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Die "moderne" Lyrik: Bildchaos und Formwillkür?

 
 
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Mr. Curiosity
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Der goldene Käfig


Beitrag23.03.2011 14:29
Die "moderne" Lyrik: Bildchaos und Formwillkür?
von Mr. Curiosity
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Hallo,

mir sind da beim Durchlesen von Werken renommierter Lyriker ein paar Fragen aufgekommen.
Allgemein gilt es ja oft, dass man in einem Bild bleiben sollte oder, sollte man mehrere Motivebenen verwenden, diese klar voneinander zu trennen. So halte ich es auch bei meinen Gedichten.
Allerdings drängt sich mir bei immer mehr Gedichten von "hochdekorierten" Lyrikern (Gewinner des Open Mike oder des Leonce- und- Lena- Preises z.B.) der Eindruck auf, dass dieser Grundsatz hinfällig wird und auf klar greifbare Bilder zugunsten völliger Abstraktion verzichtet wird. Soll heißen: Lyrik wird reine Kopfsache.
Wie handhabt ihr es mit den Metaphorisierungen, bzw. Allegorisierungen? Empfindet ihr Gedichte, die in einem Bild bleiben, als zu glatt? Wenn ja, in welchem Maße würdet ihr sagen, sind Bildbrüche erlaubt und ab wann treibt man in pseudo-lyrische Assoziationsgebilde ab? Klar ist in dem Zusammenhang das "Maß" schwer zu erklären. Nichtsdestotrotz .. vielleicht hat einer was dazu zu sagen?

Zweiter Punkt ist das häufige Fehlen klassischer rhetorischer Mittel. Der Reim scheint völlig unmöglich geworden zu sein, Klein- und Großschreibung unabhängig vom Thema des Gedichtes verpönt und Enjambements völlig beliebig. Wie steht ihr dazu? Letzten Endes ist das auch der Grund, warum ich hier konkret das Problem der Bildlichkeit anschneide, nämlich, weil ich das Gefühl habe, dass sich Lyrik heutzutage fast nur noch darauf beschränkt.

LG David


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Mr. Curiosity
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Der goldene Käfig


Beitrag25.03.2011 02:08

von Mr. Curiosity
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Habe ich mir das eingebildet oder stand hier nicht vorher mal ein Kommentar?

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Franziska
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Beitrag25.03.2011 10:20

von Franziska
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Hallo David,
nein, das hast Du dir nicht eingebildet. Das war ich.
Ich hab es entfernt, weil ich mir blöd vorgekommen bin.
Du schreibst da oben so viel von Techniken.. um dir eine Antwort zu geben, die zu deinen Fragen wirklich passt, müsste ich mich erst einlesen.
Googeln, usw.
Ich bin glücklich darüber, dass du mit dem Thread angefangen hast, weil ich eigentlich viel dazu zu sagen hätte, aber alles aus dem Bauch und nicht so technisch, wissenschaftlich.
Was ich nicht versteh in deinem Text ist:
"Lyrik wird reine Kopfsache."
Ich seh es genau andersrum:
Lyrik, moderne Lyrik ist mehr Bauchsache.
Die altherkömmliche Dichtung ist eher Kopfsache. Ganz im Ernst.
Kannst du das nachvollziehen?

Lieben Gruß
Katharina


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Nemo
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Beitrag25.03.2011 10:41

