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Teil 57


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 01:14
Teil 57
von Lyrika
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Im Wechsel klackten die Gehhilfen von Matthias über die Treppen zu meiner Wohnung hoch.
„Nicht so schnell.“, jaulte er in den Hausflur. Ich war schon vorgerannt und schloß die Wohnungstür auf.
„Du hast doch Zeit, Schatz.“, rief ich ihm zu und huschte in meine Küche, wo ich die Kerzen anzündete, die auf dem Tisch standen, den ich reichlich für seinen Besuch gedeckt hatte. Aufgeregt ging ich mit schnellen Schritten zurück in den Flur und sah Matthias Haare, die sich langsam nach oben bewegten. Dann kam sein Kopf zum Vorschein.
„Bis ebend habe ich es nie so wahrgenommen, daß du so hoch oben wohnst.“, fluchte er und trat in meine Wohnung ein.
„Das kommt dir nur so vor. Kannst du hier ohne Gehilfen laufen?“
„Nein, noch nicht. Der Arzt sagte, ich darf das Bein noch nicht belasten.“ Mit der Gehilfe in die Wohnung zeigend fragte er: „Und wo jetzt lang?“
„Aso, ja, in die Küche.“, lud ich ihn fröhlich lachend ein.
Er stieß ein respektvolles `Wow` aus, als er in der Küchentür stehend auf den Tisch schaute. Ich zog den Stuhl hervor, auf dem er immer gesessen hat. Dankend nahm er platz und rückte sich einen anderen Stuhl zurecht, um sein verletztes Bein darauf abzulegen zu können. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hob er es an und legte es ab.
„Manchmal tut es noch höllisch weh.“, klärte er mich auf, als er meinen besorgten Blick bemerkte.
„Kaffee?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, goß ich ihm eine Tasse ein.
„Da sieht richtig einladend aus. Wurst, Käse, Marmelade, ein Ei und frischer Orangensaft“, kommentierte er meine Bemühungen und griff nach einem Brötchen. Ich setzte mich zu ihm und nahm mir auch ein Brötchen. Eine Weile aßen wir schweigend unser Frühstück.
„Und, wie sieht’s an der Uni aus?“, fragte er mich zwischen zwei Bissen. Erschrocken über das plötzliche zerreißen der Stille zuckte ich zusammen.
„Hoppla, wo warst du denn mit deinen Gedanken?“. Lachend strich er sich Marmelade auf sein Brötchen.
„Ich muß gleich am Anfang eine Hausarbeit über die wirtschaftliche Lage in….“ Mit Absicht brach ich hustend meinen Satz ab. Wenn ich ihm jetzt `Ìndien` gesagt hätte, wäre die Stimmung zwischen uns bestimmt gekippt.
„Brötchenkrümel!“, hustete ich übertrieben, zeigte auf meinen Hals und nahm einen Schluck Orangensaft, was mir Zeit gab, mir ein anderes Land auszudenken.
„Italien.“, brachte ich mit gespielten Quacken hervor.
„Italien?“
„Ja, die wirtschaftliche Lage in Italien.“, beendete ich meine Behauptung, der eher eine Lüge war. Ich hob noch einmal mein Glas Orangensaft an und deutete Matthias damit an, daß ich für ein weiteres Gespräch den angeblichen Brötchenkrümel hinunterspülen mußte. Beim Trinken rutschten meine Gedanken in die Vergangenheit, die mehr als zwei Monate zurücklag.
Der Sommer neigte sich dem Ende, nahm aber an Temperatur nicht ab. Die sogenannten `Hundstage` brachen an, die dem Sommer noch einmal einen Triumph an Hitze einbrachte.
