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M-W-L
Geschlecht:männlichErklärbär
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Alter: 44
Beiträge: 4
Wohnort: Niedersachsen


M
Beitrag23.06.2012 19:22
Ein letzter Morgen...
von M-W-L
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,
ich habe noch nicht viel Erfahrung mit dem Schreiben, würde aber gerne wissen, wie und wo ich mit meinem Schreibstil stehe. Folgender Text ist ein Auszug aus einem meiner derzeitigen Projekte. Über Kritikreiche Kommentare, würde ich mich freuen.
Gruss
M-W-L



Es war kalt an diesem einen Morgen. Mit zerschlissenem Schuhwerk, stapfte das junge Mädchen durch den matschigen Schnee. An den spärlichen Lumpen, welche sie auf ihren zerfurchten Leib trug, leuchtet gelblich der Davidsstern, durch die sich langsam lichtenden, rußigen Nebelschwaden. Das Mädchen sah die Silhouetten der steinernen, gegen den Himmel gereckten Lagermauern, um sich herum. Sie vernahm das knisternde, summende Surren des Stacheldrahtes. Wie oft endeten hier die Fluchtversuche ihrer Leidensgenossen, erschlagen von der tödlichen Spannung, welche durch das geflochtene Netz aus Stacheln und Dornen floss, erinnerte sie sich, bei diesem Anblick.
Der Begleiter an ihrer Seite, zwang sie mit einem kräftigen Stoss, zu einem schnelleren Schritt.
Durch die Baracken widerhallendes Gebell der Wachhunde, ließ sie zusammenzucken. Immer wieder jagte es ihr die Angst durch Mark und Knochen.
Hektisches Treiben, wildes Gekläffe und kurze, knappe Anweisungen der Soldaten, wurde herüber getragen vom Wind, verstreute dieser auch noch die allerletzten Reste der Asche von der Greul dieses Morgen.
Wieder ein Zug eingetroffen.
Wieder eine Selektion.
Wieder zerstörte Hoffnungen.
Warum beendet das Niemand?
Nur zu gut wusste das junge Mädchen, was dies für die meisten Ankömmlinge bedeutet, wenn sie das Tor mit der Inschrift "Arbeit macht frei" passieren.
Tränen stiegen in ihr empor, kullerten über das junge, dennoch angegraute Gesicht. Ihr ganzer Körper zitterte vor Wut, Hass und der elenden Verzweiflung. Eine neue Welle der Angst breitete sich aus. Angst über die Erkenntnis der Machtlosigkeit, die sie empfand. Doch sie wird nicht aufgeben. Sie wird stark sein.
Tapfer wischte sich das junge Mädchen die Tränen aus ihrem Gesicht.
Ihr Begleiter stieß sie erneut, nun noch härter, in den Rücken. Das Mädchen strauchelte, fing sich aber gleich wieder. Mutig und mit erhobenem Haupt, setzte sie, unbeirrt von der Pein, ihren Weg fort. Vorbei an Block 11, weiter zu einer kleinen hölzernen Mauer.
Sie wusste was das bedeutet.
Immer wieder hatte sie es sehen müssen. Immer wieder wurde hier die Exekutive tätig, sobald das Standgericht Kattowitz in Block 11 tagte. Und heute ist wieder so ein Tag.
Wieder Angst.
Eine militärisch klingende Stimme befahl ihr, sich hinzuknien. Sie zögerte. Noch einmal der Befehl. Sie wurde zu Boden getreten.
Als sich das junge Mädchen aufraffte, fiel ihr Blick auf ihren, bis dahin anonymen, Peiniger.
Ein junger Soldat stand weit über sie gebeugt. Schussbereit hielt er eine Luger in seiner rechten Hand. Er sah ihr voller Hass entgegen. Dieser Hass verzog sein Antlitz so sehr zum Grotesken, das sie nichts Menschliches mehr in ihm erkennen konnte.
So sieht also mein Tod aus, dachte sie einen Moment.
Angewidert von dem was sie sah, wendete sie ihren Blick ab.
Stille - Kein hektisches Treiben mehr, kein Gebell, nur das leise, lodernde Brennen der Öfen und das schwere Atmen des Soldaten.
Ein Schuss fiel, ihr zierlicher Körper wurde nach vorn gerissen und sank zu Boden.
Keine Schmerzen mehr.
Keine Gedanken mehr.
Keine Hoffnung mehr.
Langsam schlossen sich die, mit Tränen gefüllten, Augen. Tiefrot tränkte sich der Schnee um ihren toten Körper, während ein Windhauch, erneut feine Asche von den Öfen her, auf sie hinab rieseln ließ.
Aktenvermerk:
Name: Isabelle Scherbaum / Jüdisch
Alter beim Eintritt des Todes: 15 Jahre. Standgericht Kattowitz.



