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Der Verband


 
 
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MT
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 52
Beiträge: 1090
Wohnort: Im Süden (Niedersachsens)


Beitrag31.05.2011 15:09
Der Verband
von MT
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Moin zusammen,

ich sitze gerade an einem Text, der am Ende vielleicht 50 - 80 Seiten haben dürfte. Eine Erzählung also, möglicherweise eine Novelle. Hier wäre ich Euch für ein erstes Statement zum Einstieg (den ich in zwei Teilen posten würde, insg. ca. 7 Normseiten) dankbar. Thematisch geht es um eine Trennung (und eine Reminiszenz an Reinhard Meys Song "Wir"):


Der Verband

Sie schloss die Tür, sie zog sie leise ran, bis der Verschluss knackte. Dann atmete sie durch. Ein Freitag wie jeder, dachte sie, und doch war seit ein paar Minuten alles anders.
Karin stand im morgendlichen Sonnenlicht und sah auf die vor ihr liegende Straße. Die Kirschbäume hatten in den letzten Tagen erste Blüten ausgebracht, zartes Weiß hing über den parkenden Autos und die Luft war erfüllt von saftigen Düften. Gegenüber auf dem Spielplatz der Grundschule wurde getobt. Lachen, Kreischen, zwischendurch ein schrilles Weinen drangen herüber, Karin lächelte, geradeso, als könne sie das weinende Kind damit trösten.
Sie stellte ihren Koffer ab und setzte sich auf den Stuhl, der für die große Blumenschale neben den Eingang stand. Die Schale stand im Keller und wartete auf neue Setzlinge. Dieses Jahr hatte Karin noch keine besorgt, es war schon Mitte April.
Aus ihrer Handtasche kramte sie Zigaretten und ein Feuerzeug. Der Rauch des ersten Zuges, des einzigen, der schmeckte, drang tief in ihre Lungen, ein leichter Schwindel legte sich in ihren Kopf. Hinter ihr stand das Küchenfenster offen, der Wellensittich meckerte. Sie würde ihn später holen.
Was tat sie noch hier? Warum ging sie nicht einfach? Sie wusste keine Antwort, sie nahm stattdessen noch einen tiefen Zug und sah dem grünen Kombi nach, der vollbepackt und mit Fahrrädern auf dem Dach vorbeifuhr. Ein Urlaubswagen. Ein Bild wie aus besseren Tagen.
„Guten Morgen, Frau Krug.“ Mit ihrem Dackel und gestützt auf einen Gehstock tauchte die Nachbarin am Zaun auf.
„Morjen, Mädchen.“
„Geht´s Ihnen gut? Es wird Frühling.“
„Ja, Frühling. Hast nüscht zu tun?“
„Nee“, antwortete Karin.
„Wir hatten früher nicht viel frei.“
„Nicht alles war früher besser.“
„Wat?“, machte die Alte.
Karin stand auf, schnippte die Kippe in die Blumenrabatte und ging zum Zaun.
„Wie geht´s Ihnen?“
„Muss ja“, sagte die Alte und zog an der Hundeleine.“
„Und Ihrem Mann? Ist sein Knie wieder gut?“
„Ja, ja. Unkraut verjeht nich.“
„Prima. Dann ist er bestimmt bald wieder im Garten.“
Frau Krug nickte und zog ihren Dackel an sich heran. Seine Krallen kratzten über die Betonplatten.
Karin hatte ihre Nachbarin nie nach ihrem Alter gefragt, sie schätzte es auf über achtzig. Frau Krug war immer kleiner geworden mit den Jahren, kleiner und gebeugter. Ihr Rücken war ganz krumm, man konnte glauben, sie falle augenblicklich vorn über, wenn sie ihren Stock nicht hätte. Auf dem Kopf trug sie stets ein Tuch, dabei schienen ihr Jahreszeiten nichts zu bedeuten. Ob Sommer oder Winter, sie hatte immer leichte, bunte Stoffe umgebunden, meistens mit Blumen darauf. Nur einmal hatte Karin sie mit einem dunklen Tuch gesehen, einem weinroten. Das war, als Frau Krugs Schwester gestorben war, vor zwei oder drei Jahren. Damals hatte sie zu Karin gesagt, es sei gut für ihre Schwester gewesen, und auf alles andere komme es nicht an.
Drinnen im Haus klingelte das Telefon, Karin konnte es durch die geschlossene Tür hören. Das war Michael, Karin war sich sicher. Nein, das wirst Du nicht tun, hatte er vorhin zu ihr gesagt, und sie war stumm geblieben. Und dann schob er nach, wenn sie ginge, würde sie ihn kennen lernen. Auch darauf hatte sie nichts erwidert und nur gedacht, wie einfach alles für ihn ist.
Dem dicken, kleinen Hund hing die Zunge seitlich aus dem Maul, er hechelte in einer Tour, obwohl er nur noch da stand und sich nicht bewegte. Schuld daran wahr wohl die Schokolade, die er zur Belohnung bekam, wenn er etwas besonders Tolles vollbracht hatte, und solche Momente gab es viele, Karin hatte es hinten im Garten über den Zaun hinweg oft miterlebt. Jetzt sah sie den kleinen Kerl mit seinen viel zu kurzen Beinen an, sah dann an Frau Krug hoch und erschrak bei dem Gedanken, dass Hund und Frauchen sich irgendwie ähnelten. Beide hatten sie einen knurrigen, aber liebenswürdigen Gesichtsausdruck, beiden sah man die Strapazen des Lebens an und wenn Frau Krug zu ihrem Hund hinabblickte und kurz an seiner Leine zog, schien es, als sei alles zwischen ihnen gesagt, was gesagt werden musste.
„Denn will ich mal wieder“, sagte Frau Krug und nickte, als wolle sie zu irgendetwas ihr Einverständnis geben. Sie sah auf den Dackel hinab und nuschelte etwas, das Karin nicht verstand.
Drüben in der Schule ging der Pausengong, die zweite Stunde begann, die Kinder liefen ins Gebäude. Ein Lehrer, der neue, er trug schulterlange Locken, winkte ihr zu. Karin winkte zurück. Die Alte sah Karin an und schmunzelte mit schmalen, faltigen Lippen.
Im Handumdrehen war der Pausenhof leer. Die Vögel in den Bäumen trällerten weiter. Der Wind wisperte durch das frische Blattwerk. Karin schloss für einen Moment die Augen und atmete den kühlen Frühlingsmorgen ein, als sich eine Hand auf ihre legte.
„Bist so´n gutes Ding“, sagte Frau Krug leise. „Gutes Mädchen. Überstürz´ man nichts.“
Karin erschrak. Sie zog die Stirn kraus und spürte das Verlangen, ihre Hand unter der anderen wegzunehmen. Doch sie traute sich nicht. Irgendetwas blockierte innerlich, ein Gefühl, als müsse sie sich für irgendetwas schämen oder entschuldigen. Auf ihrem Handrücken bildete sich Schweiß, Frau Krug ließ nicht los, sie drückte fester zu. Karin sah ihr in die Augen, und in diesem Moment wurde ihr klar, dass die alte Krug bescheid wusste, bescheid über Karin und ihren Mann. Vielleicht war ihre Nachbarin die einzige, die Karin verstehen würde. Sacht streichelte Karin ihr über die Schulter. Sie hätte Frau Krug umarmen können.
„Sagen Sie, soll ich uns einen Kaffee kochen?“
Die Alte sah hoch zum Koffer, der noch immer vor der Haustür wartete, sah dann Karin an und antwortete mit einem Lächeln.

(...)

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Wie es weitergeht »




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Ruth
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Beitrag31.05.2011 16:22

von Ruth
Antworten mit Zitat

Hey MT,

hat mir sehr gut gefallen. Vor allem der lakonische Stil.
Nur zwei Kleinigkeiten:

Irgendetwas blockierte innerlich, ein Gefühl, als müsse sie sich für irgendetwas schämen oder entschuldigen.
Zweimal in einem Satz finde ich irgendetwas nicht so schön. Vielleicht das zweite + für weglassen? Wenn ich genauer daüber nachdenke, könnte man auch das schämen weglassen?
Dann vielleicht:
Sie spürte eine Blockade, ein Gefühl, als müsse sie sich für irgendetwas  entschuldigen.
Schämen und entschuldigen ist ja durchaus weit voneinander entfernt. Schämt man sich nicht, ist es keine aufrichtige Entschuldigung. Oder man schämt sich und entschuldigt sich nicht, weil die Scham zu groß. Na, aber ich glaube ich habe heute Labertee gertunken, ich komme hier vom Hundertsten ins Tausende.

in diesem Moment wurde ihr klar, dass die alte Krug bescheid wusste, bescheid über Karin und ihren Mann
"Bescheid wissen", nach der neuen Rechtschreibung: http://www.duden.de/suchen/dudenonline/bescheid+wissen

LG,
Ruth
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lupus
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 56
Beiträge: 3914
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Beitrag31.05.2011 17:23
Re: Der Verband
von lupus
Antworten mit Zitat

servus em-ti,

es halt doch immer wieder fein, was von dir zu lesen. Inhaltlich is ja noch wenig zu sagen, aber es 'fühlt' sich einmal nicht schlecht an. Die Sprache passt, da is ein bisserl Resignation drin, schade eigentlich, dass da nicht viel Hoffnung zu sein scheint. Aber mal seh'n, vlt wird ja aus dem weg-wollen noch ein hin-wollen.