von Nemo
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Hallo David,

diesen Trend beobachte ich seit einigen Jahren auch mit großer Skepsis. Besonders beim Leonce-und-Lena-Preis scheint es eine Schändlichkeit, Stilmittel der Rhetorik oder Reime anzuwenden. Und ja, oftmals kommen die Gedichte immens kopflastig daher und sprechen eben nicht die emotionale Ebene an, wirken aber gleichzeitig formal fragwürdig undurchdacht. Das ist für mich persönlich ein schweres Vergehen, weil ich glaube, dass lyrische Sprache sich ganz besonders eignet, um emotional zu arbeiten, während dies in der Prosa doch zumeist über den Inhalt gemacht wird. Insofern sehe ich dies als Verschwendung der lyrischen Form. Ich habe manchmal das Gefühl, dass in den Gedichten nicht mehr die Kommunikation mit einem Leser gesucht wird und über Form- und Stilmittel gestaltet wird, sondern dass es bei diesen Gedichten um eine Kommunikation des Autors mit dem eigenen Kopf geht. Dass dadurch die Lyrikbände wie Ziegel in den Verkaufsregalen liegen, Lyrik zum Steckenpferd kleiner Enthusiastenkreise verkommt und aus dem Blickfeld praktizierter Kultur gerät, ist eine Schande. Vor allem, weil jene Lyrik ihren Autoren einen intellektuellen Standesdünkel verleiht, den sie als avangardistisch missverstehen - in Wirklichkeit ist die Kommunikation mit sich selbst, die Selbstreferenzialität der Individualität, ein Ergebnis von plumpen und allseitsgelebten Individualisierungstrends, die in dieser Lyrik nur eine vermeintlich intellektuelle Form bekommen, im Grunde aber von der gleichen Asozialität getrieben werden wie  die Identitätssuche durch Handy-Klingeltöne. Der "moderne" Lyriker scheint mir den Leser zu verachten, die Verständlichkeit zu scheuen. Genährt wird das wohl daraus, dass Kunst in ihrer Autonomie-Illusion stets den "Mainstream" verpönt, der ja nichts anderes heißt, als ein Kommunikationsangebot zu formulieren, dass an den "Hauptteil" der Leserschaft adressiert werden soll. Dieser Hauptteil, die plumpe Masse, ist jedoch kein Ort, wo sich der strahlende, autonome Künstler aufhalten möchte. Er schwebt darüber und hadert mit der Welt, weil er eben ganz alleine schweben muss. In dieser Zerissenheit aus Verachtung und Abgrenzung zur Leserschaft einerseits, und intellektueller Vereinsamung, verstanden als künstlerischer Identität, andererseits, lebt in meinen Augen die Lyrik, wie Du sie skizzierst hast - und sie verliert dadurch ihren Sinn und Zweck: Denn sie ist Sprache, und Sprache dient der Vermittlung von Informationen. Und damit ihr das so gut wie möglich gelingt, sollte sie gestaltet werden.

Besten Gruß
Nemo


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Franziska
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Beitrag25.03.2011 10:57

von Franziska
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Zitat:
Dass dadurch die Lyrikbände wie Ziegel in den Verkaufsregalen liegen, Lyrik zum Steckenpferd kleiner Enthusiastenkreise verkommt und aus dem Blickfeld praktizierter Kultur gerät, ist eine Schande


Hallo Nemo!

Das ist mir allerdings ein Rätsel, weil in der "Zackzack"-Gesellschaft ist gerade die Form des kleinen kurzen Kicks gefragt.
Lyrik eignet sich doch wunderbar für den Alltag zwischendurch, eben ein kleiner Kick für Menschen, die sich HoppHopp vom einen ins andere stürzen. Warum kommen eigentlich so wenig Leute drauf, wie fein es ist, wenn man schon keine Zeit hat, Bücher zu lesen, wenigstens ab und an mal in einem Gedichteband zu blättern.
Seltsam, seltsam; muss schon sagen.... grr


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Nemo
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Beitrag25.03.2011 12:51

von Nemo
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Franziska hat Folgendes geschrieben:
Das ist mir allerdings ein Rätsel, weil in der "Zackzack"-Gesellschaft ist gerade die Form des kleinen kurzen Kicks gefragt.

Ich denke, dass ist etwas komplizierter. Der "kurze Kick" bezieht sich ja vor allem auf eine anstrengungslos und unmittelbar erfassbare Informations-Dimension, welche durch die Lyrik, wie David sie beschrieben hat, formal abgelehnt wird. Aber selbst wenn Lyrik auf einer emotionalen Ebene erfolgreich arbeitet, braucht es dafür eine emotionale Beteiligung des Lesers, die nun einmal etwas Anstrengung und Zeit kostet. Um ihn dazu zu bringen, diese zu investieren, muss man ihm etwas bieten, ihn fesseln - dazu gibt es gewisse Techniken, wie man die Form einsetzt, um zum Inhalt hin zu führen, beispielsweise die Arbeit mit bestimmten Bildern, die David ja angesprochen hat. Aus diesem Grund denke ich, ist Lyrik nicht unbedingt geeignet für den "schnellen Kick", weil sie - wenn sie unverständlich und willkürlich ist - kein Informationsbedürfnis erfüllt, und 2) wenn sie verständlich und gut geschrieben ist, eine emotionale Leserbeteiligung braucht. Für den "schnellen Kick" wurde ja eigentlich auch die Short-Story erfunden.

