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Teil 25


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag15.08.2010 00:12
Teil 25
von Lyrika
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Ich fand mich auf der Toilette wieder, nachdem ich leise fluchend aus der Mensa gelaufen war. Das Wasser war kalt und tat meinen zu warmen Händen gut. Abwechselnd ließ ich es auch über meine Unterarme laufen. Die zunehmende Kühle brachte mir wieder ein annehmbares Maß an Körpertemperatur. War dieser Sommer heiß. Versunken im Spiel mit dem Wasser nahm ich das Getümmel um mich herum nicht wahr. Wie ich dem Wasser zuschaute, wie es sicher an meiner Haut abperlte, wünschte ich mir, es würde meine Gedanken an Zayed und meine Mißgeschicke des Lebens mit auf den Weg in den Abfluß nehmen. Ich kam mir vor, als wenn ich in einem Boot sitzen würde, was unaufhaltsam in Richtung Wasserfall trieb. Und ich hatte nur ein Ruder. Immer wieder mußte ich von der einen auf die andere Seite des Bootes und das Ruder ins Wasser schlagen. Es war nutzlos, da es sich mit einem Ruder nun mal nicht gradlinig steuern ließ. Und ich steuerte in mein Unglück. Das Studium entwickelte sich zum Reinfall des Jahrhunderts, die Streitigkeiten mit Matthias nahmen zu und Zayed spielte mit meinen Gefühlen Pingpong. Mein Körper wehrte sich gegen eine drohende Unterkühlung meiner Unterarme und sendete mir einen kleinen Schmerz. Zurückgerissen in die Realität drehte ich den Wasserhahn zu und wollte mich zu dem Handtuchhalter begeben. Heute war der Tag des Erschreckens. Und auf ein Neues. Ich erschrak, weil Kim locker an dem Handtuchhalter, mit den Händen in den Hosentaschen, gelehnt stand und mich beobachtete. Das Wasser tropfte noch von meinen Händen, verdunstete aber schnell angesichts der steigenden Außentemperatur. Ich senkte meinen Blick und wischte mir die letzten Tropfen an meiner Hose ab.
„Hallo Kimimaus.“, sagte ich zur Eröffnung meiner Entschuldigungsrede. Sie schaute mich weiter unbeirrt an. Dann kam ein Ruck in ihren Körper, sie nahm die Hände aus den Taschen und kam auf mich zu. Ihre Reaktion ließ meinen Puls steigen. Sie lief an mir vorbei, packte mich am Arm und schliff mich mit. Willenlos gewährte ich meiner besten Freundin diese Behandlung. Wortlos erreichten wir die Wiese des Campus. Verwundert, was sie vorhatte, ließ ich mich weiter schleifen. An einer freien Bank im Schatten setzten wir uns. Sie streckte ihre Beine aus und überkreuzte sie.
„Was ist los mit dir, Sara?“, fragte sie in einem ernsten Ton, ohne mich dabei anzuschauen.
„Wie bist du unbemerkt aus dem Hörsaal gekommen?“, forschte ich nach.
„Lenk nicht ab! Was ist los?“ Kims Stimme klang weder sauer, noch böse. Sie klang so fest und ernst, daß ich keine andere Wahl hatte, als mich ihr zu offenbaren. Und das konnte ich in unserer Freundschaft. Es kam nicht häufig vor, daß Kim mich dazu auforderte. Wenn es denn aber soweit war, ließ sich nichts mehr anderes zu, als Ehrlichkeit. Ich schwieg.
„Er heißt mit Nachnamen Shetty.“, sagte Kim, während sie den anderen Studenten ihre Aufmerksamkeit schenkte. Ich glotzte sie von der Seite an wie eine Kuh, wenn es donnert.
„Er heißt Zayed Shetty und hält Vorlesungen an der Uni.“, stellte sie fest. Immer noch konnte ich ihr nicht folgen. Warum erzählte sie mir das? Donner, die Kuh glotzt weiter.
„Sara, er gibt Vorlesungen an der Uni im Fachbereich Betriebswirtschaft?“, fragte sie mehr, als sie sagte. Arme Kuh, glotzt weiter. Nun schaute sie mich an. „Er doziert, Sara.“ Sie sah mich eindringlich an. Nein, das Männchen in meiner Schaltzentrale hatte sich noch nicht erholt oder war noch beleidigt. Es weigerte mir jedenfalls zu helfen. Kims Männchen hingegen wollte meinem wohl helfen. Sie begriff, daß ich nicht begriff. Sie drehte sich ein wenig zu mir herum, nahm meine Hand, hielt sie hoch und nickte mit ihrem Kopf auf meine Hand. Dann sah ich sie: die Schiene an meinem Finger. Angesichts der liebevollen Unterstützung von Kims Männchen war mein Männchen wieder gewillt, mir zu helfen.
„Er doziert an der Uni und ist Arzt im Krankenhaus.“, faselte ich leise vor mich hin, ohne die Schiene aus den Augen zu lassen. Kim ließ meine Hand los und klatschte sich sanft auf ihre Oberschenkel.