Sprachlich sind mir einige Sachen aufgefallen
rot ... mE nicht so gut
blau ... gefällt
grün ... hm??

MT hat Folgendes geschrieben:


Der Verband

Sie schloss die Tür, sie zog sie leise ran, bis der Verschluss knackte.

erst schließt sie die Tür
dann is diese offensichtlich wieder offen, weil sie fängt ja von vorne an:
zieht sie heran und dann knackt es
ich nehme an es soll sich um eine Präzisierung handeln, mE funktioniert das hier nicht, weil's nicht erkennbar ist und zweitens das Schliessen einer Tür nicht präzisiert werden muss und so wird es zu einer unnötogen Erklärung

Dann atmete sie durch. Ein Freitag wie jeder, dachte sie, und doch war seit ein paar Minuten alles anders.

ganz offensichtlich weiß sie ja, dass alles anders ist, also wird sie kaum denken, dass es ein Tag wie jeder andere ist ... es schien zu sein ... oder ganz weglassen ... wieder Freitag und doch war alles anders ... (schnellschuss Wink )

Karin stand im morgendlichen Sonnenlicht und sah auf die vor ihr liegende hinten hat se ja keene Augen, ne?Straße. Die Kirschbäume hatten in den letzten Tagen erste Blüten ausgebracht, zartes Weiß hing über den parkenden Autos und die Luft war erfüllt von saftigen Düften. riechen Kirschenblüten nach Saft? und: riechen Kirschblüten nicht alle gleich? warum Pl.?Gegenüber auf dem Spielplatz der Grundschule ich würd das irgendwie trennen: - ...- z.B. wurde getobt. Lachen, Kreischen, zwischendurch ein schrilles Weinen drangen herüber, Karin lächelte, geradeso, als könne sie das weinende Kind damit trösten.
Sie stellte ihren Koffer ab und setzte sich auf den Stuhl, der für die große Blumenschale neben den Eingang [color=red]stand[/color]. ???Die Schale stand im Keller und wartete auf neue Setzlinge. Dieses Jahr hatte Karin noch keine besorgt, es war schon Mitte April.
Aus ihrer Handtasche kramte sie Zigaretten und ein Feuerzeug. Der Rauch des ersten Zugesder Rauch is doch das was man rausbläst oder? und warum so kompliziert? 'Der erste ZUg' würde reichen, des einzigen, der schmeckte, drang tief in ihre Lungen, ein leichter Schwindel legte sich in ihren Kopf. Hinter ihr stand das Küchenfenster offen, der Wellensittich meckerte. Sie würde ihn später holen. hier mag ich die Sprache, sie passt einnwandfrei
Was tat sie noch hier? Warum ging sie nicht einfach? Sie wusste keine Antwort, sie nahm stattdessen noch einen tiefen Zug und sah dem grünen Kombi nach, der vollbepackt und mit Fahrrädern auf dem Dach vorbeifuhr. Ein Urlaubswagen. Ein Bild wie aus besseren Tagen. is zwar nicht neu, aber es vermittelt halt die Stimmung„Guten Morgen, Frau Krug.“ Mit ihrem Dackel und gestützt auf einen Gehstock tauchte die Nachbarin am Zaun auf.
„Morjen, Mädchen.“
„Geht´s Ihnen gut? Es wird Frühling.“
„Ja, Frühling. Hast nüscht zu tun?“
„Nee“, antwortete Karin.
„Wir hatten früher nicht viel frei.“
„Nicht alles war früher besser.“
„Wat?“, machte die Alte.
Karin stand auf, schnippte die Kippe in die Blumenrabatte eine Kippein mehrere Rabatte? und ging zum Zaun.
„Wie geht´s Ihnen?“
„Muss ja“, sagte die Alte und zog an der Hundeleine.“
„Und Ihrem Mann? Ist sein Knie wieder gut?“
„Ja, ja. Unkraut verjeht nich.“
„Prima. Dann ist er bestimmt bald wieder im Garten.“
super Dialog
Frau Krug nickte und zog ihren Dackel an sich heran. Seine Krallen kratzten über die Betonplatten.
Karin hatte ihre Nachbarin nie nach ihrem Alter gefragt, sie schätzte es auf über achtzig. Frau Krug war immer kleiner geworden mit den Jahren, kleiner und gebeugter. Ihr Rücken war ganz krumm, man konnte glauben, sie falle augenblicklich vorn über, wenn sie ihren Stock nicht hätte. Auf dem Kopf trug sie stets ein Tuch, dabei schienen ihr Jahreszeiten nichts zu bedeuten. Ob Sommer oder Winter, sie hatte immer leichte, bunte Stoffe umgebunden, meistens mit Blumen darauf. Nur einmal hatte Karin sie mit einem dunklen Tuch gesehen, einem weinroten. Das war, als Frau Krugs Schwester gestorben war, vor zwei oder drei Jahren. Damals hatte sie zu Karin gesagt, es sei gut für ihre Schwester gewesen, und auf alles andere komme es nicht an. richtig gut, einfühlsam, gut beobachtet und dennoch kein Wort zu viel
Drinnen im Haus klingelte das Telefon, Karin konnte es durch die geschlossene Tür hören. Das war Michael, Karin war sich sicher. Nein, das wirst Du nicht tun, hatte er vorhin zu ihr gesagt, und sie war stumm geblieben. Und dann schob er nach, wenn sie ginge, würde sie ihn kennen lernen. Auch darauf hatte sie nichts erwidert und nur gedacht, wie einfach alles für ihn ist.
Dem dicken, kleinen Hund hing die Zunge seitlich aus dem Maul, er hechelte in einer Tour, obwohl er nur noch da stand und sich nicht bewegte. Schuld daran wahr wohl die Schokolade, die er zur Belohnung bekam, wenn er etwas besonders Tolles vollbracht hatte, und solche Momente gab es viele, Karin hatte es hinten im Garten über den Zaun hinweg oft miterlebt. Jetzt sah sie den kleinen Kerl mit seinen viel zu kurzen Beinen an, sah dann an Frau Krug hoch und erschrak es is common sense, dass Hunde und Besitzer sich mit der Zeit ähneln Smile - darüber erschrickt man dochnichtbei dem Gedanken, dass Hund und Frauchen sich irgendwie ähnelten. Beide hatten sie einen knurrigen, aber liebenswürdigen Gesichtsausdruck, beiden sah man die Strapazen des Lebens an und wenn Frau Krug zu ihrem Hund hinabblickte und kurz an seiner Leine zog, schien es, als sei alles zwischen ihnen gesagt, was gesagt werden musste.
„Denn will ich mal wieder“, sagte Frau Krug und nickte, als wolle sie zu irgendetwas ihr Einverständnis geben. Sie sah auf den Dackel hinab und nuschelte etwas, das Karin nicht verstand.
Drüben in der Schule ging der Pausengong, die zweite Stunde begann, die Kinder liefen ins Gebäude. Ein Lehrer, der neue, er trug schulterlange Locken, winkte ihr zu. Karin winkte zurück. Die Alte sah Karin an und schmunzelte mit schmalen, faltigen Lippen.
Im Handumdrehen war der Pausenhof leer. Die Vögel in den Bäumen trällerten weiter. Der Wind wisperte durch das frische Blattwerk. Karin schloss für einen Moment die Augen und atmete den kühlen Frühlingsmorgen ein, als sich eine Hand auf ihre legte.
„Bist so´n gutes Ding“, sagte Frau Krug leise. „Gutes Mädchen. Überstürz´ man nichts.“
Karin erschrak. Sie zog die Stirn kraus und spürte das Verlangen, ihre Hand unter der anderen wegzunehmen. Doch sie traute sich nicht. Irgendetwas blockierte innerlich, ein Gefühl, als müsse sie sich für irgendetwas schämen oder entschuldigen. Auf ihrem Handrücken bildete sich Schweiß, Frau Krug ließ nicht los, sie drückte fester zu. Karin sah ihr in die Augen, und in diesem Moment wurde ihr klar, dass die alte Krug bescheid wusste, bescheid über Karin und ihren Mann. Vielleicht war ihre Nachbarin die einzige, die Karin verstehen würde. Sacht streichelte Karin ihr über die Schulter. Sie hätte Frau Krug umarmen können.
„Sagen Sie, soll ich uns einen Kaffee kochen?“
Die Alte sah hoch zum Koffer, der noch immer vor der Haustür wartete, sah dann Karin an und antwortete mit einem Lächeln.

(...)


so, hab jetzt nicht alles blau gemacht, was mir gefällt, sonst wird das ja ein Farbenkasterl.
Bis auf die paar Kleinigkeiten: gefällt mir gut, v.a. die kleinen Beobachtungen, die du einstreust und so den Leser mitnimmst.

lgl


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lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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MT
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Beitrag31.05.2011 17:42

von MT
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Hi Ruth,

vielen Dank für Deine Textarbeit. Ich schlage vor, ich stelle noch den zweiten "Teil" ein, dann gehe ich auf Einzelheiten ein.

LGMT


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Siegfried Lenz
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Beitrag31.05.2011 17:46

von MT
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Servus, mein lieber lupus,

schön, mal wieder von Dir zu hören (gibt´s was Neues von Dir zu lesen??).

