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Liluye Gänsefüßchen
Alter: 32 Beiträge: 24 Wohnort: NRW
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15.07.2010 16:26 Fin de siècle von Liluye
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Regenwasser treibt das leere Blatt
über Schwellen in die Dunstgesänge -
wandelnd durch die dunklen Säulengänge,
die der Sommer längst verlassen hat.
Ich bin schweigsam, überreif und satt.
An dem ganzen menschlichen Gedränge
finde ich nichts mehr, und die Behänge
meiner Seele ruhen müd' und matt.
Will die großen, ungelösten Fragen,
die mich drängten, drückten und beschwerten,
welken Rosen gleich zur Ruhe betten -
nur noch Stille. Will kein Wort mehr sagen,
das nicht singt - ob die versagten Gärten
uns noch unverschlossen wären, hätten
wir gelernt zu schweigen?
Weitere Werke von Liluye:
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 31 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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15.07.2010 18:37
von EdgarAllanPoe
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Hallo Inkognito!
Das ist ein sehr melancholisches, untypisches Sonett (sechzehn Verse, aber das merkt man kaum, so flüssig liest es sich). Auch der Trochäus, dessen Ton im Gesamten sehr traurig und bedrückend ist, ist dem Thema angemessen. "Fin de Siècle" passt nicht nur auf die Literaturepoche, sondern auch auf das Ende einer Beziehung und damit auf den Neubeginn, der da folgen mag - die Analyse der Fehler, die zu diesem fatalen Schluss geführt haben, legt das nahe. Manchmal ist es nicht erstrebenswert, alles auszukosten - ein Schweigen kann auch sein Bestes wirken; lieber einige Dinge unangetastet lassen, das, was man aber wirklich gerne tut, genießen. Da könnte ich mir gemeinsame Spaziergänge vorstellen, einfaches Beisammensein, nichts, was großartig danebengehen kann.
Doch die traurige, regelmäßig wie das "Regenwasser" fließende Melodie legt etwas anderes nahe - dass genau das passiert ist: die Überschreitung der Grenzen.
Dieses Gedicht ist das zweite Goldstück, das ich heute lese.
Liebe Grüße,
Eddie
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Liluye Gänsefüßchen
Alter: 32 Beiträge: 24 Wohnort: NRW
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15.07.2010 22:58
von Liluye
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Hallo Eddie,
danke für das Lob und deine aufschlussreiche Deutung! Du hast Recht, der Titel ist ein wenig janusgesichtig und das Gedicht vielseitig interpretierbar. Manchmal sind Worte einfach "ein großer Überfluss", was man leider immer erst dann versteht, wenn es längst zu spät ist. Beziehungen wie Träume werden totgeredet, sie ertrinken in belanglosen Worten, wie ein leeres Blatt, das eigentlich darauf wartet, beschrieben zu werden...
Auf die Trauer folgt aber immer auch die Hoffnung auf einen Neubeginn. In diesem Sinne ist jedes bunte Herbstblatt auf der Straße schon ein früher Bote des Frühlings. Und vielleicht ergeht's dem LI beim nächsten Mal ja besser? Nur ob er den Weg zurück in die versagten Gärten findet, weiß ich nicht. Ich glaube, eher eröffnet sich ihm ein ganz neuer Pfad, während der alte langsam sterben muss, das Erblühen von etwas Neuem bedingt den Tod des Überkommenen.
Ach ja, ich gebe mich dann mal zu erkennen. Wahrscheinlich hast du's eh schon erraten.
Grüße,
L.
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 31 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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16.07.2010 09:18
von EdgarAllanPoe
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Nö, ich hatte nicht erraten, dass du dahinter steckst - aber der Stil passt zu dir. Wie konnte ich nur so doof sein.
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.) |
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versgerber Eselsohr
V Alter: 32 Beiträge: 425 Wohnort: Berlin
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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18344
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17.07.2010 08:27
von MosesBob
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EdgarAllanPoe hat Folgendes geschrieben: | Hallo Inkognito!
Das ist ein sehr melancholisches, untypisches Sonett (sechzehn Verse, aber das merkt man kaum, so flüssig liest es sich). Auch der Trochäus, dessen Ton im Gesamten sehr traurig und bedrückend ist, ist dem Thema angemessen. "Fin de Siècle" passt nicht nur auf die Literaturepoche, sondern auch auf das Ende einer Beziehung und damit auf den Neubeginn, der da folgen mag - die Analyse der Fehler, die zu diesem fatalen Schluss geführt haben, legt das nahe. Manchmal ist es nicht erstrebenswert, alles auszukosten - ein Schweigen kann auch sein Bestes wirken; lieber einige Dinge unangetastet lassen, das, was man aber wirklich gerne tut, genießen. Da könnte ich mir gemeinsame Spaziergänge vorstellen, einfaches Beisammensein, nichts, was großartig danebengehen kann.
Doch die traurige, regelmäßig wie das "Regenwasser" fließende Melodie legt etwas anderes nahe - dass genau das passiert ist: die Überschreitung der Grenzen.
Dieses Gedicht ist das zweite Goldstück, das ich heute lese.
Liebe Grüße,
Eddie |
Liluye hat Folgendes geschrieben: | Hallo Eddie,
danke für das Lob und deine aufschlussreiche Deutung! Du hast Recht, der Titel ist ein wenig janusgesichtig und das Gedicht vielseitig interpretierbar. Manchmal sind Worte einfach "ein großer Überfluss", was man leider immer erst dann versteht, wenn es längst zu spät ist. Beziehungen wie Träume werden totgeredet, sie ertrinken in belanglosen Worten, wie ein leeres Blatt, das eigentlich darauf wartet, beschrieben zu werden...
Auf die Trauer folgt aber immer auch die Hoffnung auf einen Neubeginn. In diesem Sinne ist jedes bunte Herbstblatt auf der Straße schon ein früher Bote des Frühlings. Und vielleicht ergeht's dem LI beim nächsten Mal ja besser? Nur ob er den Weg zurück in die versagten Gärten findet, weiß ich nicht. Ich glaube, eher eröffnet sich ihm ein ganz neuer Pfad, während der alte langsam sterben muss, das Erblühen von etwas Neuem bedingt den Tod des Überkommenen.
Ach ja, ich gebe mich dann mal zu erkennen. Wahrscheinlich hast du's eh schon erraten.
Grüße,
L. |
Hier scheinen sich zwei Menschen gefunden zu haben.
Nein, ernsthaft: Solche konstruktiven Unterhaltungen sind fast genauso schön wie das Sonett selbst. Schon der zweite Text von dir, der mich aufhorchen lässt, Liluye.
Beste Grüße,
Martin
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
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