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"Ueberfluessiges" vermeiden?

 
 
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firstoffertio
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Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
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Beitrag07.11.2011 01:02
"Ueberfluessiges" vermeiden?
von firstoffertio
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielleicht nicht ganz unpassend nach den letzten Wettbewerben, wo ja Kürze gefragt war, aber unabhängig davon, möchte ich gerne Folgendes fragen, und fände eine Diskussion darüber hilfreich:

Häufig wird Autoren in der Lyrik angeraten, sich kürzer zu fassen, mehr zu "verdichten", Fuellwoerter zu vermeiden, und ähnliches. Siehe z.B. bei dem Text "der Fleck", und auch bei "Rwanda". Ich bin mir da oft entweder unsicher, ob ich das unterstütze, oder manchmal würden mir vorgeschlagene weniger "redundante" Lösungen nicht so gut gefallen wie das Original.

Was mich nun interessiert ist, woher diese Forderung, oder Ideologie, des so kurz oder so knapp oder so fuellwoerterlos etc. wie möglich kommt, und womit sie begründet wird.

Ich habe natürlich selber schon bemerkt, dass ich was "doppelt gemoppelt" geschrieben hatte, und das nicht in jedem Fall nötig war. Jedoch finde ich, dass durch doppelt Gemoppeltes, größere Weitschweifigkeit auch wiederum Effekte geschaffen werden können, die in der reduzierten Form nicht möglich sind. Was meinen andere dazu?

Wo Ueberfluessiges festgemacht wird, ob in einem Satz, einem Vers, oder im ganzen Text, ist eine weitere Frage.
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Mr. Curiosity
Exposéadler

Alter: 35
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Der goldene Käfig


Beitrag07.11.2011 02:41

von Mr. Curiosity
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So generell kann man da kaum etwas Handfestes zu sagen.
In der Lyrik ist es noch schwerer, eine allgemeine Regel für die Verwendung von Füllwörtern zu finden, denn dort muss ja auch die Form miteinbezogen werden. Solange es nicht übertrieben wird, habe ich zumindest in der Lyrik nicht immer etwas gegen Füllwörter, denn sie können durchaus klanglichen Nutzen haben, bspw. um eine Alliteration zu erzeugen oder ein metrisches Schema zu stützen. Es kommt auch auf die lyrische Stimme des Gedichts an, ob es passt.
In der Prosa gilt dasselbe, dort ist es auch zu großem Teil von der Erzählstimme abhängig. Wenn du z.B. aus der Ich-Perspektive eines Teenagers schreibst, der Jugend-Slang spricht, passen die Füllwörter.

Wiederholungen sind auch nicht per se schlecht. Will man beispielsweise einen quälenden Gedanken deutlich machen, der dem lyrischen Ich oder dem Erzähler nicht aus dem Kopf geht, kann diese Ermüdung durch Wiederholungen stilistisch transportiert werden.
Um nur ein Beispiel zu nennen.
Letzten Endes kann man wohl einfach sagen: Wenn Füllwörter und Wiederholungen verwendet werden, so sollte dies durch den Inhalt und/oder Form begründet sein.
Ansonsten sind die generell böse ^^

LG David


_________________


"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."

(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris")
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moonshadow
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 18



Beitrag07.11.2011 07:25

von moonshadow
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Hallo firstoffertio,

bin auch ein wenig verwirrt, wegen dieser Frage und hätte gerne noch mehr Meinungen zu diesem Komplex.
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Gast







Beitrag07.11.2011 13:29

von Gast
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Ich glaube, das Bemühen, auf kleinem Raum viel zu sagen, gehört dem Wesen nach zur (lyrischen) Dichtung.

Es muss ja nicht gleich jeder "auf möglichst kleinem Raum möglichst viel" daraus machen. Aber das "Abklopfen" des eigenen Geschriebenen darauf, ob das, was man sagen will, auch bestmöglich gesagt wird, sollte eigentlich jedem Dichter Pflicht sein; und wer so die Wörter auf ihre Eignung prüft, der bekommt auch schnell ein Gefühl dafür, welche Wörter nichts leisten oder gar hindern. Und die fliegen dann eben raus (oder werden durch passendere ersetzt).

