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Die Aufgabe


 
 
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Gast







Beitrag16.11.2011 14:12

von Gast
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Im Telegrammton.

Ich mag solche Texte sehr, für mich gehört das nicht in den Trash. Kann aber da gerne auch bleiben, denn ein schlimmer Ort ist dies nicht. wink

Das Rätselhafte, das Schwebende - die Sprache spiegelt das gut wieder. Regelbrüche dürfen immer sein, aber müssen funktionieren. In Foren werden Eigenwilligkeiten oft als Fehler gesehen, dass ist einerseits so, anderseits haben Leser trotzdem meistens Recht.
Schwierig.

Mit des Rätselslösung im Gepäck ist alles klar - aber beim ersten Lesen war nichts klar und ich kann dir nicht sagen, wie und ob ich drauf gekommen wäre, wenn mir nicht jemand gesagt hätte, dass es Wolle ist und kein Schnee.

Von daher - ist alles Folgende unter Vorbehalt.

kräftiger Windstoß - stopp. Das ist ein Mutzel. Ich denke hier an etwas wesentlich schwereres, bin damit pot. auf der falschen Fährte.

Pili sagt mir gar nichts, das ist kein Halt nur ein schönes Wort. (Ich google vielleicht für Forentexte, nicht aber grundsätzlich. Text muss alleine stehen können)

Scherer - da war ich beim Schnitter, dann plötzlich der Schäfer - dann noch Lukas. Kein sehr schafiger Name.

lande auf einem Autodach. Unglaublicher Lärm umgibt mich.

Wo kommt der Lärm her? Ich dachte, die Alarmanlage geht an. (Wo wir wieder bei etwas schwerem sind) Der Wechsel: Idylle - Stadt wird nicht deutlich.

Es gibt einen Ruck, es knallt, erneut ein Ruck,

Was knallt? Hä?

rennen - an sich, ist die Idee der Wiederholung gut, nur dass 'rennen' nicht der präzise Begriff ist, den es braucht. Rennen tue ich in der Schule, wenn mich der Sportlehrer zwingt. Oder zum Bus.
Was du willst, die Unruhe der Menschen. Das ist einer ein Hetzen. Voran eilen. 'rennen' trifft nicht den Punkt.

Und: übertreibe es nicht, mit der Wiederholung:
Frau sitzt auf einer Bank und schaut den Rennenden hinterher. Hier ist's dann zu viel.

Ich beginne, strenge mich an und es gelingt.

Ja, was beginnt? Ich bin beim Fallen - nicht beim Spinnen.
Mir war auch nicht klar, dass die alte Frau vorher KEINE Mütze, Schal hatte.

Auf ihrer linken Schulter fange ich an. Ich komme gut voran und kurze Zeit später nutze ich den Wind und fliege davon.

Was fängt er an? Das Kleid kann auch ein Schneekleid sein. Oder etwas anders. Es fehlt das spinnen. (Schnee 'wärmt' ja auch, also du verstehst schon)

Treibt mich über eine stumme, unter einer weißen Decke, erstarrte Welt.

Decke? Das stimmt für mich nicht, denn es dürfte eher eine verpackte Welt sein, aus der die einzelnen, versponnenen Dinge herausragen. Die Welt, die Mutzel hier sieht, die muss präziser. Alles stumm und weiß = Weihnachtslied = falsche Spur.

Irgendwo in all dem muss ein Müh mehr Führung rein - ich bin jetzt nun nicht gerade die Fachfrau für allgemeinverständliche Texte ^^
Aber bisschen einfacher musst du es dem Leser machen. Nicht in jedem Punkt wohlgemerkt - aber an ein/zwei. Damit er auf die richtige Spur kommt, sonst bleibt es zu diffus und Leser lassen sich fordern, aber nur ungern überfordern.
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adelbo
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1830
Wohnort: Im heiligen Hafen


Beitrag16.11.2011 17:32

von adelbo
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Hallo Debruma,
vielen Dank für deinen Kommentar mit den Hinweisen. Ich habe einfach als Antwort eine neue Version eingestellt. Sehr viel habe ich nicht geändert, deshalb würde mich interessieren, ob das zum besseren Verständnis genügt. Und vor allem, ob ich jetzt nicht der Geschichte etwas weg genommen habe.