Fein, wenn Dir der Einstieg weitgehend gefällt. Und an Deinen roten und grünen Stellen werde ich noch arbeiten, verlass Dich drauf. Erst aber - wie bei Ruth - der zweite "Teil" (der nur der Menge wegen abgetrennt wurde), den ich vielleicht noch heute einstellen kann.

LGMT


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Siegfried Lenz
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Beitrag31.05.2011 18:27

von MT
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Im Flur versorgte Karin den Hund mit einer Tupperschale Wasser. Dann setzte sie Kaffee auf, holte die weiße Porzellankanne aus dem Wohnzimmerschrank und auch die Teller, Tassen und Untertassen mit dem Rosenmuster. Sie schnitt den restlichen Zuckerkuchen vom Tag zuvor auf, legte die Stücke auf eine Platte und brachte alles nach und nach auf den Esszimmertisch. Frau Krug hatte sich auf einen der Stühle gesetzt, ihr Kopftuch abgelegt und ihren Gehstock neben sich auf den Boden fallen lassen. Schweigend und immer noch lächelnd sah sie Karin bei der Arbeit zu, und als Karin in die Küche verschwand, um Kaffeewasser nachzugießen, spürte sie eine Wärme im Magen aufsteigen, die sie schon vergessen glaubte. Sie dachte an ihre Mutter, stellte sich vor, wie sie hier am Tisch saß, auf dem Platz, auf dem jetzt Frau Krug saß, und darauf wartete, bedient zu werden. Zuvor würde sie die vier Stufen vor der Haustür bemeckert haben und gefragt haben, ob man nicht endlich zu ihr auf den Hof ziehen wolle, der doch viel zu groß sei für einen allein. Karin würde die Worte mit erzwungenem Gleichmut hingenommen haben, würde Kaffee gekocht und ihrer Mutter irgendwelches Gebäck gereicht haben, das diese moniert hätte. Gespräche, wie jedes Mal. Die kleinen Vorwürfe, deren Pfeilspitzen sich treffsicher in Karins Herz bohrten. Und dann der Satz zum Abschied: Sei froh, Kind, dass Du so einen wie Michael abgekriegt hast.
Als Karin aus der Küche zurückkam, saß Frau Krug unverändert da. Karin schaltete das Radio ein und wählte den Klassiksender. Ihren Sender, von dem sie glaubte, er würde auch ihrer Nachbarin gefallen.
„Dvořák“, sagte Frau Krug.
„Aus der Neuen Welt“, sagte Karin.
„Hmhm“, machte die Krug.
Karin nahm die Porzellankanne und ging noch einmal in die Küche. Sie füllte den durchgelaufenen Kaffee hinein, kehrte ins Esszimmer zurück und gab Frau Krug als erstes, erkundigte sich auch nach Milch und Zucker, aber Frau Krug trank schwarz.
Karin setzte sich. Ihr Ellenbogen meldete sich wieder, unter dem Verband puckerte es, das Stechen zog bis in die Schulter. Karin versuchte es zu unterdrücken.
„Tut gut“, sagte Frau Krug und stellte ihre Tasse ab.
Auch Karin trank, ihre Hand zitterte ein wenig.  
„Hast Dich verletzt, Mädchen?“ Frau Krug deutete auf Karins rechten Arm.
„Nicht der Rede wert. Heute früh, der Kleiderschrank, bin gegen die Tür gerannt.“ Karin rang sich ein Lachen ab, und schon merkte sie, wie albern und aufgesetzt es wirken musste.
Frau Krug nahm die Tasse und trank erneut. Die Neue Welt war zu laut geworden, Karin stand auf und drehte leiser. Dann zündete sie sich eine Zigarette an und setzte sich zurück an den Tisch. Jetzt dachte sie, sie hätte die Musik lauter lassen sollen. Die Ruhe im Raum hing plötzlich wie Dunst unter der Zimmerdecke. Worte, die gesprochen werden wollten und nicht über die Lippen kamen. Hier ein verschämtes Räuspern, da ein Schlürfen am Kaffee. Karin suchte nach einer Eröffnung ohne Wetter, ohne Krankheiten. Sie zog an ihrer Zigarette. Dann sagte sie:
„Darf ich fragen, wie lange sie schon verheiratet sind, sie und ihr Mann?“
„Du darfst mich alles fragen, Kind. Wir haben nächstes Jahr Goldene Hochzeit. Fuffzig Jahre mit ein und demselben Kerl“, Frau Krug lachte. „Das glaubt man selber nicht.“
„Ja, eine wirklich lange Zeit. Schaffen heute nicht mehr viele.“ Karin räusperte sich und drückte die Kippe im Ascher aus.
Wieder Schweigen. Wieder die Suche nach der Glut, die ein Gespräch entflammen kann. Karin traute sich nicht, biss sich auf die Zunge. Ihr wurde warm hinter den Wangen und in diesem Augenblick griff Frau Krug nach Karins Hand, legte sie sich in den Schoß.
„Man kann nichts erzwingen, Mädchen. Ist Dein größter Wunsch, nicht? Gehören aber zwei dazu.“
Karin nickte, sie schluckte trocken, umfasste jetzt Frau Krugs Hand ganz fest. Draußen schoben sich Wolken vor die Sonne, sofort wurde es dunkel im Wohnzimmer, kühler. Karin ließ los, sprang auf und schaltete das Licht ein. Als sie wieder saß, wischte sie sich eine Träne vom Gesicht.
„Er hat es nicht mit Absicht getan. Es war ein Versehen.“ Sie deutete auf den Verband. „Michael ist nicht gewalttätig oder böse oder so etwas, nein. Er ist…“ Karin stockte. Frau Krug blieb still, sah Karin an.
„Er ist… wie in sich selbst gefangen. Er kann so liebenswürdig sein, so zärtlich.“
„Oft liebt einer mehr“, sagte Frau Krug.
Die Tür ging einen Spalt auf, der Hund kam ins Zimmer, trottete langsam auf den Stuhl zu, auf dem Frau Krug saß und zog auf dem Parkett die Leine hinter sich her. Er ließ sich neben dem Stuhlbein fallen, er legte die Schnauze aufs Parkett und schnaufte. Ein kleiner, fetter Hund, der zufrieden mit sich und seinem Leben war.
Karin schmunzelte. Sie holte Luft, spürte, wie sich die Worte in ihr sammelten, wie sie drängelten, um von der Leine gelassen zu werden. Eben noch voller Zurückhaltung, glaubte sie jetzt, sie müsse Frau Krug eine Überzeugung abringen, einen geheimen Pakt. Sie wollte ihre Nachbarin zur Verbündeten machen, zu einer Wissenden; eine bestimmt über achtzig jährige Frau. Zu ihrer Freundin.
„Es ist der Alltag, der uns auffrisst. Wir streiten nicht einmal, verstehen Sie? Abends, wenn er heim kommt, höre ich die Schlüssel in den Türen und weiß, jetzt ist er endlich hier. Doch er geht geradewegs in sein Arbeitszimmer, begrüßt mich nicht einmal mehr. Manchmal sitzt er dann die ganze Nacht dort und korrigiert Aufsätze oder macht sonst was. Und ich schaue schlechtes Fernsehen und friere unter meiner Decke.“
„Da muss man drüber sprechen, Kind. Männer sind dickschädelig, die reden nicht über Gefühle. Das muss man denen erst beibringen.“
„Pah“, machte Karin darauf. „Wenn Sie wüssten, wie oft ich das versucht habe. Dann ist es drei Tage besser. Hin und wieder hält es sogar eine ganze Woche. Dann bringt er mir morgens Kaffee ans Bett. Ich will aber keinen Kaffee am Bett.“ Sie sah aus dem Fenster, die Sonne war jetzt ganz verschwunden.
Die alte Krug schob sich empor, sie stellte sich neben Karin und nestelte in ihrer Jackentasche. Dann zog sie eine alte Münze hervor, einen bronzefarbenen Metalltaler, den sie Karin in die Hand drückte.
„Pack den Koffer wieder aus, ist noch nicht soweit“, sagte sie und fuhr Karin mit dem Handrücken über die Wange.
„Was ist das“, fragte Karin, und die alte Krug sagte: „Ist noch nicht aller Tage Abend. Glaub einer alten Frau, mein Kind.“ Sie band sich ihr Tuch um den Kopf, hob ihren Stock vom Boden auf und nahm auch die Hundeleine wieder an sich. Karin saß noch immer, Frau Krug beugte sich ein Stück vor und küsste ihr die Stirn. Karin schloss die Augen, eine Träne rollte ihr über die Wange. Dann sah sie Frau Krug an.
„Ich könnte uns morgen wieder einen Kaffee kochen.“
„Das wäre schön“, sagte Frau Krug.
„Verraten Sie mir dann, was das ist?“ In der offenen hand hielt Karin die Münze.
„Ja“, sagte Frau Krug. „Dann verrat ich´s Dir. Achte gut auf Sie. Wenn Du sie bei Dir trägst, kann Dir nichts passieren. Niemals.“ Erneut küsste Frau Krug Karin auf die Stirn. Dann ging sie, den Hund hinter sich herziehend.
(…)

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Siegfried Lenz
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Beitrag31.05.2011 18:35

von Gast
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Hallo Markus,

ich freue mich auch jedes Mal von dir zu lesen.
Zum Text muss ich ja nix mehr sagen, da wurde ja schon gründlich Textarbeit geleistet. Eine Kleinigkeit hätte ich nur noch:

Zitat:
Dem dicken, kleinen Hund hing die Zunge seitlich aus dem Maul, er hechelte in einer Tour, obwohl er nur noch da stand und sich nicht bewegte. Schuld daran wahr wohl die Schokolade, die er zur Belohnung bekam,


Jetzt bin ich auf den zweiten Teil gespannt.

