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Teil 62


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 01:21
Teil 62
von Lyrika
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Die Zwillinge hatten ihr Ziel erreicht. Zayed legte seine Hand auf die Türklinke, nickte seinem Bruder zu und drückte sie herunter, nachdem ihm Vivek ebenfalls zustimmend zugenickte. Vivek wußte um die Umstände Heikes, da ihn Zayed ohne Punkt und Komma vom Parkplatz bis hierher im Telegrammstil von ihr erzählte. Je näher sie dem Zimmer kamen, desto aufgeregter wurde Vivek. Was würde ihn erwarten? Würde er sie wiedererkennen? Und mehr noch: Wie würde sein Herz reagieren? Er atmete noch einmal tief ein und betrat nach Zayed das Zimmer. Innerhalb von einem Bruchteil einer Sekunde, auf den Rücken seines Bruders starrend, raste das Leben mit Heike an ihm vorbei und hinterließ einen Kloß in seinem Hals.
„Die Damen, darf ich Euch meinen Zwilling Vivek vorstellen?“ Zayed trat zur Seite und schwang in leicht gebeugter Haltung einen Arm in Richtung Vivek, der nun in der Tür zum Vorschein kam. Er konnte sich weder bewegen, noch etwas sagen. Nachdem Zayed den Blick in das Zimmer freigegeben hatte, schauten sich Vivek und Heike geradewegs in die Augen. Sie stand ganz langsam auf, wandte den Blick nicht von ihm und schlich wie ein Tiger auf sie zu. Sein Herz hämmerte in seiner Brust wie eine Dampfmaschine.
„Vivek.“, hauchte Heike, als sie kurz vor ihm zum stehen kam. Ungläubig, ihn vor sich zu sehen, strich sie ihm sanft über die Wange. Heiß sammelte sich Wasser in seinen Augen.
„Ich glaube, Dr. Shetty, wir haben uns einen Kaffee verdient.“, flüsterte Kati, Heikes Studienteilnehmerin, während sie Zayed unterhackte und ihn an Vivek vorbeilotste. Dieser nickte und schloß leise hinter sich die Tür.
„Magst du einen Tee?“, fragte Heike unsicher und nahm ihre Hand von seiner Wange. Die Tränen rannen Vivek über sein Gesicht.
„Ich sehe dich nach fünf Jahren wieder und du fragst mich, ob ich einen Tee mochte?“ Vivek lachte auf.
„Ich weiß nicht….Willst du lieber….Ich kann auch…“, stammelte Heike und wies mit einer Hand auf einen kleinen Tisch, auf dem eine kleine Kaffeemaschine und ein Wasserkocher standen.
„Ich will nur…“, unterbrach sich Vivek selber, folgte seinem jetzigen Gefühl und nahm Heike spontan in den Arm. Sie erwiderte seine Umarmung und so stand sie beide eine Weile da, bis sich Heike sanft aus der Umarmung löste.
„Laß uns Tee trinken und reden.“ Liebevoll drückte sie ihm ein Küßchen auf die Wange und ging auf den kleinen Tisch zu. Während sie den Tee zubereitete, kam langsam ein etwas verkrampftes Gespräch zustande, was im Laufe der Zeit einen entspannten Verlauf nahm. Sie redeten über ihre Jahre nach Heikes verschwinden, wie es Vivek ergangen war, was Heike erlebte und wie sie schließlich im Rahmen dieser Studie Zayed wieder getroffen hatte.
„Und du hast also Mann und Kind?“, erkundigte sich Vivek rhetorisch, da er ja schon von seinem Bruder erfahren hatte, daß sie eine Familie hat. Heike stand vom Tisch auf, nahm die leere Teekanne und ging mit ihr zum Spülbecken, das sich in jedem Zimmer dieses Krankenhauses befand.
„Ja, ich hab einen Mann und eine kleine Tochter.“, sagte sie leise, fast schuldbewußt. Das Wasser rauschte laut in die Teekanne. Als die Teekanne voll war, drehte sie sich um und sah Vivek an. „Ich weiß, du wolltest auch immer Kinder haben. Und nun hab ich…“ Er stand auf, ging auf sie zu, nahm ihr die Teekanne aus der Hand und lächelte sie liebvoll an. „Es ist ok. Glaub mir, daß Schicksal wollte es so. Ich wünsche dir aus vollstem Herzen, daß du mit ihm glücklich bist und ihr noch viele Kinder bekommen werdet.“ Der Kloß, der sich nach seinen Worten in seinem Hals gebildete hatte, schmerzte beim Schlucken.