Kurz bevor  ich  mit den anderen  gekräuselten Wollhärchen  in der  schwarzen Öffnung verschwinden kann,  erfasst mich  ein  Windstoß,  wirbelt  mich in die Höhe,  über den grauen  Kopf des Schafscherers hinweg,  ein Stück weit über den Damm, den ich so gut kenne und lässt mich hinter dem Zaun wieder los.  Ich lande auf der saftigen Wiese,  zu der  Lukas oft sehnsuchtsvoll hinüber gestarrt  hatte.
Neugierig schaue ich  mich  um.  Es ist vertraut und doch anders.  Was nun, Pili lanei, frage ich mich.
Was wird aus unserer  Aufgabe?  Unserer Aufgabe, die der Schäfer,  an vielen Tagen, Lukas ausführlich  erklärt hatte.  Kann ich sie alleine erfüllen?  Hatte ich aufmerksam genug zu gehört?     
Der Wind lässt mir keine Zeit zum Grübeln, er hebt mich auf und trägt mich fort.  Bald ist kein Damm mehr zu sehen, das Grün unter mir verschwindet.  Ich fliege über grauen Asphalt, pralle gegen einen Laternenpfahl, taumele und lande auf einem Autodach.  Der Lärm von unzähligen Autos,  von quietschenden Straßenbahnen und  lautes Stimmengewirr umgibt mich.
Das Dach ist kalt und glatt. Ich überlege.  Friert ein Auto?  
Es gibt einen Ruck,  es kracht Blech auf Blech, erneut ein Ruck, das Auto fährt los. Wildes Gehupe,  ich rutsche.  Der Wind fängt mich auf,  trägt mich über Köpfe,  Hüte,  Mützen.
Warum laufen die Menschen so schnell, frage ich mich. Sie halten ihre Taschen und Tüten umklammert und rennen. Vielleicht haben sie Angst, dass man sie ihnen wegnimmt, die Taschen und Tüten.   Ganz selten sehe ich Menschen  mit Menschen  reden.  Sie stürmen  in  die Geschäfte, wirbeln  zwischen Regalen und Kleiderständern, um dann  erneut los zu rennen.  Einige schreien, während sie rennen,  in ihre Handys oder ihre Kinder an, die an ihren Armen zerren.  
Eine alte Frau  sitzt auf einer Bank, und schaut  den Vorbeieilenden  hinterher. Einmal rechts, einmal links, so,  als wolle sie sich keinen von ihnen entgehen lassen.  
Sie friert, denke  ich und  lasse mich auf ihre grauen  Haare fallen.  Mein erstes Mal.  Ich überlege.   Es  will mir das Ende nicht in den Sinn kommen.  Ich  beginne zu spinnen,  strenge mich an und es gelingt.
Nur kurze Zeit später, ich schaue  stolz zurück und sehe die alte Frau, mit der wollenen  Mütze über den Ohren, das  Kinn tief in den weißen  Schal gedrückt,  wie sie langsam zur Seite sinkt.
Der Wind trägt mich weiter.  Die Läden mit den bunten Auslagen  werden weniger,  die Häuser werden kleiner, sie sind grau, dunkel. Die Straßen verengen sich  geheimnisvoll.  Die Menschen laufen langsamer, sehen sich um,  verschwinden in Hauseingängen.  Am Ende einer Straße geht eine junge Frau mit feuerroten Haaren auf und ab, auf und ab.  Wunderschön sieht sie aus.  Sie trägt eine grüne Korsage und goldene, sehr hohe Schuhe, die ihre Beine noch länger erscheinen lassen.
Es ist zu kalt,  überlege ich.   Auf ihrer linken Schulter fange ich an.  Ich komme gut voran und kurze Zeit später  nutze ich den Wind und fliege davon. Lange schaue ich zurück, bis die schöne Statue, in ihrem langen weißen Kleid aus meinem Blick verschwindet.  
Auf einem Fußballplatz komme ich  ins Schwitzen.  Es bläst ein  frischer  Wind und sie tragen,  fast  alle,  kurze Hosen.  Ich freue mich, denn ich  bin nun sicher.  Ich beherrsche meine Aufgabe.
Der Wind ist zuverlässig,  er trägt mich stetig  voran.  Das ist gut, denn ich habe viel zu tun. Vielen Bettlern, die auf Knien ihre Hüte hinhalten und den Vorbeirennenden hinter herrufen,  gebe ich Schutz gegen die Kälte.  
In einer Stadt nach der anderen erfülle ich meine Aufgabe.  Sie macht mir Spaß.  Ich vermisse  nichts und niemanden.     
Gerade blicke ich zufrieden auf einen schlafenden, jungen Mann, dem man wohl, während er schlief, die Kleidung gestohlen hatte und der nun warm eingemummelt,  selig vor sich hin träumt,  da   erfasst mich eine starke  Böe von vorne und  treibt  mich mit rasenden Geschwindigkeit meinen  Weg zurück.  
Treibt  mich  über eine stumme,  unter einer weißen Decke,  einer dicht gesponnenen Hülle,  erstarrten  Welt.   
Die Straßen sind weiß überzogen, weiß  umhüllt  die Häuser,  die Bäume,  die Laternen,   die Autos  und  die Menschen.   Kein Strauch, kein Zweig, kein Blatt blieb verschont.  Alles  liegt,  wie in eine milchige  Schutzfolie eingeschweißt,   unter mir.
 Kein Lärm, kein Gestank, niemand  mehr, der rennt.    
Ich bin entsetzt.  Bin ich schuld?   Was habe ich falsch gemacht, übersehen?
Es kann nur das Ende der Aufgabe gewesen sein.
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Belzustra
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 37
Beiträge: 344
Wohnort: Belgien