Auch wenn Füllwörter sonst keinen Schaden anrichten, können sie doch nicht vermeiden, Aufmerksamkeit zu binden; sie lenken den Leser / Hörer von den wirklich wichtigen Begriffen ab. Wenn die Füllwörter sehr zahlreich sind, langweilt sich der Leser - Aufmerksamkeit ist keine Selbstverständlichkeit!

Dichtung hat im allgemeinen ja auch eine höhere Anzahl von Bezügen zwischen den einzelnen Bestandteilen des Textes als z.B. Prosa. Je mehr Worte der Leser vorfindet, desto größer die Gefahr, dass er aufgrund von Füllseln, die "die Sicht versperren", die richtigen Verbindungen nicht sieht; und dass er falsche Verbindungen herstellt, die ihm das Gedicht unverständlich machen. Der Dichter kann da nichts voraussehen - ein Grund mehr, vorsichtig zu sein.

Und so weiter. Hm. Das ist mir eigentlich alles "zu körperlos" ... Ein Beispiel, drei Fassungen desselben Textes:

Der Bettler

schläft; seine Schale
ist leer.

----------------------

Innenstadt

Des schlafenden Bettlers
Schale ist leer.

----------------------

Innenstadt

Der alte Bettler schläft; leer
die gesprungene Schale.


Einmal zehn, einmal 13, einmal 17 Silben - jedesmal ein "Mehr" an zu bewältigendem Stoff für den Leser, ein "Weniger" an unmittelbarer Wahrnehmung. Und da muss man dann eben abwägen: Ist in der zweiten Fassung die Verortung "Innenstadt" die drei aufgewendeten Silben wert? Stärken, festigen die beiden Adjektive der dritten Fassung das Bild, oder nehmen sie ihm die Schärfe? Ich denke, in irgendeiner Form müssen diese Abschätzungen vorgenommen werden. Immer richtig liegt man nie, aber wer es lässt, kommt erstens nicht weiter und schmeißt zweitens seine Leser mit unausgereiften Texten zu.

Klar, das ist jetzt ein sehr kurzer Text, und die Unterschiede sind deutlich. Bei längeren Texten fällt derlei, auf eine einzelne Stelle bezogen, nicht so ins Gewicht. Aber der Grundgedanke bleibt auch da derselbe?!
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Rufina
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 693



Beitrag07.11.2011 15:36

von Rufina
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Mir ist schon einige Male (und nicht nur in der Lyrik) aufgefallen, dass Texte vor der Überarbeitung eine ganz andere Stimmung hatten als hinterher.
Ein Gedicht, das es vor der Überarbeitung noch schaffte, eine besondere Atmosphäre hervorzurufen, war hinterher "steril", weil es zwar den Schreibregeln folgte, aber eben kein Leben mehr hatte.
Auch geht man durch erhebliche Kürzungen immer das Risiko ein, dass der Leser nur noch "Bahnhof" versteht, weil es zu sprunghaft wirkt.   
Was wäre ein romantisches Gedicht ohne all den Tand?

Beispiel:
Trauer -
Märchen
im Sinn

Ich denke, man muss unterscheiden, ob die Verbesserungsvorschläge dem Gedicht helfen oder ob man es insgeheim in eine Form pressen möchte, die man selbst gerne hätte.

Manche Gedichte gewinnen aber erheblich durch die Kürzungen.
 
Grüße
Rufina
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Gast







Beitrag07.11.2011 16:18

von Gast
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Das "Verbessern" von schon geschriebenen Gedichten ist aber doch nicht eigentlich das Thema? Zumindest in meinem Beitrag ging es um das, wie der Dichter für sich, ohne Einfluss von außen, in der Entstehung an einem Text arbeiten sollte. Also: "kürzen" nein, "von unten verantwortungsvoll aufbauen" ja.

Ein romantisches Gedicht ist insofern keine Ausnahme von dem, was ich gesagt habe, weil es genau das enthält, was erforderlich ist, die benötige Stimmung hervorzurufen, und nichts darüber hinaus. Da waren die alten Meister (die guten) genauso wach wie die Dichter heute?!

