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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert wohin sich fledermäuse zum sterben verkriechen


 
 
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag02.01.2012 00:31
wohin sich fledermäuse zum sterben verkriechen
von Enfant Terrible
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

meidest du immer noch das dunkel
auf dem heimweg
der steinerne pfad zur haustür
hüpfst du ihn immer noch entlang als wäre
jede platte eine wasserlilie über dem nachtsee
die versinken könnte
frieren deine hände an den metallstäben
wenn du sie zählst wie deine rippen
die sich stabilität geliehen für die stunden
in denen du alleine wandelst

faltet sich dein mantel von alleine
über die stuhllehne oder noch eher im wandschrank
gleich einer fledermaus
die sich zum sterben verkriecht
fallen von deinen hüllen die stacheln
wie welke blätter eines horrorfilmbaums
oder explodieren sie wie
der kopf einer todgeweihten pusteblume
ohne jemals die zu treffen die

wenn du dich unter dem wink
einer rachsüchtigen fee gegen mitternacht
in ein an die wand gepresstes ohr verwandelst
gedenkst du der ungestümen nächte
wo die gläser splitterten
unter unserem zum unwohl
rumort der trank noch in dir
und lässt dich schwarz zahnen



_________________
"...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP

Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo
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Julian
Eselsohr

Alter: 31
Beiträge: 300



Beitrag02.01.2012 02:11
Re: wohin sich fledermäuse zum sterben verkriechen
von Julian
Antworten mit Zitat

Hallo ET, smile

habe dein Gedicht nun schon zig Mal gelesen, kann den Inhalt aber nur sehr schwer überblicken. Es ist eben ein eigener, bildgewaltiger Stil, den du verwendest und der dazu führt, dass ich mich gerne mit deinem Gedicht beschäftigt habe - aber auch ein bisschen ratlos bin.

Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben:
meidest du immer noch das dunkel
auf dem heimweg
der steinerne pfad zur haustür
hüpfst du ihn immer noch entlang als wäre
jede platte eine wasserlilie über dem nachtsee
die versinken könnte


Ein schönes Bild, das du in diesen Zeilen erzeugst, das aber aus inhaltlicher Sicht falsch ist. Dadurch, dass du sagst, die betreffende Person würde hüpfen, um Vorsicht walten zu lassen, implizierst du, dass dies die Lilie nicht sinken lassen würde - was aber nicht stimmt. Oder ist das gewollt?

Zitat:
frieren deine hände an den metallstäben
wenn du sie zählst wie deine rippen
die
sich stabilität geliehen für die stunden
in denen du alleine wandelst


Ich weiß nicht, von welchen Metallstäben du an dieser Stelle sprichst. Das scheint mir sehr allgemein formuliert. Meinst du das Gerüst, das an einer Treppe befestigt ist? Und wer leiht sich denn Stabilität? Der markierte Bereich erschließt sich mir nicht. Für mich sagst du in diesem Bereich, dass sich die Metallstäbe / Rippen Stabilität geliehen haben, wo sie doch eigentlich Stabilität gewährleisten.

Zitat:
faltet sich dein mantel von alleine
über die stuhllehne oder noch eher im wandschrank
gleich einer fledermaus
die sich zum sterben verkriecht


Ich habe gerade ergoogeln wollen, ob der Sterbeprozess der Fledermaus eine Besonderheit beinhaltet, aber nichts gefunden. Da dies auch der Titel deines Gedichtes ist, muss ich natürlich annehmen, dass es etwas damit auf sich hat. Zusammenhangslos betrachtet scheint mir dies eher ein willkürlicher Vergleich zu sein, ist es aber anscheinend nicht.

Zitat:
fallen von deinen hüllen die stacheln
wie welke blätter eines horrorfilmbaums
oder explodieren sie wie
der kopf einer todgeweihten pusteblume
ohne jemals die zu treffen die (?)


(?) Fehlt da etwas? Eine Überleitung auf die nächste Strophe kann ich nämlich nicht erkennen.

