sprachebenen“. Darum bin ich auch etwas länger drum herum geschlichen und an Befedern ist erst mal gar nicht zu denken, weil ich kein für mich schlüssiges Gesamtgefühl für den Text entwickeln kann.

Jetzt hatte ich ein wenig Gewöhnungszeit und versuche einmal mit System meinem Gefallen und gleichzeitigem Widerstreben auf den Grund zu gehen:

1. Titel:
„Kammerwimmern“ Als Wort wunderbar, das A und I dahinter jeweils gleiche Doppelmitlaute. Das Wort selbst „wimmert“ wirklich ein wenig, auch wenn es mit hartem K beginnt.  Im Textton selbst und auch im Rhythmus und auch in der Wortwahl finde ich von diesem „Wimmern“ nichts wieder. Wäre vielleicht auch gar nicht gut. Wer will bei der Thematik schon ein Wimmern, aber vielleicht ein „Flimmern“. Konnte den Titel bis zuletzt nicht ganz einordnen.

2. Thema:
hier bürgt eine LI mit seinem ego für die sehnsüchte des LD (ganz schön dramatisch), verlässt sogar seinen elfenbeinturm. Ein interessanter und eigenwilliger Aspekt wurde hier aus der weiten Themenvorgabe herausgegriffen. Auf jeden Fall Federn.

3. Sprache:
eine bildgewaltige Sprache auf der einen Seite, auf der anderen eine Sprache nahe am floskelhaften/banalen.

„op am offenen herzen“ in der 1. S und dann die 2. Strophe:

weil elfensteinquader im babylonischen
gezeitenrot einer durchtrennten aorta
wie (an)klagemauern aus deinem blutenden auge ragen

Starke Methaphern, ich bin nahe bei Celan.
Sie wirken hier massiv und auch etwas künstlich. Vielleicht weil sie in eine einzige  Satzkonstruktion ein wenig eingepfercht werden und weil sie als eine Begründung mit „weil“ als eine logische Aussage gekleidet werden.
Ich kann mir nicht helfen, sie erscheinen mir in dem schlichten „logischen“ Gewand nicht ganz glaubhaft. Ganz besonders, wenn ich mir anschaue, was sie versuchen zu begründen:
 „jetzt sind wir quitt“. (diese einfache banale Aussage)
Da knallen Sprachebenen aufeinander und ich muss hier einfach passen, wenn ich das werten soll.
So stark ich die Metaphern finde, so reizvoll ich auch Reibung und Aufeinanderprall meist finde, hier sehe ich nicht das Blut und höre nicht die Klage. Hier wirken mir die zitierten babylonischen Exile, das geteilte rote Meer zu gewaltig und auch zu weit hergeholt für ein so kleines „Auge“. Für ein „miteinander quitt“ sein. Ich bleibe ein wenig fremd zurück.

Und dann in der letzten Zeile wieder die Rückkehr in eine fast lapidare Sprachgebärde:

 „jetzt begegnen wir uns auf augenhöhe (unter der gürtel- doch über der nulllinie)

Hat fast etwas Floskelhaftes, das „Begegnen auf Augenhöhe“ und auch das „unter der Gürtellinie“. Ich werde hier hin und her geworfen.

Auch gleich zu Beginn gibt es so eine mMn überdimensionierte Formulierung:

“weil ich mit meinem ego für
deine sehnsucht bürge“

Okay, ich ziehe ein Fazit, denn ich muss zu einer Bewertung kommen.

Ein Text, der mich nicht recht zur Ruhe kommen lässt. (+)
Ein Text, der mit Sprachwirkung an mir zerrt und mir den Inhalt darüber transportiert. (+)
Ein Text, der einen gezielt agierenden Autor deutlich spüren lässt, einen der Sprache beherrscht und nicht einen, der von Sprache überrumpelt wird. (+)

