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Gast
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05.11.2012 13:13
von Gast
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Hallo ET,
das Problem damit, die Satzbestandteile sehr frei zu stellen, besteht ja auch darin, auf diese Weise wahrscheinlich Sätze zu erzeugen, die man gar nicht haben wollte ... Nimm diesen hier als Beispiel:
lass dein blut
mich gegen schlaf in deinen adern tauschen.
Heißt das jetzt (der Übersichtichkeit halber um das "lass" verkürzt):
- Dein Blut tauscht mich gegen Schlaf in deinen Adern
- Dein Blut tauscht in deinen Adern mich gegen Schlaf
- Ich tausche dein Blut gegen Schlaf in deinen Adern
- Ich tausche in deinen Adern dein Blut gegen Schlaf
Wenn du "in deinen Adern" zwischen "Schlaf" und "tauschen" stellst, ist der Bezug halt völlig unklar ...
Natürlich machen da bestimmte Möglichkeiten mehr Sinn als bestimmte andere Möglichkeiten, aber es bleibt eben doch das Gefühl des "Suchen-Müssens", das zumindest mir die Freude an einem Text sehr leicht verderben kann.
Gruß,
Soleatus
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Rufina Klammeraffe
Beiträge: 693
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05.11.2012 17:21 Re: leg deine haut um meine schultern von Rufina
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Hi ET,
Interpretationsversuch:
Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: |
wo licht und wärme striemen
in meine haut gekrallt |
->Verweis auf die Spuren des Sommers
Zitat: | leg deine haut um meine schultern |
-> Wind/Sturm als Haut des Herbstes?
Zitat: |
gleicht schon das rascheln deines haars
dem flügelschlag. |
-> Rascheln des Herbstlaubs
Zitat: | saug blei mir aus den knochen,
lass mich fliegen – so hoch,
dass deine atemluft
zum aufprall mir nicht reicht |
-> Winterdepression, dann Lebenslust im Sturm, Weggetragenwerden
Die Vampirassoziation die einige hier hatten, drängt sich natürlich auf mit "saug blei mir aus den knochen" und "lass dein Blut mich gegen schlaf in deinen andern tauschen" und "lass mich fliegen".
Was mir absolut nicht in den Kopf will: Warum heißt es -> "lass dein blut mich gegen schlaf in deinen adern tauschen"? "Lass dein blut mich gegen schlaf in meinen adern" oder andersrum hätte ich noch halbwegs verstanden.
Wegen den "Geiern" und dem "Blei" hatte ich kurzzeitig eine Duell-Wildwestszene vor Augen, dann einen Tornado und deshalb bin ich beim Sturm und dann Herbst gelandet. Vor allem die Geier (obwohl es da wohl um die Verbindung zum Tod ging) sind mir im Weg. Deshalb war beim Lesen ein Bruch bei mir da. Die passen mir einfach nicht ins "Setting", weshalb die Schwermut vom Anfang auch nicht bis zum Schluss durchhält.
Viele Grüße
Rufina
_________________ Noch sind wir zwar keine gefährdete Art, aber es ist nicht so, dass wir nicht oft genug versucht hätten, eine zu werden. (Douglas Adams) |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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05.11.2012 21:28
von Enfant Terrible
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Wow, Leute. Einfach nur wow. Ich bin hellauf begeistert über die gewaltige Textarbeit, die an diesem Text geleistet wurde - es macht mich sehr froh, da, wie gitano erkannt hat, mir viel an diesem Text liegt, auch wenn er noch weit von der Perfektion entfernt ist. Aber dafür sind ja eure Vorschläge da
Vor allem freue ich mich darüber, dass sich so viele Leser an dem Gedicht versucht haben, obwohl es sperrig und nicht auf Anhieb zugänglich ist, und tolle Interpretationen geliefert haben - besonders Oliver.Twist, Hut ab!
Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse, wenn ich nicht auf jeden Kommentar und jeden Verbesserungsvorschlag einzeln detailliert eingehe, sondern für mich die Quintessenz herausziehe (da sich ja viele Anmerkungen inhaltlich decken). Ich weiß die vielen Verbesserungsvorschläge sehr zu schätzen und habe jeden Kommentar viele Male gelesen. Zu manchen kann ich nicht viel mehr sagen, außer ein dickes "Dankeschön".
Was ich dank der Kritiken erkannt habe: Vor allem krankt das Gedicht wohl an meiner fixen Idee, ein Metrum durchzusetzen. So wie ich es geschrieben und in meinem Kopf gelesen habe, las es sich flüssig - aber der Rhythmus war wohl für außenstehende Leser nicht nachvollziehbar; und seiner Einhaltung ist zuviel Verständnis zu Opfer gefallen. Daher wohl der manierierte Eindruck, weil die Sätze nicht so aufgebaut sind, wie es der üblichen Lesart entspräche.
Da ich der zahlreichen Resonanz entnehme, dass es eventuell doch zu retten ist, werde ich in mich gehen und versuchen, eine verbesserte Version zu erstellen. Entschuldigt den mangelhaften Output, es war das erste Gedicht nach einer lyrischen Sendepause, da holpert alles und liest sich so, wie man es nicht haben wollte. Danke für eure Geduld mit dem Text!
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo |
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holg Exposéadler
Moderator
Beiträge: 2396 Wohnort: knapp rechts von links
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11.12.2012 14:10
von holg
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Ich weiss, ich komme ein bisschen hinterher wie die alte Faasenacht. Habe das Gedicht gerade erst entdeckt. Weiss nicht was die alle haben. Für mich darf Lyrik manieristisch daher kommen, Sätze verbiegen, viele Lesarten und Interpretationen zulassen, ja, auch um des Effektes Willen.
Nur, was ich persönlich nicht mag, sind Dinger wie
"wo licht und wärme striemen
in meine haut gekrallt – ich werd erzählen,"
Ich dachte wirklich, "striemen" wäre ein Verb. Und das hat gestört, weil es keinen Sinn ergab.
Ansonsten schön bis stark. Depressiv-melancholische Stimmung, wohlig sich ineinander kuschelnd verschmelzen wollen, wohl wissend, dass Schmerz und Leid nicht nur als Geier im Außen, sondern auch in der Vereinigung, dem Zusammensein lauern. Trotzdem nicht lassen wollen. Zu interpretieren allerbanalst oder auf metaphysischer oder tiefenpsychologischer oder assoziativ bildhafter Ebene. Und wie man sieht, ist für jeden etwas dabei.
Wohliges Schaudern bei ...
"leg deine haut um meine schultern,"
Das kann nur erfassen, wer sich vor der Welt verstecken wollend schon mal von hinten hat umarmen lassen.
...und ...
"an meiner wange
gleicht schon das rascheln deines haars "
Noch nie ganz ruhig ineinandergekuschelt dagelegen und der andere bewegt nur Millimeter den Kopf? Das Geräusch kann lauter sein als Geierflügelschlag.
... aber
"dass deine atemluft
zum aufprall mir nicht reicht"
Da passt für mich das Bild nicht ganz. Ich sehe da die Atemluft als Prallsack. Fehlt ein "bis" - aber, ich weiss, es passt nicht richtig rein...
Bis auf die zwei monierten Stellen find ich das Liedchen gelungen.
Man sieht auch hier, dass die Bedeutungsgebung beim Empfänger liegt. So wächst (oder schrumpft) ein Text mit seinem Leser.
holg
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