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Was macht einen guten Schreiber aus?

 
 
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DasProjekt
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Beiträge: 2898
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Beitrag01.10.2011 11:47
Was macht einen guten Schreiber aus?
von DasProjekt
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Ein Blog-Artikel von Linda Gillard, meine neueste Entdeckung und Autorin tiefgründiger Liebesromane (ich seh schon die rollenden Augen - na, wer nicht neugierig ist, der verpasst was).

Leider nur auf englisch ...


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25. Mai 2017 - Kim Henry "Be Mine Forever"
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Merlinor
Geschlecht:männlichArt & Brain

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Beitrag01.10.2011 15:10

von Merlinor
Antworten mit Zitat

Hallo Projekt

Sicher ein interessanter Artikel, aber zwiespältig, wie ich finde.
Deshalb ein klares „Jein“ zu diesem Text.

„Ja“ für die Darstellung der Erkenntnis, dass zum Schreiben - wie zur wissenschaftlichen Arbeit - die Fähigkeit gehört, genau zu beobachten.
Es stimmt, dass man lernen muss, genau und unvoreingenommen hinzuschauen, wenn man etwas beschreiben will, sei es in Worten in mathematischen Formeln oder im Bild.

Vor Jahren war deshalb das „Sehen lernen“ ein gewichtiges Thema für meinen persönlichen Zugang zur Malerei und ich habe später die Gewohnheit (und auch das entsprechende Training) des „genauen Hinschauens“ und eben auch „Sehen Könnens“ von der Malerei in andere Themenbereiche tragen können.

Immer, wenn ich es seither mit gebildeten und kreativen Menschen zu tun bekam, fanden wir in genau diesem Punkt zusammen.
Auch wenn die – wie im Fall dieses Textes auch – ihren Zugang zum „Sehen“ eben aus anderen Erfahrungsbereichen gewannen, als dem Malen oder dem Schreiben.
Das Prinzip ist allgemeingültig: Ohne genaues Beobachten taugt alles nichts ...

Ein deutliches „Nein“ allerdings zu der Art und Weise, wie Linda Gillard ihre Texte entwickelt und vor allen Dingen dazu, wie sie diesen Weg zu verallgemeinern versucht.
Sie will am Anfang des Schreibprozesses gar nicht erst wissen, wie der Plot einmal endet.
Schlimmer noch: Sie würde die Geschichte gar nicht mehr aufschreiben wollen, wenn sie das zu Beginn schon wüsste ...

Sicher, so kann man das schon machen.
Aber verallgemeinert sind das unsägliche Aussagen, die gerne für die Vorgehensweise einer Linda Gillard gültig sein mögen, aber ganz sicher nicht für allgemein gültig erklärt werden dürfen.

Ich beispielsweise will meine Geschichte nämlich genauestens kennen, wenn ich zu schreiben beginne.
Es bleibt auch dann in meinen Augen noch genügend offen für einen kreativen Schreibprozess, wenn es dann darum geht, die Geschichte im Detail möglichst spannend zu erzählen und eine passende und schöne Sprache für sie zu finden.
Ich plane also und bereite den Plot genau vor, bevor ich zu schreiben beginne.

Da lasse ich mir doch von niemandem einreden, dass dies der falsche Weg wäre.
Genauso wenig, wie ich Linda Gillard ihre Art, an die Geschichte zu gehen, streitig mache.

Es ist das alte Leiden: Kaum haben sie einmal einen schlauen Gedanken, fühlen viele Menschen sich zum Lehrer berufen und meinen, dass auch alle ihre sonstigen Ideen und Denkweisen allein seligmachend wären und deshalb für den Rest der Menschheit verbindlich wären.
Leider auch die gute Linda Gillard.

Schade: Nach einem guten Beginn stirbt der Aufsatz so leider im Quark ...