Beitrag17.11.2011 01:18

von Belzustra
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Lieber/s Inko,

Zitat:
ich möchte nun einmal kurz auf deinen Kommentar eingehen. Er kam für mich in dieser Form nicht überraschend, weil ich wußte, dass ich gegen Regeln verstossen habe und das hier im Forum nicht unbemerkt bleiben würde.
Aber muss ich immer Regeln gerecht schreiben. Muss deshalb ein Text sofort grundsaniert werden, weil Wortwiederholungen darin sind und nicht alles auf einem Tablett serviert wird. Mein Ziel ist es, keinen Text von der Stange zu schreiben, was ich leider scheinbar immer wieder tue.
Ich persönlich lese sehr gerne Kurzgeschichten, in denen mir nicht alles direkt serviert wird. Wobei ich es nicht mag, wenn ich raten muss und überhaupt keinen Zusammenhang erkennen kann. Sad

Ich bezweifel, dass irgendjemand hier "einen Text von der Stange" produzieren möchte. Wir wollen alle besonders schreiben und unsere eigenen Regeln aufstellen. Das heißt aber nicht, dass wir die bestehenden Regeln missachten sollten. Ich bin der Meinung, dass eine gesunde Mischung aus Regelwerk und kreativer Neuumsetzung die Lösung ist. Wie man das macht, habe ich noch nicht herausgefunden. Leider   cry
Allerdings ist das Besondere an deiner Geschichte doch das Thema und die Perspektive. Warum muss also auch der Schreibstil dermaßen experimentell sein?
Die zweite und verbesserte Version deiner Geschichte gefällt mir wesentlich besser. Sie wirkt ausgearbeiteter und ist klarer, einfach ausdrucksstärker und daran habe ich auf den ersten Blick auch gar nicht mehr viel auszusetzen.

Gute Nacht.
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Gast







Beitrag17.11.2011 08:12

von Gast
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:

Was meintest du mit fleißig.  Rolling Eyes  


Dass im Moment viele Inko-Geschichten eingestellt werden - mir gefällt das.


Guten Morgen Inko,

wenn mir im ersten Satz präsentiert wird, worum es geht, brauche ich eigentlich nicht weiterlesen. Wenn interessiert denn wohl das Seelenleben eines Wollhaares? Dass die Geschichte im weiteren Verlauf dann gut wird, kann mir dadurch entgehen.
Derzeit habe ich das Gefühl, dass einige unsere Leser hier, am liebsten alles sofort explizit erklärt haben möchte.
Ich persönlich finde das sehr schade.

Liebe Grüße
Monika
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Gast







Beitrag17.11.2011 10:34

von Gast
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Jetzt hast du es mit Doppelknoten und nem Tacker fest gemacht.

 Rolling Eyes

Das ist in Foren echt schwer, dieserart Textarbeit. Ohne viel Worte und mit direkten Eingriffen in den Text. (Geht schneller, als sich die Finger fusselig zu erklären)

rot: ankucken(in Frage stellen
blau: Vorschlag (als Denkanstoß zu sehen, nicht als edle Wahrheit)



