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Leben lernen (für die Stimmung)


 
 
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Summer Peach
Schneckenpost

Alter: 33
Beiträge: 6



Beitrag09.04.2012 17:47
Leben lernen (für die Stimmung)
von Summer Peach
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

„Dieser Wind, wenngleich zuweilen sanft, wird nie vergehen…“
Mit kalten Fingerspitzen fuhr Rosalie über die Gravur auf dem grauen Grabstein und ließ ihre Hand dann sinken. Sie seufzte. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, als sie einen Schritt zurücktrat und das Grab ihrer Mutter betrachtete. Es war jetzt genau ein Jahr her. Ein Jahr, das rückblickend nicht immer leicht gewesen war…Doch das war Rosalie gewöhnt. Ihr Leben war selten einfach gewesen.
Sie ging in die Knie und suchte unter der Schneedecke nach dem mit Weihwasser gefüllten Kesselchen. Ihre bloßen Finger liefen langsam rot an. Zu lange stand sie schon hier in der Kälte. Sie fand das Kesselchen, öffnete den Deckel und sah nur das gefrorene Wasser. Ein metallisches Klingen hallte über den leeren Friedhof, als sie den Deckel zufallen ließ. Ein Lächeln huschte über ihr ansonsten ausdrucksloses, wunderschönes Gesicht. Sie hätte es wissen müssen. Natürlich gefror Wasser bei diesen eisigen Temperaturen, und sei es noch so heilig.
Physik war nie ihre Stärke, geschweige denn Leidenschaft gewesen, wie es bei ihrer Mutter der Fall gewesen war. Sie hatte als Professorin für Physik an der Universität gelehrt und hatte die Naturgesetze gelebt und geliebt, wie kaum ein anderer. Die Physik hatte ihr Leben bestimmt.
Rosalies Lächeln wurde breiter. Sie musste daran denken, wie ihre Mutter mit den unterschiedlichsten Methoden versucht hatte, ihr und ihrem kleinen Bruder die physikalischen Gesetze zu vermitteln. Sie erinnerte sich an einen stürmischen Herbsttag, als ihre Mutter von der Uni nach Hause gekommen war und ihr kleiner Bruder staunend vom Fenster aus den Tanz des bunten Herbstlaubes betrachtet hatte. Damals war er gerade vier Jahre alt gewesen.
„Mummy, warum fällt das Laub zu Boden?“, hatte er mit seiner fiepsigen Stimme gefragt. Rosalies Mutter zögerte einen Moment, dann ging sie in die Küche und nahm einen Teller aus dem Schrank.
„Nicht erschrecken, mein Schatz!“, warnte sie und ließ den Teller dann zu Boden sausen. Natürlich zerbarst das weiße Porzellan in tausend kleine Scherben, als es mit der Erde kollidierte. Trotz der Warnung seiner Mutter schaute Rosalies Bruder sie mit weit aufgerissenen Augen an.
„Warum hast Du das gemacht, Mummy?“
Ihre Mutter bückte sich und hob eine der Scherben auf.
„Das, mein Schatz, ist Schwerkraft.“ Sie hielt ihm ein Stückchen Porzellan vor die Nase und ließ es dann wieder zu Boden fallen. „Die Scherbe fällt zu Boden, wie das Laub, weil es von der Erde angezogen wird. Genauso wie wir.“
Rosalies Bruder riss die Augen immer weiter auf.
„Und wenn die Schwerkraft nicht wäre, könnten wir fliegen?“
Ihre Mutter hatte genickt.
„Mummy, mach, dass die Schwerkraft verschwindet!“

