Neue Sonette XV: Fantasieren

[Silvian]

Ich denk zurück an sie, die alte Liebe,
voll Wehmut, melancholisch, gar in Trauer.
Denn immer, wenn ich miese Stimmung schiebe,
erinner ich mich nur umso genauer

an längst vergangne, doch so goldne Zeiten.
Zu tröstlich scheint mir das Nach-hinten-Schauen:
Mein Sein zeigt aktuell die dunklen Seiten,
auch möcht ich nächstens nicht auf Wünsche bauen.

Was nützt es allerdings, glorifizieren
bedeutet bloß das bittersüße Träumen.
Ist Wahrheit nicht der Weg zum Fantasieren,
den jene Nebel des Vergessens säumen?

So geh ich heute gern auf meine Reise;
ich kehr zurück gleich morgen, still und leise.

[ELsa]

Lieber Silvian,

Gefällt mir, diese Melancholie hier.

Ich habe aber eine techn. Frage: sollten in einem Sonett nicht am Ende 2 Dreizeiler stehen?

Liebe Grüße
ELsa

[Silvian]

Danke, Elsa, fürs Herauskramen...

[Gast]

Hallo Silvian,

dieses Sonett würde durch Verzicht auf lyrische Allgemeinplätze gewinnen: "alte Liebe", "gar", "goldne Zeiten", "bittersüße", "Nebel des Vergessens" lassen den Text altbacken erscheinen.

Liebe Grüße,

Soleatus

[Silvian]

Hallo Soleatus,

ja, klar. Ich zähle sicher nicht zu den innovativen Autoren. Ich mag es, an Althergebrachtem anzuknüpfen, um etwas eigenes daraus zu machen.