Kurz bevor ich mit den anderen meiner Art gekräuselten Wollhärchen in der schwarzen Öffnung verschwinden kann, erfasst mich ein Windstoß, wirbelt mich in die Höhe, über den grauen Kopf des Schafscherers hinweg, aus dem Stall heraus, ein Stück weit über den Damm, den ich so gut kenne und lässt mich hinter dem Zaun wieder los. Ich lande auf der saftigen Wiese, zu der Lukas oft sehnsuchtsvoll hinüber gestarrt hatte.
Neugierig schaue ich mich um. Es ist vertraut und doch anders. Was nun, Pili lanei, frage ich mich.
Was wird aus unserer Aufgabe? Unserer Aufgabe, die der Schäfer, an vielen Tagen, Lukas ausführlich erklärt hatte. Kann ich sie alleine erfüllen? Hatte ich aufmerksam genug zu gehört?
Der Wind lässt mir keine Zeit zum Grübeln, er hebt mich auf und trägt mich fort. Bald ist kein Damm mehr zu sehen, das Grün unter mir verschwindet. Ich fliege über grauen Asphalt, pralle nö, Mutzel prallen nicht gegen einen Laternenpfahl, taumele und lande auf einem Autodach. Der Lärm von unzähligen Autos, von quietschenden Straßenbahnen und lautes Stimmengewirr umgibt mich.
Das Dach ist kalt und glatt. Ich überlege. Friert ein Auto?
Es gibt einen Ruck, es kracht Blech auf Blech, erneut ein Ruck, das Auto fährt los. Wildes Gehupe, ich rutsche. Der Wind fängt mich auf, trägt mich über Köpfe, Hüte, Mützen.
Warum laufen die Menschen so schnell, frage ich mich. Sie halten ihre Taschen und Tüten umklammert und rennen. Vielleicht haben sie Angst, dass man sie ihnen wegnimmt, die Taschen und Tüten. Ganz selten sehe ich Menschen mit Menschen reden. Sie stürmen in die Geschäfte, wirbeln zwischen Regalen und Kleiderständern, um dann erneut los zu rennen. Einige schreien, während sie rennen, in ihre Handys oder ihre Kinder an, die an ihren Armen zerren.
Eine alte Frau sitzt auf einer Bank, und schaut den Vorbeieilenden hinterher. Einmal rechts, einmal links, so, als wolle sie sich keinen von ihnen entgehen lassen.
Sie friert, denke ich und lasse mich auf ihre grauen Haare fallen. Mein erstes Mal. Ich überlege. Es will mir das Ende nicht in den Sinn kommen. Ich beginne zu spinnen mich zu drehen und zu winden, zu strecken, ziehe Schlinge um Schlinge, strenge mich an und es gelingt.
Nur kurze Zeit später, ich schaue stolz zurück und sehe die alte Frau, mit der wollenen Mütze über den Ohren, das Kinn tief in den weißen Schal gedrückt, wie sie langsam zur Seite sinkt.
Der Wind trägt mich weiter. Die Läden mit den bunten Auslagen werden weniger, die Häuser werden kleiner, sie sind grau, dunkel. Die Straßen verengen sich geheimnisvoll. Die Menschen laufen langsamer, sehen sich um, verschwinden in Hauseingängen. Am Ende einer Straße geht eine junge Frau mit feuerroten Haaren auf und ab, auf und ab. Wunderschön sieht sie aus. Sie trägt eine grüne Korsage und goldene, sehr hohe Schuhe, die ihre Beine noch länger erscheinen lassen.
Es ist zu kalt, überlege ich. Auf ihrer linken Schulter fange ich an. Ich komme gut voran und kurze Zeit später nutze ich den Wind und fliege davon. Lange schaue ich zurück, bis die schöne Statue, in ihrem langen weißen Kleid aus meinem Blick verschwindet.
Auf einem Fußballplatz komme ich ins Schwitzen. Es bläst ein frischer Wind und sie tragen, fast alle, kurze Hosen. Ich freue mich, denn ich bin nun sicher. Ich beherrsche meine Aufgabe.
Der Wind ist zuverlässig, er trägt mich stetig voran. Das ist gut, denn ich habe viel zu tun. Vielen Bettlern, die auf Knien ihre Hüte hinhalten und den Vorbeirennenden hinter herrufen, gebe ich Schutz gegen die Kälte.
In einer Stadt nach der anderen erfülle ich meine Aufgabe. Sie macht mir Spaß. Ich vermisse nichts und niemanden.
Gerade blicke ich zufrieden auf einen schlafenden, jungen Mann, dem man wohl, während er schlief, die Kleidung gestohlen hatte und der nun warm eingemummelt, selig vor sich hin träumt, da erfasst mich eine starke Böe von vorne und treibt mich mit rasenden Geschwindigkeit meinen Weg zurück.
Treibt mich über eine stumme, unter einer weißen Decke, einer dicht gesponnenen Hülle, erstarrten Welt.
Die Straßen sind weiß überzogen, weiß umhüllt die Häuser, die Bäume, die Laternen, die Autos und die Menschen. Kein Strauch, kein Zweig, kein Blatt blieb verschont. Alles liegt, wie in eine milchige Schutzfolie eingeschweißt, unter mir.
Kein Lärm, kein Gestank, niemand mehr, der rennt.
Ich bin entsetzt. Bin ich schuld? Was habe ich falsch gemacht, übersehen?
Es kann nur das Ende der Aufgabe gewesen sein.
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adelbo
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Beitrag17.11.2011 13:38

von adelbo
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Debruma
Zitat:
Jetzt hast du es mit Doppelknoten und nem Tacker fest gemacht.


 lol   Wo du Recht hast, hast du Recht.  

Das ist jetzt die Version, mit der ich vorläufig leben kann. Wobei mich der graue Sack noch nicht so ganz beglückt.