Im Nachhinein Gedichte zu "verbessern", ist immer schwierig. Manchmal ist es das beste, gewonnene Erkenntnisse einfach mit ins nächste Gedicht zu nehmen ... Trotzdem kann eine veränderte Fassung die Einschätzung des ursprünglichen Textes sehr erleichtern.
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Rufina
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 693



Beitrag07.11.2011 16:29

von Rufina
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Ich habe mich eher auf firstoffertios Beitrag bezogen. Sie fragt ja gerade anhand von zwei Beispielen, bei denen seitens der Kritiker bzw. anhand der Kritken seitens der Autoren viel gekürzt wurde oder noch werden wird, wobei es ja in einem Fall eher um die Fülle von Alliterationen ging. "Der Fleck" hat aber nach all den Vorschlägen, wie ich finde, schon etwas verloren. Dein Vorschlag und das ursprüngliche Gedicht, vermitteln etwas anderes. Es sind zwei eigenständige Gedichte mit jeweils anderer "Stimmung". Aber du hast ja bereits geschrieben, dass die Wahrheit vielleicht irgendwo dazwischen liegen wird. Manche Gedichte brauchen die Füllwörter, um die Atmosphäre zu schaffen. Nicht jedes Gedicht muss knapp sein (wie du ja auch schon angemerkt hast). Das Abklopfen finde ich in Ordnung. Auch Kürzungen können sinnvoll sein, wenn sie dem Gedicht nicht "die Seele" nehmen.

Bitte nicht falsch verstehen. Ich schätze dich als sehr kompetenten Kritiker. Du hast Ahnung von der Materie, legst den Finger in die Wunde, ohne aber das Gedicht zu vernichten oder sogar den Dichter/Autor abzuwerten.

Für mich persönlich ist es wirklich schwer, die vermeidbaren Wörter im Vorhinein zu sehen. In einem Prosatext ist das irgendwie leichter.
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Gast







Beitrag07.11.2011 18:05

von Gast
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Ich hab3 unter dem Gedicht schon zweimal erwähnt, dass meine Fassung kein Verbesserungsvorschlag ist. Ich habe das auch so gemeint!

Sonst: Ein Wort, das zwecks Schaffung einer "Atmosphäre" in den Text kommt, ist kein Füllwort - es hat ja eine Aufgabe. Aber auch da muss man schauen, ob diese Aufgabe nicht, auf die eine oder andere Weise, von den sowieso unabdingbaren Wörtern mit übernommen werden kann. Alles andere heißt, es sich einfach machen; und das merkt der Leser sofort.
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Rufina
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


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Beitrag07.11.2011 18:22

von Rufina
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Ich habe schon verstanden, dass es nicht als Verbesserungsvorschlag gemeint war (siehe oben in meinem Beitrag). Es sollte auch keine Kritik an deiner Person sein (auch hier: siehe oben). Ich finde es nur schwer, die Grenze zu ziehen. Wann ist ein Wort wirklich nötig? Genügt es, wenn es nützlich ist oder muss es unabdingbar sein? Muss es sowohl für die Form als auch für den Inhalt nötig sein oder genügt es, wenn es eines von beidem fördert?

Mich würde mal deine Arbeitsweise interessieren (falls du sie verraten willst). Wie z.B. bist du bei deinem Goldfisch vorgegangen. War das Gedicht erst länger und du hast es nach dem Schreiben gekürzt oder bist du bereits beim Schreiben so diszipliniert, dass du Unnötiges sofort siehst und weglässt?
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Gast







Beitrag07.11.2011 23:36

von Gast
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Rufina, meine Fassung des "Flecks" war auch nicht als "eigenständiges Gedicht" gedacht, wie du schreibst. Sondern einfach als Verdeutlichung dessen, was das Gedicht im Kern ausmacht, seine Knochen und Muskeln, sozusagen. Und da kann man dann gerne was dazupacken - in Maßen.

Allgemeine Regeln dafür, wann welches Wort nötig ist, gibt es nicht, glaube ich. Keine immer zutreffenden (Sonst wären Gedichte ja auch langweilig). Da muss man wohl den steinigen Weg gehen: die Augen aufhalten, vergleichen, versuchen, vorzeigen und die Rückmeldungen einordnen und all das Zeugs ...

Wie du sagst: Es ist nicht leicht.

Der Goldfisch hat ja eine feste Strophe, da geht "kürzen" eh nicht... Also wurde er so hingeschrieben, und am Ende wurden noch zwei Ausdrücke gegen, meiner Meinung nach, wirkungsstärkere ausgetauscht. War also schnell gemacht.