Zitat:
wenn du dich unter dem wink
einer rachsüchtigen fee gegen mitternacht
in ein an die wand gepresstes ohr verwandelst
gedenkst du der ungestümen nächte
wo die gläser splitterten
unter unserem zum unwohl
rumort der trank noch in dir
und lässt dich schwarz zahnen


Die Verwandlung in ein an die Wand gepresstes Ohr ist für mich insofern unpassend, als dass es keiner Verwandlung bedarf, da das Ohr bereits einen Teil des menschlichen Körpers ausmacht. Geht es dabei eher darum zu betonen, wie aufmerksam die Person zuhört? Bei splitternden Gläsern und einem aufmerksamen Gehör muss ich an einen Streit denken, vermutlich ein Streit zwischen den Eltern und das LI ist die Mutter oder der Vater. Auch die weiteren Zeilen sind für mich ein Hinweis darauf. Ich kann dies aber nicht mit den anderen Strophen in Verbindung bringen.

Ich hoffe, dass ich nicht schlicht blind bin und die tiefere Bedeutung direkt vor der Nase liegt, aber ich habe getan, was ich konnte. lol2

Gruß,

Julian smile
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag06.01.2012 01:50

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Julian, entschuldige, dass ich dich so lange auf eine Antwort habe warten lassen. Manchmal habe ich Phasen, in denen ich nicht die nötige Konzentration aufbringe, mich fundiert mit Textarbeit zu befassen, und bevor ich einen Kommentar, in dem offensichtlich viel Mühe steckt, halbherzig abtue, warte ich lieber, bis ich die Zeit usw dazu finde, ausführlich und angemessen darauf einzugehen.

Zitat:
Ein schönes Bild, das du in diesen Zeilen erzeugst, das aber aus inhaltlicher Sicht falsch ist. Dadurch, dass du sagst, die betreffende Person würde hüpfen, um Vorsicht walten zu lassen, implizierst du, dass dies die Lilie nicht sinken lassen würde - was aber nicht stimmt. Oder ist das gewollt?

Mit dieser Strophe habe ich auch sehr gerungen und es is mir nicht zur Gänze gelungen, das auszudrücken, was ich sagen wollte: Das LI hüpft auf den Steinen des Heimwegs, wie man auf Steinen über einen Strom hüpfen würde. Diese werden zu Lilien, etwas Filigranem, Nachgiebigem, stellen aber gleichzeitig den einzigen Halt fürs LI dar, obwohl sie ihn/sie genauso runterziehen könnten... diese Balance wollte ich irgendwie in Worte fassen.

Zitat:
Ich weiß nicht, von welchen Metallstäben du an dieser Stelle sprichst. Das scheint mir sehr allgemein formuliert. Meinst du das Gerüst, das an einer Treppe befestigt ist? Und wer leiht sich denn Stabilität? Der markierte Bereich erschließt sich mir nicht. Für mich sagst du in diesem Bereich, dass sich die Metallstäbe / Rippen Stabilität geliehen haben, wo sie doch eigentlich Stabilität gewährleisten.

Dieser Widerspruch war gewollt. Das LI sucht sich quasi außerhalb seines Körpers Halt, der dann aber wiederum zum Teil des eigenen Selbst projiziert wird - daher "Stabilität leihen". Die Metallstäbe können alles Mögliche sein.

Zitat:
Ich habe gerade ergoogeln wollen, ob der Sterbeprozess der Fledermaus eine Besonderheit beinhaltet, aber nichts gefunden. Da dies auch der Titel deines Gedichtes ist, muss ich natürlich annehmen, dass es etwas damit auf sich hat. Zusammenhangslos betrachtet scheint mir dies eher ein willkürlicher Vergleich zu sein, ist es aber anscheinend nicht.

War er aber... Verstecken

Zitat:
(?) Fehlt da etwas? Eine Überleitung auf die nächste Strophe kann ich nämlich nicht erkennen.

Das ist ebenfalls Absicht, es soll offen gelassen werden. Vllt, weil das LI an dieser Stelle (was ihm/ihr angetan wurde) eine Erinnerungslücke hat, vllt, weil er/sie sich daran gar nicht erinnern WILL?