Kurz  bevor  ich,  mit den anderen  in dem grauen  Sack  verschwinden  kann,  erfasst mich  ein  Windstoß,  wirbelt  mich in die Höhe,  über den grauen  Kopf des Schafscherers hinweg,  ein Stück weit über den Damm, den ich so gut kenne und lässt mich hinter dem Zaun wieder los.  Ich lande auf der saftigen Wiese,  zu der  Lukas oft sehnsuchtsvoll hinüber gestarrt  hatte.
Neugierig schaue ich  mich  um.  Es ist vertraut und doch anders.  Was nun, Pili lanei, frage ich mich.
Was wird aus unserer  Aufgabe?  Unserer Aufgabe, die der Schäfer,  an vielen Tagen, Lukas ausführlich  erklärt hatte.  Kann ich sie alleine erfüllen?  Hatte ich aufmerksam genug zu gehört?     
Der Wind lässt mir keine Zeit zum Grübeln, er hebt mich auf und trägt mich fort.  Bald ist kein Damm mehr zu sehen, das Grün unter mir verschwindet.  Ich fliege über grauen Asphalt, übersehe  einen Laternenpfahl, taumele und lande auf einem Autodach.   Lärm von unzähligen Autos,  von quietschenden Straßenbahnen und  lautes Stimmengewirr umgibt mich.
Das Dach ist kalt und glatt. Ich überlege.  Friert ein Auto?  
Es gibt einen Ruck,  es kracht Blech auf Blech, erneut ein Ruck, das Auto fährt los. Wildes Gehupe,  ich rutsche.  Der Wind fängt mich auf,  trägt mich über Köpfe,  Hüte,  Mützen.
Warum laufen die Menschen so schnell, frage ich mich. Sie halten ihre Taschen und Tüten umklammert und rennen. Vielleicht haben sie Angst, dass man sie ihnen wegnimmt, die Taschen und Tüten.   Ganz selten sehe ich Menschen  mit Menschen  reden.  Sie stürmen  in  die Geschäfte, wirbeln  zwischen Regalen und Kleiderständern, um dann  erneut los zu rennen.  Einige schreien, während sie rennen,  in ihre Handys oder ihre Kinder an, die an ihren Armen zerren.  
Eine alte Frau  sitzt auf einer Bank, und schaut  den Vorbeieilenden  hinterher. Einmal rechts, einmal links, so,  als wolle sie sich keinen von ihnen entgehen lassen.  
Sie friert, denke  ich und  lasse mich auf ihre grauen  Haare fallen.  Mein erstes Mal.  Ich überlege.   Es  will mir das Ende nicht in den Sinn kommen.  
Ich beginne, drehe mich und ziehe, drehe mich und spanne, achte auf die Kräuselung,  komme in Schwung   und es gelingt.
Nur kurze Zeit später, ich schaue  stolz  zurück und sehe die alte Frau, mit der wollenen  Mütze über den Ohren, das  Kinn tief in den weißen  Schal gedrückt,  wie sie langsam zur Seite sinkt.
Der Wind trägt mich weiter.  Die Läden mit den bunten Auslagen  werden weniger,  die Häuser werden kleiner, sie sind grau, dunkel. Die Straßen verengen sich  geheimnisvoll.  Die Menschen laufen langsamer, sehen sich um,  verschwinden in Hauseingängen.  Am Ende einer Straße geht eine junge Frau mit feuerroten Haaren auf und ab, auf und ab.  Wunderschön sieht sie aus.  Sie trägt eine grüne Corsage und goldene, sehr hohe Schuhe, die ihre Beine noch länger erscheinen lassen.
Es ist zu kalt,  überlege ich.   Auf ihrer linken Schulter fange ich an.  Ich komme gut voran und kurze Zeit später  nutze ich den Wind und fliege davon. Lange schaue ich zurück, bis die schöne Statue, in ihrem langen weißen Kleid aus meinem Blick verschwindet.  
Auf einem Fußballplatz komme ich  ins Schwitzen.  Es bläst ein  frischer  Wind und sie tragen,  fast  alle,  kurze Hosen.  Ich freue mich, denn ich  bin  sicher.  Ich beherrsche meine Aufgabe.
Der Wind ist zuverlässig,  er trägt mich stetig  voran.  Das ist gut, denn ich habe viel zu tun. Vielen Bettlern, die auf Knien ihre Hüte hinhalten und den Vorbeirennenden hinter herrufen,  gebe ich Schutz gegen die Kälte.  
In einer Stadt nach der anderen erfülle ich meine Aufgabe.  Sie macht mir Spaß.  Ich vermisse  nichts und niemanden.     
Gerade blicke ich zufrieden auf einen schlafenden, jungen Mann, dem man wohl, während er schlief, die Kleidung gestohlen hatte und der nun selig vor sich hin träumt,  da  erfasst mich eine  Böe von vorne und  treibt  mich mit rasender Geschwindigkeit meinen  Weg zurück.  
Treibt  mich  über eine stumme,  unter einer weißen Decke,  einer dicht gesponnenen Hülle,  erstarrten  Welt.   
Die Straßen sind weiß überzogen, weiß  umhüllt  die Häuser,  die Bäume,  die Laternen,   die Autos  und  die Menschen.   
Kein Lärm, kein Gestank, niemand  mehr, der rennt.    
Ich bin entsetzt.  Bin ich schuld?   Was habe ich falsch gemacht, übersehen?
Es kann nur das Ende der Aufgabe gewesen sein.
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adelbo
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Beitrag17.11.2011 14:15

von adelbo
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Hallo Monika,

ich hoffe, dass ich mit dieser Version bei dir wieder richtig liege.
Die zweite Variante habe ich gegen besseres Wissen eingestellt. Das war aber vielleicht nicht einmal so verkehrt. So konnte man erkennen, dass eine solche Geschichte, wegen zu vieler Informationen ihren Charme verlieren kann. (soweit Charme vorhanden Laughing )

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

VG
I.
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adelbo
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Beitrag17.11.2011 19:40

von adelbo
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Hallo Voland,

entschuldige, dass ich die Reihenfolge nicht eingehalten habe. Ich gebe zu, dass ich den Kommentar übersehen habe.  Embarassed

Zitat:
Ich war am Anfang auch etwas verwirrt, aber die Erklärung ist so trashig, dass sie super ist


Ich hoffe du meinst mit super die Geschichte und nicht die Erklärung  Embarassed

VG
I.
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BlueNote
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Beitrag17.11.2011 22:38

von BlueNote
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Hi!