Lyrik ist hingegen sehr schlecht verkäuflich. Das ist ein Fakt. Über die Gründe kann man diskutieren. Ich jedenfalls sehe einen direkten Zusammenhang zu dem, was David beschrieben hat: Lyrik macht sich heute oftmals durch ihre willkürliche Form selbst unverständlich - und mir scheint, dass dies auch beabsichtigt ist.

Besten Gruß
Nemo

p.s.: Meine Aussagen mögen etwas generalisierend erscheinen. Die Rede ist aber von einem Trend. Es gibt auch viele zeitgenössische Lyriker, die sehr klar und treffen formulieren und mit starken Bildern arbeiten, die ich sehr schätze. Ich möchte also kein Pauschalurteil fällen.


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Franziska
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Beitrag25.03.2011 13:36
Lieber Nemo
von Franziska
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Zitat:
Ich jedenfalls sehe einen direkten Zusammenhang zu dem, was David beschrieben hat: Lyrik macht sich heute oftmals durch ihre willkürliche Form selbst unverständlich - und mir scheint, dass dies auch beabsichtigt ist.


Ja, das ist bestimmt beabsichtigt, ich denke, es geht nicht um das Verstehen, es geht ums Interpretieren, oder besser gesagt um die "Auflockerung" die beim Lesen eines "aufgelösten" Gedichtes passiert. Es geht um die Befreihung, die man empfinden kann, wenn das alltägliche Verständnis über den Haufen geworfen wird. Es geht um "Auflösung ", nicht um zwanghaftes Verstehen wollen.
LG Franzi


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Nemo
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Beitrag25.03.2011 14:40

von Nemo
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Hallo Franzi,

ich glaube, wir sollten zwei Dinge nicht vermischen. Das Alltagsverständnis kann nur dann durchbrochen werden, wenn ein außeralltägliches Verstehen eingeleitet wird. Dieses andere Verstehen ist eben nicht gleichzusetzen mit Nichtverstehen und Nichtverstehenkönnen. Wer aus dem einen Verständnis herauslösen will, muss ein anderes Verständnis anbieten. Gerade das aber scheint mir oftmals nicht mehr zu gelingen. Wer die Sprache von ihrer Sinnvermittler-Funktion ablöst, degradiert sie zum bedeutungslosen Laut. Was ist eine Sprache, die nicht verstanden wird? Wozu brauchen wir sie? Nein, es geht bei Sprache immer um das Verstehen des einen durch den anderen - egal, ob dies ein emotionales Verstehen ist, ein unbewusstes Erspüren, oder ob es das logische Nachvollziehen ist.

Franziska hat Folgendes geschrieben:
es geht nicht um das Verstehen, es geht ums Interpretieren,

Das ist eine merkwürdige Trennung. Das Ziel des Interpretierens ist das Verstehen. Dazu hat Friedrich Schleiermacher sehr durchdacht geschrieben, dass "jeder Akt des Verstehens die Umkehrung eines Aktes des Redens ist, indem in das Bewußtsein kommen muß, welches Denken der Rede zum Grunde gelegen". Und dieser Vorgang ist Interpretation.


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Beitrag25.03.2011 14:58

von Akiragirl
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Obwohl ich keine Lyrikerin bin und auch wenig Lyrik lese, möchte ich meinen Senf zu diesem Thema auch abgeben. Ich glaube nämlich, es liegt genau daran, was Mr.Curiosity und Nemo schon erklärt haben, dass ich einfach keine Lyrik mehr lesen mag. Weil es für mich nichts transportiert, kein Gefühl, keine Aussage - gar nichts. Manche Gedichte sind (für mich) nur noch Aneinanderreihungen von Wörtern, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Sie reimen sich nicht, haben keinen Rhythmus - nichts.

Ich bin z.B. ein großer "Fan" von Rilke. Weil seine Gedichte neben der eigentlichen Aussage meist ein starkes Gefühl transportieren, meistens Melancholie, die er durch seine Worte irgendwie direkt ins Herz des Lesers schießt. Anders kann ich es als Nicht-Expertin nicht erklären. Er ist bildlich und emotional, und vor allem die Reime und die Satzmelodien transportieren doch die Aussage.