Liebe Grüße
Monika
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Gast







Beitrag31.05.2011 22:06

von Gast
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Hallo Markus,

wenn ich das nun recht verstehe, hast du beide Teile des Anfangs eingestellt ... es ist viel drinnen, aber du lässt dir Zeit, deutest an, nun, es ist wirklich nur der Einstieg und er lässt sehr viele Fragen offen.
Falls du wissen willst, ob du mit dem Einstieg neugierig machst: ja.
Ich würde jetzt gern weiterlesen, aber gleichzeitig ... befürchte ich, dass ich enttäuscht werde. Keine Ahnung, woran ich das jetzt festmachen könnte, es ist so ein Gefühl ... ich kann mich ja völlig irren.
Vielleicht würde (oder wird) mich der Verlauf im Folgenden ja überraschen, aber es fängt auf eine Weise an, die mich fürchten lässt, dass ich etwas lesen werde, was ich schon kenne ... es muss wohl daran liegen, dass ich das oben erwähnte Lied von R. Mey angehört habe, und dass ich nicht weiss, ob ich deiner Karin nicht sagen soll: Heute! Jetzt gleich, verschwinde! Er hat es einmal "versehentlich" getan, es wird wieder vorkommen ... und das Amulett, mir schwant Schreckliches.
Oder aber ich fürchte mich vor dem Alltag, der sie erwartet, dem Kaffeetrinken mit der alten Nachbarin, nun ja, vielleicht ist mir der Einstieg zu ruhig, und ich habe keine Lust auf Dahinplätscherndes, heute?

Wenigstens versteht man jetzt schon, warum sie einen Schrecken bekommen hat, wegen des Hundes, sie will dem eigenen Exemplar wohl nicht ähnlich werden?
Mir ist noch nicht ganz klar, bis zu diesem Moment, ob ich Karin begleiten wollen würde, oder nicht, so ... das waren meine spontanen Gedanken zu diesem Beginn.
Ich lese dich immer gern, deine Sorgfalt und Erzählkunst sind ungebrochen, aber ... es müsste, wie soll ich sagen, eine Beschleunigung stattfinden, wenn du verstehst, was ich meine?
(Mme Ungeduld hat gesprochen smile  )

Grüsse von hier,

Anja
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Gast







Beitrag01.06.2011 14:22

von Gast
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Hallo Markus,

jetzt habe ich beide Teile gelesen und mir gefällt dein Text gut.
Eine leise, ruhige Erzählung, wie es auf den ersten Blick scheint. Mein Kopfkino läuft auf Hochtouren. Mir zeigt sich eine Idylle mit vagen Andeutungen auf ein beginnendes Drama. Ich würde gerne wissen, wie es weitergeht, und hoffe doch, dass du die weiteren Teile einstellst.
Mal sehen, ob und was du am Text veränderst und ob sich die Stimmung (für mich) dadurch ändert. Und, ob es tatsächlich eine Novelle wird – wirklich neu (oder ungewöhnlich) ist bisher ja noch nichts. Es bleibt spannend.

Ein paar Anmerkungen als naiver Leser:

Zitat:
Schweigend und immer noch lächelnd sah sie Karin bei der Arbeit zu, und als Karin in die Küche verschwand, um Kaffeewasser nachzugießen, spürte sie eine Wärme im Magen aufsteigen, die sie schon vergessen glaubte.


Das lese ich so, als wenn Frau Krug die Wärme spürt. Vielleicht besser zwei Sätze?

Zitat:
„Verraten Sie mir dann, was das ist?“ In der offenen Hhand hielt Karin die Münze.

Zitat:

„Ja“, sagte Frau Krug. „Dann verrat ich´s Dir. Achte gut auf sSie.


Liebe Grüße
Monika
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Ruth
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 43
Beiträge: 831
Wohnort: Monnem


Beitrag01.06.2011 21:05

von Ruth
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Der zweite Teil hat mir noch besser gefallen. Das Lied kenne ich übrigens nicht und habe es jetzt auch absichtlich nicht angehört.

Ich habe nichts zu kritisieren, brüte aber über dem Titel. Im ersten Teil habe ich noch an einen Bauern- oder Dorfverband gedacht. Shocked
Weiß wirklich nicht, wieso.
Von dem Wundverband hätte ich gern eine genauere Vorstellung - wenn der so zentral ist.  Ich habe einen Mullverband vor Augen. Aber vom Schrank würde sie einen blauen Fleck bekommen. Wieso den verbinden? Klar, dass ihre Erklärung ziemlich offensichtlich gelogen ist.
Andererseits, welche Verletzung hat ihr Mann ihr beigebracht, die man verbinden müsste? Messer, Feuer? Ich gehe mal davon aus, dass der Verband auch medizinisch notwendig ist, denn zum Verstecken würden es lange Ärmel tun. Ja, wieso trägt sie eigentlich keine?

Fragen über Fragen, aber da das nur ein Anfang ist, ist das wohl ein Zeichen, dass du deine Sache gut gemacht hast.  
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MT
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Alter: 52
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Wohnort: Im Süden (Niedersachsens)


Beitrag06.06.2011 10:41

von MT
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Guten Morgen zusammen,

vielen Dank an Euch, die Ihr Euch mit dem Text beschäftigt habt.

@ lupus
Deine Anmerkungen werde ich einarbeiten, sie sind richtig und sehr hilfreich. Nur beim Einstieg hadere ich noch. Mir gefiel er bisher ganz gut, ich dachte, die Präzisierung (Verstärkung) käme hinreichend heraus. Wenn das aber nicht der Fall sein sollte, muss ich es ändern. Nur wie? Ich werd´ mal drüber brüten.

@ Monika

Zitat:
ich freue mich auch jedes Mal von dir zu lesen.

Vielen, vielen Dank. das freut mich sehr und gibt weiter Auftrieb.

Zitat:
jetzt habe ich beide Teile gelesen und mir gefällt dein Text gut.
Eine leise, ruhige Erzählung, wie es auf den ersten Blick scheint. Mein Kopfkino läuft auf Hochtouren. Mir zeigt sich eine Idylle mit vagen Andeutungen auf ein beginnendes Drama. Ich würde gerne wissen, wie es weitergeht, und hoffe doch, dass du die weiteren Teile einstellst.
Ich wollte eine leise Erzählung. Kein Haudrauf, keine lauten Töne. Es ist eine Gratwanderung, aber es scheint - bei Dir - recht gut angekommen zu sein. Prima! Vielen Dank.

Mir schwebt eine Erzählung vor, bei der ich die Trennung eines Ehepaars, die Beweggründe und Empfindungen aus der Sicht beider Partner darstelle. Oft sind es die fehlenden Worte in einer Beziehung, das mit der Zeit oberflächliche Miteinander, wodurch eine Ehe scheitert, obwohl beide noch für den anderen empfinden. Man "lebt" sich auseinander, wie es so schön heißt. Und das geschieht vielfach ohne Verschulden nur eines einzelnen. Beide müssen daran arbeiten, wenn ihnen daran gelegen ist. Eine Beziehung - auch eine langjährige - als immer wieder aufkommende Herausforderung. Das möchte ich zeigen.
Gegenwärtig sind nur diese Idee und der Anfang, den Du kennst, vorhanden. Ich habe noch nichts weiter geschrieben. Doch mal schauen, wann und wie ich weiterkomme; ich würde dann die Folgeteile hier einstellen.

Zitat:
Mal sehen, ob und was du am Text veränderst und ob sich die Stimmung (für mich) dadurch ändert. Und, ob es tatsächlich eine Novelle wird – wirklich neu (oder ungewöhnlich) ist bisher ja noch nichts. Es bleibt spannend.

Der lateinische Wortstamm des Neuen bei "Novelle" ist mir bekannt. Doch ich glaube, eine Novelle zeichnet sich nicht durch etwas Neues aus. Die "Schachnovelle" tat es nicht, und "Ein fliehendes Pferd" tat es auch nicht. Ich glaube, dass die Novelle als wesentliches Stilelement die Konzentration auf ein zentrales Thema beinhaltet und der Länge nach zwischen Roman und Kurzgeschichte verortet ist. So jedenfalls habe ich eine Novelle bisher verstanden, darauf möchte ich mit dem Text hinaus.

@ Anja
Zitat:
wenn ich das nun recht verstehe, hast du beide Teile des Anfangs eingestellt ... es ist viel drinnen, aber du lässt dir Zeit, deutest an, nun, es ist wirklich nur der Einstieg und er lässt sehr viele Fragen offen.
Falls du wissen willst, ob du mit dem Einstieg neugierig machst: ja.
Das freut mich. Wenn die ersten Zeilen/Seiten den Leser "anfüttern", ist viel gewonnen. Schön, wenn es bei Dir geklappt hat.