Zitat:
Die Verwandlung in ein an die Wand gepresstes Ohr ist für mich insofern unpassend, als dass es keiner Verwandlung bedarf, da das Ohr bereits einen Teil des menschlichen Körpers ausmacht. Geht es dabei eher darum zu betonen, wie aufmerksam die Person zuhört? Bei splitternden Gläsern und einem aufmerksamen Gehör muss ich an einen Streit denken, vermutlich ein Streit zwischen den Eltern und das LI ist die Mutter oder der Vater. Auch die weiteren Zeilen sind für mich ein Hinweis darauf. Ich kann dies aber nicht mit den anderen Strophen in Verbindung bringen.

Mir ging es darum, zu zeigen, dass das LI auf dieses Organ reduziert wird, also nichts mehr weiter tun kann als passiv zuhören, wie - durch eine Wand getrennt - da draußen an ihm das Leben vorbeilärmt. Seine eigenen lebendigen Jahre sind vorbei, zurück bleibt nur Nostalgie.

Nochmals an dieser Stelle vielen Dank, dass du dich so mit dem Gedicht beschäftigt hast und ich hoffe, meine Anmerkungen/Ergänzungen bringen dich ein bisschen weiter. smile


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Julian
Eselsohr

Alter: 31
Beiträge: 300



Beitrag06.01.2012 19:22

von Julian
Antworten mit Zitat

Hallo ET,

Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben:
Hallo Julian, entschuldige, dass ich dich so lange auf eine Antwort habe warten lassen. Manchmal habe ich Phasen, in denen ich nicht die nötige Konzentration aufbringe, mich fundiert mit Textarbeit zu befassen, und bevor ich einen Kommentar, in dem offensichtlich viel Mühe steckt, halbherzig abtue, warte ich lieber, bis ich die Zeit usw dazu finde, ausführlich und angemessen darauf einzugehen.


Das kann ich verstehen. smile

Das Schöne an deinem Gedicht ist, dass es durch seine Bilder einen sehr großen Raum zur Interpretation lässt, auch wenn mir einige Zeilen vor deiner Erläuterung nicht deutlich waren. Im Großen und Ganzen hat es aber Spaß gemacht, es ist ein schönes Gedicht, dem es aber an einem 'gesunden Maß' an Offenheit mangelt. Hattest du denn überhaupt vor, auf etwas Bestimmtes aufmerksam zu machen oder sollten die Strophen eher einzelne Abschnitte eines Gemüts ausdrücken? Ich vermute eher, dass es dir um eine Ansammlung verschiedener Eindrücke gehen sollte, da die abstrakte Symbolik das Lesen und damit das Erschließen einer Intention erschwert, sich aber sehr gut unter dem vermuteten Gesichtspunkt der absichtlichen verzerrten Darstellung der Situation durch das lyrische Ich darstellt. (nicht verzerrt im Sinne von üblicher Verdichtung)

Zitat:
Mit dieser Strophe habe ich auch sehr gerungen und es is mir nicht zur Gänze gelungen, das auszudrücken, was ich sagen wollte: Das LI hüpft auf den Steinen des Heimwegs, wie man auf Steinen über einen Strom hüpfen würde. Diese werden zu Lilien, etwas Filigranem, Nachgiebigem, stellen aber gleichzeitig den einzigen Halt fürs LI dar, obwohl sie ihn/sie genauso runterziehen könnten... diese Balance wollte ich irgendwie in Worte fassen.


Sehr, sehr schwer zu verstehen, aber wie gesagt: eine schöne Strophe.

Zitat:
Dieser Widerspruch war gewollt. Das LI sucht sich quasi außerhalb seines Körpers Halt, der dann aber wiederum zum Teil des eigenen Selbst projiziert wird - daher "Stabilität leihen". Die Metallstäbe können alles Mögliche sein.


Siehe oben.

Zitat:
War er aber... Verstecken


Sehr bedenklich, will ich meinen. Du versteckst hinter einzelnen Worten sehr viel Bedeutung, aber ausgerechnet dieser Vergleich, der auch der Titel deines Gedichtes ist, ist eher willkürlicher Natur? Da hätte mir eine durchgängige Linie deinerseits besser gefallen, da du das gesamte Gedicht, das im Allgemeinen schon ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Geduld erfordert, dadurch ins Wanken bringst.