Der Alltag an der Universität begann mit dem neuen Semester. Meine Seminararbeit, die nach dem Unfall mit Vivek gelitten hatte, wurde von Professor Hempel gnädigerweise nach ihrem Inhalt bewertet. Ich konnte mit einem `Zufriedenstellend` in das nächste Semester starten. Trotz meiner Abneigung blieb ich bei der Betriebswirtschaft. Ich wollte mir mit diesem Semester noch eine Chance geben. Als ich den einen Tag in der Mensa saß, dachte ich, ich hätte Vivek gesehen. Mein Fatahmorgana stellte sich aber als ein anderer Student heraus. Vivek, dachte ich. Wie oft hatte ich über ihn, Zayed, Matthias und mich nachgedacht. Den Tag, als ich Zayed in der Disco eine reingehauen hatte, verlor ich meinen Job. Alberto war so nett und stellte mich bei ihm ein. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, nicht nur weiter Geld zu verdienen; ich konnte auch mit Kim mehr Zeit verbringen und mit ihr über die Situationen meines Lebens sprechen.
„Sara, Matthias hat nach dir gefragt.“, sagte sie eines Tages beiläufig und bog sich vor lachen, als sie sah, das meine Reaktion darin bestand, die Pizza in Tomatensoße zu ertränken.
„Verflucht!“ Hecktisch riß ich die kleine Kelle mit der Tomatensoße in die Höhe.
„Laß mal. Ich rette sie.“, sagte Kim kichernd und nahm sich der Pizza an.
„Was wollte er wissen?“ Mein Herz nahm an Geschwindigkeit zu.
„Wie es dir geht und was du so machst.“ Kim erzählte es mir ohne eine Emotion zu zeigen und kratzte die Tomatensoße von der Pizza zurück in den Eimer.
„Ja und?“
„Nix hab ich ihm gesagt. Nur, wenn er es wissen will, dann sollte er dich selber fragen.“ Verblüfft lehnte ich mich gegen die steinerne Arbeitsplatte. Matthias hatte unter unsere Beziehung einen Schlußstrich gezogen und fragte jetzt nach mir? Kim drehte sich zu mir herum.
„Geh zu ihm. Er ist zu Hause.“ Dann widmete sie sich wieder der Pizza, die inzwischen wieder ein normales Maß an Tomatensoße hatte.
„Sehr witzig, Kim.“
„Wieso witzig?“ Mit flinken Fingern belegte sie die Pizza mit Salami, Champignons und Käse. Ich riß meine Arme in die Höhe.
„Weil ich doch nicht einfach so vor seiner Tür stehen kann.“, erwiderte ich mit Nachdruck in meiner Stimme. Kim ignorierte meine theatralische Einlage und schob ihr kleines Kunstwerk von Pizza in den Ofen. Sie schloß die Ofentür und drehte sich zu mir herum.
„Und warum nicht?“ Ich spürte an ihrem Blick, der mich traf, daß sie mehr mit ihm besprochen hatte, als sie mir verraten würde. Wie mich das wurmte: Meine beste Freundin und mein Ex-Freund unterhielten sich über mich. Im Grunde genommen hatte ich da auch nichts gegen einzuwenden; aber sie sprachen offensichtlich über mehr, als über das Wetter und das aktuelle Tagesgeschehen. Was mich in diesem Moment sauer werden ließ, war die Tatsache, daß ich ausgeschlossen wurde. Ausgeschlossen aus Matthias Gefühlswelt.
„Schön, das ihr euch beide so gut versteht.“, sagte ich sarkastisch und riß mich von ihrem Blick los. Um nicht gleich loszuschreien, weil mich die Ungerechtigkeit dieser Welt überkam, nahm ich ein Pizzablech, in der sich schon ein Teig befand. Ohne Sinn und Verstand, griff ich in die Schüsseln der Zutaten und belegte die Pizza mit allem, was Alberto zu bieten hatte. Mit dem Blech in der Hand ging ich zu dem Ofen hinüber, schob Kim energisch zur Seite und plazierte meine Pizza neben ihre.