LG Merlinor


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„Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
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DasProjekt
Geschlecht:weiblichExposéadler


Beiträge: 2898
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Beitrag01.10.2011 15:34

von DasProjekt
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Hallo Merlinor,

sie sagt ja nicht, dass sie überhaupt nicht weiß, wie der Plot endet. Sie weiß schon, wohin sie will - sie weiß nur am Anfang nicht, wie sie dorthin kommt.

Ich habe selbst gerade die avisierte Mitte meines derzeitigen Manuskripts erreicht. Bis hierher habe ich vorgeplottet, habe in Kapiteln und teilweise sogar in Szenen ganz penibel vorgearbeitet. Aber absichtlich keinen Schritt weiter.
Denn jetzt kenne ich die Figuren viel besser, ich habe die Konflikte vor Augen und habe Figuren eingearbeitet, von denen ich jetzt ein sehr viel kalreres Bild habe, auf wessen Seite sie stehen. Zu Anfang des Schreibens hatte ich da nur ganz vage Vorstellungen, besonders von den Nebenfiguren her.
Jetzt sehe ich auch, was fehlt in der ersten Hälfte, was nicht zusammenpasst. Jetzt gehe ich rückwärts und gleichzeitig vorwärts - rubbele nochmal über den Plot der ersten Hälfte, während ich die zweite Hälfte plotte.

Ich weiß nicht, ob es das ist, was Linda mit ihrer Arbeitsweise meint. Keine Ahnung. Was ich weiß ist, dass die zweidreiviertel Bücher, die ich von ihr gelesen habe / lese, mich allesamt mit Richtungswechseln überrascht haben und überraschen. Gut, das Ende ist immer absehbar (wir reden Romanze), und im ersten war es auch fast ein bisschen "cheesy", weil man wusste, wie es kommt (ich jedenfalls). Das zweite, da hab ich die Autorin verprügeln wollen.
Charlotte Lyne, wie viele wissen, ist für mich das A und O. Viele, die ihre Bücher gelesen haben und nicht so wirklich beeindruckt sind, schieben dies auf ihre allzu verqueren Figuren, dass sie gerade den Kerlen viel zu großes Leid auf den Leib schneidert, dass sie den "tortured hero" allzusehr an die große Glocke hängt.
Linda Gillard hat mich 230 von 288 Seiten lang völlig im Unklaren darüber gelassen, dass der Hero ein völlig durchgekauter, völlig zerstörter Mann ist. Und ich frag mich gerade, ob das daran lag, dass sie ihn nicht schon von vornherein soooo genau kannte. Sondern dass sie die Geschichte der weiblichen Protagonistin ganz genau im Auge hatte, und den Kerl in der Geschichte so kennenlernte, wie die Protagonistin und der Leser auch: Stück für Stück. Niemals mehr, als er auf der jeweiligen Seite preisgeben wollte. Dass sie ihn einfach nicht kannte. Weil sie so arbeitet, wie sie es tut.

Herausgekommen ist ein Protagonist, der mir in Erinnerung bleiben wird bis ans Ende meiner Tage.

Das kann man natürlich nur einschätzen, wenn man das Buch kennt. *schulterzuck*

Aber meine Reaktion auf diesen Protagonisten kombiniert mit diesem Artikel über ihre Arbeitsweise, gibt mir schon wieder zu denken, wie kontraproduktiv es möglicherweise doch ist, wenn man seine Geschichte vorher ZU GUT kennt. Oder zumindest ALLE Facetten seiner Geschichte. Vielleicht reicht es schon, nur eine Figur genau zu kennen, aber der anderen Hauptfigur alle Freiheiten zu lassen, sich nach und nach zu entblättern.

Weiß nicht.

Ich entdecke jedenfalls bei Sorley und Jane auch fast mit jedem Kapitel, das ich zu PC bringe, etwas Neues. Etwas, das ich von den beiden nicht wusste. Das schmeißt jetzt nicht zwangsweise den Plot um, aber es rüttelt ein wenig an den Fäden, die ihn zusammenhalten.


