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Teil 06


 
 
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Lyrika
Leseratte
L


Beiträge: 130
Wohnort: Berlin


Liebe einen Inder
L
Beitrag14.08.2010 23:43
Teil 06
von Lyrika
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Kim blickte mich böse an und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust.
„Sara, das ist nicht witzig! Ich mache mir Sorgen und du lachst mich aus.“ Ich hatte keine Lust auf eine ausgewachsene Diskussion, die Kim so liebte, faßte sie am Arm und zog sie zu den Fahrstühlen.
„Genau, nicht witzig! Und nun gehen wir wieder zu diesem…..diesem, ach auch egal! Los komm!“
Wir fuhren mit dem Fahrstuhl wieder in die Aufnahme und meldeten uns bei der Krankenschwester zurück. Sie nahm mir die Röntgenbilder ab und wies uns an, noch einmal kurz im Wartezimmer platz zu nehmen.
Im Wartezimmer war jetzt kein einziger Sitzplatz mehr frei. Die Luft war stickig und roch streng nach Desinfektionsmittel, daß einem übel wurde. Mütter warteten mit ihren Kindern, die wimmerten oder weinten, ein Mann trug einen Verband um die Hand, ein junges Mädchen hatte ein großes Pflaster an der Stirn. Ohne ein Wort untereinander zu wechseln drehten wir uns um und stellten uns ein wenig abseits.
„Wahnsinn, was da jetzt los ist!“ stellt Kim erstaunt fest. Ich stöhnte nur genervt vor mich hin und schritt aus Langeweile den kleinen Flur auf und ab. Kim betrachtete eingehend ihre Fingernägel und schaute plötzlich zu mir hoch.
„Da fällt mir ein, hast du nicht heute Schicht?“ Ich stoppte abrupt meinen Marsch und merkte, wie sich das Wort `Scheiße` durch meine geschockten Erkenntnis über meine Lippen bannte.
„Das darf doch nicht wahr sein! Ich hab das total vergessen! Wie soll ich denn mit einem gebrochen Finger arbeiten? Und ich brauch das Geld doch so dringend! Kim, kannst du nicht für mich gehen?“ schaute ich sie flehend an und hoffte, sie würde `Ja` sagen.
„Gerne, aber ich hab heute Schicht bei Alberto. Sag doch ab.“ schlug sie vor. Ich hatte mal wieder vergessen, daß sie zwei Nebenjobs hatte. Bei Alberto, einem Lieferservice für italienische Küche, wo sie die Bestellungen aufnahm und in einer Disco, wo wir beide zusammen hinter dem Tresen arbeiteten. Dies erwies sich in soweit als günstig, da wir je nach unseren Vorlesungen die Dienste tauschen konnten. Und so wie der Tag angefangen hatte, so nahm er seinen Verlauf. Den Tränen nahe drehte ich mich um und ging bis zu dem Ende des Flures zu dem kleinen Fenster. Ich stützte mich auf das Fensterbrett und schaute teilnahmslos heraus. Konnte denn nicht einmal etwas richtig laufen? Immer wieder beschlich mich das Gefühl, mein Leben glitt aus den Bahnen. Und wurde zudem andauernd durch…
„Frau Kramer?“ wurde ich jäh aus meinen Gedanken gerissen und schaute auf. Die Krankenschwester forderte mich auf ihr zu folgen. Kim blickte mich an und ich schüttelte unmerklich den Kopf. Sie verstand sofort, daß ich allein sein wollte. So dackelte ich mit und ließ mich im Behandlungszimmer auf einen Stuhl fallen. Ich war allein. Meine Ellenbogen fanden ihren Platz auf meinen Oberschenkeln und ich vergrub mein Gesicht in meine Hände. Nun konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie liefen mir ohne Schlurzen über die Wangen. Der Raum um mich herum zog sich zurück und hüllte mich in einen Zustand des Vergessens. Die Tränen waren heiß und schmeckten voller Wut. Vorsichtig, fast sanft, berührte etwas meine Haare. Eine Hand strich mir eine Strähne über mein Ohr. Ich sog die entstehende Gänsehaut in mich auf. Es fühlte sich aufregend an und ließ meine Tränen stoppen. Meine Hände wurden langsam von meinem Gesicht gezogen und ich hob meinen Kopf. Geradewegs blickte ich in zwei tiefschwarze Augen. Der Arzt, der mich umgefahren hatte, hockte vor mir und hielt meine Hände fest. Ganz vorsichtig, um den gebrochenen Finger nicht zu gefährden. Sekunden blickten wir uns in die Augen, nicht wissend, was wir voneinander halten sollten. Er wartete wohl darauf, daß ich gleich wieder mit wüstenden Beschimpfungen über ihn herfallen würde. Aber danach stand mir gar nicht mehr der Sinn. Er war so fürsorglich zu mir, mehr als mir lieb war.
