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Teil 53


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 01:08
Teil 53
von Lyrika
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„Vivek, mein Sohn, was schaust du so?“
„Nichts Mutter. Es ist nichts.“, sagte er zu ihr und nahm ihre Hand. Mit der anderen Hand strich sie ihm über die Wange.
„Es war eine plötzliche, aber für deinen Vater und mich schöne Entscheidung, daß du wieder hier bist.“ Er sah sie an und lächelte. Hätte er seinen Eltern den wahren Grund gesagt, warum er die Flucht nach Indien angetreten hatte, so wäre seine Mutter bestimmt nicht so froh über sein Erscheinen, wie sie ebend geäußert hatte. Vorhin war es wieder da gewesen; dieses nicht greifbare Gefühl, was ihn auch über diese Distanz mit seinem Zwillingsbruder verband. Es war ein warmes, aber auch erschreckendes Gefühl, was ihn überfallen hatte, als er gerade mit seiner Mutter in der Küche stand. Sie hatte nicht minder die geistige Verbindung zu ihren Söhnen und an seinen Augen gesehen, daß ihn etwas beschäftigte.
„Es ist wirklich nichts.“, gab er noch einmal von sich mit einem liebevollen Blick auf seine Mutter gerichtet.

Als ich die Augen öffnete, wußte ich im ersten Moment nicht, wo ich mich befand. Mit einem Ruck setzte ich mich auf und schaute mich um. Durch das Fenster fielen die ersten Sonnenstrahlen und tauchten das Zimmer in eine friedliche Atmosphäre. Mein Blick fiel auf ein Foto, das an der Wand über einem Schreibtisch hing. Ich stand auf, ging auf das Foto zu und nahm es von der Wand.
„Ähnlichkeit ist gar kein Ausdruck mehr.“, sagte ich leise zu dem Foto und strich mit dem Zeigefinger über das Bild. Es zeigte Vivek und Zayed, wie sie den Arm um die Schulter des anderen gelegt hatten und beide lächelten in die Kamera. So sehr ich mich auch anstrengte, es gelang mir nicht, herauszufinden, wer von den beiden wer war. Ich hang das Foto wieder an die Wand. Die Erinnerungen an die letzten Stunden spielten sich in den Vordergrund. Ich war wegen dem Brief, oder was dessen Inhalt in mir ausgelöst hatte, hierher gefahren und befand mich jetzt in einem Zimmer der beiden in deren Wohnung. Anstatt Vivek fand ich Zayed vor und schaute bei der Erinnerung auf das Bett. Es war leer. Wo war er geblieben? Ich öffnete die Zimmertür und trat in den Flur. Nach rechts ging es zu der Haustür. Links herunter befanden sich vier Türen zu weiteren Zimmern. Vorsichtig und leise lief ich den Flur herunter. Ich fand heraus, daß sich gleich neben dem Zimmer, aus dem ich kam, das Bad befand. Daneben die Küche. Es folgte ein weiteres Zimmer und zum Schluß ein Wohnzimmer. In jedes Zimmer warf ich nur einen Blick, erfaßte dessen Funktion und ging leise weiter. Ich blieb vor der Wohnzimmertür stehen, blickte hinein und sah am anderen Ende des Zimmers auf einem Balkon Zayed stehen. Sein Oberkörper war nackt. Er war nur mit einer Unterhose bekleidet. Mit beiden Armen stützte er sich auf der Balkonbrüstung ab. Das hatte zur Folge, daß sich seine Rückenmuskulatur anspannte und mir bei diesem Anblick eine Gänsehaut über den Rücken lief. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und lief langsam auf ihn zu.
„Guten Morgen.“, sagte ich leise, als ich vor dem Balkon zum Stehen kam. Er zuckte kurz zusammen, drehte sich aber nicht zu mir herum. In der Luft lag eine Spannung, die unangenehm war.
„Hast du gut geschlafen?“, fragte er, hob seinen Kopf etwas an, drehte sich aber immer noch nicht zu mir herum.
„Ja, und du?“ Seine Antwort war ein Achselzucken.
„Also nicht?“, fragte ich und trat auf den Balkon. Statt einer Antwort hielt er eine Zigarette in die Höhe.