Wenn man nun die Lyrik von allen Formen befreit, was bleibt dann eigentlich noch? Überspitzt gesagt, könnte ich heutzutage wahrscheinlich Wörter aus Zeitungen herausschneiden und willkürlich aneinandersetzen. Am Ende haben wir Weltliteratur geschaffen  Rolling Eyes Vor allem Foren, wie das DSFO, geben Möchtergern-Lyrikern (für mein Empfinden) einen Platz zum Austoben. Bei Prosa erkennt noch jeder halbwegs intelligente Mensch, wenn es Mist ist. Bei Lyrik hingegen kann es noch so hohl und platt sein, irgendeiner hält es bestimmt für "Kunst" (ganz besonders der Dichter selbst).
Wobei ich hier im Forum eben auch schon richtig tolle Gedichte gelesen habe, nur leider gehen sie ein bisschen unter in diesem Wust von "Moderne".

So ... Genug gemeckert jetzt   Smile


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Mr. Curiosity
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Beitrag25.03.2011 15:21

von Mr. Curiosity
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Akiragirl hat Folgendes geschrieben:
Sie reimen sich nicht, haben keinen Rhythmus - nichts.


Jetzt bewegst du dich aber auf dünnem Eis  Laughing  Nichts von beidem braucht ein Gedicht, wenn es nicht erforderlich ist.
Was mich eher stört, ist, dass jede Form von Strukturierung über den Haufen geworfen wird, wie ich vermute aus "Angst" vor fehlender Individualität im Gedicht. Gerade im Chaos aber geht diese verloren, weil das Chaos in den Werken vieler Lyriker sich inzwischen so erschreckend ähnelt.
Was ist gegen einen gezielt gesetzten Reim, lautliche Motive, Rhythmisierungen an passenden Stellen und andere klangliche Motive einzuwenden. Häufig ist es tatsächlich nur kompliziertere, assoziativere Prosa mit willkürlichen Zeilenumbrüchen.
Ein fliegenähnliches Herumschwirren sprachlicher Zeichen im Kopf.


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Franziska
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Beitrag25.03.2011 16:01

von Franziska
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Hallo Nemo!

Zitat:
Das ist eine merkwürdige Trennung. Das Ziel des Interpretierens ist das Verstehen.


Finde ich nicht, es geht um den Spass an der Reise des Deutens.
EIn abstraktes Bild kann man auch nicht verstehen..ABER man kann etwas spüren wenn man es aufnimmt.
Ich setzte das gleich mit moderner Lyrik.
Man kann es spüren, wenn man es möchte, wenns gefällt, wenn man Spass dran hat, dafür offen ist. Das muss man ja nicht!
Hier gibt es keine Frage, die mit FALSCH oder RICHTIG beatwortet werden kann.
Verstehen ist nicht gleich spüren, denke ich.
Beispiel dafür ist auch in der Musik NOISE. Kein Rhythmus, kein Liedtext, nur Bumm, Bamm, Wutsch. Ich liebe solche Musik, sie öffnte meine Seele.

Lieber David,
Zitat:
assoziativere Prosa mit willkürlichen Zeilenumbrüchen.
Ein fliegenähnliches Herumschwirren sprachlicher Zeichen im Kopf.


Ja, manchen sagt aber auch das Aneinanderreihen von Buchstaben etwas.
Das Willkürliche.
Manche Werke sprechen mich an..ich "verstehe+interpretiere+empfinde" sie auf meine Weise und freu mich, lächle, stimme überein, steige auf in den Himmel der Freiheit meines Geistes... HUIIII
Schade, dass ich niemand hier einreiht, dem es ähnlich geht wie mir.
Der das auch genießen kann!

LG Franzi


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Nemo
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Beitrag25.03.2011 16:25

von Nemo
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Hallo Franziska,

Franziska hat Folgendes geschrieben:
Finde ich nicht, es geht um den Spass an der Reise des Deutens.

Ja, Spaß hin oder her. Eine Deutung ist eine vorläufige Einordnung des Gedeuteten in einen sinnhaften Kontext - mit anderen Worten Verstehen. Dinge kann man auf vielerlei Art verstehen und man kann auch Spaß haben, wenn man Dingen verschiedene Deutungen unterstellt und somit auf unterschiedliche Art versteht. Das hat doch keiner bestritten. Du knüpfst das Verstehen zu sehr an ein "richtiges" Verstehen. Es geht aber um ein Verstehen, das dem Leser vollkommen selbst überlassen ist: Es geht um seine eigene, subjektive Deutung.
Zitat:
EIn abstraktes Bild kann man auch nicht verstehen..ABER man kann etwas spüren wenn man es aufnimmt.