Ich kürze aber ohnehin kaum, weil ich eh knapp schreibe. Was viel geschieht, ist das Anordnen der Gedichtbestandteile in verschiedenen Reihenfolgen und Gruppierungen, um zu schauen, welche Anordnung am stärksten wirkt. Da kann dann, z.B. aus rhythmischen Gründen, auch durchaus mal ein Wort dazukommen.

Hast du eine Meinung zu den drei kurzen Texten oben? Welcher gefällt dir am besten? Wie würdest du den Gedanken ausdrücken?!
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firstoffertio
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Beitrag07.11.2011 23:45

von firstoffertio
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Super, das schon so viele Beiträge hier sind.

Ich glaube ich verstehe einerseits sehr gut, worauf Soleatus hinaus will, andererseits bin ich mir ganz unsicher, wenn Fuellwoerter generell als verdächtig angesehen werden. Ich mag Fuellwoerter, Wiederholungen, Alliterationen. Alliterationen sind ja sozusagen per se Wiederholung.

Kürzlich machte mir jemand hier deutlich, dass das "schon" in dieser Zeile zu viel ist:
"sich schon längst munter putzt". Ich sah das sofort ein, weil es auch nicht zum Text insgesamt passte. Aber Texte sind so verschieden. In einem anderen Text, wie dem von moonshadow (der Fleck) finde ich die Fuellwoerter einfach passend, authentisch.

Die Frage ist immer, wie wird etwas eingesetzt.

Oh, und zu Wiederholungen. Die wurden bei mir auch schon öfters bemängelt, obwohl sie in freien Gedichten Funktion haben können, oder zur benutzten Form gehören. Ich stelle gleich mal ein Gedicht mit vielen Wiederholungen ein. Jede Zeile kommt zweimal vor. Gehört aber dazu.

Ich finde auch, dass Lyrik sich dadurch auszeichnet, "auf einem kleinen Raum viel zu sagen". Aber wie klein der Raum sein soll: Ist das nicht auch zu einem Teil eine Sache von individuellen Vorlieben, Stilen und Vorstellungen?
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Beitrag08.11.2011 00:47

von Gast
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Firstoffertio, klar muss jeder seinen eigenen Stil finden. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass jeder machen darf, was er will, ohne dass sich die Leser abwenden ...

Ansonsten hilft eben nur die Untersuchung des Einzelfalls. Was sagst du zu Lovecrafts Zeile aus "Band des Kusses":

webt still ein Band von zarter Seide


Ist "zart" hier Füllwort oder nicht? Für mich: ja. Es verstellt das "Seide", traut ihm nicht zu, die Wirkung alleine erreichen zu können.

Mich würde, wie bei Rufina, deine Wahl unter den drei Kurzgedichten interessieren, und auch, wie der Gedanke deiner Meinung nach dargestellt werden sollte?!
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Rufina
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Beitrag08.11.2011 01:13

von Rufina
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*edit* Ach, ich hab mal wieder alles falsch verstanden ... ich dachte, du meinst die drei angesprochenen Gedichte und habe mich jetzt ellenlang dazu ausgelassen.

Von den drei Versionen würde ich mich für keine entscheiden. Ich würde Version 1 und 3 mischen:

Die erste Version ist mir zu knapp, sagt mir zu wenig, bringt für mich zu wenig Gefühl mit.

Die zweite Version ist zu umständlich formuliert.

Die dritte Version ist mir zu ausführlich, da "alte" wegkann.



Ich würde es vielleicht so schreiben:

Der Bettler
schläft; leer
die gesprungene Schale

Begründung:
Für mich ist es nicht wichtig, ob der Bettler alt ist oder nicht. Dagegen ist es schon wichtig, ob die Schale gesprungen ist oder nicht, weil für mich die gesprungene Schale gleichzeitig die Gebrochenheit des Bettlers symbolisiert.

Viele Grüße
Rufina
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firstoffertio
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Beitrag08.11.2011 23:42

von firstoffertio
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soleatus hat Folgendes geschrieben:
Firstoffertio, klar muss jeder seinen eigenen Stil finden. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass jeder machen darf, was er will, ohne dass sich die Leser abwenden ...