„Fast. Überleg mal genauer.“, verlangte sie von mir. Mit den Worten Schiene, Arzt, Krankenhaus, Uni, Vorlesungen, Betriebswirtschaft, Zayed informierte ich meinem Männchen für des Rätsels Lösung. Dreimal ließ ich die Worte wie ein Schriftzug an einer Anzeigtafel durchlaufen. Das Männchen ackerte wieder und schmiß mir die Lösung vor die Füße.
„Zwillinge?“, fragte ich Kim zögernd. Sie nickte stumm.
„Bingo! 100 Punkte für Sara.“, gestand sie mir zu und schaute mich wieder an. „Es kann gar nicht anders sein.“
„Wie kommst du darauf?“, wollte ich wissen.
„Überleg doch mal! Als wir im Krankenhaus waren, hattest du ihn beschuldigt, daß er dich umgefahren hat. Kannst du dich an seine Reaktion erinnern? Er wußte nicht, was du meintest und dachte, du hättest durch den Unfall nen Schock erlitten. Und als du ihn in der Disco getroffen hast, hast du mir erzählt, daß er fragend auf deine Schiene gezeigt hat. Und noch was. Wie kann er Arzt sein und gleichzeitig Betriebswirtschaft dozieren? So alt ist er nicht, daß er beide Studiengänge absolviert haben könnte. Es gibt nur die Lösung. Es sind Zwillinge! Der eine ist Zayed.“, endete Kim ihre Ausführung. Ich war so verblüfft über ihre Kombinationsgabe, daß mir die Sprache wegblieb und ich mit offenem Mund da saß. Sie lachte und schüttelte mich an der Schulter.
„Erde an Sara! Jemand da?“
„Ich…ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“, stammelt ich, als ich meine Sprache wiedergefunden hatte. Sara lachte leise vor sich hin.
Bis sich alles in meinem Kopf sortiert hatte, dauerte es eine Weile. Kim hatte recht. Es konnte gar nicht anders sein.
„Wie bist du darauf gekommen?“, fragte ich sie und war gespannt, wann sie es entdeckt hatte.
„In der Zeit, als du dich dazu entschlossen hast, ´Scheiße´ in den Hörsaal zu rufen.“ Ich lief rot an. „Da hab ich mir Zayed genauer angeschaut, weil ich seine Reaktion sehen wollte. Und da ist es mir wie ein Blitz in den Kopf geschossen. Frag nicht warum, es war so.“ Beeindruckt nickte ich mit dem Kopf und kniff meine Lippen ein wenig fester zusammen. Sie blickte auf meinen Mund und legte ihren Kopf schief.
„Warum verkneifst du den Mund so?“
„Weißt du was ich mich frage? Wer von beiden hat mich geküßt?“ Mein Männchen war zwar wieder bereit mir zu helfen, aber auch seine Reaktion war noch eingeschränkt.
„Wenn das dein einziges Problem ist, dann find´s heraus. Fahr ins Krankenhaus.“, gab sie mir auf meine Frage die Antwort und stieß mit ihrer Auforderung auf den richtigen Zwilling.
„Es kann nicht Zayed gewesen sein.“, sagte ich langsam und folgte Kim ihren Kombinationen. „Er hat sich mir im Krankenhaus mit Zayed vorgestellt und nicht mit Nachnamen. In der Disco hat er keinen Namen gesagt und bei der Vorlesung war es nur der Nachname. Warte mal!“, sagte ich mit steigender Aufregung. „Als er mich nach dem Unfall an der Uni abgesetzt hatte, hechte ich die Treppen rauf, aber er rief mir noch seinen Namen nach.“ Ich schloß die Augen und führte mir die Szene vor mein geistiges Auge und sah, wie er dort am Auto stand und seinen Namen sagte. Ich fuchtelte mit meiner beschienten Hand in der Luft herum und versuchte so den Namen zu fangen. Dabei sagte ich mir Silben vor mich hin, die ähnlich klangen.
„Vinneck? Ne, Vimbeck? Ne, auch nicht. Verdammt! Vinreck?“, sinnierte ich vor mich hin. Dann öffnete ich meine Augen, schaute an Kim vorbei und sah ihn mit Professor Hempel über den Campus laufen.
„Vivek!“, flüsterte ich. „Er heißt Vivek.“


„Was meinst du?“
„Vivek Shetty. Das ist der andere von den beiden. Und er hat mich auch geküßt.“, sagte ich verträumt, den Kuß auf meinen Lippen spürend. Meine Träumerei wurde unterbrochen von einem Schmerz in meiner Rippengegend.