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MSchneider
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 31
Beiträge: 71



Beitrag24.06.2012 17:39
Re: Ein letzter Morgen...
von MSchneider
Antworten mit Zitat

Grüße dich, M-W-L. Smile

Zitat:
Es war kalt an diesem einen Morgen.


Die Problematik, die dein erster Satz birgt, ist sein alltäglicher Charakter. Es ist nur bedingt möglich, eine Geschichte mit der Beschreibung der Witterungsverhältnisse zu beginnen, ohne dass diese einen abgestandenen und faden Geschmack besitzt. Es handelt sich dabei um einen Fehler, der von vielen Neulingen begangen wird. Dabei geschieht die Trübung der potentiellen Wirkung eines solchen Satzanfanges nicht von innen heraus - bedeutet: Es ist nicht dein Fehler, dass dieser Satz nicht das enfaltet, was er soll -, sondern ein Ergebnis des literarischen Umfeldes, in dem diese Art, in die Geschichte einzusteigen, sehr oft gebraucht wurde und damit in der "heutigen Zeit" leicht überholt wirkt. Es kann schon helfen, das Wetter und die Temperaturen in den folgenden Sätzen einzufädeln, so dass es frischer wirkt.

Dabei solltest du auch bedenken, dass dein Satz wie eine bloße Feststellung wirkt, bei der deine Leser nichts fühlen können - und darum geht's ihnen schließlich in einer Geschichte. Wink Wenn du willst, dass dies in dieser Situation gelingt, so solltest du die folgenden Sachen beachten:

Der Protagonist muss in dem Mittelpunkt deiner Geschichte stehen, seine Interaktion mit den widrigen Verhältnissen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf sein Gemüt müssen deutlich werden, sonst ist die Aussage über das Wetter zumindest in diesem Beispiel ohne Wert.

Dies knüpft auch nahtlos an den Punkt an, dass du lebendiger schreiben musst, wenn dir das gerade Gesagte gelingen soll. Klingt ein bisschen hohl und besitzt Phrasen-artige Merkmale, ich weiß, aber es ist von essentieller Bedeutung und bedeutet im Prinzip nichts anderes, als dass die Essenz deiner Worte mehr sein muss als die Feststellung, dass es kalt ist.  

Die folgende Passage entspricht von ihrer Struktur her schon eher dem, was ich unter einer lebendigen Schreibe verstehen würde:

Zitat:
Mit zerschlissenem Schuhwerk, stapfte das junge Mädchen durch den matschigen Schnee. An den spärlichen Lumpen, welche sie auf ihren zerfurchten Leib trug, leuchtet gelblich der Davidsstern, durch die sich langsam lichtenden, rußigen Nebelschwaden. Das Mädchen sah die Silhouetten der steinernen, gegen den Himmel gereckten Lagermauern, um sich herum. Sie vernahm das knisternde, summende Surren des Stacheldrahtes.


Ich kann mich allerdings nicht damit anfreunden, dass du ein bisschen zu dick aufträgst. Der Gebrauch von Adjektiven ist legitim, gar erwünscht und auch erforderlich, aber es ist wichtig, dass du eine geeignete Dosis verwendest. Natürlich gibt es keinen quantitativen Ausdruck der richtigen Dosis, es ist eher ein Gefühl - und in einem Beispiel wie diesem sagt mir mein Gefühl, dass der reichhaltige Gebrauch von Adjektiven über den mangelnden Inhalt hinwegtäuschen soll. Du hättest damit eine Art von ästethischer Komponente eingebaut, aber die schiefen Bilder bleiben nicht verborgen:

spärlich ist in meinen Augen ein unzulänglicher Begriff, wenn es darum geht, hier die "Fülle" an Kleidung zu beschreiben.

Mauern können sich auch nicht in den Himmel recken, die sind einfach da. Ich weiß, ist ein beliebter Ausdruck, dass sich Gebäude - oder wie in diesem Fall eine Mauer - in den Himmel recken, aber hier wirkt es eher "pseudo-poetisch".