Ansonsten hilft eben nur die Untersuchung des Einzelfalls. Was sagst du zu Lovecrafts Zeile aus "Band des Kusses":

webt still ein Band von zarter Seide


Ist "zart" hier Füllwort oder nicht? Für mich: ja. Es verstellt das "Seide", traut ihm nicht zu, die Wirkung alleine erreichen zu können.

Mich würde, wie bei Rufina, deine Wahl unter den drei Kurzgedichten interessieren, und auch, wie der Gedanke deiner Meinung nach dargestellt werden sollte?!


Zu Lovekraft's "zarter" Seide": Natürlich könnte man das "zart" rausnehmen, wie auch das "stark" vor dem Stahl, das "leicht" vor vergnügt, das "gar" vor zufällig, etc. von der reinen Logik und Effizienz her. Obwohl: Ein Seidenfaden kann auch sehr stark sein. Aber abgesehen davon, ergäbe sich durch all das Wegnehmen ein ganz anderer Text, eine andere Stimmung würde übermittelt. Es kommt also auf den Kontext an, und auf den Rahmen, indem man ein Gedicht spielen lassen möchte. Deswegen habe ich auch Probleme, deine drei kurzen Beispiele zu beurteilen.

So alleine würden sie ja kaum dastehen in einem Gedicht. Also kann ich mir vorstellen, dass alle drei Fassungen in einem entsprechenden gewählten Kontext akzeptabel und vielleicht gerade passend wären.

Ich denke schon, dass es wichtig ist, zu schauen, ob man zu viele Wörter verwendet, aber das grundsätzliche Postulieren von Sparsamkeit macht mir Probleme.

Viele mögliche Methoden in der Lyrik basieren doch auf dem geraden Gegenteil. Alliteration habe ich schon erwähnt. Aber auch z.B. Vergleiche, Metaphern, ja in der Tat Metrum, Reim, wozu wären sie nütze, wenn man nur mit Logik und Effektivität an das Schreiben von Lyrik ranginge? Überspitzt gesagt würde sich auch die Frage stellen, wozu überhaupt Lyrik, und nicht besser Kurznachrichten?
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Angst
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Beitrag09.11.2011 00:01

von Angst
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firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Viele mögliche Methoden in der Lyrik basieren doch auf dem geraden Gegenteil. Alliteration habe ich schon erwähnt. Aber auch z.B. Vergleiche, Metaphern, ja in der Tat Metrum, Reim, wozu wären sie nütze, wenn man nur mit Logik und Effektivität an das Schreiben von Lyrik ranginge?

Viele Stilmittel, die du aufzählst, sind gerade deswegen gefährlich: weil sie zum Palavern verführen.
Wie viele unnütze Verse wurden geschrieben, nur weil man einen passenden Reim benötigte?
Wie viele unpassende Wörter nebeneinander gestellt, nur weil sie zufällig denselben Anfangsbuchstaben hatten?
Was Metaphern betrifft: Die sind gerade dazu da, Redundanz zu vermeiden.
Das treffende Bild in einem Gedicht sagt mehr als tausend Wörter. Es ist daher den tausend Wörtern vorzuziehen.
Dennoch glaube ich, dass es unmöglich ist, strikte Regeln dafür anzugeben, was unnötig ist.
Wenn überhaupt, entwickelt man hierfür eine Art Gefühl.
Insofern verstehe ich nicht ganz, weswegen du in diesem Kontext von "Logik" sprichst.


_________________
»Das Paradox ist die Leidenschaft des Gedankens.«
— Søren Kierkegaard, Philosophische Brosamen,
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 48.
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Gast







Beitrag09.11.2011 00:22

von Gast
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Rufina, klar: das "alte", da sind wir uns einig, muss raus. Das "gesprungene" meiner Meinung nach auch, das frisst nur Aufmerksamkeit und lenkt vom wirklich wichtigen ab. Na ja, da ich ja schlecht einen fremden Text "klauen" konnte, habe ich einen von mir genommen - und der sieht so aus wie in der Mitte:

Innenstadt

Des schlafenden Bettlers
Schale ist leer

Ich finde das richtig, weil dem Leser so die beiden entscheidenden Boebachtungen in je einer Zeile vor Augen gestellt werden: Der schlafende Bettler und die leere Schale. Und der Leser dann eben die "Verknüpfungsleistung" erbringen muss: Schläft der Bettler, weil sich die Schale nicht gefüllt hat? Füllt sich die Schale nicht, weil der Bettler schläft? Ist der Bettler über der vollen Schale eingeschlafen, und jemand hat sie ausgeräumt? (Ich finde auch die rhythmischen Figuren der beiden Zeilen schön) Aber das heißt ja nicht, das nicht auch für deine Fassung Gründe sprechen ...