Natürlich kann man es durch Erspüren verstehen. Denn das einzige, was sich überhaupt verstehen lässt, ist Sinn. Und wenn der Sinn auf emotionaler Ebene liegt, dann kann man ihn auch Erspüren. Ich empfehle dazu mal Martin Heidegger "Sein und Zeit", oder "Der Ursprung des Kunstwerks".


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Angst
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Beitrag25.03.2011 16:52

von Angst
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Nemo hat Folgendes geschrieben:
Der "moderne" Lyriker scheint mir den Leser zu verachten, die Verständlichkeit zu scheuen.

That's Avantgarde, baby! =P
Ich kann die Frustration "normalsterblicher" Leser zwar nachvollziehen.
Dennoch bin ich avantgardistischen Tendenzen nicht abgeneigt.
Unterhaltung gehört nicht notwendigerweise zur Aufgabe der Kunst.
Ausserdem geht's schon lange nicht mehr ausschliesslich um Genie, Talent und Können.


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Nemo
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Beitrag25.03.2011 17:06

von Nemo
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Liebe Scheinheilige,

auf Unterhaltung wollte ich auch eigentlich nicht hinaus. Ich denke, Kunst sollte durchaus mehr sein, als Unterhaltung. Ich weiß nur nicht, warum sie dieses "Mehr" heutzutage nicht mehr verständlich auf den Punkt bringen kann, sondern die "Normalsterblichen" von diesem Mehr ausschließt? Ist sie etwa unsicher geworden, schüchtern gar, oder nur inkompetent. Es geht um Verständigung und Verständlichkeit - das Fass, über welche Inhalte man sich verständigt, können wir gerne im Anschluss aufmachen wink Es ging ja nur erstmal um die Formwillkür, die David angesprochen hat.


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Angst
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Beitrag25.03.2011 18:02

von Angst
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Hi Nemo,

Ich habe mich nur teilweise auf dich bezogen.
Mein Einwand war auch an Akiragirl gerichtet, deren Meinung, wie ich glaube, ziemlich genau dem "Common Sense" entspricht.
Wir sollten uns von der Vorstellung lösen, dass Kunst unbedingt schön oder verständlich sein muss.
Ich denke zwar nicht, dass du und David diese Vorstellung habt.
Trotzdem scheint ihr allgemein nachvollziehbare Ausdrucksformen zu fordern.
(Korrigiert mich bitte, wenn ich euch was Falsches unterstelle.)
Diesen Ansatz finde ich falsch.
Avantgardisten haben schon immer eher für sich selbst als für die Massen produziert.
Diese Ablehnung des Mainstreams bringt mitunter faszinierende Werke hervor.
Werke, die auch genossen werden können – da bin ich mit Franziska einer Meinung.

Kubistische Maler gehörten auch mal zur Avantgarde.
Auf Pablo Picassos Gemälde hätte man eure Kritik der "Formwillkür" garantiert auch anwenden können.
Picasso scherte sich nicht um eine einheitliche Perspektive.
Hätte ich zum damaligen Publikum gehört, hätte ich das wohl nicht verstanden.
Was hätte ich mehr sehen können, als ein seltsames, inkompetentes Geschmiere?
Heute gehören seine Werke zum Kunstkanon.
Deswegen würde ich mit Unverständlichkeit etwas geduldiger umgehen.


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Beitrag25.03.2011 21:17

von Franziska
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NEMO:
Zitat:
Ich empfehle dazu mal Martin Heidegger "Sein und Zeit", oder "Der Ursprung des Kunstwerks".

Allright.

da fällt mir ein:
DER SINN DES UNSINNS.

Dein Verständnis von Verstehen und mein Verständnis von Verstehen kommt sich langsam näher, wie mir scheint.

Zitat:
Du knüpfst das Verstehen zu sehr an ein "richtiges" Verstehen

so hab ich dein Verstehen verstanden.....anfänglich

Hey, was haltet IHR: David, Nemo, Akiragirl & Scheinheilige
davon, ein Beispiel einzustellen von einem Gedicht, dass ihr furchtbar oder grandios findet?!?
Dann hätten wir mehr Anhaltspunkte und würden weniger im luftleeren Raum schweben mit unseren Vorstellungen von Abstraktem, Avantgarde, willkührlich aneinandergereihten Buchstaben mit Umbrüchen oder eine Wortwurst oder was es alles gibt?