Abgesehen davon - und das ist wohl von Leser zu Leser unterschiedlich, aber es ist mein Empfinden - ist ein Protagonist ohne Namen - auch wenn dieser bestimmt noch genannt wird - distanziert.

Zitat:
Durch die Baracken widerhallendes Gebell der Wachhunde, ließ sie zusammenzucken. Immer wieder jagte es ihr die Angst durch Mark und Knochen.


Der rot-markierte Satz ist im Prinzip überflüssig, da er lediglich die allgemeine Form im Vergleich zu dem nicht-markierten Satz darstellt, der die Angst an sich bereits im Speziellen verdeutlicht, ohne diese konkret zu nennen. Der rot-markierte Satz ist dabei ähnlich wie der Satz über die Kälte eine bloße Feststellung ohne Gefühl, leicht floskel-artig angehaucht und sollte daher eliminiert werden.  

-

So, ich denke, das reicht erst einmal. Möglicherweise später mehr.

Bis dann,

MSchneider Smile
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M-W-L
Geschlecht:männlichErklärbär
M

Alter: 44
Beiträge: 4
Wohnort: Niedersachsen


M
Beitrag24.06.2012 19:48

von M-W-L
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo MSchneider,

vielen Dank für deinen Kommentar.
Ja es stimmt, der Text entstand noch vor dem Wissen von "show, don´t tell"

Der erste Satz ist wirklich Fade. Und so wie er dort geschrieben steht, keine Auswirkung auf den Prota hat.

Mir selber hatte es auch nicht gefallen, dem Character kein Namen zu geben, fand es aber für Notwendig, da es sich hier ja um das KZ-Auschwitz handelt, den Character ohne Namen zu lassen. (evtl. könnte man so wie es der Realität entsprach, dem Character eine Nummer geben)

Das Ende sollte halt nur auflösen und dem letzten Leser vor Augen führen, worum es hier geht.

Vielen Dank noch einmal, werde mir einiges aus deiner Kritik zu Gemüte führen.

mfg
M-W-L


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Aranka
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Beitrag24.06.2012 19:57

von Aranka
Antworten mit Zitat

Du wolltest etwas zu deinem Schreibstil wissen. Was mir positiv aufgefallen ist, dass du eine Reihe rhetorischer Stilmittel beherrschst und wirkungsvoll einsetzt. So ist der Wechsel von kurzen und langen Sätzen, oder Wiederholung als Mittel der Intensivierung gut eingesetzt.

Was ich mir noch verbessert vorstellen könnte, wäre der dosierte Einsatz der Adjektive und Adverbien. Besser wäre, dein Verb oder Nomen hatte die Aussagekraft und käme ohne Beifügung aus. Ich halte mich an so eine Art Faustregel: Adjektiv oder Adverb nur, wenn es etwas wirklich Informatives hinzufügt, was der Satz sonst nicht leistet. Besonders in deinem ersten Teil, ist fast kein Nomen ohne Adjektiv, das ist dann eher ein Schwächung der Sätze.
Ich werde jetzt einfach einmal in deinen Text hineinschreiben, das ist für mich einfacher. Die Worte (auch Füllsel), die aus meiner Sicht unnötig sind, setze ich mal in runde Klammern und meine Kommentare in eckige. Schon gleich vorab: es sind alles nur Vorschläge und es ist mein Sprachempfinden. Nimm, was du brauchen kannst. Sonst Papierkorb.

Den Anfang würde ich etwas ändern. Der erste Satz muss sitzen und den Leser packen. Vorschlag: Mit zerschlissenem Schuhwerk, stapfte das sie durch den Schnee. Der Davidstern an den Lumpen, die das junge Mädchen auf ihrem dürren Leib trug, leuchtet durch die sich lichtenden Nebelschwaden. [Der Stern ist gelb, das weiß man. Das wichtige nach vorne im Satz, daher den Stern nach vorne. Adjektive reduzieren.]