Bei diesem Text empfinde ich die Erzählweise als Widerspruch zu dem Bild, das mir bei diesem Text vorschwebt. Einerseits ist es eine  ruhige Angelegenheit, wenn eine Wollfluse vom Wind getragen durch die Städte schwebt. Die Sprache aber ist hektisch, die Sätze von viel zu vielen Kommata zerhackt. Bei dieser Stückelei kommt gar kein richtiger Lesefluss zustande. Außerdem sind in diesem Text sehr viele überflüssige Kommata bzw. auch Kommafehler. Dann schreibst du viele Wörter auseinander, die zusammengeschrieben werden müssen. Auch empfinde ich es als störend, dass der "Protagonist" von Dingen erzählt, von denen er gar nichts wissen kann (von den Bettlern) bzw. was sich außerhalb seiner Sicht abspielt (Kaufhaus).

Die Idee ist recht ansprechend, aus der Sicht eines sich bewegenden (oder bewegt werdenden Gegenstands) zu erzählen. Dass am Schluss plötzlich von Städten die Rede ist (also ein Zeitsprung gemacht wird) gefällt mir nicht besonders, da ja bisher dem Flug der Fluse bei Erzählen ziemlich gefolgt wurde.

Ich muss gestehen, so richtig verstanden habe ich den Text nicht. Warum gibt eine Wollfluse den Bettlern Schutz, fühlt sich die Wolle für den Schnee verantwortlich? Es sind aber auch viele Sätze recht unverständlich geschrieben. Nehmen wir nur den ersten:
Zitat:

Kurz bevor ich mit den anderen gekräuselten Wollhärchen in der schwarzen Öffnung verschwinden kann, erfasst mich ein Windstoß,

Hier verstehe ich die Verwendung des Wortes "kann" nicht. Das ergibt für mich keinen Sinn.

Wenn du an dem Text (wirklich) noch arbeiten wolltest, würde ich dir einen radikal anderen Schreibstil für die Geschichte empfehlen.

Ciao

BN
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adelbo
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Beitrag18.11.2011 11:14

von adelbo
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Hallo BN

danke, dass du meiner Bitte um eine Meinung zu dem Text nachgekommen bist.

Ich habe vermutet, dass er nicht deine Zustimmung erhält und wollte wissen warum.
In einigen Punkten stimme ich dir uneingeschränkt zu. Die leidigen Kommata!!  Ich bin eine Sicherheitskommatasetzerin.  Jeder Satzteil, der nach eingeschoben riecht, wird von mir automatisch mit Kommata versehen.  Crying or Very sad
Daran werde ich arbeiten.
Auch über das "kann" im ersten Satz bin ich mehrere Male gestolpert. Warum ich es nicht geändert habe?  Question

Zitat:
Auch empfinde ich es als störend, dass der "Protagonist" von Dingen erzählt, von denen er gar nichts wissen kann (von den Bettlern) bzw. was sich außerhalb seiner Sicht abspielt (Kaufhaus).

Wenn ich darüber nachdenke, dürfte ich nie einen solchen Text schreiben. Was kann ein Wollmutzel von der Welt der Menschen wissen? Wobei man die im Text erwähnte Passage ohne weiteres von außen erkennen kann. Die Regale, die Kleiderständer usw.
BN
Zitat:
Dass am Schluss plötzlich von Städten die Rede ist (also ein Zeitsprung gemacht wird) gefällt mir nicht besonders, da ja bisher dem Flug der Fluse bei Erzählen ziemlich gefolgt wurde.

Text
Zitat:
In einer Stadt nach der anderen erfülle ich meine Aufgabe. Sie macht mir Spaß. Ich vermisse nichts und niemanden.

Den Zeitsprung sehe ich nicht.  Rolling Eyes
Ich werde auf jeden Fall an der Geschichte arbeiten. In diese Richtung würde ich gerne weiter schreiben. Mit dem völlig anderen Schreibstil gehen unsere Meinungen auseinander. Obwohl wir glaube ich beide eine schöne Sprache lieben.  Smile

Nochmals Danke.

LG
adelbo
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firstoffertio
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Beitrag18.11.2011 23:44

von firstoffertio
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Hallo Adelbo,

bin grade erst über einen Hinweis in der Lyrik auf diesen Text aufmerksam geworden. Ich lese selten in der Prosa.

Ich finde die Idee deiner Geschichte super, und als Schafhalter sowieso interessant.

