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Übung: Eine zertretene Rose

 
 
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Exzess
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 32
Beiträge: 21



Beitrag02.08.2010 12:40
Übung: Eine zertretene Rose
von Exzess
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

"Was siehst du?", fragte John, während ich mit geschlossenen Augen auf dem Boden lag. "Ich weiß nicht genau", murmelte ich vor mich hin,"Es ist etwas passiert. Etwas, was mich verfolgt." Beunruhigt blickte John auf mich hinunter. John war ein Mann, der seine besten Jahre bereits durchlebt und vor kurzem angefangen hatte, Menschen dabei zu helfen ihre Träume zu verstehen. Träume sind einzigartig. Sie entstehen, während wir schlafen. Doch verschwinden sie genauso schnell, wie sie zu uns gekommen sind. Nachdem man aufwacht, begleitet einem meist das Gefühl der Ungewissheit, der Leere, da man sich damit schwer tut, seine Träume in Erinnerung zu behalten. Manche Menschen sagen, dass Träume uns dabei helfen, Erlebnisse, mit denen negative Empfindungen verknüpft sind, zu verarbeiten. Vielleicht war dies ein Erlebnis, welches mein Gehirn begann zu analysieren und für mich erträglicher zu gestalten. Doch war ich wirklich dazu in der Lage? Sind meine Träume nur deshalb existent, weil sie meine betrübten Erinnerungen wachrufen sollen, um sie mir abermals vor Augen zu führen? Ich persönlich glaube nicht daran. Für mich sind Träume der pure Ausfluss von Kreativität und Einfallsreichtum. Mit Träumen erschaffen Menschen ihre eigene Realität, so verschwommen und sprunghaft sie auch zu scheinen mögen. Wir erschaffen Dinge, die der Natur trotzen. Wir tun Dinge, die unsere Gesellschaft nie akzeptieren würde. Wir sehen, was anderen verschlossen bleibt.
"Sieh genauer hin, Ann. Was ist passiert?", hackte John nach. Langsam begann das Bild vor meinem inneren Auge gestalt anzunehmen. Es war ein großer, schwarzer Hund. Stark, furchteinflößend, agressiv. "Er schaut mich an. Er sieht mich. Er kommt mir langsam näher." Ich spürte, wie  meine Hände langsam anfingen sich zu verkrampfen. Die Angst packte mich mit ihren eiskalten Händen und fing an, mich völlig zu umhüllen. Eine Träne glitt mir über die rechte Wange. "Bleib' ganz ruhig, Ann. Wir werden das gemeinsam durchstehen. Was siehst du in den Augen des Hundes? Ist er wirklich so feindselig?" Die Kraft, um diesem Geschöpf in die Augen zu blicken, fehlte mir. Erst als John meine Hand packte, sie fest drückte, drehte ich mich um und befand mich Angesicht zu Angesicht mit meinem Alptraum. "Er weint. Ich sehe Tränen sein Fell hinunterlaufen. Überall, aus seinem ganzen Körper. Sie sind aber nicht klar, sie sind rot. Unter seiner linken Pfote befindet sich eine Blume. Ich glaube es ist eine Rose. Ja, die weißen Blüten nehmen die Farbe seiner Tränen an." Plötzlich keuchte ich stark auf. Der Speichel spritzte mir aus dem Mund und benetzte meine Kleidung. Ich fuhr auf der Stelle hoch und versuchte mich selbst zu fassen. Mein linker Daumen schmerzte fürchterlich. "Was ist los? Geht es dir gut?", starrte mich John beängstigt an. "Alles gut. Ich weiß nicht, was auf einmal mit mir los war. Aber mein Daumen, er tut so weh", gab ich ihm zu verstehen und streckte ihm meine linke Hand entgegen. Er setzte einen Schritt nach vorn, um den Schmerz besser orten zu können. "Es ist ein Dorn. Wie um Himmels willen kommt da ein Dorn in deinen Finger?" Langsam richtete ich mich auf, weil ich befürchtete, dass mein Kreislauf eventuell nicht stabil wäre. Als ich auf Augenhöhe zu John war, schweifte mein Blick nach unten ab. Unter Johns linkem Schuh schien etwas hervorzuragen. Ich bat ihn, den Fuß etwas anzuheben. Zum Vorschein kam eine zertretene Rose, vielleicht die gleiche Rose, wie aus meinem Traum.
Wenn ich an diese Sitzung zurückdenke, fühle ich mich bestätigt. Die Rose nahm ich damals mit nach Hause und presste sie in das dickste Buch, das ich finden konnte. So bleibt sie mir auf ewig erhalten, und mit ihr das Gefühl, dass die Realität nur soweit real ist, wie unsere Träume es zulassen.


MJ


_________________
finis dierum
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