Zitat:
Ich würde jetzt gern weiterlesen, aber gleichzeitig ... befürchte ich, dass ich enttäuscht werde. Keine Ahnung, woran ich das jetzt festmachen könnte, es ist so ein Gefühl ... ich kann mich ja völlig irren.
Vielleicht würde (oder wird) mich der Verlauf im Folgenden ja überraschen, aber es fängt auf eine Weise an, die mich fürchten lässt, dass ich etwas lesen werde, was ich schon kenne ... es muss wohl daran liegen, dass ich das oben erwähnte Lied von R. Mey angehört habe, und dass ich nicht weiss, ob ich deiner Karin nicht sagen soll: Heute! Jetzt gleich, verschwinde! Er hat es einmal "versehentlich" getan, es wird wieder vorkommen ... und das Amulett, mir schwant Schreckliches.
Oder aber ich fürchte mich vor dem Alltag, der sie erwartet, dem Kaffeetrinken mit der alten Nachbarin, nun ja, vielleicht ist mir der Einstieg zu ruhig, und ich habe keine Lust auf Dahinplätscherndes, heute?
Ob ich Dich langweilen werde, weiß nicht naturgemäß nicht. Aber, liebe Anja, sei versichert, ich werde mein bestes tun, damit das nicht geschieht.
Jüngst las ich "Winterfisch" von Gregor Sander. Ein ruhiger, sehr ruhiger Text. Und doch fand ich ihn faszinierend, vielleicht gerade weil es es geschafft hat, mich mitzunehmen, obwohl keine Kracher passieren. Einfühlsam, tiefgründig. Sehr gut.
Mein Text steht nicht ohne Grund in der Werkstatt - ich übe daran. Und mal sehen, vielleicht bekommen ich Dich ja mit einer Fortsetzung doch noch "an den Haken" Embarassed .

Zitat:
Ich lese dich immer gern, deine Sorgfalt und Erzählkunst sind ungebrochen, aber ... es müsste, wie soll ich sagen, eine Beschleunigung stattfinden, wenn du verstehst, was ich meine?

Ja, verstehe ich gut. Und doch überlege ich, ob der Text, ob seine Personen eine Beschleunigung brauchen bzw. ob sie ihnen gut täte. Ich habe etwas Zweifel. Doch ich werde sehen, was ich - wenn die ersten Zeilen ein wenig "gehangen" haben - tun kann.

@ Ruth
Zitat:
Der zweite Teil hat mir noch besser gefallen.
Very Happy Dankeschön.

Zitat:
Von dem Wundverband hätte ich gern eine genauere Vorstellung - wenn der so zentral ist. Ich habe einen Mullverband vor Augen. Aber vom Schrank würde sie einen blauen Fleck bekommen. Wieso den verbinden? Klar, dass ihre Erklärung ziemlich offensichtlich gelogen ist.
Andererseits, welche Verletzung hat ihr Mann ihr beigebracht, die man verbinden müsste? Messer, Feuer? Ich gehe mal davon aus, dass der Verband auch medizinisch notwendig ist, denn zum Verstecken würden es lange Ärmel tun. Ja, wieso trägt sie eigentlich keine?

Die Aufklärung muss natürlich noch kommen. Doch damit möchte ich mir etwas Zeit lassen. Bei der Münze gilt übrigens das gleiche.
Doch: Medizinisch notwendig muss der Verband nicht unbedingt sein...
Zitat:

Fragen über Fragen, aber da das nur ein Anfang ist, ist das wohl ein Zeichen, dass du deine Sache gut gemacht hast.
Danke. Hoffentlich halte ich auf der weiteren Strecke entsprechend Kurs.

Tausend Dank nochmals an Euch und auf bald

Markus


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Siegfried Lenz
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Beitrag07.06.2011 14:25

von MT
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2.

Er ließ die Schüler einen Aufsatz schreiben. Ihm fiel nichts anderes ein, er hatte die Stunde vorbereitet, das schon; Rilke war an der Reihe, Trainieren fürs Abi. Doch Michael konnte sich nicht konzentrieren, seine Gedanken hingen wie Fetzen eines zerrissenen Tuchs in seinem Kopf, ohne jede Ordnung, ohne Struktur. So konnte er seinen Schülern unmöglich einen der größten deutschen Dichter näher bringen. Er musste improvisieren.
Das Thema lautete „Familie“, und als er es ausgesprochen hatte, sahen ihn die Schüler fragend an.
„Ja“, sagte er, seine Stimme klang entschuldigend. „Sie haben sich nicht verhört. Schreiben Sie auf, was Ihnen zum Thema „Familie“ einfällt. Sie haben zwei Stunden.“ Die Schüler taten ihm leid, obwohl er nicht wusste, warum.
Als es im Raum ruhiger geworden war, die Schüler hatten zu schreiben begonnen, nahm Michael sein Telefon zur Hand. Keine Nachrichten. Er steckte es zurück in die Hosentasche und sah zum Fenster hinaus. Ein dicker Frühlingsregen ging auf die Erde nieder. Er tropfte von den Blättern, nahm auch Blüten mit sich und sammelte sich zu kleinen Rinnsalen und Pfützen auf dem Schotterhof des Gymnasiums, der menschenleer war. Der Wasser versickerte nicht, der Boden war zu trocken, in den letzten Tagen war es heiß und sonnig gewesen. Schnell wurden die Pfützen größer, der Regen bildete Blasen, als er darauf fiel. Sie platzten schnell.
„Herr Kramer?“ Jörn meldete sich aus der hinteren Reihe.
„Ja?“
„Kann ich auch was über die Mafia schreiben?“ Die Klasse lachte. Auch Michael musste schmunzeln.
„Wenn es das ist, was für Sie Familie ausmacht, dann schreiben Sie was über die Mafia.“ Jörn sah seinen Nachbarn an, der nickte ihm zu, als hätten sich die beiden verabredet. Sofort wandte sich Jörn wieder seinem Blatz zu.
„Aber übertreiben Sie´s nicht mit den Leichen“, sagte Michael und die Klasse lachte erneut, während Jörn ihm ein „Alles klar“ zuwarf.
Michael mochte die Schüler seines Leistungskurses, und er bildete sich ein, dass auch sie ihn gut leiden konnten. Viele seiner Kollegen beneideten ihn um sein gutes Verhältnis zu den Schülern, manche hingegen hielten ihn wohl gerade deswegen für einen Kindskopf. Er hatte sich arrangiert mit seinem Beruf, trug es mit Fassung, dass sein Doktorvater damals einen anderen bevorzugt und die Stelle des wissenschaftlichen Mitarbeiters einem Kommilitonen gegeben hatte. Wahrscheinlich hätte Michael als Literaturwissenschaftler nicht getaugt. Jedenfalls redete er sich das ein, und meistens glaubte er es. Nur heute nicht. Heute wäre er am liebsten weitergefahren, vorbei am Lehrerparkplatz, weit weg vom Schulgebäude mit seinen gefliesten Gängen und den speckigen Holztischen. Hoch ans Meer vielleicht, der Blick frei, soweit das Auge reicht. Abstand von Karin, weil sie es so wollte. Distanz, um Nähe zu schaffen. Was für ein scheiß Spiel.
Er setzte sich zurück auf seinen Stuhl, sah zum wiederholten Mal zur Uhr, deren Zeiger sich langsamer als sonst zu bewegen schienen. Die Relativität der Zeit; manchmal verrannen zwei Stunden wie im Flug, heute tropften sie wie zähes Harz von den Bäumen.
Michaels Blick wanderte durch die Tischreihen. Jörn machte einen konzentrierten Eindruck, er schrieb mit rotem Kopf und  ohne von seinem Blatt aufzuschauen. Daniela, zwei Reihen vor ihm, starrte aus dem Fenster und kaute gedankenverloren an den Nägeln. Ihre Versetzung war gefährdet, Michael würde großzügig sein bei der Aufsatzkorrektur.
Und dann sah er zu Hannes, auf der anderen Seite des Raumes, sah in seine Augen und Hannes hatte ein leeres Blatt Papier vor sich. Seine Augen waren feucht, weit war sein Blick, als sähe er durch Michael hindurch.
Michael erschrak. Er stand auf und ging hinüber und fragte leise:
„Ist Dir nicht gut?“
Hannes schüttelte den Kopf. Eine Träne fiel aufs Papier. Michael legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Willst Du nach Hause gehen?“
Wieder schüttelte Hannes den Kopf. „Nee“, sagte er.
„Wollen wir kurz raus gehen?“
Darauf nickte der Junge. Ein zaghaftes Lächeln trat in sein Gesicht.
Im gefliesten Gang stank es nach Zigaretten. Im Gebäude herrschte sein ein paar Monaten Rauchverbot. Doch weder Lehrer noch einige der Schüler hielten sich daran und das wurde offen diskutiert. „Unterdrückung“ nannten es die einen, „Intolleranz“ die anderen. Michael hielt sich raus. Er rauchte nicht, und wenn andere rauchten störte ihn das nicht.
„Willst Du drüber reden?“ Michael Worte hallten durch den Flur.
„Gibt eigentlich nix zu reden. Alles ziemlich scheiße. Sie hört halt nicht auf.“
„Ist es wieder schlimmer geworden?“, fragte Michael.
Mit dem Handrücken wischte sich Hannes die Wangen trocken.
„Heute morgen habe ich sie im Keller gefunden. Sie saß nackt in der Waschküche auf dem Boden. Ich hab´ sie nach oben geschleppt und aufs Sofa gelegt. Und dann im Keller ihre Kotze weggemacht. Und als ich los bin zur Schule hat sie mir hinterher gebrüllt, ich wär´ nicht besser als mein Alter.“
Michael gab seinem Schüler ein Taschentuch. Der schnäuzte sich, dass es am anderen Ende des Gebäudes zu hören war.
„Wart Ihr denn mit ihr bei der Therapie? Dein Vater hatte doch da einen Kontakt.“
„Pah!“, machte Hannes. „Mein Vater… Der ist froh, wenn er selbst was zu saufen kriegt. Ich hab so dermaßen die Schnauze voll.“
Michael nickte und zugleich hätte er sich ohrfeigen können. An Hannes hatte er nicht gedacht. Natürlich kannte er das Problem mit seinen Eltern, er hatte oft genug mit Hannes darüber gesprochen. Sogar nach der Schule hatten sie sich getroffen und geredet, auf dem Schulhof und in der Kneipe nebenan. Und jetzt? Jetzt war Michael in seiner eigenen Verblendung nichts Besseres eingefallen, als die Schüler einen Aufsatz zum Thema „Familie“ schreiben zu lassen. Pädagogische Glanzleistung. Michaels Puls wurde schneller, er biss sich auf die Zähne.
„Tut mir leid, Hannes, ich bin zurzeit selbst ein wenig durch den Wind. Das Thema war ziemlicher Unfug.“
„Schon gut“, sagte Hannes.
Michael nahm ihn in den Arm, klopfte auf seine Schultern.
„Kann ich gehen?“
„Klar“, sagte Michael. „Und wo willst Du hin? Soll ich Dich nachher zu Deiner Schwester fahren.“
„Geht schon. Ich nehm´ den Bus.“
Michael hatte die Türklinke zum Klassenraum bereits in der Hand, als Hannes seinen Arm ergriff. Michael drehte sich um.
„Danke“, sagte der Junge.
Michael lächelte und nickte. Als er zurück am Pult war, nahm er erneut sein Handy zur Hand. Und schrieb eine SMS.
Denke an Dich. Sehe Dich immerzu am Meer, Deine Haare im Wind, Dein Lachen.