Rosalie kehrte aus ihrer Gedankenwelt zurück, als ihr kleiner Bruder, der mittlerweile einen Kopf größer war als sie, ihr die Hand auf die Schulter legte.
„Komm, Rose, lass uns gehen!“ Tims warme Hand drückte ihre Schulter leicht. „Du stehst schon wieder viel zu lange hier und machst Dir Gedanken!“
Rosalie nickte. Sie riss sich zusammen, verdrängte das Bild ihrer Mutter, die Tim herumwirbelte, aus ihrem Kopf und legte die tiefrote Rose in den Schnee, der das Grab ihrer Mutter bedeckte.
„Schnee ist eine sonderbare Sache…“, flüsterte Rosalie vor sich hin, als sie einen letzten Moment am Grab verharrte. „Er überzieht das Schreckliche in der Welt mit seiner Zuckerschicht und lässt uns nur das sehen, was wir sehen möchten, weil wir nur an der Oberfläche kratzen…“ Sie strich noch einmal sanft über das satte Rot der Rosenblätter und stand dann auf.
„Komm, Tim, ich fahr Dich zum Training!“ Rosalie hakte sich bei ihrem Bruder unter. Gemeinsam verließen sie den Friedhof und traten schweigend die Fahrt zum Sportgelände an. Doch sobald Tim die Beifahrertür ins Schloss hatte fallen lassen, um sich auf den Weg zum Training zu machen, brach Rosalie in Tränen aus. Sie ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken, ihr zierlicher Körper wurde von Schluchzern geschüttelt. Das schwarze, lockige Haar fiel ihr ins Gesicht und die Tränen bahnten sich unablässig den Weg über ihre von der Kälte geröteten Wangen, bevor sie mit einem dumpfen Geräusch auf das Lenkrad tropften.
Für ihren Bruder hatte sie stets die Starke gespielt. Sie wollte nicht, dass er sie weinen sah. Auch wenn Tim es nicht zugeben wollte, für ihn war der Verlust seiner Mutter schlimmer gewesen, als er nach außen hin zeigte. Rosalie wollte deshalb für ihn da sein, wollte den Rest der Familie ersetzen, die sie nicht mehr hatten. Ihren Vater hatten sie nie kennengelernt… Nach dem Tod ihrer Mutter hatte Rosalie das Sorgerecht für ihren Bruder übernommen. Sie selbst war gerade erst 19 Jahre alt geworden. Und plötzlich – von heute auf morgen – sollte sie einem 15jährigen Leben lehren. Etwas, was sie selbst nie wirklich gekonnt hatte.
Ein Klopfen an der Fensterscheibe ließ sie aufschrecken. Rosalie hob den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken die Tränenspuren aus dem Gesicht. Vor ihrem Jeep, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, stand ein junger Mann. Rosalie konnte ihn nur schwer erkennen. Ihre Augen waren von den Tränen noch verschleiert und die Autoscheibe beschlagen. Sie kurbelte das Fenster herunter. Draußen in der Kälte, lässig die Sporttasche über die Schulter geworfen, stand Lukas.
„Hey, Rose, alles in Ordnung mit Dir?“
Rosalie setzte sich aufrecht hin und schluckte tapfer die letzten Tränen hinunter. Sie nickte kaum merklich.
„Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber ehrlich gesagt, siehst Du nicht so aus…“ In Lukas’ Stimme war die Sorge um Rosalie deutlich zu hören.
Rosalie legte die Hände ums Lenkrad. Ihr Griff war so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden. Sie musste sich festhalten. Sonst würde sie wieder die Fassung verlieren, wieder in Tränen ausbrechen.
„Wenn ich ehrlich bin geht es mir auch nicht gerade blendend…“, gab Rosalie mit zittriger Stimme zu. „Aber ich halte Dich nur vom Training ab. Deine Mannschaft wartet auf Dich…“ Sie nickte in Richtung der Sporthalle.
Lukas löste seinen Blick nicht gleich von ihr, was Rosalie nicht gerade angenehm war. Schließlich nickte er und verschwand ohne ein weiteres Wort. Allzu lange kannte Rosalie Lukas noch nicht. Und auch nicht besonders gut. Er war Tims Trainer – mehr nicht. Und doch hatte sie eben das Gefühl gehabt, als würde Lukas mit seinen eisblauen Augen tiefer in ihre Seele blicken, als irgendjemand zuvor. Als würde er mit einem Blick den ganzen Schmerz verstehen, der sie das ganze vergangene Jahr gequält hatte. Und das verwirrte Rosalie zutiefst.
Vorsichtig löste sie ihren Griff vom Lenkrad und lauschte dabei jeder Reaktion ihres Körpers, bereit wieder zuzugreifen, sobald sie die Kontrolle verlieren würde…