Zitat:
Das ist ebenfalls Absicht, es soll offen gelassen werden. Vllt, weil das LI an dieser Stelle (was ihm/ihr angetan wurde) eine Erinnerungslücke hat, vllt, weil er/sie sich daran gar nicht erinnern WILL?


Das ist eine gute Idee, ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass du dort unsauber gearbeitet hast, aber es ist natürlich die pure Verwirrung.

Zitat:
Mir ging es darum, zu zeigen, dass das LI auf dieses Organ reduziert wird, also nichts mehr weiter tun kann als passiv zuhören, wie - durch eine Wand getrennt - da draußen an ihm das Leben vorbeilärmt. Seine eigenen lebendigen Jahre sind vorbei, zurück bleibt nur Nostalgie.


Ich weiß nicht, ob ich den Teil mit dem Halt, den sich das lyrische Ich sucht, verstanden habe, aber auf den ersten Blick ist es für mich ein Widerspruch, dass das lyrische Ich auf der einen Seite außen nach Halt sucht und auf der anderen Seite die personifizierte Passivität darstellt. Auch wenn das LI 'da draußen' nur sich selbst findet, so agiert es doch auf eine bestimmte Art und Weise, zeigt Willen, sich seiner Situation zu entreißen und ist dadurch nicht passiv, sondern aktiv.

Ein Geistesblitz, der gerade eingeschlagen ist. (lol2 )
Die Person, die dort spricht, ist also nicht eine außenstehende Person, sondern das lyrische Ich selbst, das sich nur von außen betrachtet? (hatte ich bis jetzt gar nicht auf dem Schirm)

Zitat:
Nochmals an dieser Stelle vielen Dank, dass du dich so mit dem Gedicht beschäftigt hast und ich hoffe, meine Anmerkungen/Ergänzungen bringen dich ein bisschen weiter. smile


Ein fortwährender Austausch darüber würde mich freuen, da steckt sicherlich noch einiges drin. smile

Gruß,

Julian
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MagicMushroomTea
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 34
Beiträge: 525
Wohnort: München


Beitrag06.01.2012 19:25

von MagicMushroomTea
Antworten mit Zitat

Von Lyrik hab ich leider keine Ahnung - aber liebe Enfant Terrible:
Den Titel finde ich wirklich sehr gut.
Spricht mich irgendwie an. smile


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The story of life is 'Hello' and 'Goodbye' until we meet again."­
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Mr. Curiosity
Exposéadler

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Beiträge: 2545
Wohnort: Köln
Der goldene Käfig


Beitrag15.01.2012 13:55

von Mr. Curiosity
Antworten mit Zitat

Hi!

z.T. finde ich das gut. Allerdings zerfasert es wie so oft sehr stark.
Im einzelnen:

Zitat:
meidest du immer noch das dunkel
auf dem heimweg
der steinerne pfad zur haustür
hüpfst du ihn immer noch entlang als wäre
jede platte eine wasserlilie über dem nachtsee
die versinken könnte
frieren deine hände an den metallstäben
wenn du sie zählst wie deine rippen
die sich stabilität geliehen für die stunden
in denen du alleine wandelst


Hier sehe ich jemanden, der sich an seine Kindheit erinnert. Zumindest bringt mich das "Hüpfen" über die Steine auf die Idee und diese abstrakte Angst, das Gefühl, er könnte jederzeit verschwinden. Wie instabil die Welt ihm erscheint, zeigt sich ja vor allem in dem Kontrast zwischen "Platten" und "Lilien". Auch diese Gegenüberstellung von "Rippen" und "Geländer" erzeugen eine verwischte Atmosphäre. Wo ist die Grenze zwischen Person und Welt? Das Zählen der Rippen ist ein Versuch, sich an die eigene Lebendigkeit zu erinnern und somit der Auflösung des Ich entgegenzuwirken.
Bis hierhin finde ich es gut.

