Dir zu Diensten

[Enfant Terrible]

Du weinst, und ich pfeife
die Hunde zurück, deren Rudel
in der Bauchhöhle
mein Herz umgeifert, lasse
sinken die Harpune,
an meiner Seite entlang
versickert ihre Spur
wie ein Blutwurm im Boden.

Du rufst nach mir - ich würge
am Spinnwebenknebel meines Namens,
scharre mich mit gelb gebissenen Nägeln
unter dem Cenotaph hervor -
mit meiner Madenarmee in den Haaren
stehe ich dir zu Diensten.

[Angst]

Dies ist ein sehr düsteres und ausdrucksstarkes Gedicht.
Emotional spricht es mich stark an, was mich vielleicht zu einer ungeeigneten Kritikerin macht.
Was ich mag:
– Das Enjambement im ersten Vers. Ein netter Kontrast zwischen weinen und pfeifen, der im darauf folgenden Vers relativiert wird.
– Das Wort "Spinnwebenknebel". Vor allem phonetisch.
Was ich nicht mag:
– Die Inversion "lasse / sinken die Harpune". Ich finde, sie gibt dem Gedicht nicht viel. Wenn es nur irgend geht, würde ich die natürliche Wortfolge wählen. Das wäre in diesem Fall "lasse / die Harpune sinken".
– Die "Madenarmee in den Haaren" ist mir persönlich too much. Ein zu visueller, oberflächlicher Schockeffekt.
Bin gespannt, wer sich hinter dem Inkognito verbirgt.

[Enfant Terrible]

Ui, gerade von dir hätte ich für den Bilder-Overkill einen Verriss erwartet - umso mehr freut es mich natürlich, dass dich dieser Fetzen Allbtraum anspricht und dich berührt. Mich würde interessieren: Was löst es in dir aus, warum spricht es dich emotional an? Welche Assoziationen weckt es?
Hm, die Inversion war dem Klang gedient, weil "Harpune" am Versende ein schön hartes Wort ist. Aber stimmt, ist nicht zwingend notwendig.

[EdgarAllanPoe]

Wenn ich in jüngster Zeit an Reggys Gedichte denke - ganz frappant z. B. "leichenschändung" -, dann muss ich dieses hier auch dort einordnen. Ein Liebesgedicht, das mich persönlich zwar mit seiner betonten Düsternis zwar nicht zu überzeugen weiß (der Titel deutet auf ein devotes Lyrisches Ich hin, wenn ich das so ausdrücken darf bzw. kann). Ebenso missfällt mir die "Madenarmee in den Haaren", sie erinnert mich eher an einen Zombie-Horrorfilm und damit an Trash. Das soll dieser Text doch wohl nicht sein, oder?
Eine interessante (ekelhafte) Herangehensweise an das zu oft strapazierte Liebesgedicht. Das ist nicht mein Geschmack, aber du hast es adäquat umgesetzt. Ich warte aus dieser Richtung allerdings noch auf den richtigen Knaller.

[jim-knopf]

guten tag allerseits,

finde ich persönlich von der metaphorik her noch ein wenig verworren. die bilderflut ist meiner meinung nach auch eher störend, als gewinnbringend. was beispielsweise nützt diese harpune, die - seien wir mal ehrlich - doch eher wenig bedeutung hat? wozu diese assoziation in richtung wahlfang oder meerkönig oder so? weniger ist oft mehr. auch oder gerade bei der verwendung von metaphern. ähnlich gehts mir mit dem blutwurm. Zumal es gegen ende - wie auch eddie schon sagt - sehr in richtung horrortrash geht. worin ich das größte problem des textes sehe. madenarmee im haar. blutwurm im boden. das wirkt irgendwie komisch. irgendwie nach B-movie-horrorfilm. und das wolltest du nicht, glaube ich?

das mit dem hunde zurückrufen erinnert mich auch entfernt an die todesfuge. beabsichtigt?

gruß
roman

[Enfant Terrible]

Nein, mal ganz ehrlich, die Harpune hat eine große Bedeutung. Sie wird vom LI als Waffe verwendet, es wäre also bereit, das Du damit zu jagen - wird aber selber gejagt. Und als es die Harpune sinken lässt (dieses Bild hatte ich zumindest vor Augen), verletzt es sich selbst damit, die Harpune hinterlässt eine blutige Spur.

[Angst]

Würde ich das Gedicht als Bilder-Overkill wahrnehmen, hätte ich das kritisiert =P
Aber dem ist nicht so. Die Metaphern sind ja alle sehr nahe am Tierreich.
Hunde, Spinnweben, Maden, Blutwurm, die Harpune, …
Ausserdem sehe ich die Jagd als motivischen Oberbegriff.
Ich empfinde diesen Text überhaupt nicht als Liebesgedicht. Er hat vielmehr etwas Triebhaftes an sich.
Wenn ich an Hunde denke, die sabbernd ein Herz belauern, denke ich nicht an Liebe, sondern an Sex.
Der Titel spielt wohl nicht zufällig auf Sadomasochismus an.
Bin mir nicht sicher, ob man das Lyrische Ich devot nennen kann. Es ist/war auch dominant. Als Jäger.
Ich finde, diese Ambivalenz zeigst du gut auf. Auch über das bloss Sexuelle hinaus.
Als trashig empfinde ich nur die Maden. Liegt vielleicht daran, dass ich Trash nicht grundsätzlich ablehne.
Also: Vielleicht ist auch alles Trash. Aber ich mag‘s ;)
Na ja, so viel zu nützlichen Rezensionen …

[Enfant Terrible]

Triebe und Sexualität, warum nicht ... Wir können uns, denke ich, darauf einigen, dass die Beziehung von LI und LD um gegenseitiges Verletzen, um Macht und Hierarchie kreist.