Also, was macht der Autor hier? Mit mir? Welchen Ton schlägt er eigentlich wirklich an? Jedenfalls kein Wimmern. Es ist eine eher überheblicher, herausfordernder (zum Duell?), vielleicht auch genervter Ton. Vielleicht ein verbaler Faustschlag hinein ins Wimmern, mitten ins Zentrum, so dass es ins Auge geht. (Vielleicht heraus aus der „Lächerlichkeit“ der Sätze wie  „mit dem ego für die Sehnsüchte bürgen“????
Ein Text, der sprachlich etwas offenlegt, dass ich dennoch nicht ganz richtig packen kann. (ohne Bewertung/neutral)

Augenhöhe wieder hergestellt um jeden Preis: unter dem Aufgebot aller verbalen Mittel: „babylonische metaphern“ und „abgedroschene Floskeln“ inbegriffen. Jedes Mittel erlaubt. Hauptsache man erreicht wieder eine  Über-Null-Linie für eine Begegnung, auch wenn sie unterhalb der Gürtellinie liegt.

Ja! So bekommt das Ganze einen Sinn. Packe ich hier eine Zipfel hinter der Sprachebene? Kann ich es so lesen?

Wie gut, dass ich nicht kapituliert habe vor der sprachlichen Sperrigkeit des Textes. Ich stelle jetzt mal den Kommentar ein und warte noch einen Tag mit der Bewertung. Dieses Gedicht ist nicht für eine flüchtige Begegnung geeignet. Es könnte mich jedoch erobern. Ich gebe uns noch ein wenig Zeit.

 Besonders, weil ich diese erste Zeile plötzlich auch noch anders sehe. Habe mich von Beginn an durch dieses Futur sehr angesprochen gefühlt im Sinne von: Jetzt wird etwas beginnen, also im und mit dem Gedicht. Ich werde mich hier bestimmt noch mal und dann auch befedernd melden.

Bin hier total gespannt auf den Autor. Wer schafft so etwas in zwei Stunden?


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Zinna
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Beitrag04.12.2012 23:09

von Zinna
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Zoff in einer Partnerschaft, eine Art Rosenkrieg. Kammerwimmern, angelehnt ans Kammerflimmern des Herzens.
Mich überzeugt die letzte Zeile.
(unter der gürtel- doch über der nulllinie) Es wird unschön, aber noch ist nicht alles tot.
Während mir: elfensteinquader im babylonischen
gezeitenrot einer durchtrennten aorta
wie (an)klagemauern aus deinem blutenden auge ragen
zu viel auf einmal ist, es klingt in meinen Ohren zu konstruiert.

LG
Zinna
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Dienstwerk
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Beitrag05.12.2012 17:39

von Dienstwerk
Antworten mit Zitat

Wie fast jeder weiß, habe ich von Lyrik null Ahnung (hab's ja beim letzten Pokapro versucht und wurde vorletzer, hihi) - aber ich bewerte der Fairness halber trotzdem.

Dabei konzentriere ich mich rein auf mein Bauchgefühl und gehe kräftig in mich. Auf die inhaltlichen Vorgaben gehe ich nicht ein, die wurden ja bereits geprüft. Ob mir der lyrische Text auch beim zweiten oder dritten Lesen vermag, etwas mitzuteilen oder ob die Buchstaben nur nach dem Prinzip der Schönheit ungewöhnlich kreativer Formulierungen aneinandergereiht wurden, hat selbstverständlich Einfluss auf meine vergebenen Federn. Ob sich was reimt oder nicht - nicht. Ich nutze die ganze Bandbreite von 1-9, aber erst, wenn ich alle Gedichte gelesen habe.

Zum vorliegenden Gedicht:

Zitat:
kammerwimmern

jetzt werden wir uns begegnen auf augenhöhe
weil ich mit meinem ego für
deine sehnsucht bürge
(mein elfenbeinturm für deine op am offnen herzen)

jetzt sind wir quitt
weil elfensteinquader im babylonischen
gezeitenrot einer durchtrennten aorta
wie (an)klagemauern aus deinem blutenden auge ragen

jetzt begegnen wir uns auf augenhöhe (unter der gürtel- doch über der nulllinie)


Der Titel gefällt mir am besten, der hat was! Mit den ersten drei Zeilen kann ich auch was anfangen. "weil ich mit meinem ego für
deine sehnsucht bürge" - gefällt mir. Doch dann wird's mir zu blutig und zu methaphorisch verschwurbelt. Ich habe keine Ahnung, was Du mir mit dem Gedicht sagen willst. Hat er ihr sein Herz gespendet und guckt jetzt zu, wie es eingesetzt wird? Null Plan, sorry. Außerdem verwirrt mich der Elfenbeinturm als Bild (Unberührtheit?). Befederung erfolgt ganz zum Schluss.

