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Teil 12


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag14.08.2010 23:52
Teil 12
von Lyrika
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Er hätte nicht gedacht, daß er sie je wieder sehen würde. An der Universität hätte er öfter gestanden, dort, wo er sie abgesetzt hatte und gewartet, bis er sie entdecken würde. Dann hätte er sie angesprochen, aber das Schicksal entschied sich für einen anderen Weg.
Mit dem Geschmack ihrer Lippen auf seinen lief er durch die laue Nacht. Es war nur gerecht, daß er sie geküßt hatte. Sie scheuerte ihm ungefragt eine, dann dürfte er sie auch ungefragt küssen.
Die Nacht umhüllte ihn und gab dem Erlebten einen mystischen Beigeschmack. Diesmal würde es anders werden, daß spürte er. Wie viele Frauen hatte er mit dieser Masche schon herumbekommen? Zwar nicht viele, grinste er, aber es hatte immer eine Wirkung auf Frauen. Er spielte mit seinem Charme und dieser erwies sich in diesen Situationen immer als zuverlässiger Helfer. Sicher, Gefühle zu den Frauen hatte er schon, aber etwas Ernstes? Nein, soweit wollte er es nie kommen lassen. Lieber spielte er eine Weile mit dem Feuer und löschte es rechtzeitig aus. Jetzt war sie ihm vor das Auto gerannt und stellte sich direkt vor sein Herz und löste Fragen und Gefühle in ihm aus, die er nicht zulassen wollte. Warum hab ich sie bloß geküßt, dachte er sich, während er um die Ecke zu seiner Wohnung bog. Nicht darüber nachdenken, ermahnte er sich.
Es war kein weiter Weg von der Disco bis zu ihm nach Hause. Wie schön sie war. Und dieser Zorn, der ihre Augen zum entflammen brachte. Dieser Zorn gefiel ihm schon bei ihrer ersten Begegnung. Vielleicht war es der Auslöser dafür, daß ihm einfiel, mit ihr englisch zu sprechen, um diesen Zorn noch weiter zu entflammen? Oder sollte es nur eine weitere Masche sein?
Grinsend lief er die Straßen entlang und lachte in sich hinein bei dem Gedanken, wenn sie erfahren würde, daß er perfekt deutsch spricht. Ihre Augen würden glühende Kohlen sein. Beim Laufen kramte er seine Zigaretten hervor und steckte sich eine an. Tief sog er den Rauch ein und blies ihn genüßlich aus. Diese verfluchte Sucht!
Als die Zigarette geendet hatte, stand er vor seiner Haustür, schloß sie auf, trat hinein und ging auf den Briefkasten zu. Mit einem gelangweilten Blick schaute er durch den Briefschlitz und sah ins Leere. Ausgelassen schritt er die Treppen bis in den zweiten Stock hinauf. Vor der Wohnungstür steckte den Schlüssel in das Schloß und bemerkte, daß dieser sich nicht ganz reinschieben ließ. Och, nicht schon wieder, dachte er, zog den Schlüssel aus den Schloß und klopfte mit der Faust an die Tür.
„Zayed.“, rief er durch die Tür. Es kam weder ein Geräusch noch eine Regung als Antwort.
„Zayed, mach die Tür auf!“, rief er jetzt lauter und hielt sein Gesicht näher an die Tür und unterstrich seine Forderung mit weiterem, diesmal heftigerem, klopfen. Die Tür stammte einem Altbau an und war von rustikalem Bau. Vivek atmete tief ein.
„Wie oft hab ich dir schon gesagt, daß du den Schlüssel nicht…“