Zitat:
Es war kalt an diesem einen Morgen. Mit zerschlissenem Schuhwerk, stapfte das junge Mädchen durch den matschigen Schnee. An den spärlichen Lumpen, welche sie auf ihren zerfurchten Leib trug, leuchtet gelblich der Davidsstern, durch die sich langsam lichtenden, rußigen Nebelschwaden. Das Mädchen sah die Silhouetten der (steinernen, gegen den Himmel gereckten) Lagermauern, um sich herum. Sie vernahm das (knisternde, summende) Surren des Stacheldrahtes.
[Trau deinen Nomen mehr zu. „Lagermauer“. Das Wort hat Kraft. Da hat jeder ein Bild. Was soll da „steinern“  für einen Gewinn bringen? Das schwächt nur, weil es so selbstverständlich ist. „Surren des Stacheldrahtes“. Das reicht. Ich höre es. Ich sehe es.

Wie oft endeten hier die Fluchtversuche ihrer Leidensgenossen, erschlagen von der tödlichen Spannung, welche durch das geflochtene Netz aus Stacheln und Dornen floss, erinnerte sie sich, bei diesem Anblick.
[Hier würde ich mit Punkten arbeiten und dem Leser ein wenig Luft zwischen den Sätzen lassen. Vorschlag:Wie oft endeten hier die Fluchtversuche ihrer Leidensgenossen. Erschlagen von der tödlichen Spannung, welche durch das geflochtene Netz aus Stacheln und Dornen floss. Sie erinnerte sich, bei diesem Anblick. ]

Der Begleiter an ihrer Seite, zwang sie mit einem kräftigen Stoss, zu einem schnelleren Schritt.
Durch die Baracken widerhallendes Gebell der Wachhunde, ließ sie zusammenzucken. (Immer wieder jagte es ihr die Angst durch Mark und Knochen. )
[Setze das Wichtige an den Anfang. Es verpufft, wenn es nach einer „Durch-Konstruktion nach hinten geschoben wird. Vorschlag:Das Gebell der Wachhunde hallte durch die Baracken und ließ sie zusammenzucken.]

Hektisches Treiben, wildes Gekläffe und (kurze,)knappe Anweisungen der Soldaten, wurde[n] herüber getragen vom Wind, (verstreute dieser auch noch die allerletzten Reste der Asche von der Greul dieses Morgen./ hier stimmt die Satzkonstruktion nicht.)
Wieder ein Zug eingetroffen.
Wieder eine Selektion.
Wieder zerstörte Hoffnungen.
Warum beendet das Niemand?
[Die kurzen Stze finde ich gut und wirkungsvoll eingestzt.]

Nur zu gut wusste das junge Mädchen, was dies für die meisten Ankömmlinge bedeutet, wenn sie das Tor mit der Inschrift "Arbeit macht frei" passieren.
[Ich würde hier in der Vergangenheit bleiben]
Tränen stiegen in ihr empor, kullerten über das (junge, dennoch//wir wissen, dass es ein junges Mädchen ist. Hier lenke das Bild auf angegraut.) angegraute Gesicht. Ihr ganzer Körper zitterte vor Wut, Hass und (der elenden) Verzweiflung. Eine neue Welle der Angst breitete sich aus. Angst vor(über die Erkenntnis)[die Erkenntnis der Machtlosigkeit, dieser Genitiv schwächt, einfach Angst vor der Machtlosigkeit, denn die spürt sie pur.] der Machtlosigkeit, die sie empfand. Doch sie wird nicht aufgeben. Sie wird stark sein.

[Hier arbeitest du wieder geschickt mir verstärkenden Elementen. Ist auch aus meiner Sicht nicht überstrapaziert.]