„Ich danke dir und wünsche dir das Gleiche aus vollstem Herzen.“ Heikes Mundwinkel verzogen sich zu einem schelmischen Lächeln. „Ich weiß von Zayed, das es da jemanden gibt, dem du dein Herz geschenkt hast?“ Sie nahm ihm die Teekanne aus der Hand und brühte eine zweite Kanne Tee. Vivek stand immer noch auf derselben Stelle und drehte sich zu ihr herum. „Wie, das hat dir Zayed erzählt?“ Sie nickte und setzte sich auf einen der Stühle. „Oh, dieser…“, fluchte er und setzte sich Heike gegenüber an den Tisch. „Was hat er denn noch so schönes erzählt?“, wollte Vivek wissen.
„Warum bist du denn so aufgebracht?“ Heike nahm ihre Teetasse und trank den letzten Schluck aus. „Ist doch was Wunderbares verliebt zu sein.“
„Ja, sicher, aber was mich so aufregt, ist die Tatsache, das er dich nach fünf Jahren wiedersieht und dir brühwarm erzählt, das ich mich verleibt habe.“ Vivek spürte, wie seine Wangen leicht rosa anliefen.
„Ja, er sagte mir, daß du Sara…“
„Super, du weißt ja schon, wie sie heißt.“, unterbracht er sie und stand auf.
„Vivek, es ist doch nicht schlimm. Schlimm ist allerdings, das…Ähm, noch Zucker in den Tee?“ Heike spielte unsicher mit dem Zucker in der Dose herum und lächelte Vivek steif an. Der setzte sich wieder und lehnte sich weit über den Tisch. „Was ist allerdings schlimm?“, fragte er in einem festen Ton.
„Mit Zucker schmeckt der Tee…“
„Heike! Lenk nicht ab! Was ist schlimm?“ Vivek schlug mit der flachen hand auf den Tisch, um seiner Frage Nachdruck zu verleihen, daß Heike sich nicht in Ausflüchte verliert. Sie schwieg und schüttete einen Löffel Zucker in seine leere Teetasse.
„Heike!“, knurrte Vivek zwischen seinen Zähnen hindurch.
„Er hat mit ihr…Er ist… Wenn ich bedenke…“
„Hör auf zu stammeln!“ Abermals schlug seine flache Hand auf den Tisch.
„Er hat sich auch in Heike verliebt. So, jetzt weißt du es. Komm mir aber nicht mit irgendwelchem Selbstmitleid. Du wolltest es wissen.“ Die Nase hochgereckt in der Luft, sich auf der sicheren Seite fühlend, schüttete sie weiter Zucker in seine Tasse.
Aua, Vivek, laß mich los!“ Ehe sie es sich versah, hatte er sie am Arm gepackt und aus dem Zimmer gezogen. Ohne ein Wort zu sagen, holte er einen der Fahrstühle. Seine Augen funkelten zornig und Heike traute sich nicht, weder etwas zu sagen, noch sich aus seinem Griff zu befreien. Sie wußte, er wollte zu Zayed und sie sollte das Wiederholen, was sei ebend gesagt hatte. Der Fahrstuhl kam und er drückte den Knopf, der sie in den Keller brachte. Dort stand der Getränkeautomat; und Zayed liebte den Kaffee aus den Getränkeautomat. Die Fahrstuhlkabine fuhr ohne zu halten durch, öffnete im Keller ihre Türen und gab den Weg in den Kellergang frei. Kati und Zayed standen nahe bei dem Getränkeautomaten, lachten und nippten an ihren Getränken. Als sie die beiden entdeckten, winkten sie ihnen fröhlich zu. Vivek und Heike traten aus der Fahrstuhlkabine, die sich sogleich hinter ihnen schloß. Vivek ließ Heike los und lief mit schnellen kräftigen Schritten auf Zayed zu. Er ließ seinen Zwilling nicht aus den Augen. Zayed lächelte ihn an und bemerkte zu spät, das Vivek nicht freundlich gestimmt war.
„Du Heuchler! Du verdammter Verräter!“, schrie Vivek Zayed an, schlug ihn mit einer Handbewegung den Becher aus der Hand und ging ihm sofort mit beiden Händen an den Kragen. Unsanft stieß er ihn mit aller Kraft an die Wand. Heike und Kati schrieen kurz auf. Hart drückte er Zayed weiter an die Wand und schaute ihn an.