Zitat:

faltet sich dein mantel von alleine
über die stuhllehne oder noch eher im wandschrank
gleich einer fledermaus
die sich zum sterben verkriecht


Weiter im Ich-Verlust. Der Mann wird von dem Mantel, stellvertretend für die Arbeitswelt, wie von einem Parasiten befallen, der ein Eigenleben führt. Er hat sich für ein geradliniges Leben entschieden (sehe hier so einen Bürotypen vor mir, der als einer von vielen in einer Firma untergeht, und sehr unglücklich ist), das ihn aufzehrt. Dass sich allerdings die Fledermaus zum Sterben verkriecht will mir hier nicht einleuchten. Wenn ich daran denke, dass jemand einen Mantel wie eine Fledermaus trägt, die ja auch als Blutsauger bekannt ist, habe zumindest ich den Eindruck, dass sie viel mächtiger ist.

Zitat:
fallen von deinen hüllen die stacheln
wie welke blätter eines horrorfilmbaums
oder explodieren sie wie
der kopf einer todgeweihten pusteblume
ohne jemals die zu treffen die


Die Stacheln als Selbstschutzmechanismus. Der Typ verkriecht sich hinter einer boshaften Hülle, versucht sich unverwundbar zu machen, indem er andere verletzend von sich abweist. Wenn er Zuhause ist, fällt diese Hülle von ihm ab, entweder langsam im Laufe der Stunden oder ganz schlagartig, wenn ihn die Depressionen sofort befallen.
Die Vergleiche finde ich hier sehr gewollt. Sie passen erstens nicht rein, zweitens machen sie das Gesamtbild kaputt. Da ist ein Typ mit Stacheln (im übrigen schon ein recht verbrauchtes Bild), der als Mantel eine Fledermaus trägt und er wird anschließend noch mit einem "horrorfilmbaum" und einer "pusteblume" verglichen. Das sind zuviele uneinheitliche Elemente auf zu kleinem Raum.

Zitat:
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Die "rachsüchtige fee" kann ich nicht einordnen. Das "an die wand gepresste ohr" funktioniert, zwar bei mir nicht sofort, aber dann doch. Er geht eben so in dem "Lauschen" auf, dass er alle anderen Sinne gar nicht mehr wahrnimmt. Hier die Assoziation mit seiner Kindheit. Ich persönlich habe da trinkende Eltern vor Augen, Familienkrieg oder dergleichen, zumindest die Ursache für seinen seelischen Zustand. Der "trank" wird wohl die Angst sein, die ihm ohne seinen Willen "eingeflößt" wurde. Das macht die psychische Gewalt deutlich.

_____

Während mir das inhaltlich gut gefällt und du am Anfang und am Ende gute Bilder findest, haut mich der Mittelteil raus. Sicherlich hast du dir an den Stellen was gedacht, aber was es auch sein mag, bei mir zumindest kam es nicht an.
Vielleicht überarbeitest du das nochmal (?) Also vorausgesetzt, ich erzähle keinen totalen Stuss und sehe da einfach etwas nicht. Es kann denke ich noch richtig gut werden.

LG David


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"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."

(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris")
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Fao
wie Vendetta

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Beiträge: 1994



Beitrag16.01.2012 01:20

von Fao
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Ich sag jetzt noch nichts zum Gedicht, aber ich sage,
dass das ein ganz wundertollergraziöselegantermisterösumspannter Titel ist, den du da hirngespinnert hast! Nominiert. (oder ist schon?)

Gruß
Fao


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Begrüßt gerechte Kritik. Ihr erkennt sie leicht. Sie bestätigt euch in einem Zweifel, der an euch nagt. Von Kritik, die euer Gewissen nicht anerkennt, lasst euch nicht rühren.
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Hallogallo
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Alter: 61
Beiträge: 644
Wohnort: Auenland


Beitrag01.08.2012 12:44

von Hallogallo
Antworten mit Zitat

Du schreibst so völlig anders als ich, so voluminös, fast barock und auch expressionistisch.
Gefällt mit trotzdem unheimlich gut der Text.
Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen.
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Enfant Terrible
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Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag01.08.2012 22:44

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hui, danke fürs Lob! "barock" und vor allem "expressionistisch" trifft es wohl, ja.
Und diese geniale Umschreibung
Hallogallo hat Folgendes geschrieben:
Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen.

nehme ich mir in die Sig smile extra


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