(...)

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Beitrag08.06.2011 08:40

von Gast
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Hallo Markus,

Perspektive des Mannes also … Wir lernen mehr über ihn in diesem Teil, als im ersten über seine Frau. Wir ahnen seine berufliche Frustration, wir sehen, dass er ein einfühlsamer Mensch ist, was übrigens nicht so ganz zum Bild passen will, welches Karin ihrer Nachbarin zeichnet („begrüßt mich nicht einmal mehr …“). Das bedeutet, dass die beiden nicht wirklich miteinander leben, bis jetzt allerdings ist nicht klar, an welchem Punkt sie begonnen haben, sich auseinander zu leben. Wir sehen, dass vielleicht zwei sehr verschiedene Menschen zusammen sind, er Nichtraucher, tolerant (übrigens: nur ein „l“ in Toleranz), sie Raucherin, die es nicht schafft, aufzuhören (Konflikt?).
Mit keinem Gedanken wird der Verband erwähnt. Michael denkt an die Entzweiung:
MT hat Folgendes geschrieben:
Heute wäre er am liebsten weitergefahren, vorbei am Lehrerparkplatz, weit weg vom Schulgebäude mit seinen gefliesten Gängen und den speckigen Holztischen. Hoch ans Meer vielleicht, der Blick frei, soweit das Auge reicht. Abstand von Karin, weil sie es so wollte. Distanz, um Nähe zu schaffen. Was für ein scheiß Spiel.


Ich frage mich hier, ob er von der Verletzung weiß, die er Karin zugefügt hat? Hier denkt er Abstand, weil Abstand gewünscht wird, aber es entspricht nicht seinem Wunsch? Als er die SMS schreibt, sagt er da die Wahrheit? Ist es nicht vielmehr so, dass er sich selbst dazu zwingt, die Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren?
Als Leser weiß ich noch nicht, was die beiden wirklich voneinander entfernt, allerdings ist der Unterschied zwischen dem einsilbigen Lebenspartner und dem sozialen Wesen außerhalb des Hauses gut gezeigt.

Ich würde jetzt gern weiterlesen (auch ohne Knaller smile …) denn, erstens hast du die ja irgendwie in den „Nebenschauplätzen“, dort wo gezeigt wird, wie weit eine Beziehung sich auflösen kann, wenn Partner selbstzerstörerische Tendenzen haben und welche weittragenden Konsequenzen das haben kann, und, zweitens würde dies der Komplexität deines Unterfangens nicht gerecht werden …

MT hat Folgendes geschrieben:
Oft sind es die fehlenden Worte in einer Beziehung, das mit der Zeit oberflächliche Miteinander, wodurch eine Ehe scheitert, obwohl beide noch für den anderen empfinden. Man "lebt" sich auseinander, wie es so schön heißt. Und das geschieht vielfach ohne Verschulden nur eines einzelnen. Beide müssen daran arbeiten, wenn ihnen daran gelegen ist. Eine Beziehung - auch eine langjährige - als immer wieder aufkommende Herausforderung. Das möchte ich zeigen.

Wie gesagt, ich würde gern wissen, wie du, mit Hilfe der Perspektivwechsel, dich dem Kern der Sache weiter näherst und möchte dir nochmals sagen, dass du das sehr gut kannst: Interesse wecken, auch ohne spektakuläre Einlagen smile , und das sagt eine, die den Ausdruck „leise Töne“ schon manchmal nicht mehr hören kann, diese Beschränkung ist manchmal nämlich nur ein Synonym für Langeweile.

Grüße von hier, wieder
Anja
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Beitrag08.06.2011 09:48

von Gast
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Hallo Markus,

ja, gefällt mir sehr. Du stellst seine Sicht der Dinge sehr anschaulich dar. Michael zeigt sich als sensibler, aufmerksamer Mann, der für seine Schüler da ist. Das macht ihn sympathisch und macht klar, dass es nicht um Gut und Böse in deiner Geschichte geht – sondern um die Sicht der Dinge. Seine Sicht ist naturgemäß eine ganz andere als ihre. Sicherlich ist keine nur gut/richtig oder schlecht/falsch.

Ich meine, Michaels Zerrissenheit zu fühlen. Z.B. hier:

MT hat Folgendes geschrieben:
Abstand von Karin, weil sie es so wollte. Distanz, um Nähe zu schaffen. Was für ein scheiß Spiel. (schreibt man, glaube ich, zusammen)


wird das sehr deutlich. Ich bin gespannt, wie du die beiden wieder zusammenbringen wirst, oder auch nicht. Die SMS gefällt mir gut und ich erwarte Karins Reaktion.

Noch ein paar Tippfehlerchen sind mir aufgefallen:

MT hat Folgendes geschrieben:
Sofort wandte sich Jörn wieder seinem Blatz zu.


MT hat Folgendes geschrieben:
Mitarbeiters einem Kommillitonen gegeben hatte.


MT hat Folgendes geschrieben:
Doch weder Lehrer noch einige der Schüler hielten sich daran und das wurde offen diskutiert. „Unterdrückung“ nannten es die einen, „Intolleranz“ die anderen.


Liebe Grüße
Monika
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Beitrag08.06.2011 09:49

von MT
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Er hatte die Aufsätze eingesammelt, hatte sie in seiner braunen Aktentasche verstaut und war direkt zu seinem Kombi gelaufen. Vorbei an den Kollegen, vorbei auch an einigen Schülern, die ihm irgendwelche Fragen nachriefen. Der Geruch der Schulflure, diese autoritäre, diese erdrückende Mischung aus Schmierseife und Beton, aus müden Menschen und Asche hatte gekratzt im Hals, hatte ihm die Luft zu atmen genommen. Und Michael war gerannt, war fast gestürzt auf den Gummimatten am Haupteingang und auf dem Parkplatz ins Auto gesprungen. Der Motor hatte aufgeheult beim Anlassen und Michael war davongefahren.
Jetzt saß er schon seit mehr als zwei Stunden hinter seinem stummen Steuer und starrte auf den Hafen, auf das Herz Hamburgs, in dem die Containerschiffe wie Bienen in ihrem Stock ein- und ausflogen. Kräne bewegte tonnenweise Metall, Sirenen schrillten, Motoren dröhnten. Bunt und wuselig ging es zu, wie auf dem Jahrmarkt. Michael stand mit seinem Wagen etwas oberhalb der Landungsbrücken, auf dem öffentlichen Parkplatz, von dem aus man über die Elbe auf die bunten Terminals sehen konnte. Hier parkten sie immer, wenn sie in Hamburg waren, und wie oft hatten sie hier den Abend verbracht mit leiser Radiomusik im Hintergrund und dem Blick auf das geschäftige Löschen der Ladungen gegenüber. Dann war sanft die Sonne hinter den Häusern der Elbchaussee verschwunden. Karin schmiegte sich an seine Schulter, und sie tranken Wein aus der Flasche. Eine gefühlte Ewigkeit war das her.
Ja, er war zu weit gegangen heute früh, hatte sie beiseite geschoben, als er das Schlafzimmer verließ und Karin war gestolpert und mit dem Arm gegen die offene Schranktür geknallt. Er hatte sie trösten wollen, trotz allem. Doch sie mochte nicht, sagte, es hätte alles keinen Sinn mehr.
Wie einfach Kränken ist, dachte er jetzt. Und wie schwierig der erste Schritt. Warum ging Leben miteinander nur mit soviel Leid einher? Er liebte sie doch. Oder tat er es nicht? Es musste doch noch etwas anderes geben als Einsamkeit zu zweit.
Michael fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht, rieb seine Augen, als wolle er einen Traum verjagen. Dann sah er wieder zur Elbe. Ein Mann, auf einen Gehstock gestützt, stand neben einer Frau. Einen Arm hatte er um sie gelegt. Sie waren viel kleiner als die anderen Paare, die auf der Aussichtsplattform den Schiffen nachsahen. Der alte Mann streichelte die Schulter der Frau. Michael rann eine Träne übers Gesicht.

