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Mr. Curiosity
Exposéadler
Alter: 35
Beiträge: 2545
Wohnort: Köln
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 12.09.2010 16:59
Fluchträume: Identität
von Mr. Curiosity
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Fluchträume: Identität
Der Teppichboden, altgrün, macht
aus euch Gespenster, die Fenster
fluchten münden in greller
Angst. Langsam läuft der Fernseher
voll. Die Treppe knarrt mal mehr
mal minder, denn es kommt
drauf an, wie glücklich ihr seid.
Ich tanzte oft als Junge vor all
den Spiegeln, bis ihr jeden derer
abnahmt und ich mich im Keller
im Echo zu suchen begann.
Die Sofas werden weicher immer
wieder mal und in der Küche
entkleidet sich der Tee der Wärme
und wir uns der Kälte immer
wieder mal. Momente lang.
Ich sang als Junge oft in all
den Nischen, bis ihr jeden dieser
Räume schlosst und ich mich
in euch zu suchen begann.
Sollte ich mich finden, wird
die Flucht ein Pulsschlag sein
und all das im Verstummen sterben.
Weitere Werke von Mr. Curiosity:
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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jim-knopf
 Dichter und Trinker
Alter: 35
Beiträge: 3974
Wohnort: München
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12.09.2010 19:32
von jim-knopf
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das is wirklich gut.
würde hier nichts verbessern wollen.
und das will was heißen.
sehr gelungen.
mach nur weiter so, mein freund.
gruß
roman
_________________
Ich habe heute leider keine Signatur für dich. |
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Jocelyn
Bernsteinzimmer
Alter: 59
Beiträge: 2251
Wohnort: Königstein im Taunus
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13.09.2010 04:57
von Jocelyn
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Hallo David,
dieses Gedicht finde ich auch sehr gelungen.
Ich würde nur Strophe 2 und 4 vertauscht sehen wollen, da ich Nischen und Räume in der Reihenfolge vor die Spiegel und den Keller setzen wollte. So komme ich bezgl. der Entwicklung des LIs etwas ins Schleudern. Aber vielleicht hast du eine Erklärung dafür.
Den Schluss verstehe ich so, dass das LI es als Verkümmerung empfinden würde, wenn es nicht aus seinen Erfahrungen ausbrechen könnte. Es kann die Dinge nur benennen, weil es eine andere Identität empfindet und auf der Suche, auf der Flucht vor den gebotenen bleibt. Letztendlich entsteht so die eigene Identität.
Schönen Tag noch wünscht Jocelyn
_________________
If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)
Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)
"Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer."
(Voltaire) |
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Mr. Curiosity
Exposéadler
Alter: 35
Beiträge: 2545
Wohnort: Köln
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13.09.2010 12:35
von Mr. Curiosity
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Guten Tag,
danke für die Kommis.
| Zitat: | | Ich würde nur Strophe 2 und 4 vertauscht sehen wollen, da ich Nischen und Räume in der Reihenfolge vor die Spiegel und den Keller setzen wollte. So komme ich bezgl. der Entwicklung des LIs etwas ins Schleudern. Aber vielleicht hast du eine Erklärung dafür. |
Ich hatte im Sinn, dass das lyrische Ich, wenn es tanzen möchte (wobei das natürlich auch wieder nur symbolisch ist), Spiegel braucht, um sicherer zu werden, im Gegensatz zum Singen. Beides ist metaphorisch für den Versuch des L.I. , sich zu befreien und Individualität zu entwickeln. Die Entwicklung, wie sie hier skizziert wird, verweist auf die zunehmende Einengung. Das L.I. kann sich nicht in der Welt verorten, merkt das seine Eltern es nach ihren Vorstellungen formen wollen und merkt allmählich wie es anfängt sich in den Bezugspersonen zu suchen. Da das mit Hass verbunden ist, sähe das L.I. es als Anlass, zu flüchten, sollte ihm gewahr werden, sich nicht selbst entwickeln zu können.
Wichtig war mir die Diskrepanz der aufgezeigten Fluchträume: Auf der einen Seite das erstarrte Leben des Elternhauses, auf der anderen Seite Identität als Fluchtraum, bzw. Rebellion gegen die Eltern.
Es freut mich, dass du eine andere Interpretationsmöglichkeit gefunden hast. Immer schön, wenn man merkt, dass das eigene Gedicht mehrere Deutungen zulässt.
LG David
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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MrPink
Lyromane
Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
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13.09.2010 13:01
von MrPink
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Hi David,
gefällt mir auch sehr gut,
nur hier:
| Zitat: | | entkleidet sich der Tee der Wärme |
habe ich ein Verständnisproblem (eigentlich nicht nur hier, aber das hat sonst mit deinem Gedicht nichts zu tun  )
zieht sich der Tee die Wärme aus, oder zieht sich der Tee der Wärme aus?
Wenn du ersteres im Sinne hast, würde ich eher schreiben:
entledigt sich der Tee der Wärme, so wäre es für mich plausibler (aber vielleicht ja auch nur für mich  )
Aber es gefällt mir, wie gesagt, sehr gut. Mit deiner Erklärung dazu absolut nachvollziehbar.