LG, Ana
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Beobachter
Klammeraffe


Beiträge: 617



Beitrag05.12.2012 19:28

von Beobachter
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Ich habe zwar nur eine rudimentäre Ahnung, was mir der Dichter (du) damit sagen will, aber ich fand's schon mal cooler als die meisten anderen Beiträge. Wortgewaltiges Geschwafel, aber ja. Zumindest zeigt mein Binärschalter eher in Richtung "Gefällt mir".

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Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen - nicht umgekehrt.
- Jean Cocteau
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dürüm
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Beitrag05.12.2012 23:57

von dürüm
Antworten mit Zitat

Guy Incognito hat Folgendes geschrieben:
kammerwimmern

jetzt werden wir uns begegnen  auf augenhöhe
weil ich mit meinem ego für
deine sehnsucht bürge
(mein elfenbeinturm für deine op am offnen herzen)

jetzt sind wir quitt
weil elfensteinquader im babylonischen
gezeitenrot einer durchtrennten aorta
wie (an)klagemauern aus deinem blutenden auge ragen

jetzt begegnen wir uns auf augenhöhe (unter der gürtel- doch über der nulllinie)


Vollblutlyrik. So möchte ich auch schreiben können. Dies ist ein Beitrag, über den ich noch sehr viel nachdenken muss. Gerne, falls gewünscht, eine ausführliche Rezension nach dem Wettbewerb.
Verstand im Tausch gegen Herz, sich Begegnen, Kompromisse, Entgegenkommen ... so viele Ebenen.

Großartig. Sehr gerne gelesen.
Oberes Drittel.

Gruß
Kerem


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Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca)
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Dienstwerk
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Beitrag06.12.2012 02:04

von Dienstwerk
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Meine Befederung in der Lyrik im Überblick:

0x 1
2x 2
5x 3
2x 4
1x 5
1x 6
2x 7
0x 8
1x 9

LG, Ana
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MrPink
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Der Bronzene Wegweiser


Beitrag07.12.2012 11:17

von MrPink
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Schon wieder n Liebesgedicht?? Mensch Pink. Geh mal zum Therapeuten.

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(Buk)
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Aranka
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A
Beitrag07.12.2012 11:26

von Aranka
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Hallo, wer auch immer,

da bin ich noch einmal und greife noch einmal die letzte Frage meines ersten Kommentars auf, oder besser knüpfe an mein Erstaunen erneut an:
„Wer schafft es in zwei Stunden ein Gedicht zu schreiben, an dem ich mich dann doppelt solange reibe und das mich angenehm herausfordernd beschäftigt?“
Ich werte das jetzt einfach einmal als eine absolutes Qualitätsmerkmal.

Ich will mich jetzt, nach eingehender Betrachtung noch einmal von einer anderen Ecke auf den Text zubewegen. Es ist der „Ton“, den der Text anschlägt, der mich beschäftigt, aus dem der Text stark eingefärbt lebt und der mir hier von Beginn an ein Gegenüber vor Augen brachte. Ich habe es erst einmal ganz einfach als ein Gegenüber von LI und LD gelesen, was vielleicht auch nicht abwegig ist, aber als einzige Leseebene wollte es mich nicht so ganz zufrieden stellen. Dieser Gedanke mag real dahinter liegen, aber der Elfenbeinturm, der Rückzugsort der Dichter, ließ mich immer auch eine andere Ebene mitdenken. Sie mag verrückt sein, aber ich spinne sie mal ein wenig aus:

Ich lese hier eher wie ein Selbstgespräch, oder ein Gespräch mit einem nicht real anwesendem Gegenüber, einem vielleicht eher gedachten. Ich könnte mir hier auch ein Gegenüber von Autor und Gedicht (einem noch zu schreibenden / und dann auch noch in einer befristeten Zeit) vorstellen. Also die Situation, wenn ich in mich auf eine OP am offenen Herzen einlasse, um diesem Gegenüber Leben in die Zeilen /Adern zu geben. Diese Begegnung von Autor / Gedicht / sich selbst (ganz tief im Innern) geht nur auf Augenhöhe.  Dann lese ich den Ton der ersten Zeile so wie eine Art „Ärmel aufkrempeln“ eine Art Herausforderung, der man sich mit einem „so, jetzt können wir!“ stellt.
Die Metaphern der zweiten Strophe charakterisieren dann für mich ganz gut, wie das so ein Gedicht aussehen muss, dass ein Gefühl entsteht, „jetzt sind wir quitt.“ Jetzt kann man sich auf Augenhöhe begegnen, auch sich selbst.
Immer weniger störe ich mich an den recht verschiedenen Sprachebenen, immer mehr überzeugt mich das Gedicht von seiner Gesamtstimmigkeit. So kann es passieren. Schwanke zwischen 8 oder 9 Federn. Es ist nur noch der Titel, der ein wenig an mir zwackt. Aber heute schneit es so schön vor dem Fenster und da das Gedicht es geschafft mich solange zu beschäftigen, ist eine Feder wert. Gruß an den unbekannten Autor. Aranka


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Nihil
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Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag08.12.2012 02:04

von Nihil
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→ „kammerwimmern“
Ein weiteres Gedicht, bei dem ich in den Titel am liebsten mag. Statt
eines Herzinfarkts wird hier auf den larmoyanten Ton verwiesen, der
zumindest dem lyrischen Du zugesprochen wird (von Seiten des lyrischen
Ichs). In Wirklichkeit tragen aber beide Parteien ganz schön auf und
selbst der originelle Titel kann nicht davon ablenken, dass hier einmal
mehr die kitschige Metapher Herz = Liebe verwendet wird.

In der ersten Strophe hat mir gefallen, dass das lyrische Ich sein Ego ab-
legen möchte, um dem Adressaten seine Sehnsucht der Liebe zu ermög-
lichen. Die zweite Strophe schildert dann schon das post-Zusammensein
und meiner Meinung nach werden die beiden Bildsphären Turm und Herz-
OP, die an sich schon sehr unterschiedlich sind, zu wild miteinander ver-
mischt. Ein bisschen unfreiwillig komisch wirkt der letzte Vers, wenn man
sich bildlich vorstellen will, dass die Augenhöhe der beiden unte der Gür-
tellinie ist. :)

Ein Gedicht, das etwas zu sagen hat, dies allerdings auf eine überladene und
ziemlich wuchtige Weise tut und mich, abgesehen vom Titel, nicht allzu sehr
gereizt hat.
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crim
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Beitrag08.12.2012 12:08

von crim
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Auch wenn ich nicht ganz dahinter steige, finde ich die Sprachbilder teils sehr gelungen. Der Titel ist hervorragend. Das "Gezeitenrot einer durchtrennten Aorta" gefällt mir am besten. Ich weiß nicht, was es mit dem wiederkehrenden Motiv des Auges zu tun hat, dieser Begegnung auf Augenhöhe. Jetzt weiß ich nicht, ob das hermetisch ist, oder obs an mir liegt. Werde hier trotz Unverständnis meinerseits allein für die Wort- und Klangbilder sieben Federn springen lassen und hoffe sehr, nicht einer Augenwischerei erlegen zu sein.

LG Crim
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OrangeHair
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Beitrag08.12.2012 18:30

von OrangeHair
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Hmmm, genau an solchen Texten liegt es, dass ich die Lyrik nicht verstehe. Aber ich beschäftige mich auch nicht wirklich damit...

Es klingt sehr intellektuell und es kann sein, dass ein sehr tiefer Sinn dahinter liegt, der jedoch meinen Gehirnwindungen verborgen bleibt. Aber das ist ja Geschmacksache..

Dennoch: gute Arbeit - immerhin hast du einen (für meine Verhältnisse) langen Kommentar bekommen.