Was ich mir überlegt habe: Ein einziges pilus lanei löst sich selten von einem Schaf oder einem geschorenen Vlies. Wenn, dann sind das Locken oder "Stapel" von einer Anzahl von Haaren. Nun fing ich an, mir deinen Text vorzustellen, wenn der Protagonist nicht ein Einzelner, sondern mehrere wären. "Wir" statt "ich". Mein erster Eindruck dabei war, dein Text könnte spannender wirken? Und die Idee, dass da Leute märchenhaft warm eingepackt werden, wäre vielleicht überzeugender?

Nur so eine Idee. Ich finde, du solltest in der Richtung weiterschreiben, deiner Intuition vertrauen..
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Gast







Beitrag19.11.2011 07:35

von Gast
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Guten Morgen Adelbo,

jetzt bin ich nicht mehr ganz so glücklich mit dem Text.

adelbo hat Folgendes geschrieben:
Meine Erkenntnis aus der etwas verrückten Geschichte sollte sein, dass es Gefahren in sich birgt, wenn man sich auf eine Aufgabe stürzt, der man nicht gewachsen ist, weil man sie nicht beherrscht, nicht genau kennt. Weil sie gedacht war in einer Gemeinschaft mit anderen ausgeführt zu werden usw.  Man will vermeintlich etwas Gutes tun und bewirkt genau das Gegenteil.


Das war für mich (auch in meiner Interpretation) die Quintessenz der Geschichte.
Jetzt lese ich es so, als ob sich die Mühe des kleinen Haares gelohnt hätte – als ob es seine Aufgabe (streckenweise) erfüllt hätte.

Liebe Grüße
Monika
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adelbo
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Beitrag19.11.2011 10:34

von adelbo
Antworten mit Zitat

Paloma
Zitat:
Guten Morgen Adelbo,

jetzt bin ich nicht mehr ganz so glücklich mit dem Text.

adelbo hat Folgendes geschrieben:
Meine Erkenntnis aus der etwas verrückten Geschichte sollte sein, dass es Gefahren in sich birgt, wenn man sich auf eine Aufgabe stürzt, der man nicht gewachsen ist, weil man sie nicht beherrscht, nicht genau kennt. Weil sie gedacht war in einer Gemeinschaft mit anderen ausgeführt zu werden usw. Man will vermeintlich etwas Gutes tun und bewirkt genau das Gegenteil.  


Das war für mich (auch in meiner Interpretation) die Quintessenz der Geschichte.
Jetzt lese ich es so, als ob sich die Mühe des kleinen Haares gelohnt hätte – als ob es seine Aufgabe (streckenweise) erfüllt hätte.


Moin Monika,
an der Quintessenz der Geschichte habe ich nichts geändert, zumindest nicht mit Absicht. Gib mir einen Hinweis woraus du eine Änderung entnimmst. Rolling Eyes Wo sind Abweichungen?

LG
adelbo


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„Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“

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adelbo
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Beitrag19.11.2011 13:22

von adelbo
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Moin firstoffertio,

danke für deinen Kommentar. Deine Idee ist nicht schlecht. Ich werde bei der Überarbeitung der Geschichte versuchen, wie sie sich umsetzen läßt.

Nein, ich lasse mich nicht beirren. Lesen ist viel Geschmacksache. Mir ist sehr wichtig, dass ich meinen Schreibstil immer weiter verbessere. (Satzzeichen inbegriffen!!  Laughing)
Ideen haben ich reichlich, aber sie müssen auch interessant und lesbar rübergebracht werden.

Nochmal danke.
LG
adelbo


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Beitrag19.11.2011 13:25

von Gast
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Hm ... vielleicht sehe ich es auch nur so. Aber:

z.B. habe ich in der ersten Version gar nicht vermutet, dass dieses kleine Haar der alten Frau die Mütze und den Schal gesponnen (oder was auch immer) hat. Ich hab es so aufgefasst, dass sie die Kleidung schon vorher trug. Das kleine Haar sah, dass es ihr trotzdem zu kalt war - schmiegte sich an die Frau und dachte, es kann helfen. Danach fiel die Frau trotzdem erfroren um.

Genauso bei der Prostituierten - das weiße Kleid sah ich nicht physisch, sondern eher wie ein Hauch von Eis.

Naja, habe ich wohl völlig falsch verstanden

Liebe Grüße
Monika
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adelbo
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Beitrag04.12.2011 22:33

von adelbo
Antworten mit Zitat

Noch einmal eine leicht abgeänderte Version des Textes.