3.
(…)

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Beitrag08.06.2011 10:21

von MT
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Hi Anja,

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Perspektive des Mannes also … Wir lernen mehr über ihn in diesem Teil, als im ersten über seine Frau. Wir ahnen seine berufliche Frustration, wir sehen, dass er ein einfühlsamer Mensch ist, was übrigens nicht so ganz zum Bild passen will, welches Karin ihrer Nachbarin zeichnet („begrüßt mich nicht einmal mehr …“). Das bedeutet, dass die beiden nicht wirklich miteinander leben, bis jetzt allerdings ist nicht klar, an welchem Punkt sie begonnen haben, sich auseinander zu leben. Wir sehen, dass vielleicht zwei sehr verschiedene Menschen zusammen sind, er Nichtraucher, tolerant (übrigens: nur ein „l“ in Toleranz), sie Raucherin, die es nicht schafft, aufzuhören (Konflikt?).

Ja, genau. Das trifft es. Sie leben unter einem Dach, aber nicht miteinander. Das Rauchen als kleiner Hinweis auf die Konfliktsituation, richtig.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Ich frage mich hier, ob er von der Verletzung weiß, die er Karin zugefügt hat? Hier denkt er Abstand, weil Abstand gewünscht wird, aber es entspricht nicht seinem Wunsch?

Genau. Auch er spürt, dass seit langem etwas nicht stimmt in der Beziehung. Und doch ist er nicht imstande, es zu benennen oder gar aktiv anzugehen. Ich finde, das ist häufig das Problem in Beziehungen. Man merkt, da läuft etwas nicht (mehr) rund, und doch kann man nicht daran arbeiten. Was man sehen müsste, liegt verschüttet, doch man kommt nicht auf die Idee, eine Schaufel in die Hand zu nehmen.

Zitat:
Als er die SMS schreibt, sagt er da die Wahrheit? Ist es nicht vielmehr so, dass er sich selbst dazu zwingt, die Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren?
Auch das trifft es! Er will die schöne Zeit zurück und er weiß nicht, ob es seinen (eigenen) wahrhaftigen Gefühlen entspricht. Macht er sich selbst nur etwas vor? Ist er vielleicht nur zu bequem für Veränderungen, hat sich arrangiert (wie mit seinem Job...)? Ich weiß es auch (noch) nicht wirklich. Und diese "Vielschichtigkeit" ist es, die aus meiner Sicht so sehr der Realität entspricht.

Zitat:
Ich würde jetzt gern weiterlesen (auch ohne Knaller  smile  …) denn, erstens hast du die ja irgendwie in den „Nebenschauplätzen“, dort wo gezeigt wird, wie weit eine Beziehung sich auflösen kann, wenn Partner selbstzerstörerische Tendenzen haben und welche weittragenden Konsequenzen das haben kann, und, zweitens würde dies der Komplexität deines Unterfangens nicht gerecht werden …
  smile  smile Das freut mich riesig, wenn ich Dich doch ein wenig "ködern" konnte.

Vielen Dank für Deine intensive Arbeit am Text.

LGMT


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Beitrag08.06.2011 10:40

von MT
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Hi Monika,

tausend Dank auch an Dich für die Detailarbeit.

Zitat:
ja, gefällt mir sehr. Du stellst seine Sicht der Dinge sehr anschaulich dar.

das freut mich. Es ist immer wieder eine Gratwanderung. Nicht zu viel, nicht zu wenig... Schön, wenn´s für Dich passt.

Zitat:
Michael zeigt sich als sensibler, aufmerksamer Mann, der für seine Schüler da ist. Das macht ihn sympathisch und macht klar, dass es nicht um Gut und Böse in deiner Geschichte geht – sondern um die Sicht der Dinge. Seine Sicht ist naturgemäß eine ganz andere als ihre. Sicherlich ist keine nur gut/richtig oder schlecht/falsch.
Darauf will ich hinaus. Oftmals geht es nicht um Schuld. Es geht um eine Art Automatismus. Zu dem tragen gewiss beide bei, doch das hat nichts mit gut oder böse zu tun.

Tippfehler sind korrigiert.

Merci.

LGMT


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Traumtänzerin
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Beitrag08.06.2011 11:38

von Traumtänzerin
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Hallo MT,

allein schon deshalb, weil deine Inspiration von Reinhard Mey (love) stammt, war ich mir sicher, dass dein Text eine gewisse Tiefe besitzen muss.
Als ich ihn dann gelesen habe, war ich (wie meistens) begeistert. Dein Schreibstil schafft es immer, bei mir Kopfkino zu erzeugen und mich in seinen Bann zu ziehen, Stimmungen zu erzeugen.
Ein paar Kleinigkeiten sind mir auf der sprachlichen Ebene aufgefallen, die allerdings vernachlässigbar sind.
Wenn du möchtest, kann ich mich ja mal ans Zerfieseln machen (heute jedoch noch nicht, hab noch a bisserl Organisationsstress im Moment).

LG,
Traumtänzerin


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Es genügt nicht, keine Meinung zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.
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Eine spitze Zunge ist in manchen Ländern schon unerlaubter Waffenbesitz.
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Dem wird befohlen, der sich selbst nicht gehorchen kann. (Nietzsche)
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Beitrag08.06.2011 11:47

von MT
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Hi TT,

Traumtänzerin hat Folgendes geschrieben:
Als ich ihn dann gelesen habe, war ich (wie meistens) begeistert. Dein Schreibstil schafft es immer, bei mir Kopfkino zu erzeugen und mich in seinen Bann zu ziehen, Stimmungen zu erzeugen.
  Embarassed Oh, vielen Dank. Toll, wenn Dir der Stil gefällt.

Zitat:
Ein paar Kleinigkeiten sind mir auf der sprachlichen Ebene aufgefallen, die allerdings vernachlässigbar sind.
Wenn du möchtest, kann ich mich ja mal ans Zerfieseln machen (heute jedoch noch nicht, hab noch a bisserl Organisationsstress im Moment).
Unbedingt gern! Aber bitte keinen Stress. Mach, wie Du es schaffst. Ich bin gespannt drauf.

Danke.

LGMT


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Siegfried Lenz
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lupus
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Beitrag09.06.2011 18:32

von lupus
Antworten mit Zitat

hi em-ti,

MT hat Folgendes geschrieben:
Er hatte die Aufsätze eingesammelt, hatte sie in seiner braunen Aktentasche verstaut und war direkt zu seinem Kombi gelaufen. Vorbei an den Kollegen, vorbei auch an einigen Schülern, die ihm irgendwelche Fragen nachriefen. Der Geruch der Schulflure, diese autoritäre, diese erdrückende Mischung aus Schmierseife und Beton, aus müden Menschen und Asche hatte gekratzt im Hals, hatte ihm die Luft zu atmen genommen. Und Michael war gerannt, war fast gestürzt auf den Gummimatten am Haupteingang und auf dem Parkplatz ins Auto gesprungen. Der Motor hatte aufgeheult beim Anlassen und Michael war davongefahren.

diese 'hatte' - Konstellation gefällt mir sehr gut .. is zwar PQP, aber es hat sehr viel CHarme und macht mE auch Sinn, weil du hier s.z.s. den gesamten Weg vom Klassenzimmer zum Parkplatz zusammenfasst

Jetzt saß er schon seit mehr als zwei Stunden hinter seinem stummen Steuer und starrte auf den Hafen, auf das Herz Hamburgs, in dem die Containerschiffe wie Bienen in ihrem Stock ein- und ausflogen.
das Bild is merhfach schief:
1) steht hier dass die Containerschiffe fliegen
2) in ihrem Stock fliegen Bienen nicht ein und aus

Kräne bewegten tonnenweise Metall, Sirenen schrillten, Motoren dröhnten. Bunt und wuselig ... das passt mE gar nicht zum getragenen, sehr eleganten Stil des Textesging es zu, wie auf dem Jahrmarkt. wäre ich sehr genau, würd ich sagen BIenenstock und Jahrmakrt is ein bisserl viel und der JAhrmarkt ein bisserl oft bemühtMichael stand mit seinem Wagen etwas oberhalb der Landungsbrücken, auf dem öffentlichen Parkplatz, von dem aus man über die Elbe auf die bunten Terminals sehen konnte. Hier parkten sie immer, wenn sie in Hamburg waren, und wie oft hatten sie hier den Abend verbracht mit leiser Radiomusik im Hintergrund und dem Blick auf das geschäftige Löschen der Ladungen gegenüber. Dann war sanft die Sonne hinter den Häusern der Elbchaussee verschwunden. Karin schmiegte sich an seine Schulter, und sie tranken Wein aus der Flasche. Eine gefühlte Ewigkeit war das her.