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Xumandar
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X
Beitrag01.10.2011 16:06

von Xumandar
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Also meiner bescheidenen Meinung nach, liegt es immer an der Geschichte selbst wieviel man wissen muss. Eine ungefähre Vorstellung des Gesamtbildes sollte man zwar sicherlich bei jeder haben. Aber wenn der Leser Kerl X gemeinsam erst Seite für Seite kennenlernt wie die Autorin. Kann ich mir durchaus vorstellen dass es autentischer wirkt.

X


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Grade du solltest doch wissen, dass ich nicht glaube was mir andere einreden, selbst wenn ich das verstehe, was sie mir sagen wollen!
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hexsaa
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Beitrag01.10.2011 17:27

von hexsaa
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DasProjekt hat geschrieben:

Zitat:
Linda Gillard hat mich 230 von 288 Seiten lang völlig im Unklaren darüber gelassen, dass der Hero ein völlig durchgekauter, völlig zerstörter Mann ist. Und ich frag mich gerade, ob das daran lag, dass sie ihn nicht schon von vornherein soooo genau kannte. Sondern dass sie die Geschichte der weiblichen Protagonistin ganz genau im Auge hatte, und den Kerl in der Geschichte so kennenlernte, wie die Protagonistin und der Leser auch: Stück für Stück. Niemals mehr, als er auf der jeweiligen Seite preisgeben wollte. Dass sie ihn einfach nicht kannte. Weil sie so arbeitet, wie sie es tut.


Das kann ich mir gut vorstellen und ich bin froh, von einer Schriftstellerin zu hören, die nicht alles bis ins kleinste Detail durchplottet. Immerzu liest man nur von Schriftstellern, die sich den perfekten Plan machen, wochenlang vorher recherchieren, ohne auch nur einen einzigen Satz zu schreiben. Das kann ich nicht. Wenn mich die Muse küsst, muss ich schreiben und das tue ich dann exzessiv, in jeder freien Minute. Ich kenne meine Protas und meine Geschichte, weiß genau wohin ich will, trotzdem entwickeln die Figuren ein erstaunliches Eigenleben. Sie fangen an, die Geschichte zu beeinflussen, sie verändern und und bereichern sie und sie inspirieren mich zu immer neuen Ideen.

Zitat:
Charlotte Lyne, wie viele wissen, ist für mich das A und O. Viele, die ihre Bücher gelesen haben und nicht so wirklich beeindruckt sind, schieben dies auf ihre allzu verqueren Figuren, dass sie gerade den Kerlen viel zu großes Leid auf den Leib schneidert, dass sie den "tortured hero" allzusehr an die große Glocke hängt.


Ich persönlich mag den tortured hero. Ich lese ihn gerne und erschaffe ihn auch gerne selbst. Misverstanden, unperfekt und tragisch - so liebe ich meine Helden/Heldinnen.

Es ist wohl so, das es kein allgemeingültiges Rezept für eine gute Geschichte und wie man sie schreibt, gibt. Im Fall von Linda Gillard zeigt sich, dass viele Wege ins Ziel führen.

Lg
hexsaa


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Beka
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Beiträge: 2374



Beitrag01.10.2011 18:10

von Beka
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hexsaa hat Folgendes geschrieben:
Das kann ich mir gut vorstellen und ich bin froh, von einer Schriftstellerin zu hören, die nicht alles bis ins kleinste Detail durchplottet.


Geht mir genauso. Ich bin kein Profi und habe schon langsam angefangen an mir zu zweifeln. Wenn ich eine Geschichte bis ins kleinste Details plane, habe ich tatsächlich keine Lust mehr, sie dann  -ja was - noch mal ausführlich zu erzählen, auszuschmücken. Deshalb funktioniert auch die Schneeflocke für mich nicht.
Klar, ich weiß was passieren soll,  wo es hingeht und wie es endet, aber tatsächlich haben meine Figuren ihren eigenen Kopf und es passiert, dass eine Nebenfigur plötzlich interessante Züge entwickelt und anders reagiert, als ich  dachte. Solange es nicht passt - warum nicht.
Wenn nicht, dann schreibe das manchmal trotztdem weiter, läuft halt unter "outtakes". Vielleicht kann man es ja später noch brauchen.
Im Grunde empfinde ich das so, wie Linda Gillard es schreibt
Zitat:
My son once referred to my fiction writing as playing with my imaginary friends and I don’t think I’ve come across a better definition of what I do for a living. My characters are my friends. They are imaginary.