Tapfer wischte sich das junge Mädchen die Tränen aus ihrem Gesicht.
Ihr Begleiter stieß sie erneut, nun noch härter, in den Rücken. [Hier würde ich nur umstellen und den Satz nicht auseinanderreißen: Ihr Begleiter stieß sie erneut in den Rücken, nur noch härter.] Das Mädchen strauchelte, fing sich aber gleich wieder. Mutig und mit erhobenem Haupt, setzte sie, (unbeirrt von der Pein,) ihren Weg fort. Vorbei an Block 11, weiter zu einer kleinen hölzernen Mauer.
Sie wusste was das bedeutet.
Immer wieder hatte sie es sehen müssen. Immer wieder wurde hier die Exekutive tätig, sobald das Standgericht Kattowitz in Block 11 [t]agte. Und heute (ist) [war] wieder so ein Tag.
Wieder Angst.
Eine militärisch klingende Stimme befahl ihr, sich hinzuknien. Sie zögerte. Noch einmal der Befehl. Sie wurde zu Boden getreten.
Als (sich das junge Mädchen)[sie sich][so kannst du die Wiederholung von „jung“ im ächsten Satz vermeiden.] aufraffte, fiel ihr Blick auf ihren, bis dahin anonymen, Peiniger.
Ein junger Soldat stand weit über sie gebeugt. Schussbereit hielt er eine Luger in seiner rechten Hand. Er sah ihr voller Hass entgegen. Dieser Hass verzog sein Antlitz so sehr zum Grotesken, das[s] sie nichts Menschliches mehr in ihm erkennen konnte.
So sieht also mein Tod aus, dachte sie (einen/diesem) Moment.
Angewidert von dem[,] was sie sah, wendete sie ihren Blick ab.
Stille - Kein hektisches Treiben mehr, kein Gebell, nur das leise, lodernde Brennen der Öfen und das schwere Atmen des Soldaten.
Ein Schuss fiel, ihr zierlicher Körper wurde nach vorn gerissen und sank zu Boden.
Keine Schmerzen mehr.
Keine Gedanken mehr.
Keine Hoffnung mehr.
Langsam schlossen sich die, mit Tränen gefüllten, Augen. Tiefrot tränkte sich der Schnee um ihren toten Körper, während ein Windhauch, erneut feine Asche von den Öfen her, auf sie hinab rieseln ließ.


Es ist nicht einfach, über dieses Thema zu schreiben. Man muss hier Gefühle, Wortwahl und auch Szenen gut ausbalancieren. Ich denke überwiegend ist das gelungen. Vielleicht ist mir die letzte Szene, in der der junge Soldat über sie beugt zu eindeutig schwarz weiß gezeichnet. Er ist so jung wie sie. Aber hier ist er voll Hass, nicht mehr menschlich, grotesk nennst du es.

Wie wäre es, dort keine solch eindeutige Zuordnung vorzunehmen. Sie sieht, dass er nicht älter ist als sie. Er hat die Waffe. Er wird sie töten. Er verliert alle menschlichen Züge, denn er wird zum Vollstrecken. Was er fühlt, wie er sich fühlt, ließe ich im Dunkeln. Aber da ich nicht weiß, in welchem großen Zusammenhang der Inhalt steht, kann das natürlich auch Unsinn sein. So in einer kurzen Geschichte würde ich hier eine Offenheit schaffen.

Da du jedoch hauptsächlich was zum Stil hören wolltest, hoffe ich, du kannst mit meinen Gedanken etwas anfangen.

Gruß Aranka


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M-W-L
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Beitrag24.06.2012 22:27

von M-W-L
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Hallo Aranka,

vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.
Ja das ich Probleme mit meinen Adjektiven habe, wurde mir auch schon an mehreren Stellen bestätigt.
Es fällt mir wirklich nicht leicht, so einfache Sätze zu schreiben.
Werde es aber auf jedenfall berücksichtigen, damit ich dem Leser eine gewisse Freiheit lassen kann.

Das dir mein Stil schon gefällt, bedeutet mir persönlich sehr viel.

Danke
M-W-L


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Klaus
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K
Beitrag25.06.2012 11:42

von Klaus
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Hallo M-W-L

Dein Text wirkt für mich nicht authentisch. Er erstickt förmlich im Schmalz. Ich kann hier keinen guten Stil erkennen. Theatralisches hat da nichts zu suchen. Dieses „auf die Tränendrüsen drücken“ ist hier fehl am Platze, ja, es wirkt schon fast peinlich.
Ich habe auch einmal einen solch ähnlichen Text in Angriff genommen. Bis auf wenige Sätze ist von ihm nichts übrig geblieben. Heraus kommt bei solchen Versuchen meist nur der Abklatsch einer Wirklichkeit, über die nur die berichten (schreiben) können, die dabei gewesen sind. Davon gibt es nur noch wenige. Und wer das tragische Glück hat mit jenen reden zu dürfen oder zu müssen, ihre Geschichten gar aufschreiben zu dürfen, bürdet sich damit eine hohe Verantwortung auf. "Tragisches Glück" deshalb, weil du die Bilder, die dabei zwangsläufig in deinem Kopf entstehen, nicht mehr los wirst.
Oder schreibst du mittels der realen Erinnerungen eines oder mehrerer Zeitzeugen, z.B. der Erinnerungen des Soldaten, der sie erschossen hat, oder  der Person, die sie zur Hinrichtungsstätte führte, oder der Personen, die ihren Leichnam abtransportierten, also mittels Schilderungen von Menschen, die in dieser Situation dabei gewesen sind? Wenn dem so ist, würde ich mich als Zeitzeuge mit dieser Darstellungsweise  nicht zufriedengeben, nicht identifizieren wollen.
Was geschah davor? Wie ist es dazu gekommen? Was geschah danach? Diese wichtigen Fragen deutest  du in deinem Text nur schemenhaft  an. Aber gerade die Beantwortung dieser Fragen ist für die Textqualität äußerst wichtig.  
Aufgefallen:
Du wechselst die Zeiten und die Recherche lässt zu wünschen übrig:  Das fängt bei den Örtlichkeiten an, betrifft die Tötungspraktiken der Nazis, die Kleidung der Gefangenen und endet bei „sich schließenden Augen“, wobei diese Liste lange nicht vollständig ist. Wir besitzen nicht nur unsere Augen, es gibt noch andere Sinne: Riechen, Schmecken, Fühlen.
Der Verwesungsgestank war an manchen Tagen unerträglich, man schmeckte den Tod auf der Zunge, atmete ihn ein, konnte die Aschepartikel, die sich auf Fensterbrüstungen legten, zwischen den Fingern fühlend zerreiben. Der Tod war allgegenwärtig, an jedem Ort, zu jeder Zeit.
  