„Magst du?“
„Nein, ich rauche nicht.“ Ein kurzes kehliges Lachen kam aus seinem Mund.
„Ja, ich rauche ja eigentlich auch nicht.“ Mir war nach dieser Äußerung klar, daß er unsere Begegnung bereute. Er entzündete die Zigarette und sog den Rauch scharf ein, beließ ihn länger in der Lunge als nötig und blies ihn dann langsam und geräuschvoll in die Luft. Ich stand jetzt direkt hinter ihm und streckte meine Hand aus. Die Sonne war schon weiter den Horizont entlang gezogen und zeigte sich in ihrer voller Pracht am Himmel. Ein großer Baum im Innenhof schenkte dem Balkon durch sein dichtes Blätterdach genügend Schatten, der in der großen Mittagshitze eine angenehme Kühle versprach. Eine kleine Brise spielte mit dem Blätterdach, ließ es rascheln und erschrak zwei Ringeltauben, die mit schnellen Flügelschlägen das Weite suchten. Er nahm einen weiteren Zug von der Zigarette und drückte sie dann zur Hälfte geraucht im Aschenbecher, der auf einem kleinen Tisch stand, aus. Dazu mußte er sich etwas seitlich herumdrehen. Er schaute sich zu, wie er die Zigarette ausdrückte und schielte immer wieder von seiner Handlung zu mir herüber. Daß ich direkt hinter ihm stehen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Ich sah ein Lächeln, das über sein Gesicht huschte. Mit noch immer ausgestreckter Hand stand ich da und kam mir etwas albern in meiner Haltung vor. Gerade als ich die Hand senken wollte, drehte er sich ruckartig herum, packte meinen Arm und schaute mir direkt in die Augen. Was hatte er vor?
„Es ist die erste Zigarette nach 15 Jahren und ich hätte nie gedacht, daß ich mal wieder anfangen würde.“ Sein Griff war nicht fest oder unangenehm; im Gegenteil. Mir wurde bewußt, wieviel Verlangen ich nach diesem Mann hatte.
„Und warum tust du es dann jetzt?“ Für diese Frage hätte ich mich selber ohrfeigen können, da ich doch Teil einer Konstellation war, die gestern unserer beiden Leben verändert hatte. Er schüttelte leicht den Kopf, nahm den Blick von mir, als Antwort auf meine Frage. Um dem noch eins drauf zu setzten, stellte ich eine noch dämlichere Frage: „Und was wird nun zwischen uns?“ Er atmete schwer ein und schaute mich zornig an.
„Klare Sache! Wir brennen durch, heiraten und bekommen ´nen Arsch voller Kinder.“, sagte er ironisch und verzog eine Augenbraue in die Höhe. Ich glotze ihn an.
„Himmel, Sara, ich habe gestern mit dir geschlafen. Ist dir das überhaupt bewußt?“
„Ja, ich war ja dabei.“, sagte ich patzig und entwand mich aus seinem Griff. Wir schauten uns an und die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Unerwartet umspielte ein Lächeln seine Lippen, verschwand wieder und gleich darauf fing er an zu glucksen. Dann immer mehr bis aus dem Glucksen ein heftiges und verzweifelt klingendes Lachen wurde, daß ihm die Tränen in die Augen trieb. Er lachte und ich konnte die Situation nicht einschätzen. Immer noch lachend setzte er sich schließlich auf einen der Balkonstühle, stützte seine Ellenbogen auf seine Oberschenkel und vergrub sein Gesicht in seine Hände. Nun wurde er mir unheimlich, weil er in einer mir fremden Sprache vor sich hin murmelte. Ich ging zögernd auf ihn zu, hockte mich aber trotzdem vor ihn hin.
„Zayed, ich verstehe dich nicht.“ Der Versuch seinen Kopf anzuheben schlug fehl. Er preßte sein Gesicht tiefer in seine Hände, je mehr ich versuchte seinen Kopf anzuheben.
„Kannst du auch nicht. Ich hab Hindi gesprochen.“, murmelte er durch seine Hände.