Grüße

Beka
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hexsaa
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Beitrag01.10.2011 18:24

von hexsaa
Antworten mit Zitat

Zitat:
My son once referred to my fiction writing as playing with my imaginary friends and I don’t think I’ve come across a better definition of what I do for a living. My characters are my friends. They are imaginary.


Auch ich emfpinde das so. Es ist schon erstaunlich, wie sehr einem die Protas ans Herz wachsen. Wenn eine Geschichte zu Ende geht, bin ich traurig, weil ich Abschied nehmen muss und während ich schreibe, trage ich sie in Gedanken ständig mit mir herum. Meine Familie empfindet das Verhältnis zu meinen imaginären Freunden befremdlich.

Lg
hexsaa


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DasProjekt
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Beitrag01.10.2011 18:30

von DasProjekt
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Ich hoffe nur, dass sie nicht immer alle ihre Freunde behält, sondern sie nach dem Schreiben über den Jordan zu schicken vermag.  Wink

Nach dem bindungsscheuen Paar im ersten Buch, das ich von ihr las, kam die Frau mit der manischen Depression und der Kerl, dem es egal geworden war, ob er beim Bergsteigen draufgeht oder nicht. Und jetzt les ich das dritte, und da hat der Held Post Traumatic Stress Disorder, weil er auf den Falklands und im Golfkrieg Bomben entschärft hat und unter Verfolgungswahn leidet.

Nichts gegen tortured heroes, wirklich nicht. Aber wenn die immer alle in mir bleiben würden nach dem Ende des Buches ... da muss man ja durchdrehen - kein Wunder, wenn man sich mit imaginary friends umgibt  Wink


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Beka
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Beitrag01.10.2011 18:56

von Beka
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Beka hat Folgendes geschrieben:
Solange es nicht passt - warum nicht.


Was schreibe ich da für einen Mist?
Soll natürlich "Solange es passt ..." heißen.


Zitat:
Nach dem bindungsscheuen Paar im ersten Buch, das ich von ihr las, kam die Frau mit der manischen Depression und der Kerl, dem es egal geworden war, ob er beim Bergsteigen draufgeht oder nicht. Und jetzt les ich das dritte, und da hat der Held Post Traumatic Stress Disorder, weil er auf den Falklands und im Golfkrieg Bomben entschärft hat und unter Verfolgungswahn leidet


Deshalb lese ich selten mehrere Bücher desselben Schriftstellers hintereinander. Das gibt so einen Übersättigungs-Effekt.
Die meisten Frauen, die ich kenne, haben Sympathien für den "totured hero", zumindest in Geschichten.
Strahlende Helden sind langweilig. Vielleicht ist es auch ein verstecktes Helfer-Syndrom Laughing .
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DasProjekt
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Beitrag01.10.2011 19:16

von DasProjekt
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Beka hat Folgendes geschrieben:

Strahlende Helden sind langweilig. Vielleicht ist es auch ein verstecktes Helfer-Syndrom Laughing .