 Ein letzter Morgen

Es war kalt an diesem einen Morgen. Mit zerschlissenem Schuhwerk, stapfte das junge Mädchen durch den matschigen Schnee. An den spärlichen Lumpen, welche (die) sie auf ihren(m)  zerfurchten (?)Leib trug, leuchtet(e) gelblich der Davidsstern, durch die sich langsam lichtenden, rußigen Nebelschwaden. Das Mädchen sah die Silhouetten der steinernen, gegen den Himmel gereckten Lagermauern, um sich herum. Sie vernahm (hörte) das Knistern und Summen des Stacheldrahtes. Wie oft endeten hier die Fluchtversuche ihrer Leidensgenossen, erschlagen von der tödlichen Spannung, welche durch das geflochtene Netz aus Stacheln und Draht floss, erinnerte sie sich, bei diesem Anblick.Der Begleiter an ihrer Seite (Der Soldat hinter ihr), zwang sie mit einem* kräftigen Stoss (ß), zu einem* schnelleren Schritt. (schneller zu gehen.)
Durch die Baracken widerhallendes (Das)Gebell der Wachhunde, ließ sie zusammenzucken. Immer wieder jagte es ihr die Angst durch Mark und Knochen. Hektisches Treiben, wildes Gekläffe und kurze, knappe Anweisungen der Soldaten, wurden herüber geweht.(wehten zur ihr hinüber)
Der Wind verstreute ahnungslos die allerletzten Reste der Asche von der Greul dieses letzten Morgen(s). (Dieser Satz passt hier nicht dazwischen)

Wieder ein Zug eingetroffen.
Wieder eine Selektion.
Wieder zerstörte Hoffnungen.
Warum beendet das Niemand?