„Aua! Kim, warum…“, maulte ich verärgert und verschluckte den Rest meines Satzes, da Professor Hempel genau Kurs auf unsere Bank nahm. Des Menschen Urinstinkt in Situationen der Angst ist mit zwei Möglichkeiten ausgestattet: Flucht oder Angriff. Hempel, ebend noch klein auf der Wiese gesichtet, wuchs und wuchs. Und meine Angst vor ihm auch. Flucht oder Angriff? Da er mich schon erblickt hatte und wohl auch nicht von seinem ´Jetzt geht es Ihnen an den Kragen´ ablassen würde, wäre Flucht kindisch gewesen. Also Angriff. Aber wie greift man seinen Professor an, von dem man in gewisser Weise abhängig ist? Er ist auch nur ein Mensch, machte ich mir Mut. Aber dieser Mensch ist bei der Entstehung der Urinstinkte stehengeblieben. Er war voll auf Angriff programmiert. Und er nahm mir mit jedem seiner Schritte meinen Mut. Die Zeit war zu kurz, um mich in den Griff zu bekommen. Nun stand er in voller Größe vor mir und schaute durch seine Brille, die er nervös auf seiner Nase zurückschob, auf mich herab.
„Das ist ja ein Zufall, Sie hier zu treffen. Ruhen Sie sich aus nach Ihrem gelungenen Auftritt?“, sagte er in einem sarkastischen Ton, der unserem gespannten Verhältnis noch mehr negative Energie gab. Aber Energie ist, egal ob positiv oder negativ, Energie. Und von der hatte Hempel genug. Er bückte sich leicht nach vorne und rammte sich seine Brille so hoch auf seinen Nasenrücken, daß nicht viel fehlte und er hätte sie sich in seine Augenhöhlen eingearbeitet.
Jetzt bemerkte er, daß es falsch eingesetzte Energie war und zuckte getrieben vom Schmerz zusammen. Mit einem Griff packte er den Brillenbügel und zottelte ihn wieder zurück, um dem Schmerz Herr zu werden. Dabei verzog er die Lippen und verdrehte die Augen. Meine Nervosität verwandelte sich in Belustigung. Auch Vivek, der hinter Hempel hergelaufen war, und Kim war diese Szene nicht entgangen. Kim drehte ihren Kopf leicht nach unten zur Seite und tat so, als würde sie in ihrer Tasche etwas suchen. Sie schnaubte dabei kurze leise Luft aus ihrer Nase, welche sich eindeutig als Vorboten zu dem Beginn eines Lachanfalls zuordnen ließen. Kim, tu mir das nicht an, flehte ich innerlich. Wenn man nicht lachen darf oder sollte und jemand anderes unterdrückt es krampfhaft, dann ist das mit unter anderem die gemeinste Sache der Welt.
Kim gab meiner Belustigung Nahrung, die wurde auch gerne verspeist und meine Mundwinkel stiegen nach oben. Vivek stand neben Hempel und schaute diesen lauernd, was als nächstes kommen würde, an. Auch er konnte sich ein schiefes grinsen nicht verkneifen. Zwei gegen mich; die die mehr als zu verlieren hatte. Vivek stand leider so dicht neben dem Professor, das er dieses Mal nicht mein Retter in der Not sein konnte.
„Was gibt es da zu grinsen?“, herrschte mich Hempel an. Na klasse, mein Männchen lag mit dem Kopf lachend und sich den Bauch haltend auf meiner Schaltzentrale. Drei gegen mich. Ich setzte zur Verteidigung an. Ein Versuch war es wert. Es blieb bei diesem Versuch, da der Professor meine Regung wahrnahm, sie mit einer Hand wischend in der Luft zunichte machte und tief Luft holte.
„Sie sind die unfähigste Person, die ich jemals in einem Studiengang hatte. Sie sind…“ Der Professor blickte verwundert zur Seite. Vivek hatte sich laut geräuspert.
„Herr Professor Hempel. Ich unterbreche Sie ungern, aber ich würde es begrüßen, wenn wir dieses Gespräch an einer anderen Örtlichkeit fortsetzten.“
Hempel, Kim und ich starrten Vivek ungläubig an. Es hatte sich noch nie einer gewagt, den Professor zu unterbrechen. Hempel zog seinen Oberkörper zurück, ließ von mir ab und wand sich seinem neuen Opfer zu.
„Herr Kollege, ich traue meinen Ohren nicht! Sie würden was?“, versuchte er Vivek zu entlocken und lauerte auf dessen Antwort. Vivek ruhte in sich selber und wiederholte ruhig und sachlich sein Anliegen. Sollte Hempel seinen Meister gefunden haben? Der Professor schnappte nach Luft wie ein Fisch an Land und seine Brille landete nun doch in seinen Augenhöhlen. Nervös rieb er seine Hände aneinander, schwang sie dann seitlich vom Körper hin und her und streckte dann einen Zeigefinger in die Luft.
„Ich will Sie sprechen. Beide! In meinem Zimmer. Sofort!“, sagte er in einem strengen Ton und zeigte abwechselnd auf Vivek und mich. Dann ließ er von uns ab und lief mit schnellen Schritten Richtung Gebäude. Schweigend bleiben wir zurück. Kim war die erste, die das Wort ergriff und mehr zu sich als zu uns sagte: „Oh je, das wird richtig Ärger geben.“ Vivek zuckte mit den Schultern, lächelte mich an und wollte dem Professor folgen.
„Ich gehe mal und versuche ihn zu beruhigen. Komm so in 20 Minuten nach.“, sagte er zu mir und lief los.

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