Naja, kommt auf die Herangehensweise an. In "Emotional Geology" ist, wie gesagt, der Held nicht weniger am Ende als die Heldin. Aber man merkt das nicht. Er saäuft ein bisschen viel, aber hey, das sind die Hebriden, da gehört das, gerade für Kerle, dazu, dass sie dem Whisky ordentlich zusprechen (sein Schwager säuft auch wie ein Loch, aber der schleppt keine Last mit sich rum - der säuft, um sich zu wärmen  Wink ). Aber ansonsten hat man drei viertel des Buches lang nur das Gefühl, alles, was Calum will, ist, der manisch depressiven Rose aus ihrem Cocoon rauszuhelfen und von ihrem selbstauferlegten "living death" wieder ins Leben zurückzuholen. Erst am Ende wird klar - er tut das, weil er hofft, dass sie ihm dabei hilft, seine eigenen Dämonen zu besiegen. Drei Viertel lang ist er kein tortured hero, sondern einfach nur ein strahlender Kerl, der zu gut scheint, um wahr zu sein.

In "Untying the Knot" hat sich die Ehefrau des "tortured war hero" vom Helfersyndrom gelöst - nachdem er sie einmal zu oft in seinem Verfolgungswahn angegriffen hat. Bloß kommt sie nicht von ihm los ...

Die Geschichten, obwohl sie immer von Frauen Mitte 40 handeln und Liebesgeschichten sind, sind eigentlich sehr unterschiedlich aufgebaut und auch stilistisch verschieden. Also scheint das, was MRs Gillard propagiert als Arbeitsweise, zu funktionieren auch für verschiedene Ansätze. Im Schlussbild erscheinen die Stories jedesmal sehr fein durchgeplottet - gerade so, als habe sie sehr präzise geplant. Oder eben nicht - und deshalb funktionieren die überraschenden Wendungen so gut.
*seufz*


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Murmel
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Beitrag01.10.2011 21:01

von Murmel
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Merlinor hat Folgendes geschrieben:
Es ist das alte Leiden: Kaum haben sie einmal einen schlauen Gedanken, fühlen viele Menschen sich zum Lehrer berufen und meinen, dass auch alle ihre sonstigen Ideen und Denkweisen allein seligmachend wären und deshalb für den Rest der Menschheit verbindlich wären.


Sehr richtig.

Wer viele Bücher schreibt, braucht kein Plotfragebogen, an dem er sich heranhangeln muss, das hat der Autor genauso intus wie du das Fahrradfahren. Daher ist die Aussage: schreibe einfach drauf los mit der berühmten Prise Salz zu verwenden. Es macht ganz einfach einen eklatanten Unterschied ob Erstlingsautor sich an einem Roman macht, oder ein erfahrener, der inklusive seiner Fehlversuche schon auf fünf, sechs oder mehr Romane zurückblicken kann.

DasProjekt hat Folgendes geschrieben:
Ich habe selbst gerade die avisierte Mitte meines derzeitigen Manuskripts erreicht. Bis hierher habe ich vorgeplottet, habe in Kapiteln und teilweise sogar in Szenen ganz penibel vorgearbeitet. Aber absichtlich keinen Schritt weiter.
Denn jetzt kenne ich die Figuren viel besser, ich habe die Konflikte vor Augen und habe Figuren eingearbeitet, von denen ich jetzt ein sehr viel kalreres Bild habe, auf wessen Seite sie stehen. Zu Anfang des Schreibens hatte ich da nur ganz vage Vorstellungen, besonders von den Nebenfiguren her.
Jetzt sehe ich auch, was fehlt in der ersten Hälfte, was nicht zusammenpasst. Jetzt gehe ich rückwärts und gleichzeitig vorwärts - rubbele nochmal über den Plot der ersten Hälfte, während ich die zweite Hälfte plotte.

Das ist eigentlich ein normaler Ansatz. Eine gute Autorin sagte einmal, dass sie Motivation und inneren Konflikt erst im zweiten Entwurf glatt zieht, aber erst wenn sie mit dem ersten Entwurf fertig ist.

Wenn jemand drei Monate lang den Plot ausarbeitet und die Figuren auf zwanzig, vierzig Seiten ihre Geschichte erzählen lässt, nimmt er diese Kennenlernphase vorne weg. Ist dann so, als ob der Autor anfängt zu schreiben, und dann einfach die ersten fünf Kapitel löscht. Dann hat er sich eingeschrieben.