Kurze Zeit später stand Rosalie mit rotgeränderten Augen vor der Haustüre ihrer besten Freundin Lilly.
„Oh Gott, Rose, was ist passiert?“ Lillys Stimme überschlug sich beinahe, als sie die Türe öffnete und Rosalies Gesicht sah.
Rosalie schniefte. „Darf ich reinkommen?“
Lily nahm Rosalies Hand und zog sie herein. „Natürlich! Komm, wir gehen nach oben und Du erzählst mir, was los ist!“
Rosalie nickte und folgte Lilly bereitwillig die steinernen Stufen hinauf.
„Ich war auf dem Friedhof…“, flüsterte Rosalie, kaum dass die Zimmertüre hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Sie ließ sich auf das große Bett sinken.
„Oh, Rose…“ Lilly setzte sich zu Rosalie. Ihr Blick fiel auf den Kalender, der neben der Türe hing. „Heute ist es ein Jahr her, oder?“ Sie strich beruhigend über Rosalies Rücken.
Rosalie schluckte. Sie spürte die Tränen wieder in sich aufsteigen. Die Trauer gewann erneut die Macht über sie.
„Ja. Genau ein Jahr…“ Die Tränen bahnten sich den Weg über ihre Wangen. Flossen unaufhörlich.
„Ach, Rose, warum tust Du Dir das an? Warum hast Du mich nicht mitgenommen? Du weißt doch, dass ich jederzeit für Dich da bin!“ Lilly sah ihre Freundin eindringlich an.
„Ich dachte, ich schaffe es…“ Rosalies Stimme zitterte. „Tim war mitgekommen. Er war in der Kirche, um eine Kerze anzubrennen. Und als ich dann alleine am Grab stand…“ Sie holte tief Luft.
Lilly seufzte. Sie wusste nicht mehr, wie sie ihrer Freundin noch helfen konnte. Im vergangenen Jahr hatte Rosalie sich immer mehr zurückgezogen, hatte keinen mehr an sich heran gelassen.
„Rose, hör zu!“ Lilly fasste Rosalie an den Schultern und zwang sie, ihr ins Gesicht zu sehen. „Rose, hör auf damit! Hör auf, Dich so gehen zu lassen! Was ist aus meiner Rose geworden? Die Rose, die immer tapfer nach vorne gesehen hat? Die Rose, der nichts und niemand etwas anhaben konnte?“ Lilly seufzte wieder. „Glaubst Du, Deine Mutter hätte das gewollt? Sie würde Dich lächeln sehen wollen! Und vor allem hätte sie gewollt, dass Du Dein Leben weiterlebst!“
Tränen schimmerten in Rosalies Augen. Lilly suchte in dem zarten Gesicht ihrer Freundin nach einer weiteren Gefühlsregung, doch außer den Tränen, die sich zum unzähligsten Male an diesem Tag den Weg über ihren Wangen bahnten, waren ihre Züge wie versteinert. Ihr war bewusst, dass ihre Worte hart gewesen waren, doch Lilly wusste sich nicht mehr zu helfen. Sie wollte nicht weiter zusehen, wie Rosalie sich selbst zerstörte.
Zu ihrer Verwunderung nickte Rosalie. Sie wischte sich die letzten Tränen aus den Augenwinkeln und strich sich ihr schwarzes Haar hinters Ohr.
„Du hast ja Recht…“ Rosalie hob den Kopf. Ihre grünen Augen waren noch tränenverschleiert, doch das erste Mal an diesem Tag hatte sie das Gefühl sich im Griff zu haben. „Ich weiß, dass ich die letzten Monate nicht gerade einfach war, doch sie waren auch nicht einfach für mich… Und ich bin wirklich froh, dass Du immer für mich da bist, Lilly!“ Sie umarmte das verdutzte Mädchen neben sich fest und verharrte einen kleinen Augenblick in der Umarmung. „Weißt Du, ich musste vom einen auf den anderen Tag erwachsen werden und Verantwortung übernehmen. Ich musste für Tim sorgen. Und mir blieb kaum noch Zeit für mich.“ Rosalie biss sich auf die Lippe. „Es tut mir sehr leid, wenn ich dadurch unsere Freundschaft aufs Spiel gesetzt haben sollte! Ich will versuchen mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Danke, dass Du mir mal die Meinung gesagt hast!“ Das erste Lächeln seit langer Zeit huschte über ihr Gesicht.
Auch Lilly lächelte. „Da ist meine Rose wieder! Oder zumindest ein Teil von ihr!“ Lilly legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Rose, Du kriegst das wieder hin, Du warst doch schon immer einen Kämpferin!“
Wieder nickte Rose und stand vom Bett auf. „Ich fahre jetzt nach Hause! Danke fürs Wachrütteln!“
Sie stand bereits an der Türe, als Lilly mit den Schultern zuckte und sagte: „Dazu sind Freunde schließlich da…“