Nur zu gut wusste das Mädchen, was dies für die meisten (der) Ankömmlinge bedeutet(e), wenn sie das Tor mit der Inschrift "Arbeit macht frei" passieren.Tränen stiegen in ihr empor, kullerten über das junge, dennoch angegraute (blasse)Gesicht. Ihr ganzer Körper zitterte vor Wut, Hass und der elenden Verzweiflung. Eine neue Welle der Angst breitete sich aus. Angst über die Erkenntnis der Machtlosigkeit(? Fühlte sie sich nicht eher hilflos?), die sie empfand. Doch sie wird(würde) nicht aufgeben(Warum?). Sie wird(würde) stark sein. (Warum?)
Tapfer wischte sich das junge Mädchen (sie wischte sich)die Tränen aus ihrem Gesicht.
Ihr Begleiter stieß sie (ihr) erneut in den Rücken, diesmal schon härter. Das Mädchen strauchelte, fing sich aber gleich wieder. Mutig (? Woher weißt du, dass sie mutig war?) und mit erhobenem Haupt(woher weißt du das?), setzte sie, unbeirrt von der Pein, ihren Weg fort. Vorbei an Block 11*, weiter zu einer (der) kleinen hölzernen Mauer (Wand).(*Recherche!)
Sie wusste was das bedeutet.
Immer wieder hatte sie es sehen müssen.(Warum, wieso?) Immer wieder wurde hier die Exekutive tätig, sobald das Standgericht Kattowitz in Block 11 tagte. Und heute wird (würde) wieder so einer dieser Tage sein.(Heute war wieder einer dieser Tage)
Wieder Angst.
Eine militärisch klingende Stimme befahl ihr, sich hinzuknien. Sie zögerte. Noch einmal der Befehl. Sie wurde zu Boden getreten.
Als sich das junge Mädchen aufraffte, fiel ihr Blick auf ihren, bis dahin anonymen, Peiniger.
Ein junger Soldat stand weit über sie gebeugt. Schussbereit hielt er eine Luger(Recherche) in seiner rechten Hand. Er sah ihr voller Hass entgegen(ins Gesicht). Dieser Hass verzog sein Antlitz so sehr zum Grotesken, das sie nichts Menschliches mehr in ihm erkennen konnte.
So sieht also mein Tod aus, dachte sie einen Moment.
Angewidert von dem was sie sah, wendete sie ihren Blick ab.
- Stille –
(und sah zu Boden)
Kein hektisches Treiben mehr, kein Gebell, nur das leise, lodernde Brennen der Öfen (Recherche: wo waren die Öfen?) und das schwere Atmen des Soldaten.
Ein Schuss - Ihr zierlicher Körper wurde nach vorn gerissen(gestoßen) und sank zu Boden.
Keine Schmerzen mehr.
Keine Gedanken mehr.
Keine Hoffnung mehr.
(Keine Schmerzen mehr, keine Gedanken, keine Hoffnung,)

Langsam schlossen sich die, mit Tränen gefüllten, Augen.(Recherche) Tiefrot tränkte sich der Schnee um ihren toten Körper, während ein Windhauch, erneut feine Asche auf sie hinab(herab) rieseln ließ. (Diesen ganzen Absatz könntest du eigentlich weglassen.)
 
Aktenvermerk: Auschwitz I Stammlager, 1943 - Februar
Name: Isabelle Scherbaum / Jüdisch
Alter beim Eintritt des Todes: 15 Jahre.
Art: Standgericht Kattowitz.
(Woher hast du diese Information?)

Hoffe, ich konnte dir helfen.

MfG
Klaus

Nachtrag: Schade, dass du dich nicht vorgestellt hast, bevor du den Text einstelltest.
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Alter: 44
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Beitrag25.06.2012 12:37

von M-W-L
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Hallo Klaus,

auch dir vielen Dank. Ich weiß, was du mit deiner Aussage meinst, teile aber deine Meinung nicht ganz. Mein Argument, wie sieht es in 20 Jahren aus? Dann gibt es keine Überlebenden mehr. Wenn wir es so handhaben, wie du es befürworten würdest, bleiben allein das jetzige Bild (Bücher, Filme, Dokumentationen) und es war dann in 50 Jahren NUR der Holocaust. Ich halte es für wichtig und sinnvoll, das auch Menschen die nicht dabei waren, IHR Bild von dem was war, Preis geben dürfen, sogar müssen, auch wenn dabei meistens nur Klischee rauskommen wird.
Wichtig ist doch, das man ein solches Verbrechen nicht zur Vergessenheit werden lassen darf.
Ob nun Jude, Sinti oder Deutscher. All unsere Vorfahren, welche zu der Zeit in Europa lebten, sind in Gewisserweise darin verwickelt. Ob nun als Opfer oder als Täter. Darum gibt es uns auch das Recht, sich mit einem solchen Thema auseinander setzen zu dürfen.

Nun zur Kritik, Recherche an sich:
Klischee = Ok (verstanden)

Auschwitz verfügte zum Schluss über 5 Krematorien (Verbrennungsanlagen=Öfen)
4 davon in Auschwitz 2 Birkenau, Krematorium 1 in Auschwitz 1 Stammlager.
In Block 11 - tagte das Standgericht Kattowitz = Biographie von Johannes Thümmler.

Vorstellung= komme mit der Suche noch nicht wirklich zurecht, daher habe ich ein Vorstellungsthread noch nicht entdeckt. Sobald ich darauf stosse, werde ich dies selbstverständlich bei gelegenheit nachholen.

Edit: Die Fragen, zu was war davor, was ist danach etc. wird in dem kompletten Manuskript beantwortet. Wie zu Anfang geschrieben, ist dies nur ein Auszug aus dem Jahre 1942/43 von drei Protas.


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