DasProjekt hat Folgendes geschrieben:
Charlotte Lyne, wie viele wissen, ist für mich das A und O. Viele, die ihre Bücher gelesen haben und nicht so wirklich beeindruckt sind, schieben dies auf ihre allzu verqueren Figuren, dass sie gerade den Kerlen viel zu großes Leid auf den Leib schneidert, dass sie den "tortured hero" allzusehr an die große Glocke hängt.
Ich sehe Lynes Figuren weniger in der Ecke tortured hero.

DasProjekt hat Folgendes geschrieben:
Linda Gillard hat mich 230 von 288 Seiten lang völlig im Unklaren darüber gelassen, dass der Hero ein völlig durchgekauter, völlig zerstörter Mann ist. Und ich frag mich gerade, ob das daran lag, dass sie ihn nicht schon von vornherein soooo genau kannte. Sondern dass sie die Geschichte der weiblichen Protagonistin ganz genau im Auge hatte, und den Kerl in der Geschichte so kennenlernte, wie die Protagonistin und der Leser auch: Stück für Stück. Niemals mehr, als er auf der jeweiligen Seite preisgeben wollte. Dass sie ihn einfach nicht kannte. Weil sie so arbeitet, wie sie es tut.

Ich halte das für einen Trugschluss. Die Motivation muss von Anfang an stimmen, sie bestimmt, warum die Figur so und nicht anders handelt, egal, ob der Leser die Backstory kennt oder nicht. Ich brauche die wahre Geschichte, die den Helden handeln lässt, wie er eben handelt, auch gar nicht erzählen. Auch vergisst du bei deiner Analyse, dass du ein fertiges Produkt liest, keinen Entwurf. Gerade pantsers müssen im Nachhinein viel korrigieren, während plotter die Arbeit im Vorneherein leisten.

Es muss jeder seine beste Arbeitsweise selbst erfahren, am besten einfach beides ausprobieren, das einfach drauf losschreiben und das genau vorherplotten - und ich wette, bei den meisten liegt die Wahrheit in der Mitte.


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Beitrag01.10.2011 22:00

von Merlinor
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Hm ...

Vermutlich habe ich mich in meinem ersten Beitrag missverständlich ausgedrückt, tut mir leid.

Ich habe absolut keine Einwände gegen die Art und Weise, wie Linda Gillard ihre Geschichten entwickelt und verfasst.
Natürlich kann man eine Geschichte ohne fertig ausgearbeiteten Plot schreiben und viele erfolgreiche Autoren machen das genau so.
Ich habe auch nichts dagegen, wenn Linda Gillard darüber schreibt und für diese Methode wirbt.
Solange sie das als ihren persönlichen Königsweg kennzeichnet.

Ich bin allerdings ganz und gar nicht einverstanden, wenn sie das in einem Artikel tut, in dem sie sich diesbezüglich auf angebliche Ähnlichkeiten in der Darstellung eines Wissenschaftlers über dessen Arbeitsweise beruft.
Da hat sie zum Einen nicht verstanden, wie Wissenschaft funktioniert und sich vor allen Dingen die Behauptung angemaßt, hier gäbe es irgendeine Allgemeingültigkeit.

So etwas ist schlicht unseriös, allerdings auch sehr anglo-amerikanisch: Typische Ratgebersprache halt ...