„Stimmt das, was mir Heike gerade erzählt hat?“, preßte Vivek fragend unter seiner Anstrengung durch seine Zähne. Zayed hatte Viveks Hände gepackt und versuchte sich zu befreien. Das hatte zur Folge, daß Vivek seinen Druck verstärkte. „Stimmt das?“, schrie er ihn an.
„Was...meinst…du?“, fragte Zayed stockend, immer wieder gegen den Druck seines Bruders kämpfend.
„Das du Sara liebst?“ Viveks Stimme drohte sich zu überschlagen, so laut schrie er seinen Bruder an. Zayed wurde ernst, sah Vivek tief in die Augen und hauchte leise: „Ich liebe sie und ich habe mit ihr geschlafen, als du in Indien warst. Sie war nie schwanger gewesen.“ Vivek schmiß den Kopf nach hinten und stöhnte auf wie ein verletztes Tier.
„Vivek, bitte laß und reden.“ Zayed schaute in die haßerfüllten Augen seines Bruders. Würde dieser ihn in der Form von Prügel an ein Gesetz erinnern, daß Zayed übertreten hatte? Sie hatten sich schon oft gestritten und auch zeitweise kein Wort miteinander gewechselt, aber noch nie hatten sie sich geschlagen. Wäre das jetzt der Zeitpunkt, wo auch diese Art von Auseinandersetzung in ihr Leben ziehen würde? Zayed wollte seinen Zwilling nicht schlagen, würde, daß wußte er, aber zurückschlagen. Und dieses Wissen, das er im übertragenen Sinne auch sich selber schlagen würde, trieb ihm das Wasser in die Augen.
„Was willst du damit erreichen?“, herrschte ihn Vivek an, als er die feuchten Augen seines Bruders bemerkte. „Was?“, schrie Vivek und drückte seine Hände fester an den Hals von Zayed.
Kati, die weiter an dem Geschehen stand als Heike, tat einen Schritt nach vorne, streckte ihren Arm aus und wollte etwas sagen, da spürte sie Heike neben sich, die ihr die Hand auf die Schulter legte. „Nein, laß sie! Ich habe es so gewollt. Sie müssen es unter sich ausmachen.“, flüsterte Heike ihr zu; mit dem Blick auf die Zwillinge gewandt.
„Was hast…“, setzt Kati leise an, wurde aber sogleich von Heike unterbrochen. „Ich erkläre es dir später.“
„Vivek, wir beide lieben Sara. Warum lassen wir sie nicht entscheiden?“; schlug Zayed schnaufend vor. Vivek lachte kehlig auf. Schweiß rann von seinen Schläfen.
„Sauber ausgedacht. Die Verantwortung für dein handeln Sara zu überlassen. Aber wen ich es recht überlege, kein schlechter Vorschlag. Und nach ihrer Entscheidung poliere ich dir die Fresse!“ Mit einem letzten stärken Hieb drückte er an Zayeds Hals und ließ dann schubsend von ihm ab.
Zayed war überrascht, daß sich Vivek so einfach auf seinen Vorschlag eingelassen hatte. Er nahm seinen Kragen und rückte ihn zurecht, ohne seinen Bruder aus den Augen zu lassen. Wie ein wildes Tier stürmte Vivek auf Heike zu, packte sie beim Laufen am Arm und sagte: „Und du kommst mit!“ Heike war so verblüfft, daß sie sich Viveks handeln nicht entzog. Leicht stolpernd, sich erst an den Schritt Vivek gewöhnend, lief sie mit auf die Fahrstühle zu. Zayed ging auf Kati zu.
„Möchtest du mitkommen?“
„Nein, geht mal. Das ist eine Sache zwischen euch.“ Zayed nickte verständnisvoll und folgte Vivek und Heike, die schon in der Kabine standen. Mit schnellen Schritten erreichte er die Kabine und stellte sich seinem Bruder gegenüber. Er vermied es, Vivek jetzt den Rücken zuzudrehen. Vivek war schon immer der Ungestümere von uns beiden, dachte Zayed und lächelte Heike zaghaft zu.
Es war Sonntagnachmittag, als sie zu dritt auf dem Weg zu Saras Wohnung waren.

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