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Autor |
Nachricht |
duluoz Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 518 Wohnort: Bielefeld
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26.10.2012 22:50 MAMA von duluoz
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hallo liebe Mutter
komm schnell, ich blute
dein verlorener Sohn blutet
sie haben mir die Arbeit entzogen
taumelnd wandele ich durch die Einkaufszonen
und betrinke mich
komm schnell, ich blute
kann mir nichts mehr zu Essen kaufen
wieviel Geld bleibt mir
soll ich eine Bank überfallen
dein verlorener Sohn blutet
auf den Straßen
treffe ich die anderen Arbeitslosen
nicht rasiert und stinkend
schlurfen sie durch die besseren Stadtteile
vergreifen sich an Kinder
pöbeln brave Bürger an
komm schnell, ich blute
auf dem Amt ersticht mich der Sachbearbeiter
mit seinen kalten Augen
vier Wochen Speerfrist
wie viel Geld bleibt mir
soll ich den alten Millionär killen
hallo liebe Mutter
komm schnell, ich blute
taumelnd wandele ich durch nächtliche Gassen
so viele Menschen dieser Stadt
betrunken blicke ich
wie süchtig in die Schaufenster
hallo liebe Mutter
hilf mir, ich verblute
bin so allein und habe Hunger
in der Wohnung kriechen gefräßige Würmer herum
viel zu viel Portwein
habe Hunger
oh Mama, warum hilfst du mir nicht
ich blute doch
auf dem Wochenmarkt
habe ich einen Apfel gestohlen
die beiden Männer haben mich verprügelt
mir ist so elend
es wird wieder Abend
was soll ich bloß machen
die Kassiererin im Supermarkt erschlagen
komm liebe Mutter, hilf mir jetzt
es ist schon wieder Abend
wo soll ich denn hin
vier Wochen Speerfrist
ein kalter Hauch und der Gedanke ist da
glaubst du, deine Engel im Himmel
können mir helfen
kannst du mir gleich erzählen
ich komme dich jetzt besuchen
Weitere Werke von duluoz:
_________________ schreiben ist leben...ohne leben kein schreiben... |
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lilli.vostry Wortschmiedin
Beiträge: 1219 Wohnort: Dresden
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26.10.2012 23:32 aw:Mama von lilli.vostry
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Hallo Dullouz,
dachte erst an ein Kindergedicht bei dem Titel... Mama sagt man ja meist, wenn man klein ist oder Hilfe, Liebe, Zuwendung, Trost braucht...
Sehr berührend, dieser Hilfeschrei eines Mannes, dem man alles genommen hat, Arbeit, Hoffnung, Würde...
(die "Arbeit entzogen" klingt etwas seltsam, wie Beamtendeutsch.)
Aktueller Bezug, umgekehrt und ebenso fatal: Hier ersticht nicht der Arbeitslose, sondern der Sachbearbeiter mit seinem kühlen Blick den Ratlosen!!
Wenn man die Verse in der Mitte - mit den Streifzügen und Aussehen der Arbeitslosen, strafft - das sagt ja nichts Neues, würde das Gedicht an Drastik und Schärfe noch gewinnen.
Es heißt wohl auch "vergreifen an den Kindern".
Sehr traurig der Schluss. Der letzte Weg zur Mutter. Kein anderer Ausweg auf Erden?
Ein Gedicht mit viel Stoff zum Nachdenken. Toll.
Viele Grüße,
Lilli
_________________ Wer schreibt, bleibt und lebt intensiver |
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duluoz Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 518 Wohnort: Bielefeld
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27.10.2012 16:54
von duluoz
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...ach so und noch vielen Dank für deinen wohlwollenden Kommentar...habe es ein bisschen in die Länge gezogen, um die Spannung zu steigern...und mit den
Kindern ist es halt so wie es ist...DANKE und bis bald...BEST...duluoz...
_________________ schreiben ist leben...ohne leben kein schreiben... |
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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27.10.2012 17:01
von BlueNote
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Ja ... gut gemacht! So manches wiederholt sich zwar ... Aber egal! Dieses Gedicht hat Hand und Fuß!
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Schmierfink Lyroholiker
Alter: 34 Beiträge: 1172
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27.10.2012 17:13
von Schmierfink
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Einfach gut!