„Und was hast du gesagt?“
„Ich hab mich nur selber verflucht und beschimpft.“ Meine Aufmerksamkeit zog sich kurz auf eine Amsel, die auf der Balkonbrüstung gelandet war, dann aber laut zwitschernd, da sie anscheinend um diese Zeit kein menschliches Wesen auf dem Balkon erwartet hatte, wegflog.
„Warum denn? Ich wollte es doch auch.“, versuchte ich ihn zu beruhigen.
„Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Und ich auch nicht.“ Ich strich über seine festen schwarzen Haare, kam aus der Hocke hoch und trat wieder in das Wohnzimmer. Im Flur entdeckte ich einen Teil meiner Sachen und auch den Brief von Vivek. Mit diesem in der Hand ging ich zurück auf den Balkon, wo sich Zayed in der Zwischenzeit eine neue Zigarette angezündet hatte. Er hielt den Kopf gesenkt und vermied es mich anzusehen.
„Hier, ließ!“, forderte ich ihn auf und hielt ihm den Brief vor die Nase. Seine Hand nahm den Brief. Ich setzte mich auf den anderen Balkonstuhl und wartete ab, bis er den Brief durchgelesen hatte. Mit einem Schnippen beförderte er die Kippe über den Balkon und murmelte ihr hinterher: „ Damit die olle Schachtel wieder was zu meckern hat.“ Ich grinste schief vor mich hin, wußte ich doch, daß er seine liebreizende Nachbarin meinte.
„So ein kompletter Vollidiot!“, war sein Kommentar zu dem Inhalt des Briefs, den er nach dem Lesen auf den Tisch gelegt hatte. Nun schaute er mich endlich an, lächelte und sagte: „Möchtest du Hindi lernen?“
„Was?“
„Hindi. Möchtest du es lernen?“ Ein Funkeln war in seinen Augen zu erkennen.
„Gerne. Vielleicht komme ich dann hinter das Geheimnis deines Murmelns von ebend.“
„Main hoon Zayed.“, sagte er und grinste.
„Oh je, doch nicht so leicht, wie ich dachte.“, sagte ich und sprach seinen Satz einfach nach. Laut lachend stand er auf, stellte sich vor mich und zog mich an den Händen in die Höhe.
„Na, zum Glück nicht. Nein, das heißt: Ich bin Zayed.“ Meine Wangen fingen an leicht zu glühen.
„Entschuldige.“
„Schon ok. Also, Main hoon Sara heißt: Ich bin Sara.“ Mit einem Kopfnicken forderte er mich auf es ihm nachzusprechen.
„Main hoon Sara.“, sagte ich leicht verschämt. Er wurde ernst und sagte: „Ja, ich weiß.“
Seine Daumen strichen sanft über meinen Handrücken
„Darf ich dich küssen?“
„Ja.“, hauchte ich und kam ihm ein Stück entgegen. Er ging vorsichtiger, zärtlicher und verspielter mit meinen Lippen um, als sein Zwillingsbruder. Nach dieser Erkenntnis durchzuckte es mich und zog mich hastig zurück. Was war denn daß? Jetzt verglich ich die Küsse der Brüder? Auch er bemerkte, daß etwas in mir vorging, nahm mich in den Arm und drückte mit einer Hand meinen Kopf an seine nackte Brust. Seine Wärme an meiner Wange, der zärtliche Druck und sein gleichmäßiger Atem verströmten in meinem Körper das Gefühl der absoluten Vertrautheit. Ich schlang meine Arme um seine Hüfte, schloß die Augen und ließ mich in dieses Gefühl gleiten. So etwas hatte ich zuvor noch nie gespürt und als er dann noch anfing ganz leise zu summen, wiegten wir und beide leicht und zärtlich hin und her. Die Situation spiegelte weder Verlangen noch Leidenschaft wider.
Zayed kraulte mir sanft durch die Haare, fing an sie mit kleinen Küssen zu benetzten und ich spürte, wie sich seine Männlichkeit aufbaute.
An diesem Tag schliefen wir noch einmal miteinander.
Am Abend mußte er zur Nachtschicht. Ich fuhr nach Hause, schmiß mich auf mein Bett und schaute an die Decke.
„Ja, ich bin glücklich. Very lucky!“, rief ich den Raum und drehte mich lachend auf den Bauch.

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