Firstoffertio, für mich klingen deine Ausführungen immer so, als wäre das Streichen von Worten ein Verlust. Das stimmt doch nicht! Bei Lovekrafts Zeile wäre das Streichen ein Gewinn, weil es das eigentlich wichtige Wort, die "Seide", ohne Ablenkung durch ein Larifari-Adjektiv wie "zart" vor den Leser hinstellt (Das "gar" könnte man, glaube ich, nicht einfach streichen; aber wohl durch Umschreiben aus dem Text verabschieden). Das hat nichts mit "Logik" und nicht in erster Linie etwas mit "Effizienz" zu tun - sondern zuerst einmal mit "gut" und mit "schlecht", mit "handwerklich überzeugend" und "handwerklich geschludert".

Und doch, ja: Wie an Rufina geschrieben, dieser "Zweizeiler mit Übeschrift" ist ein ganzes Gedicht. Für mich jedenfalls ...

Ich glaube auch nicht, dass es um "Sparsamkeit" geht. Sondern einfach um einen bewussten Umgang. Um das Wissen, dass es nichts umsonst gibt - jedes Wort mehr bringt etwas, und es kostet etwas; und manchmal eben zuviel.

Und das hindert ja nun niemanden daran, was auch immer in seine Gedichte einzubauen. Wiederholungen, Reime, Alliterationen (auch ein Reim, nebenbei?!). Mich ganz sicher nicht. Nun mag ich Pantums nicht so gerne, aber vielleicht dient dir ja folgendes Triolett als Beweis meiner "Wiederholungs-Affinität"?!

Aufruf

Lasst uns Triolette schreiben!
Leichtbeschwingte, heit're Zeilen,
Die mit Ernstem Späße treiben -
Lasst uns Triolette schreiben.

Ihre Anmut lädt zum Bleiben,
Ihre Schönheit zum Verweilen:
Lasst uns Triolette schreiben,
Leichtbeschwingte, heit're Zeilen.


Und dem Aufruf darf gerne jeder folgen! Triolette sind toll. Aber einen Grund, sie mit Füllwörtern vollzuschmeißen, liefert auch diese Gattung nicht.
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firstoffertio
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Beitrag09.11.2011 00:47

von firstoffertio
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"Ich glaube auch nicht, dass es um "Sparsamkeit" geht. Sondern einfach um einen bewussten Umgang. Um das Wissen, dass es nichts umsonst gibt - jedes Wort mehr bringt etwas, und es kostet etwas; und manchmal eben zuviel."

Hat, was du da beschreibst, nicht mit Sparsamkeit zu tun?

Aber ich verstehe schon: Im Grunde sagst du, dass im Kontext des Gedichtes bewusster Umgang mit den Wörtern gepflegt werden soll.

Wie wird aber nun festgemacht, ob ein Wort zu viel ist?

Wenn deine drei Beispiele tatsächlich jeweils ein Gedicht sein sollen, dann...

Der Bettler

schläft; seine Schale
ist leer.

...finde ich dieses am besten. Titel ist "der Bettler"darauf bezieht sich der Text am eindeutigsten.
----------------------

Innenstadt

Des schlafenden Bettlers
Schale ist leer.

... weiss ich hier nicht, weshalb der Titel "Innenstadt" ist, und was der Bettler über Innenstadt aussagt. Da fehlt mir noch mehr über die Innenstadt. Innenstadt ist nicht gleich Bettler.
----------------------

Innenstadt

Der alte Bettler schläft; leer
die gesprungene Schale.