„Wunderbar. Und für welchen Kunden ist die jetzt?“ Kim grinste schief und kam auf mich zu. Sie streckte ihre Arme aus und wollte mich bei den Schultern packen. Ich hingegen trat einen Schritt zurück und wehrte ihre nettgemeinte Geste ab. Stöhnend und augenrollend startete sie einen neuen Versuch meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
„Du bist so was von stur! Sei froh, das ich dich so lieb hab.“ Das sie mir ihre tiefe Zuneigung zu mir gestand, stimmte mich milder und ich ließ mich mit einem leichten Brummen meinerseits umarmen.
„Sara, rede mit Matthias.“, sagte sie mir durch meine Haare direkt ins Ohr. Wir standen uns umarmend in einem Pizzaservice und besprachen meine Zukunft. Manchmal muß man es einfach so nehmen, wie es kommt.
„Weißt du mehr, als du mir sagen willst?“ Kim antwortete nicht sofort. Ich wartete geduldig, wie meine Frage auf sie wirken würde.
„Vielleicht.“ Bei dieser Antwort zuckte es kurz in meinem Magen. Hatte ich doch noch mehr Gefühle für Matthias, als ich es mir eingestand?
„Ruf ihn vorher an.“, schlug sie mir vor und löste sich aus der Umarmung. Als ich in ihre Augen schaute, sah ich einen feinen Wasserfilm. Waren das Anfänge von Tränen?
„Was hast du?“, fragte ich besorgt und strich ihr über den Arm.
„Nichts. Ist nur diese Wärme hier am Ofen.“ Verlegen drehte sie sich herum und öffnete die Tür am Ofen. „Brauchen noch `ne Weile.“, sagte sie knapp. Sie hatte wohl gehofft, daß das laute Schließen der Tür ihren tiefen Seufzer, den sie von sich gab, übertönen würde.
Ich stand hinter ihr und starrte auf ihren Rücken. Jetzt würde mir das erste Mal bewußt, welche Bürde meine beste Freundin auf sich genommen hatte. Sie sprach mit mir über den Mann, den sie liebte; über die Liebe von ihm zu mir. Wie oft mußte sie mit ansehen, wie wir uns geküßt, wie wir uns unsere Liebe gestanden hatten und wie unsere Liebe zerbrochen war, durch einen Fehler, den ich beging. Aber war es denn ein Fehler, wenn sich das Herz für den einen schließt, um sich für einen anderen zu öffnen? In Kims Fall hatte sich Matthias Herz wohl für kurze Zeit für mich geschlossen, aber sich nicht für sie geöffnet. Und nach diesen ganzen Enttäuschungen, jemals von ihm erhört zu werden, besaß sie noch die Kraft uns offenbar wieder zusammen zu bringen.
„Kim, ich wußte nicht, daß du soviel aushalten kannst.“, flüsterte ich nach meiner Erkenntnis. Sie war nicht auf den Kopf gefallen und war sich bewußt, was ich ebend herausgefunden hatte.
„Kannst? Sara, ich muß! Ich will nur, daß es ihm gut geht. Bitte, mach ihn glücklich. Rede mit ihm.“ Was hätte ich machen sollen bei diesen flehenden Augen, die mich aus einem erwartenden Gesicht anschauten.
„Nach der Arbeit rufe ich ihn an. Versprochen!“
An diesem Abend, in einem August, wo die `Hundstage` die Hitze des Sommers noch einmal aufflackern ließ, fingen meine Träume an. Träume über eine Zeit, die ich dachte, längst vergessen zu haben. Vivek, Zayed und Lucky waren immer ein Bestandteil dieser Träume. Mal hielt Vivek Lucky auf dem Arm, mal Zayed. So sehr ich mich mit dem Inhalt meiner Träume beschäftigte; es gelang mir nicht hinter ihre Bedeutung zu kommen. Mein Unterbewußtsein wollte mir etwas sagen, aber was?

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