_________________ "Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles seine Bemerkungen."
Heinrich Heine
"Ich gebe Zeichen von mir, Signale . . . Ich schreie aus Angst, ich singe im Dschungel der Unsagbarkeiten"
Max Frisch
"Die Leute gehen ins Feuer, wenn's von einer brennenden Punschbowle kommt!"
Georg Büchner |
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Aranka Bücherwurm
A
Beiträge: 3106 Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
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A 27.10.2012 18:10
von Aranka
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Hallo duluoz,
In den Wiederholungen eindringlich. In den Aussagen direkt. Der Text und die Gefühlslage des LI rück nahe an den Leser heran. Ist sicher auch so gewollt. Textspannung bleibt bis zum Schluss. Der Text berührt. Finde ihn gut gemacht.
Gruß Aranka
_________________ "Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)
„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke) |
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gold Papiertiger
Beiträge: 4943 Wohnort: unter Wasser
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28.10.2012 07:14 Re: MAMA von gold
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duluoz hat Folgendes geschrieben: | hallo liebe Mutter
komm schnell, ich blute
dein verlorener Sohn blutet
sie haben mir die Arbeit entzogen
taumelnd wandele ich durch die Einkaufszonen
und betrinke mich
komm schnell, ich blute
kann mir nichts mehr zu Essen kaufen
wieviel Geld bleibt mir
soll ich eine Bank überfallen
dein verlorener Sohn blutet
auf den Straßen
treffe ich die anderen Arbeitslosen
nicht rasiert und stinkend
schlurfen sie durch die besseren Stadtteile
vergreifen sich an Kinder
pöbeln brave Bürger an
komm schnell, ich blute
auf dem Amt ersticht mich der Sachbearbeiter
mit seinen kalten Augen
vier Wochen Speerfristwie viel Geld bleibt mir
soll ich den alten Millionär killen
hallo liebe Mutter
komm schnell, ich blute
taumelnd wandele ich durch nächtliche Gassen
so viele Menschen dieser Stadt
betrunken blicke ich
wie süchtig in die Schaufenster
hallo liebe Mutter
hilf mir, ich verblute
bin so allein und habe Hunger
in der Wohnung kriechen gefräßige Würmer herum
viel zu viel Portwein
habe Hunger
oh Mama, warum hilfst du mir nicht
ich blute doch
auf dem Wochenmarkt
habe ich einen Apfel gestohlen
die beiden Männer haben mich verprügelt
mir ist so elend
es wird wieder Abend
was soll ich bloß machen
die Kassiererin im Supermarkt erschlagen
komm liebe Mutter, hilf mir jetzt
es ist schon wieder Abend
wo soll ich denn hin
vier Wochen Speerfrist
ein kalter Hauch und der Gedanke ist da
glaubst du, deine Engel im Himmel
können mir helfen
kannst du mir gleich erzählen
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hallo Duluoz,
dein Gedicht ist klasse: es schüttelt mich. Alles auf den Punkt gebracht.
Die Speerfrist finde ich saugut, ohne sie wäre es nur aufrüttelnd, aber das macht darüber stolpernd, innehaltend.
Lg Gold
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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duluoz Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 518 Wohnort: Bielefeld
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28.10.2012 13:51
von duluoz
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BlueNote, DANKE dir sehr für deine Kritik, ist mir immer wichtig, von erfahrenen Literaten n Lob zu bekommen....BEST...duluoz...
_________________ schreiben ist leben...ohne leben kein schreiben... |
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duluoz Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 518 Wohnort: Bielefeld
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28.10.2012 13:53
von duluoz
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Schmierfink...Tja , was soll ich sagenschreiben...Einfach DANKE und beste Grüße...duluoz...
_________________ schreiben ist leben...ohne leben kein schreiben... |
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duluoz Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 518 Wohnort: Bielefeld
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28.10.2012 13:54
von duluoz
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Aranka, vielen Dank auch dir für deine Kritik...ist tatsächlich alles so gewollt und mehr...beste Grüße...duluoz...
_________________ schreiben ist leben...ohne leben kein schreiben... |
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duluoz Klammeraffe
Alter: 70 Beiträge: 518 Wohnort: Bielefeld
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28.10.2012 13:56
von duluoz
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Gold...DANKE ! Das mit der Speerfrist ist ja der ausschlaggebende Punkt für die Verzweiflung...besten Dank nochmal und viele grüße...duluoz...
_________________ schreiben ist leben...ohne leben kein schreiben... |
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