Das Türschloss klickte. Rosalie schreckte auf. Ihr Blick fiel auf die Uhr. Acht Uhr abends.
„Oh mein Gott, Tim!“ Sie sprang auf und lief in den Flur. Dort stand Tim, die Sporttasche über der Schulter, neben ihm Lukas.
„Tim, tut mir leid, ich habe Dich völlig vergessen!“ Rosalies Stimme überschlug sich leicht.
„Keine Panik, Rose!“ Tim ließ seine Tasche zu Boden gleiten. „Lukas hat mich vom Training mitgenommen, nachdem Du nicht aufgetaucht bist.“
Lukas räusperte sich leise.
Rosalie schluckte. Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Noch nie hatte sie vergessen ihren Bruder vom Training abzuholen. Doch als sie vor etwa einer Stunde von Lilly nach Hause gekommen war, hatte sie solche Sehnsucht nach ihre Mutter gehabt, dass sie ein altes Fotoalbum hervorgeholt und sich völlig darin vertieft hatte. Die Erinnerungen hatten sie völlig gefangen gehalten und in eine glücklichere Zeit zurückreisen lassen. Die Uhrzeit war dabei völlig in Vergessenheit geraten.
Tim lief an Rosalie vorbei in die Küche. „Ich mache mir jetzt erst mal etwas zu essen…“ Die Küchentür klappte hinter ihm zu.
Lukas und Rosalie blieben alleine im Flur zurück.
„Ich… ähm… ich geh dann mal wieder…“ Lukas hatte die Hände in seinen Hosentaschen vergraben und sah Rosalie durchdringend an. Schon wieder.
„Ja…“ Auch ihr war diese Situation nicht wirklich angenehm. „Danke, dass Du Tim nach Hause gebracht hat. Du hast was gut bei mir!“
„Also, dann mach’s mal gut!“ Lukas wandte sich um und lief die Treppe hinunter.
Er hatte schon die Hand auf der Türklinke liegen, als er sich noch einmal zu Rosalie umdrehte, einen Augenblick zögerte und dann in wenigen Sätzen die Stufen wieder hinaufsprang.
„Was ich Dir noch sagen wollte: das mit heute Nachmittag… Also, ich meine, wenn Du mal jemanden zum Reden brauchst, kannst Du Dich ruhig melden!“ Während er redete, hatte er nach Rosalies Hand gegriffen, was ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Wie machte er das nur? Rosalie war irritiert. Als würde er spüren, dass es ihr nicht sehr gut ging, als würde er ihr in die Seele blicken, den Schmerz sehen, der sie plagte. Sie musste sich zusammenreisen, um nicht einen Schritt zurückzuweichen. Das wäre die völlig falsche Reaktion gewesen. Sie atmete tief durch.
„Danke Dir! Ich… ich muss jetzt noch was erledigen. Aber wirklich – danke für das Angebot!“
Lukas nickte, beugte sich nach vorn, drückte Rosalie einen Kuss auf die Wange und verschwand.
Rosalie blieb verwirrt zurück…