LG Merlinor


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raffis
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Beitrag19.03.2012 14:16
"Ungeplantes Schreiben"
von raffis
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Ohne die ganzen Antworten gelesen zu haben: Ich bin ein ziemlicher Fan solches "ungeplanten Schreibens". Für mein aktuelles Buch habe ich zwar einen grundlegenden Plot, ich kenne die Stationen, die letzterer durchlaufen muss, um sich selbst realisieren zu können, die Zwischenräume zwischen den Stationen sind aber ziemlich offen und lassen mir damit grosse Freiheit und Flexibilität.
Ich kenne durchaus auch Details der Story, die ich an bestimmten Stellen einbringe, dort, wo sie passend sind, aber ich habe mir nicht schon von Anfang an in den Kopf gesetzt, dass diese Szene genau dort, und jene Szene auf diese Szene folgen sollte. Ich habe also quai eine "Rumpelkammer" mit Ideen, Gedanken, Begegnungen und greife während dem Schreiben auf sie zurück; ohne aber den eigentlichen Weg, den der Plot nimmt und den ich bereits festgelegt habe, zu verlassen. Und immer mit der Möglichkeit (die auch schon mehrere Male Tatsache geworden ist), neue Elemente einzubringen, die ich nicht in meiner Ideentruhe gelagert hatte.
Mit dieser Methode kann ich für mich sicherstellen, dass die Story den Weg nimmt, den sie nehmen soll, dass sie die Stationen passiert, die ich als notwendig erachte, dass sie aber gleichzeitig auch von einer Spontaneität getrieben wird, die sich nachher beim Lesen und beim Leser bemerkbar macht. Charakter X wird plötzlich zur Nebenfigur, Y erhält auf einmal eine enorme Wichtigkeit, ganze Kapitel spielen sich plötzlich nur noch an einem Orte ab - ich liebe es, mit verschiedenen Ansätzen zu spielen und versuche nichtsdestotrotz, einer Linie treu zu bleiben.

Insofern kann ich die Aussage, dass das Ziel zwar bekannt, der Weg dorthin aber offen sein soll, unterstreichen. Allerdings nur insofern, dass einige Stationen auf dem Weg gesetzt sind wink

Gruss raffis


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Gefion
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Beiträge: 7



Beitrag21.03.2012 13:44

von Gefion
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Ich würde raffis Aussage auch unterschreiben. Mir ist nur beim Lesen deiner Antwort eine Frage eingefallen. Vielleicht wäre auch besser gleich einen neuen Thread dafür aufzumachen. Hm...

Grundsätzlich bin ich auch dafür, den Weg zum Ziel ein wenig offen zu halten, denn immerhin passiert es oft (mir zumindest), dass ich plötzlich aus dem Blauen heraus neue Ideen bekommen, durch z.B. Dialoge, die sich in meinem Umfeld 'ereignet' haben, oder aber Gegebenheiten, vielleicht soga rauch Musikvideos, o.ä. Plötzlich ist die neue Idee eben einfach da und sie passt auch gut. Dann habe ich eine Änderung in der Szene, wie sie eigentlich gedacht war. Nur (und somit zu meiner Frage) Wenn du Ideen sammelst, wie machst du das? Eine lose Blattsammlung, ein Extraheft mit Ideen, mit einenm Ordner auf dem PC? Ich habe das Problem, dass ich manchmal so viele Ideen habe, dass ich nicht mehr weiß, wohin damit und sie im Bedarfsfall auch nicht wieder finde. Das sorgt dann für Chaos. Nicht nur um Kopf, sondern im Zweifelsfall auch auf dem Blatt. Vielleicht würde hier auch ein "Wissenschaftler" helfen,*lach* der durch geübten Blick alles wieder zusammenfindet. -.-

Ich denke, was ich damit sagen möchte ist: Zu VIEL Offenheit kann auch zum Chaos führen, wenn man nicht einen festen Plot im Voraus hat, an dem man sich festhalten kann/muss.
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raffis
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Beitrag27.03.2012 12:45
Ideen
von raffis
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Du hast natürlich schon Recht - zu wenig Struktur kann einen dazu verleiten, chaotisch zu werden, was eine geordnete und logische Storyline anbelangt.
Ich für meinen Teil versuche, am grundlegenden Plot festzuhalten, es sei denn, eine plötzliche Idee erscheint dermassen revolutionär und passend, dass ich sie einbringe und ihr zugunsten die Story anpasse.
Wo ich meine Ideen lagere? Eigentlich nur im Kopfe. Zwei, drei Mal darüber gehirnt, und die Idee bleibt gespeichert.

Gruss raffis


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