Kurz bevor ich mit den anderen in dem großen schwarzen Loch des grauen Behälters verschwinde, erfasst mich ein Windstoß, wirbelt mich in die Höhe, über den grauen Kopf des Schafscherers hinweg ein Stück weit über den Damm, den ich so gut kenne und lässt mich hinter dem Zaun wieder los. Ich lande auf der saftigen Wiese  zu der Lukas oft sehnsuchtsvoll hinüber gestarrt hatte.
Neugierig schaue ich mich um. Es ist vertraut und doch anders. Was nun, Pili lanei, frage ich mich.
Was wird aus der Aufgabe? Unserer Aufgabe, die der Schäfer, an vielen Tagen, Lukas ausführlich erklärt hatte. Kann ich sie alleine erfüllen? Hatte ich aufmerksam genug zu gehört  
Der Wind lässt mir keine Zeit zum Grübeln, er hebt mich auf und trägt mich fort.
Bald ist kein Damm mehr zu sehen, das Grün unter mir verschwindet. Ich fliege über grauen Asphalt, übersehe einen Laternenpfahl, taumele und lande auf einem Autodach. Lärm von unzähligen Autos, von quietschenden Straßenbahnen und lautes Stimmengewirr umgibt mich.
Das Dach ist kalt und glatt. Ich überlege. Friert ein Auto?
Es gibt einen Ruck, es kracht Blech auf Blech, erneut ein Ruck, das Auto fährt los. Wildes Gehupe, ich rutsche. Der Wind fängt mich auf, trägt mich über Köpfe, Hüte, Mützen.
Warum laufen die Menschen so schnell, frage ich mich. Sie halten ihre Taschen und Tüten umklammert und rennen. Vielleicht haben sie Angst, dass man sie ihnen wegnimmt, die Taschen und Tüten. Ganz selten sehe ich Menschen mit Menschen reden. Sie stürmen in die Geschäfte, wirbeln zwischen Regalen und Kleiderständern, um dann erneut los zu rennen. Einige schreien, während sie rennen, in ihre Handys oder ihre Kinder an, die an ihren Armen zerren.
Eine alte Frau sitzt auf einer Bank, und schaut den Vorbeieilenden hinterher. Einmal rechts, einmal links, so, als wolle sie sich keinen von ihnen entgehen lassen.
Sie friert, denke ich und lasse mich auf ihre grauen Haare fallen. Mein erstes Mal. Ich überlege. Es will mir das Ende der Aufgabe nicht in den Sinn kommen. Soll ich es trotzdem wagen?
Ich beginne, drehe mich und ziehe, drehe mich schneller und spanne, achte genau auf die Kräuselung, komme in Schwung und es gelingt.
Nur kurze Zeit später, ich schaue stolz zurück und sehe die alte Frau, mit der wollenen Mütze über den Ohren, das Kinn tief in den weißen Schal gedrückt, wie sie langsam zur Seite sinkt.
Der Wind trägt mich weiter. Die Läden mit den bunten Auslagen werden weniger, die Häuser werden kleiner, sie sind grau, dunkel. Die Straßen verengen sich geheimnisvoll. Die Menschen laufen langsamer, sehen sich um, verschwinden in Hauseingängen.
Am Ende einer Straße geht eine junge Frau mit feuerroten Haaren auf und ab, auf und ab. Wunderschön sieht sie aus. Sie trägt eine grüne Korsage und goldene, sehr hohe Schuhe, die ihre Beine noch länger erscheinen lassen.
Es ist zu kalt, überlege ich. Auf ihrer linken Schulter beginne ich mich zu drehen. Ich komme gut voran und kurze Zeit später nutze ich den Wind und fliege davon. Lange schaue ich zurück, bis die schöne Statue, in ihrem langen weißen Kleid immer heller wird und aus meinem Blick verschwindet.
Auf einem Fußballplatz komme ich ins Schwitzen. Es bläst ein frischer Wind und sie tragen, fast alle, kurze Hosen. Ich freue mich, denn ich bin sicher. Ich beherrsche die Aufgabe.
Der Wind ist zuverlässig, er trägt mich stetig voran. Das ist gut, denn ich habe viel zu tun. Vielen Bettlern, die auf Knien ihre Hüte hinhalten und den Vorbeirennenden hinter herrufen, gebe ich Schutz gegen die Kälte.
In einer Stadt nach der anderen erfülle ich meine Aufgabe. Sie macht mir Spaß. Ich vermisse nichts und niemanden.
Gerade blicke ich zufrieden auf einen schlafenden jungen Mann, dem man wohl, während er schlief, die Kleidung gestohlen hatte und der nun selig vor sich hin zu träumen schien, da erfasst mich eine Böe von vorne und treibt mich mit rasender Geschwindigkeit meinen Weg zurück.
Treibt mich über eine stumme, unter einer weißen Decke, einer dicht gesponnenen Hülle, verborgenen Welt.
Die Straßen sind weiß überzogen, weiß verhüllt die Häuser, die Bäume, die Laternen, die Autos…
Die Menschen, in ihren Bewegungen erstarrt, ragen wie vermummte kleine Gegenstände aus dem Gebilde.
Kein  Lärm, kein Gestank, niemand mehr, der rennt. Ich bin entsetzt.
Ist es meine Schuld?
Was habe ich falsch gemacht, übersehen?
War es am Ende, das Ende?


_________________
„Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“

Bertrand Russell
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