Die Sonne strahlte vom azurblauen Himmel und brachte das Gold der Kirchenkuppel zum Glänzen. Der sanft wehende Wind ließ Rosalies hellblauen Rock um ihre Beine streichen. In ihren Händen hielt sie einen Strauß roter Rosen. Sie war auf dem Weg zum Grab ihrer Mutter. Heute wäre ihr Geburtstag gewesen…
Der Kies knirschte unter ihren Ballerinas, ihre Schritte wurden langsamer.
„Alles in Ordnung, Rose?“ Lukas‘ Stimme war ganz nah an ihrem Ohr, sein Arm ruhte um ihre Mitte.
Rosalie nickte. Es war das erste Mal seit dem Winter, dass sie wieder hier war, das erste Mal, dass sie nicht nur mit Tim hier war.
Sie waren am Grab angelangt. Rosalie legte die Rosen nieder. Auch Tim war bereits hier gewesen und hatte ein steinernes Herz auf dem Grab platziert.
Rosalie lächelte. Sie merkte, dass es ihr jetzt nicht mehr so nahe ging, hier zu stehen, mit dem Tod der Mutter konfrontiert zu werden.
Das letzte halbe Jahr hatte sie sichtlich verändert. Lilly und Lukas hatten es geschafft, sie aus dem tiefen Loch, in das sie gefallen war, heraus zu holen.
Lilly hatte nicht locker gelassen und Rosalie immer wieder aus der Wohnung gelockt, ihr die Welt aus neuen Perspektiven gezeigt. Lilly hatte den grauen Schleier von ihrem Leben genommen und ihrem Alltag wieder Farbe verliehen. Und wenn Rosalie ihre Tiefpunkte hatte, war Lilly einfach eine gute Freundin, hörte zu und lachte mit Rosalie über alte Geschichten ihrer Mutter. Sie hatte endlich die Kraft gefunden sie zu erzählen und gemerkt, dass die Erinnerung wichtiger war als alles andere.
Auch Lukas hatte einen großen Teil zu Rosalies Veränderung beigetragen. Nach dem so verwirrenden Kuss im Hausflur hatte Rosalie sich immer öfter mit ihm getroffen. Was als Treffen zwischen guten Freunden begonnen hatte, wurde für Rosalie ein wichtiger Bestandteil ihres neuen Lebens – so, wie Lukas selbst. Sich ihren Schmerz von der Seele zu reden tat ihr so gut. Und sie bemerkte, dass es eine befreiende Wirkung hatte, wenn sie über ihre Mutter sprach. Die Gespräche hielten die Erinnerung an sie lebendig…
Rosalie blies das Streichholz aus und stellte die Kerze, die sie angezündet hatte, in die Laterne.
„Happy Birthday, Mama!“, flüsterte sie an das Bild auf dem Grabstein gerichtet.
Rosalie stand auf und ging einen Schritt zurück. Lukas stand hinter ihr. Er legte ihr sanft die Hände auf die Schultern.
„Schau her, Mummy, ich hab’s endlich geschafft!“ Sie lächelte. Es tat ihr gut, wieder lächeln zu können. Sie wandte sich an Lukas.
„Danke, dass ihr mir die Erinnerung gezeigt habt. Ich habe herausgefunden, dass niemand wirklich von uns geht, solange wir sie in unseren Herzen tragen und die Erinnerung lebendig halten…“ Die Tränen glitzerten wieder in ihren Augen.
Lukas strich ihr sanft über die Augenwinkel. „Rose, nicht weinen, es ist doch alles in Ordnung!“
Rose nickte. „Es ist alles in Ordnung, ich bin glücklich!“ Ihr Lächeln wurde breiter.
Lukas atmete hörbar auf, zog Rosalie an sich und küsste sie vorsichtig. So vorsichtig, als wollte er ihr kleines Glück nicht zerstören.
Als Rosalie sich aus dem Kuss löste, lachte sie befreit auf.
Sie begann zu leben!

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kleiner schreiberling
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 30
Beiträge: 107
Wohnort: Hütte


Beitrag09.04.2012 18:50

von kleiner schreiberling
Antworten mit Zitat

Hallo Summer Peach,

ich habe ersmal nur den ersten Abschnitt gelesen (vielleicht solltest du solche langen Texte zukünftig in mehreren Teilen nacheinander einstellen) und werde daher auch nur den kommentieren. Die versprochene Stimmung kommt hier besser rüber, als in deinem letzten Text, aber die Schwächen sind im großen und ganzen dieselben.
Summer Peach hat Folgendes geschrieben:
Mit kalten Fingerspitzen fuhr Rosalie über die Gravur auf dem grauen Grabstein und ließ ihre Hand dann sinken.

Kalt ist wieder so ein schwaches, wenig aussagekräftiges Adjektiv. Außerdem sind die Finger eigentlich wärmer als ihre Umgebung - rein physikalisch gesehen Laughing Wenn die Fingerspitzen einfach nur kalt wären, wäre das wohl kaum interessant. Viel eher schmerzen ihre Finger vor Kälte, oder? Genau so ist "grau" ziemlich langweilig. Könnte der Grabstein nicht besser marmoriert oder aus Granit sein? Und, wie Hoody schon bei deiner "Wölfin der Taiga" angemerkt hat, sind Sätze mit "ließen" meist etwas unästhetisch. Ich würde das vielleicht so umschreiben:
"Rosalies Fingerspitzen froren schmerzhaft, als sie über die Gravur im Granit des Grabsteins strichen. Ihre Hand sank zurück an ihre Seite."
Nur ein Vorschlag, wie gut das ist kann ich als Verfasser nicht beurteilen Wink Nur damit du weißt, welche Richtung ich in ungefähr meine.

Außerdem sind einige Worte einfach überflüssig oder ungeschickt.
Summer Peach hat Folgendes geschrieben:
Ein Jahr, das rückblickend nicht immer leicht gewesen war…Doch das war Rosalie gewöhnt. Ihr Leben war selten einfach gewesen.