Aber war er das nicht schon nach unserem Zusammenprall? Hatte er sich dort nicht auch schon um mich bemüht? Fragend schaute ich ihn an. Er antwortete mit einem Lächeln, daß mein Magen einen zweiten Schlag bekam. Bevor mein Herz zum Spurt ansetzten konnte, zog ich meine Hände aus seinen. Er stand auf, ging auf den kleinen Schreibtisch zu, zog die Röntgenbilder hervor und plazierte sie an den großen Apparat an der Wand. Dann drückte er auf den kleinen Schalter an der Seite des Apparates und es blinkte ein Licht auf, das kurz darauf zum stehen kam. Die angebrachten Röntgenbilder zeigten meine Hand. Er schaute über seine Schulter zu mir herüber und winkte mich zu sich. Ich stand schwerfällig auf, trottete auf ihn zu und stellte mich an seine Seite. Mit einem Stift in der Hand erklärte er mir meine Verletzung.
„Sehen Sie hier“, sagte er konzentriert und fuhr mit dem Stift über das Röntgenbild. „hier ist der kleine Finger angebrochen, aber nicht gebrochen, wie im klassischen Sinne. Das ist eher, wie sagte man auf deutsch, nur eine Splitterung.“ Ich kicherte plötzlich und meinte: „Sie können es auch auf englisch sagen.“ Erschrocken über meine blöde Bemerkung schlug ich meine Hand auf meine Mund. Er drehte den Kopf zu mir herum, immer noch den Stift in der Hand, weisend auf das Röntgenbild und grinste mich an.
„Wenn Ihnen das lieber wäre. Aber das würde jetzt zu lange dauern. Sie haben ja selber gesehen, wie voll das Wartezimmer ist. Ich mache Ihnen nur eine kleine Schiene aus Plastik herum. Das reicht zur Ruhigstellung. Mit der sind Sie beweglicher und können Ihrer Arbeit nachgehen. Setzen Sie sich hier auf den Behandlungstisch.“ Ich trat ein paar Schritte zurück, hob meinen Hintern und saß beinebaummelnd auf dem Behandlungstisch. In der Zeit war er auf einen Schrank zugegangen, aus dem er einige Sachen holte und auf mich zutrat. Die Sachen legte er auf den Behandlungstisch und nahm meine Hand. Ich wollte ihn nicht anschauen und starrte auf den Boden. Er behandelte meinen Finger mit schnellen sicheren Griffen und binnen einiger Minuten blitzte eine kleine Schiene aus Plastik befestigt mit drei Streifen aus braunem Pflaster an meinem kleinen Finger.
„So, das war´s schon.“, kommentierte er stolz seine Arbeit. Ich war standhaft geblieben und hatte ihn während der Behandlung nicht einmal angeschaut. Mein Blick, der immer noch den Boden betrachtete, schweifte zu meiner linken Hand. Ich streckte sie weit von mir und betrachtete sie.
„Sieht doch verführerisch aus.“, lachte ich nun und wedelte ein wenig meine Hand hin und her.
„So wie Sie.“ Ich vernahm den letzten Satz, schenkte ihm aber zunächst keine Beachtung, weil ich so fasziniert von meinem Finger war. Als der Sinn des Satzes allerdings von meinem Hirn in der Kategorie `verarbeiten` übersetz wurde, verstrichen ein paar Sekunden. Das Signal `Du hast ebnend ein Kompliment bekommen` bannte sich seinen Weg in den Hirnbereich `registrieren` und wurde in dem Bereich `reagieren` weitergeleitet. Ich hörte mit dem Wedeln auf und blickte ihn nun doch an.
„Was?“, fragte ich verunsichert.
„So wie Sie, sagte ich.“, antwortete er ohne verlegen zu werden. „Eine verführerische Plastikschiene an einer verführerischen Frau.“ Verschmitzt und herausfordernd lächelte er mich an. Meine Augen verengten sich. Ich streckte den Zeigefinger meiner linken Hand aus und drohte ihm damit.
„Sie sind…“
„Ich bin Zayed. Angenehm.“, unterbrach er mich und nahm meinen Zeigefinger und schüttelte ihn vorsichtig. Ich war so überrascht von seiner Kaltschnäuzigkeit, daß ich nicht anders konnte, als zu lachen. Zumal es ein komisches Bild abgeben mußte, wie ich ihn mit gleich zwei Fingern drohte. Einen nicht freiwilligen ausgestreckten kleinen Finger und einem absichtlich ausgestrecktem Zeigefinger. Es sah so aus, als wollte ich ihn mit dieser Gebärde beschwören. Er lachte kurz mit, brach ab, wurde ernst und kam ganz nah an mich heran. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Seine Wärme striff mich und ich versteifte mich, nicht wissend was auf mich zukam. Sein Gesicht kam seitlich, kurz vor meinem Hals, zum stoppen und er hauchte in den Raum mit einer tiefen, beruhigenden Stimme: „Sara, passe bitte auf deinen Finger auf. Und auf dich. Du bist eine wundervolle Frau.“
Seine Fürsorge umhüllte mich und ich schloß die Augen. Die Wärme, die von ihm ausging, vermischte sich mit dem Duft von Nußöl. Ich zog langsam dieses von ihm ausströmende Gemisch in meine Lunge und verspürte wieder diesen Drang, ihn küssen zu wollen.
„Wie im Auto.“, flüsterte ich und öffnete die Augen.
„In welchem Auto?“, flüsterte er zurück.
„Weißt du nicht mehr, daß du mich zur Uni gefahren hast?“
Plötzlich wurde die Behandlungstür aufgerissen und die Krankenschwester stand in der Tür.
„Zayed, wo bleibst du….Oh, Entschuldigung, aber die anderen Patienten warten schon!“, tadeltet sie ihn und warf mir einen verachtenden Blick von Frau zu Frau zu.

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