...wie oben, jedoch ist das Fehlen von mehr Text noch eindeutiger. Diese zwei Zeilen klingen (warum?) wie der Anfang eines längeren Textes, verheißen einen solchen.
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firstoffertio
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Beitrag09.11.2011 00:51

von firstoffertio
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Scheinheilige hat Folgendes geschrieben:
firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Viele mögliche Methoden in der Lyrik basieren doch auf dem geraden Gegenteil. Alliteration habe ich schon erwähnt. Aber auch z.B. Vergleiche, Metaphern, ja in der Tat Metrum, Reim, wozu wären sie nütze, wenn man nur mit Logik und Effektivität an das Schreiben von Lyrik ranginge?

Viele Stilmittel, die du aufzählst, sind gerade deswegen gefährlich: weil sie zum Palavern verführen.
Wie viele unnütze Verse wurden geschrieben, nur weil man einen passenden Reim benötigte?
Wie viele unpassende Wörter nebeneinander gestellt, nur weil sie zufällig denselben Anfangsbuchstaben hatten?
Was Metaphern betrifft: Die sind gerade dazu da, Redundanz zu vermeiden.
Das treffende Bild in einem Gedicht sagt mehr als tausend Wörter. Es ist daher den tausend Wörtern vorzuziehen.
Dennoch glaube ich, dass es unmöglich ist, strikte Regeln dafür anzugeben, was unnötig ist.
Wenn überhaupt, entwickelt man hierfür eine Art Gefühl.
Insofern verstehe ich nicht ganz, weswegen du in diesem Kontext von "Logik" sprichst.


Ich hatte das Gefühl, dass Logik eine Rolle spielte bei Beispielen wie "zarte Seide", wo das zart als redundant angesehen werden kann.

Du hast Recht, Metaphern können etwas ganz Neues aussagen, gerade mit wenig Wörtern.
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Beitrag09.11.2011 23:19

von firstoffertio
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Aus Anlass von Soleatus' "Rübensinnig":

Nun frage ich mich: Sind Wiederholungen, Redundanz etc. bei lustigen, humorvollen Gedichten sogar ein wertvolles Stilmittel, während sie in anderen nicht angebracht sein können?
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Gast







Beitrag11.11.2011 20:53

von Gast
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Hallo Firstoffertio,

das ist eine spannende Frage ... Ich weiß allerdings im Augenblick keine Antwort. Dass Wiederholungen in heiteren Gedichten einsetzbar sind, ist klar; mir fiele auf der anderen Seite kein Grund ein, warum nicht auch "ernste" Gedichte darauf aufgebaut sein können. Viele neuere Beispiele wüsste ich allerdings nicht ... Vielleicht kann ja jemand anderes aushelfen?!

Ich könnte mir jedenfalls denken, dass da auch die Erwartungshaltung eine Rolle spielt. Es ist ja z.B. heute schon schwierig, ein gereimtes "ernstes" Gedicht zu schreiben, weil eben für viele Leser die Gleichung "Reim = Lustig" gilt und sie andere Inhalte als lustige nicht recht anzunehmen bereit sind, wenn sie denn gereimt daherkommen.

Gruß,

Soleatus
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firstoffertio
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Beitrag11.11.2011 23:17

von firstoffertio
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Du denkst wirklich, dass gereimte Gedichte heute oft von vornherein oft nicht mehr ernst genommen werden? Dass Reime quasi zum sich Lustig machen anregen? Hmm. Das ist irgendwie bei mir bisher nicht so angekommen.

Ich bin aber auch ziemlich neu in der Lyrik, und sowieso kenne ich die neue deutsche Lyrik nicht sehr gut.
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Angst
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A
Beitrag12.11.2011 02:29

von Angst
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firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Ich hatte das Gefühl, dass Logik eine Rolle spielte bei Beispielen wie "zarte Seide", wo das zart als redundant angesehen werden kann.

Ich persönlich finde es schrecklich, für Gedichte irgendwelche Regeln aufstellen zu wollen.
"Zarte Seide" ist ein unglückliches Beispiel, da die Wendung ziemlich trocken und abgegriffen ist.
Aber ich verstehe nicht, warum Tautologien keine legitimen Stilmittel sein sollten. Kommt, wie eigentlich immer, auf den Kontext an.
Das gilt auch für Wiederholungen und so.
(Was ist mit Günter Eichs "dies ist, dies ist", oder mit Poes "nothing more, nothing more"?)
Für jedes Beispiel gibt's zehn Gegenbeispiele, deshalb halte ich Generalisierungen für unangebracht.


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