Gern gelesen
andi
_________________
„Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
(Buk) |
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Mr. Curiosity
Exposéadler
Alter: 35
Beiträge: 2545
Wohnort: Köln
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15.09.2010 19:42
von Mr. Curiosity
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Hallo,
danke für den Kommentar.
Kann man "entkleiden" hier nicht mit dem Genitiv gebrauchen? 
Ich bin mir gerade selbst etwas unsicher. "Ich entkleide mich der Hose" klingt tatsächlich etwas seltsam. Schade. Ich fand, dass die Metapher ganz gut. Vielleicht
Die Sofas werden weicher immer
wieder mal der Tee zieht in
der Küche sich die Wärme aus
und wir uns die Kälte immer
wieder mal. Momente lang.
Grüße
Curiosity
_________________
"Wenn du Schriftsteller sein willst, dann sag, dass du der Beste bist ...
Aber nicht, solange es mich gibt, kapiert?! Es sei denn, du willst das draußen austragen."
(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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MrPink
Lyromane
Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
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15.09.2010 20:25
von MrPink
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| Zitat: | Die Sofas werden weicher immer
wieder mal der Tee zieht in
der Küche sich die Wärme aus
und wir uns die Kälte immer
wieder mal. Momente lang. |
fehlt aber ein und nach dem mal
Ich würds umstellen:
Die Sofas werden weicher, immer
wieder mal und in der Küche zieht
der Tee sich die Wärme aus
und wir uns die Kälte, immer
wieder mal. Momente lang.
oder so:
Die Sofas werden weicher, immer
wieder mal und in der Küche zieht
der Tee sich die Wärme aus
wie wir uns die Kälte, immer
wieder mal. Momente lang.
schönen abend noch
andi
_________________
„Das Schreiben wird nicht von Schmerzen besorgt, sondern von einem Autor.“
(Buk) |
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Mr. Curiosity
Exposéadler
Alter: 35
Beiträge: 2545
Wohnort: Köln
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15.09.2010 20:32
von Mr. Curiosity
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Ich finde mit dem Enjambement nach dem "zieht" wird hinsichtlich des kommenden Verses eher ein Überraschungsmoment erzielt. Deine Vorschläge lasse ich mir nichtsdestotrotz mal durch den Kopf gehen.
LG Curiosity
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(Ernest Hemingway in "Midnight in Paris") |
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Eredor
Dichter und dichter
Moderator
Alter: 32
Beiträge: 3415
Wohnort: Heidelberg
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15.09.2010 20:36
von Eredor
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Halte ich für stimmig in seiner Form, toller Text. Musste nix dran machen 
| Zitat: |
Die Treppe knarrt mal mehr
mal minder, denn es kommt
drauf an, wie glücklich ihr seid. |
gefällt mir am besten
lg dennis
_________________
"vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel |
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MrPink
Lyromane
Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
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15.09.2010 20:41
von MrPink
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| Mr. Curiosity hat Folgendes geschrieben: | Ich finde mit dem Enjambement nach dem "zieht" wird hinsichtlich des kommenden Verses eher ein Überraschungsmoment erzielt. Deine Vorschläge lasse ich mir nichtsdestotrotz mal durch den Kopf gehen.
LG Curiosity |
Im Prinzip hast du recht, allerdings stört es hier eher den Lesefluß, der mir persönlich in solchen Erzähltexten wichtiger ist, als eine stilistische Finesse, dessen Überraschungspotential sich hier doch ziemlich in Grenzen hält.
Ich sach mal, und das auch noch ganz ehrlich: Dieser Text hat das gar nicht nötig 
_________________
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(Buk) |
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Mr. Curiosity
Exposéadler
Alter: 35
Beiträge: 2545
Wohnort: Köln
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16.09.2010 13:13
von Mr. Curiosity
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Mit leicht veränderter dritten Strophe, nach Mr. Pinks Vorschlag.
Fluchträume: Identität
Der Teppichboden, altgrün, macht
aus euch Gespenster, die Fenster
fluchten münden in greller
Angst. Langsam läuft der Fernseher
voll. Die Treppe knarrt mal mehr
mal minder, denn es kommt
drauf an, wie glücklich ihr seid.
Ich tanzte oft als Junge vor all
den Spiegeln, bis ihr jeden derer
abnahmt und ich mich im Keller
im Echo zu suchen begann.
Die Sofas werden weicher, immer
wieder mal und in der Küche zieht
der Tee sich die Wärme aus
und wir uns die Kälte, immer
wieder mal. Momente lang.
Ich sang als Junge oft in all
den Nischen, bis ihr jeden dieser
Räume schlosst und ich mich
in euch zu suchen begann.
Sollte ich mich finden, wird
die Flucht ein Pulsschlag sein
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MrPink
Lyromane
Alter: 53
Beiträge: 2431
Wohnort: Oberbayern
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16.09.2010 13:20
von MrPink
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Yep. So passt das. 
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(Buk) |
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