Die Tür wurde aufgerissen. Er schaute in den dunklen Flur der Wohnung und tastete nach dem Lichtschalter. Ein warmes Licht durchflutete den Flur der Wohnung und erhaschte mit seinem Schein den Rücken einer schlaftrunken laufenden Person. Mit einem Brummen entwich die Person aus dem Lichtschein in einen der Räume. Vivek zog sich die Schuhe aus und wollte gerade die Tür schließen, als er in das Gesicht seiner Nachbarin schaute. Die alte Dame stand mit einem Morgenmantel im Stil der 50ziger Jahre bekleidet und Lockenwickler im Haar in ihrer Haustür. Sie hatte die Tür gerade so einen Spalt geöffnet, daß sie hindurchsehen konnte.
„Guten Abend, Frau Meier!“, grüßte Vivek mit einer kleinen Verbeugung und einem zuckersüßen Lächeln. Hatten ihn nicht gerade Blitze getroffen, die aus ihren Augen kamen? Sie schüttelte nur energisch ihren Kopf und die Lockenwickler in ihrem Haar hüpften im Takt hin und her. Fester zog sie den Morgenmantel um sich herum. Eigentlich fehlte Frau Meier jetzt nur noch eine grüne Gesichtsmaske und sie könnte zum Fasching gehen. Als das ´Monster aus der 5. Straße, dachte er sich und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, was bei Frau Meier die Reaktion verursachte, seine Mimik mit dem Knallen der Tür zu mißbilligen. Oh je, die ist aber mal wieder richtig sauer, dachte er sich und schloß ebenfalls die Tür. Nur nicht so geräuschvoll wie Frau Meier. Es gab schon genug Ärger zwischen ihnen.
Er ging in das Wohnzimmer und knipste dort nur eine kleine Lampe in der Ecke an. Na wie wundervoll, Zayed hat sich seiner Leidenschaft hingegeben. Mit einem Blick erkannte er auf dem Tisch eine leere Chipstüte, die Fernbedienung und einen Stapel Micky Maus Hefte. Er kann es nicht lassen, lächelte Vivek und ging auf die Couch zu, um sich zu versichern, daß sein letztes Beweisstück von Zayeds Ausbruch auch dort stand, wo er vermutete. Er schmiß sich bauchlings auf die Couch, robbte bis zu der Lehne und schaute über sie hinunter auf den Boden. Ach, da ist sie ja, ich kenne ihn einfach zu gut und hielt triumphierend eine leere Colaflasche in der Hand.
"Ist ja widerlich", murmelte er vor sich hin, stellte die Flasche auf den Boden zurück, stand auf und ging in das Zimmer, in das die brummende Person verschwunden war. Er öffnete die Tür, machte aber kein Licht. Das Licht vom Flur drang in den dunklen Raum und ließ Vivek das Bett in der Ecke entdecken. Die Bettdecke lag halb über der Person. Vivek ging auf das Bett zu und setzte sich auf die Bettkante.
„Zayed?“, fragte er leise. Keine Antwort. „Zayeeeed! Ich weiß, daß du nicht schlafen kannst.", sagte er und wartete. Die Person drehte sich zu ihm herum, ließ die Augen geschlossen und antwortete:
„Mir ist schlecht!“
„Ist das `nen Wunder? Du hast wieder mal unvernünftig gehandelt. Warum tust du das, wenn du weißt, daß dir Chips und Cola nicht bekommen? Hast du morgen frei?“, fragte er Zayed.
„Ja, ich hab morgen frei. Aber mußt du mir jetzt `ne Standpauke halten? Ich bin alt genug, um zu wissen, was ich tue!“, gab er patzig zurück.
„Anscheinend nicht, sonst wußtest du…“
„Ach, sei nicht so. Nur weil du 10 Minuten älter bist, brauchst du nicht den großen Bruder spielen.“ Zayed winkte ab und drehte sich von Vivek weg.
„Ich bin dein großer Bruder!“, lachte Vivek.
„Doof bist du!“, brummte ihm Zayed entgegen.
„Aber hübscher!“ Zayed drehte sich wieder zu Vivek und fragte ihn mit immer noch geschlossen Augen:
„Wie kannst du denn hübscher sein, als ich? Wir sind eineiige Zwillinge und wenn du hübsch bist, dann bin ich es auch.“
„Stimmt ja, wir sind ja Zwillinge, dann bist du also auch doof?“, lachte Vivek und haute ihm brüderlich auf die Brust.
„Mach daß du verschwindest!“ Kopfschüttelnd hielt Zayed die Hand seines Bruders fest. „Warum bist du kein Mädchen geworden? Dann könnte ich dich beschützen und müßte dich nicht, wie jetzt, verhauen.“, sagte er zu Vivek und ehe der begriff, wie ihm geschah, verpaßte Zayed seinem Bruder drei kräftige Knuffe auf den Oberarm. Lachend wehrte Vivek die Schläge ab und sagte unter dem Gerangel der Brüder:
„Apropos Mädchen! Ich hab da was erlebt, das wirst du mir nicht glauben.“
Zayed ließ sich von der Äußerung seines Bruders nicht beeindrucken und bearbeitete weiter dem ihm gebotenen Oberarm.
„Brüderchen, hörst du mir zu? Ich sagte, Mädchen.“
Zayed stoppte seine Attacke und schaute Vivek direkt ins Gesicht. Wie erschreckend, dachte er sich. Durch den Lichtschein, der spärlich in das Zimmer fiel und nur die Silluette von Vivek zeichnete, erkannte er wieder einmal, was es bedeutet, ein Zwilling zu sein. Wenn er in den Spiegel schaute, dann bekam er sein eigenes Antlitz zu sehen.
Als Zwilling aber "lebte" dieses Antlitz. Schaute er Vivek an, schaute er sich selber an. Redete Vivek, redete er. Lachte Vivek, lachte er. War es nun ein Fluch oder ein Segen, einen Zwilling zu haben?
Von kleinauf ständige Verwechselungen. Ständig den anderen Menschen zu sagen, man ist nicht Vivek, sondern Zayed und das Schlimmste für ihn ist die Sache, daß es immer nur heißt: Schaut mal, das kommen die Zwillinge. Nie, schau mal da kommt Vivek oder da kommt Zayed.
Aber konnte er der Laune der Natur böse sein? Nein, bis zum heutigen Tage hatte er sich trotz der Umstände glücklich geschätzt, ein Zwilling zu sein. Es hatte auch seinen Vorteil.
Er lächelte verschmitzt, als er an den Tag dachte, wo er Vivek bei einer wichtigen Sitzung vertreten hatte und keiner hatte es bemerkt. Ja, sie glichen sich wie das sprichwörtliche Ei dem anderen.
„Warum lächelst du?“, fragte Vivek amüsiert.
„Ach, ich mußte über dein `Mädchen` lächeln. Ich steh nämlich nur auf Frauen, mein Hase!“, antwortet er ihm, rappelte sich auf, rutschte an Vivek vorbei und stand auf. „Aber wenn du auf Mädchen stehst, bitte!“ Viveks Antwort war ein Wurf mit dem Kissen in Richtung seines Bruders.
„Willst du noch älter werden? Wenn ja, dann nenn mich nie wieder Hase!“ Drohend hob Vivek seine Faust.
Lachend drehte sich Zayed um und bevor er das Zimmer verließ, rief er seinem Bruder zu: „Da du mich ja jetzt eh wach gemacht hast, koch uns doch einen Tee und wir quatschen in der Küche über dein `Mädchen`, mein Hase.“ Fluchend flog das nächste Kissen.

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