Ich fände das sinnvoll.

Schönen Abend allerseits
Franzi


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Beitrag26.03.2011 00:05

von Angst
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Gute Idee! Mich persönlich würde ja interessieren, was ihr von nicht-zeitgenössischen Gedichten wie diesem hier von Hugo Ball hält.

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Beitrag26.03.2011 00:45

von Akiragirl
Antworten mit Zitat

@Scheinheilige: Das ist ein tolles Beispiele für "Gedichte", zu denen ich keinen Zugang finde.

Aber ganz so "abgefahren" muss es ja gar nicht sein.
Ich verdeutliche mal den Unterschied, den ich beim Lesen eines Gedichts empfinde am Thema "Blätterfall", einmal modern und einmal "klassisch":

Modern: Wolfgang Bächler: Blätterfall
Klassisch: Rainer Maria Rilke: Herbstgedicht

Das erste ist ja nicht völlig sinnfrei oder so ... Es hat durchaus eine Aussage, ist also nicht in dem Sinne "avantgardistisch". Aber durch das (für mein Empfinden, ich betone: Ich bin keine Lyrikkennerin!) Fehlen von jeglicher Melodie und Reim, von einfach allem, was für mich Lyrik ausmacht, "fühle" ich dabei rein gar nichts. Es ist eigentlich wie Prosa, in die man ein paar Leerzeichen eingefügt hat.


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Beitrag26.03.2011 02:25

von Mr. Curiosity
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Na gut, lautliche Poesie ist ja nun wirklich ein Sonderfall, auf den ich gar nicht hinauswollte, weil da ganz andere Dinge zählen.
Da nachgefragt wurde ... hier ein Beispiel für etwas, womit ich nichts anfangen kann:

http://www.literarischer-maerz.de/verg/07_Schloyer.php

Hier ein Beispiel für etwas, womit ich was anfangen kann:

http://www.literaturwerkstatt.org/uploads/tx_pdfdownload/Levin_Westermann_Text.pdf

Das moderne Gedicht, das du ausgewählt hast, Anne, ist für mich allerdings auch wirklich Mist  Confused  Rilke bleibt ein zeitloses Genie wink


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Beitrag26.03.2011 22:25

von Franziska
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Hallo Scheinheilige!

Wunderbar, Hugo Ball, ausgezeichnet. Bin schon ganz Karawane..
Sowas in der Art zu konstruieren macht unheimlich Spass..man glaubt gar nicht wie ewig lang man braucht um sich dergleichen zu überlegen.

Akiragirl!
Wolfgang Bächler. Aha, finde ich schön. Kannt ich nicht, Danke für den Link.
Hab allerdings erst beim 3. Mal lesen reingefunden...kein Wunder , ist ja grade Frühling.

Hallo Daniel!

medaillon mit bildchen, da tu ich mir auch eher schwer..das kommt mir wie ein Puzzle vor, auch die Form irritiert mich.
Kein Vergleich mit Schimmelpilz als Zwiebelmuster!

Ich hab hier einen Jandl:
http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/jandl/gedicht_freiundschlecht.html
Das ist mehr meins, ich habe Einfaches gerne, das wirkt oft stärker als viele Worte, die mehr Verwirrung stiften, als etwas Prägendes zu hinterlassen.
Wenn man sich die Freiheit nimmt, allen gediegenen Regeln der Dichtkunst zu trotzen, wäre es angebracht, mit der Freiheit zu Gunsten des Lesers nicht gar so enthusiastisch um sich zu werfen.
Es stellt sich die Frage, für wen schreibt der Dichter? Für sich selbst, zur Beweihräucherung seiner Persönlichkeit und seiner persönlichen Freiheit ODER versucht er/sie etwas zu transportieren..?!
Wie David  in seinem ersten Text bereits um einiges klarer ausgedrückt hat..und überhaupt muss ich bemerken, da hab ich mich anfänglich verrannt..aber langsam dämmert es auch mir, ohne eine leise Andeutung des Dichters, ohne einen kleinen roten Faden, wo und wie auch immer er sich zieht, ist das alles schrecklich kopflastig, ich seh es ein, habe gelernt, herzlichen Dank!
Franzi


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