Hat sie das Jahr, während es verfloss, etwa nicht als schwer erlebt? Und ist ihr Leben seit heute Morgen plötzlich einfach? Den Dreifachpunkt würde ich auch weglassen. Er ändert an dieser Stelle absolut nichts an der Bedeutung und stört (mich) eher.
Summer Peach hat Folgendes geschrieben:
Ihre bloßen Finger liefen langsam rot an. Zu lange stand sie schon hier in der Kälte.
Wieder schwache Verben und Adjektive.
Summer Peach hat Folgendes geschrieben:
Ein Lächeln huschte über ihr ansonsten ausdrucksloses, wunderschönes Gesicht.

Bis hierher schreibst du eher aus ihrer Perspektive. Würde sie ihr Gesicht wirklich als "wunderschön" bezeichenen (schon wieder ein schwaches Adjektiv Laughing  Mal ehrlich. Wie soll ich mir denn eine wunderschöne Frau vorstellen, die sonst unbeschrieben braucht. Dann ist auch noch ihre Mutter gestorben und sie muss sich wahrscheinlich allein um ihren Bruder kümmern, die Arme. Hallo Klischee Rolling Eyes ) und dann auch noch als ausdruckslos? Woher weiß sie überhaupt, wie ihr Gesicht die meiste Zeit assieht? Steht sie den halben Tag vor einem Spiegel?
Du solltest dich für eine Perspektive entscheiden und auf ihre EInhaltung achten.
Summer Peach hat Folgendes geschrieben:
Physik war nie ihre Stärke, geschweige denn Leidenschaft gewesen, wie es bei ihrer Mutter der Fall gewesen war.
Zweimal "gewesen war" in einem Satz. Ein besseres Beispiel für schwache Verben gibt es kaum.
Summer Peach hat Folgendes geschrieben:
Physik war nie ihre Stärke, geschweige denn Leidenschaft gewesen, wie es bei ihrer Mutter der Fall gewesen war. Sie hatte als Professorin für Physik an der Universität gelehrt und hatte die Naturgesetze gelebt und geliebt, wie kaum ein anderer. Die Physik hatte ihr Leben bestimmt.

Ich mag Physik, hatte es im Leistungskurs und hab sogar eine Weile überlegt, es zu studieren. Aber dreimal in drei Sätzen ist selbst mir ein wenig zu viel "Physik". Und das ist nicht die einzige Wortwiederholung (zum Beispiel gäbe es da noch ein gewisses schwaches Verb).

Allgemein fällt es mir etwas schwer, mich mit deiner wunderschönen Protagonistin zu identifizieren. Wie wäre es mal mit einer kleinen Schwäche? Übermenschen sind oft so unsymphatisch (auch wenn sie viel gelitten haben). Außerdem wirkt es etwas seltsam das sie am ersten Todestag am Grab ihrer Mutter lächelt. Sie scheint die Trauer ja recht schnell überwunden zu haben (das ist wahrscheinlich nicht der Eindruck, den du erwecken wolltest, entsteht bei mir aber).
Summer Peach hat Folgendes geschrieben:
„Mummy, warum fällt das Laub zu Boden?“, hatte er mit seiner fiepsigen Stimme gefragt. Rosalies Mutter zögerte einen Moment, dann ging sie in die Küche und nahm einen Teller aus dem Schrank.
„Nicht erschrecken, mein Schatz!“, warnte sie und ließ den Teller dann zu Boden sausen. Natürlich zerbarst das weiße Porzellan in tausend kleine Scherben, als es mit der Erde kollidierte.

Die kursiven Stellen sind schon besser, was mit den fettgedruckten Stellen nicht stimmt, ahnst du vielleicht.

So viel erstmal zum ersten Absatz. Hoffe, ich konnte dir helfen.

MfG kleiner schreiberling


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Musst du erst das Dach besteigen."
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Das Leben ist wie eine Zitrone...
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BiggY
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 76
Wohnort: Ruhrgebiet


Beitrag12.04.2012 18:53

von BiggY
Antworten mit Zitat

Very Happy
Eine sehr emotionale Geschichte, Sommerpfirsich.
Hast Du schön geschrieben, selbst die Dialoge sind nachvollziehbar.
Die Physik-Wiederholungen waren mir auch aufgefallen.
Wegen Zeitmangel nicht mehr an dieser Stelle.
Aber: ich konnte mitempfinden.
Herzlichst
Steinchen
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