Zeitenfolge:
ich geh davon aus, dass dir die Zeitenfolge normalerweise keine Probleme macht, weshalb ich hier Absicht schnuppere. Eigentlich schreibst du nämlich, dass Karin jetzt (Erzählzeit) bei ihm ist. Ich vermute eine Projektion.
Mein vorschlag:
Er sah wieder wie Karin sich .....
Er erinnerte sich daran wie ....
Er konnte fühlen, wie ...
sowas in der Art

oder wenn es keine Projektion sein soll... weiter im PQP oder früher ins Imperfekt, aber früher geht nicht, weil da zu wenig Text ist, dh du müsstest den Text aufblasen ... schwierig ... aber so wie'S da steht geht'S mE nicht.

wenn du im PQP weiter machst hast du das Problem, dass du sofort mit der nächsten Rückblende aufwartest. Mir gefällt das, weil es eine Erinnerungsstaffel ist, noch dazu saugut geschrieben.

Mein Vorschlag für den Beginn der nächsten Rückblende:
Und heute Morgen? Ja, er war ....

Ja, er war zu weit gegangen heute früh, hatte sie beiseite geschoben, als er das Schlafzimmer verließ und Karin war gestolpert und mit dem Arm gegen die offene Schranktür geknallt. Er hatte sie trösten wollen, trotz allem. Doch sie mochte nicht, sagte, es hätte alles keinen Sinn mehr.

Ich glaube, du müsstest dich inder Rückblende für einen Moment entscheiden, an dem du ins Imperfekt zurückkehrst, nicht aber hin und herspringen.

Wie einfach Kränken ist, dachte er jetzt. Und wie schwierig der erste Schritt. Warum ging Leben miteinander nur mit soviel Leid einher? Er liebte sie doch. Oder tat er es nicht? Es musste doch noch etwas anderes geben als Einsamkeit zu zweit.
Michael fuhr sich mit den Händen durchs ... Horrorfilm?? WinkGesicht, rieb seine Augen, als wolle er einen Traum verjagen. Dann sah er wieder zur Elbe. Ein Mann, auf einen Gehstock gestützt, stand neben einer Frau. Einen Arm hatte er um sie gelegt. Sie waren viel kleiner als die anderen Paare, die auf der Aussichtsplattform den Schiffen nachsahen. Der alte Mann streichelte die Schulter der Frau.

die obere Beschriebung hinterlässt bei mir den Eindruck, dass die Elbe recht weit weg ist, das Streicheln (eine sehr intime, 'kleine' Bewegung) schient mir dann nicht erkennbar.

Michael rann eine Träne übers Gesicht.

Ich frage mich, warum Tränen so oft einzeln rinnen. Wink

3.
(…)


lgl


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gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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Beitrag09.06.2011 22:38

von Gast
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Guten Abend Markus,

lupus hat so einiges angesprochen, was mir auch aufgefallen ist, vor allem funktioniert die Rückblende nicht, in der Karin und Michael zusammen Radio hören und Wein trinken, das sollte mE auf jeden Fall noch überdacht werden.

Ich würde aber gern auf die letzten Abschnitte dieses Teils inhaltlich eingehen.

MT hat Folgendes geschrieben:
Ja, er war zu weit gegangen heute früh, hatte sie bei Seite geschoben, als er das Schlafzimmer verließ und Karin war gestolpert und mit dem Arm gegen die offene Schranktür geknallt. Er hatte sie trösten wollen, trotz allem. Doch sie mochte nicht, sagte, es hätte alles keinen Sinn mehr.

Es gibt hier einen Hinweis, dass ein Streit stattgefunden hat, am Morgen, er denkt aber weiter nicht darüber nach, warum?

MT hat Folgendes geschrieben:
Wie einfach Kränken ist, dachte er jetzt. Und wie schwierig der erste Schritt. >>> (hier fehlt etwas, wie zb. „zur Versöhnung“ ) Warum ging Leben (< >) miteinander nur mit so viel Leid einher? Er liebte sie doch. Oder tat er es nicht? Es musste doch noch etwas anderes geben als Einsamkeit zu zweit. Michael fuhr sich mit den Händen durchs  übers Gesicht, rieb seine Augen, als wolle er einen Traum verjagen. Dann sah er wieder zur Elbe. Ein Mann, auf einen Gehstock gestützt, stand neben einer Frau. Einen Arm hatte er um sie gelegt. Sie waren viel kleiner als die anderen Paare, die auf der Aussichtsplattform den Schiffen nachsahen. Der alte Mann streichelte die Schulter der Frau. Michael rann eine Träne übers Gesicht.


Da habe ich ein wenig Probleme mit dem Blaugefärbten. Es ist nicht ganz klar, auf was genau angespielt wird, mit dem "Kränken". Ist Michaels gekränkt sein gemeint, weil er trösten wollte und zurückgewiesen wurde, oder bezieht sich dieser Gedanke auf ein Ereignis davor, das wir (noch) nicht kennen? Was mich zu der Frage führt: Was passiert im Schlafzimmer, vor oder während des Streits, was passiert überhaupt im Schlafzimmer, oder auch nicht, und warum verschwendet Michael keinen Gedanken an das, was ihn mit Karin in körperlicher, sexueller Hinsicht verbindet? (Auch das kann man subtil unterbringen, es jedoch ganz wegzulassen, erscheint mir beinahe fragwürdig, allerdings erschließt sich das dem Leser an dieser Stelle einfach noch nicht, vergiss es also, falls es gewollt ist.)
Miteinander Leben (übrigens: "Leben miteinander", solltest du mindestens zu "miteinander Leben" machen) geht seiner Meinung nach mit viel "Leid" einher, das ist hart formuliert, was ist wirklich los bei den Beiden?
Dieser Absatz sieht ein bisschen nach aneinandergereihten Allgemeinplätzen aus, "die Einsamkeit zu zweit", zum Beispiel, also du könntest hier vielleicht ein bisschen strecken, aber nun noch etwas wichtiges.

Zitat:
Er liebte sie doch. Oder tat er es nicht?
Wenn er sich diese Frage auf diese Weise stellt, dann ist sie ja schon beantwortet, wenn du also ausdrücken willst, dass er sie vielleicht noch liebt, wär es vielleicht einfacher, ihn an Eigenschaften  denken zu lassen, die er an ihr liebt, denn das würde ein „zu ihr hin“ denken ausdrücken, und weniger eine „halt noch bei ihr“-Haltung.
Die Träne – drückt sie Trauer um die schon verlorene gemeinsame Zukunft aus? Oder nur die Traurigkeit, die mit dem Bewusstsein der Vergänglichkeit einhergeht? Mit anderen Worten: weint er, weil er fürchtet, mit Karin nicht alt zu werden, wie er es eigentlich erhofft hatte, oder, weil er sich vielleicht schon so fühlt, als läge nichts mehr vor ihm, als habe er schon gelebt, als sei er schon dort angekommen, wo nichts Großartiges mehr passieren wird?
Ich bin mal gespannt, ob es zwischen Karin und Michael nicht noch ein ungelöstes Problem gibt, was einen eventuellen Kinderwunsch des einen oder anderen betrifft.
Ich würde gern weiterlesen,
wieder einen Gruß
Anja
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Ruth
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 43
Beiträge: 831
Wohnort: Monnem


Beitrag10.06.2011 09:16

von Ruth
Antworten mit Zitat

Ah, ah, der Verband! Also war die Schanktür nicht gelogen. Sie hat sich den Arm verbunden, um eine anklagende Wirkung zu erzielen? Ein "Mahn-Verband"?
Wenn sie nicht nur einen blauen Fleck hat, sondern eine Abschürftung, könnte man es vielleicht an dieser Stelle erwähnen? Wenn es ein Spiegelschrank mit einer scharfen Türkante war?
Aber du weißt in deiner Geschichte besser Bescheid.

Der Text hat einen "Flow", es gab nur eine Stelle, an der ich mehrmals gestolpert bin. Hier nimmt die Handlung Fahrt auf, deshalb würde ich das auch sprachlich beschleunigen. Vorschläge:
MT hat Folgendes geschrieben:
Er hatte die Aufsätze eingesammelt, hatte sie in seiner braunen Aktentasche verstaut und war direkt zu seinem Kombi gelaufen. Vorbei an den Kollegen, vorbei und auch an einigen Schülern, die ihm irgendwelche Fragen nachriefen. ("den Kollegen": Sind das wirklich alle?) Der Geruch der Schulflure, diese autoritäre, diese erdrückende Mischung aus Schmierseife und Beton, aus müden Menschen und Asche hatte  im Hals gekratzt, hatte ihm die Luft zu atmen genommen. Und Michael war gerannt, war fast gestürzt auf den Gummimatten am Haupteingang und auf dem Parkplatz ins Auto gesprungen. Der Motor hatte aufgeheult beim Anlassen und Michael war davongefahren.
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