LG Orange
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Nina
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Wohnort: Berlin


Beitrag08.12.2012 22:49

von Nina
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kammerwimmern

Das Gedicht. Shocked Ach du je, … es geht nicht mehr, aber ging mal um Liebe, ja? Und jetzt geht es ums Heimzahlen und Rächen? Verstehe ich das richtig? Es hat etwas Drohendes, Bedrohliches irgendwie … In der zweiten Strophe lese ich dauernd: Jetzt sind wir zu dritt. Komisch, das. Jetzt sind wir quitt. Mag ich nicht. Gefällt mir leider nicht, Dein Gedicht,- tut mir leid. Ich glaube, das liegt an dem Lyrischen Ich und der damit verbundenen Komposition. Dann das Wimmern im Titel. Nee. Das hier ist nicht meins. Aber Du hast Dich an die Aufgabenstellung gehalten und zum Thema „Bürgschaft“ hier vermutlich etwas komponiert. Und ich kann schon erkennen, dass das hier nicht Dein erstes lyrisches Gedicht ist. Bewertung kommt im zweiten Durchlauf.


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jim-knopf
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Beitrag09.12.2012 13:46

von jim-knopf
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hallo lieber unbekannter

das gedicht kommt mir sehr bildgewaltig entgegen. aber auch sehr verschlüsselt. ich habe nun länger versucht, hinter diese ganzen bilder zu kommen. im endeffekt habe ich vielleicht eine kleine ahnung bekommen, was dieser text transportieren möchte. vieles ist mit weiter unklar.

das ist aber erst mal gar nicht der fehler des textes. sondern liegt eher an mir. trotzdem würde ich behaupten, dass du es dem leser zumindest an einer stelle unnötig schwer machst.

Zitat:
(mein elfenbeinturm für deine op am offnen herzen)


hier lässt du offen, wer den nun genau diese op bekommt. das "du"? oder ist dieses "du" der behandelnde arzt? ich finde dieses bild auch im zusammenhang mit dem elfeinbeinturm unglücklich formuliert. weil es auch für die deutung ziemlich entscheidend ist, denke ich.

ich vergebe hier 6 federn, weil mich die metaphorik, dich ich eher erspüre, als eindeutig deuten kann, doch beeindruckt.

gruß
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femme-fatale233
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Beitrag10.12.2012 22:06

von femme-fatale233
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Ich mag es, weil es so viel anbietet an Möglichkeit und das auf so knapper Fläche.
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lupus
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Wohnort: wien



Beitrag11.12.2012 15:03

von lupus
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ich habs versucht, ehrlich versucht, aber:

- ich komm nicht so ganz dahinter was du sagen willst
- ich denke, dass hier ein - für mich- erträglicher Rätselfaktor überschritten ist
- formal will mich dein Gedicht nicht erreichen

(jetzt werden wir uns begegnen - jetzt sind wir quitt - jetzt begegnen wir uns)

und sprachlich is mir das zu holprig, es zieht mich nicht rein, eher im Gegenteil

versuch:

mein Herz/mein ego für dein L(i)eben --> Sehnsucht erfüllen
Elfenbeinturm bricht ein/wird zerstört ---> Annäherung trotz verschiedener Sprache

einige Formulierungen sind dir aber ausnehmend gut gelungen; gezeitenrot etwa


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lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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Schmierfink
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Beiträge: 1172



Beitrag13.12.2012 02:42

von Schmierfink
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Ich begrüße dich mit Freude,

die erste Strophe ist ein Hinderniss. Mit seinem Ego für die Sehnsucht eines anderen bürgen ist für mich eine eher unsinnige katachrethische (Bildbruch) Wendung, kann mir darunter nichts sinnvolles vorstellen und wenn man sagt, gut ist Lyrik, sonderlich poetisch find ich es leider nicht.
Gut die Op am offenen Herzen, ganz schönes Bild nimmer ganz neu, ähnlich wie der Elfenbeinturm. Mein Hauptproblem, die beiden passen so gut Zusammen wie Fische beim Bergsteigen. Ich schreib ja auch manchmal so Zug zam, aber die Verbindung ist mir zu hart, oder ist das gar Satire?
Denke ich aber nicht, da die zweite Strophe durchaus qualitativ hochwertiger ist. Vorallem die mittleren Verse ziehen mich in ihren Bann, die Mauern aus dem Auge sind originell und passen zum Thema. Das Gedicht wird hier zu einer geglückten Beschreibung eines Streits/Bezeihungsendes/einer Racheaktion whatever.

