Übung – Prosa vs. Lyrik

[Nihil]

Wenn man sich offensichtlich lyrischer Mittel wie dem Metrum oder Reimen bedient, ist es jedem klar, dass man ein Gedicht vor sich hat – egal wie gut es ist. Doch wenn man den freien Vers verwendet, mögen manche meckern, dass es sich um das Gedicht doch nur um „Prosa mit Zeilenumbrüchen“  handeln könnte. Auch wenn diese ganz gewiss ihre Relevanz hat, ist das Urteil manchmal begründet. Denn auch reim- und metrumlose Dichtung hat einen gewissen Rhythmus.

Ein Beispiel:

Doch uns ist gegeben, auf keiner Stätte zu ruhn. Es schwinden, es fallen die leidenden Menschen blindlings von einer Stunde zur andern, wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen, jahrlang ins Ungewisse hinab.

Ist das Prosa? Auch wenn es auf den ersten Blick wie welche aussieht, wird man den Text oben doch wohl eher wie ein Gedicht lesen, auch wenn er nicht in Versen angeordnet ist. Im Gegensatz dazu:

Gestern
ging Susi einkaufen
und hat mir eine

Tomate

mitgebracht.
Zuerst wollte sie
es
nicht recht
zu-
geben, aber sie hatte
auch einige

Kartoffeln

dabei.

Über die Relevanz oder Qualität solcher Gedichte möchte ich wie gesagt nicht streiten, aber unverkennbar ist hier, dass das Gedicht eigentlich aus zwei Prosasätzen besteht, die durch viele Absätze voneinander getrennt wurden.

Eure Aufgabe ist simpel: Schreibt ein Gedicht in freien Versen – einmal mit (sinnvollen) Zeilenumbrüchen, einmal ohne. Wie funktioniert es besser? Diese Aufgabe kann Euch helfen, Euch von der Prosa abzugrenzen, wenn Ihr das wollt, und Euch helfen, einen guten Rhythmus für freie Verse zu entdecken.

Ziel: Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Prosa und Lyrik zu entdecken und zu erkennen, wann und wo Zeilenumbrüche sinnvoll oder nötig sind.