Die letzte Zeile will lässig sein mit dem Wortspiel, find das klappt nicht, ist zu seicht und mit der Gürtellinie irgendwie anzüglich witzig, beschadet den ernsthaften Charackter des Werkes. Oder gibt es den garnicht und der Grundton soll eher witzig locker sein? Beides ist denk ich zuviel. Letzlich solide, steckt aber was hinter, die Zeit kann da den Sand wegspülen und ne Perle hervorzwingen.

lg
Schmierfink


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"Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles seine Bemerkungen."
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"Ich gebe Zeichen von mir, Signale . . . Ich schreie aus Angst, ich singe im Dschungel der Unsagbarkeiten"
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Georg Büchner
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Gast







Beitrag13.12.2012 23:06

von Gast
Antworten mit Zitat

Mir scheinen die Bilder unbedacht und das Machtvolle täuscht nicht über  Schiefes hinweg.
Dramatischer Effekt, ich suche vergeblich nach Inhalt.

Bin gespannt, was der Autor hierzu noch sagen wird.

LG
Lorraine
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adelbo
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Beiträge: 1830
Wohnort: Im heiligen Hafen


Beitrag14.12.2012 18:21

von adelbo
Antworten mit Zitat

Hallo Inka/o

Mein Ego, mein Elfenbeinturm gegen deine durchtrennte Aorta.
Ich lese die Zeile, dass das ich von seinem Turm heruntersteigen musste, damit sein Gegenüber nicht an gebrochenem Herzen stirbt, damit ihre Beziehung noch eine Chance hat. Jeweils die Betrachtungsweise des Gegenüber. Wobei die Verletzungen bleiben, die Turmspitzen nach wie vor vorhanden sind, was mich irritiert.

Wieso sind sie jetzt quitt, darauf bin ich gespannt.

Ein klein wenig klingt mir das Ganze nach Rache.

Nicht schlecht für zwei Stunden Zeit, aber auch nicht so ganz mein Ding.
Freundliche Grüße
adelbo


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Bertrand Russell
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Rübenach
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Beiträge: 2832



R
Beitrag14.12.2012 18:23

von Rübenach
Antworten mit Zitat

Auf Grund akuter Zeitknappheit leider nur eine stichpunktartige Bewertung

Mit diesem Gedicht tue ich mir sehr schwer. Das ist entweder ziemlich gut oder der Autor blufft mit Pseudotiefsinn.

Zitat:
elfensteinquader im babylonischen
gezeitenrot einer durchtrennten aorta


Elfenstein ist ein Berg im Harz. Ob das dortige Gestein auch so bezeichnet wird, weiß ich nicht. Babylon? Gezeitenrot? Rote Ebbe? Rote Flut?

Kann sein, dass dies alles zusammenpasst und ein grandioses Bild ergibt. Ich erkenne es nicht. Habe deshalb auf eine Bewertung verzichtet.


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Aranka
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A
Beitrag15.12.2012 02:35

von Aranka
Antworten mit Zitat

Ich gratuliere ganz herzlich zum 4. Platz. (Ich verstehe doch die neue Sortierung so richtig: sie gibt die Reihenfolge an, oder?)
Ich gestehe, ich war bei keinem Gedicht so neugierig, wer wohl der Autor ist, der mich mit einem "Zweistundentext" so beschäftigt hat. Hat aber Spaß gemacht. Finde auch heute noch, dass sich das Gedicht meine Federzahl redlich verdient hat. Es verliert kein bisschen bei häufigerem Lesen, im Gegenteil.

So, jetzt kann ich beruhigt schlafen gehen. Neugierde befriedigt. Es stehen gute Texte auf den oberen Rängen.  

Liebe Grüße Aranka


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