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Paul - Sommer 1964


 
 
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The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1966
Wohnort: Over the rainbow


Beitrag26.06.2010 11:21
Paul - Sommer 1964
von The Brain
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Paul - Sommer 1964
 
1964 war ein heißer Sommer. Es war Pauls erstes Schuljahr. Er saß in der zweiten Reihe. Vor ihm Manuela mit ordentlich geflochtenen, blonden  Zöpfen, die jedes Mal, wenn sie ihre Hand in die Luft reckte, wild hin und her wippten. Der Platz neben ihm war leer.

Fräulein Knesebrecht war eigentlich nicht mehr in dem Alter ein Fräulein zu sein. Trotzdem betonte sie es voller Stolz, als sie sich der Klasse vorstellte. Ihre Haare waren streng nach hinten gezurrt, waren dort zu einem dicken grauen Knoten gebunden. Streng und energisch regierte sie über die ihr anvertrauten kleinen Wesen. Achtete darauf, dass sie brav Nullen in einer langen Reihe auf die, unter der fest aufgedrückten Kreide, quietschenden Schiefertafeln malten. Wurde es nicht müde sie wieder und wieder Äpfelchen und Birnchen zählen zu lassen.

Paul liebte die spielerisch gestellten Aufgaben. Voller Eifer bemühte er sich die rundesten Nullen von allen zu erschaffen. Alle gleich aussehend, Ordentlich in Reih und Glied. Bemühte sich die Äpfelchen und Birnchen am schnellsten zu addieren, als Erster die Hand zu heben um zu zeigen - “Ich weiß es! Ich weiß es schon!”
 
Paul mochte Fräulein Knesebrecht. Fräulein Knesebrecht erwiderte diese Sympathien nicht, bemühte sich aber, es nicht merken zu lassen. Im tiefsten Inneren ihres Herzens hatte sie eine Abneigung gegen solche Kinder. Auch, wenn sie selbst ein Fräulein war.
 
Es läutete zur Pause. Fräulein Knesebrecht bestand darauf. Die Kleinen mussten sich in Zweierreihe aufstellen, sich paarweise an den Händen fassen und erst wenn es mucksmäuschenstill war, durften sie im Gleichschritt den Weg zum Schulhof antreten.
Paul strahlte. Ein glücklicher Zufall hatte es ergeben. Heute durfte er die Hand von Manuela halten. Schüchtern sah er aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber. Er lächelte. Er war glücklich.
Kaum waren sie an der frischen Luft angekommen, ließ Manuela seine Hand los und lief ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen zu ihren Freundinnen. Paul stand alleine auf dem Hof. Wehmütig sah er hinter Manuela her. Sah, wie sie mit den anderen Gummitwist spielte. Das Lächeln auf seinen Lippen verschwand.

 In der Nähe standen einige der Jungs in einem kleinen Grüppchen zusammen.
“Hey, Paul,” riefen sie zu ihm herüber, “wo ist denn eigentlich dein Papa?”
Laut lachend drehten sie sich um und rannten davon.
 
Paul senkte seinen Blick zu Boden. Er schämte sich. So sehr. Alle hatten sie einen Papa. Alle, nur er nicht.
Obwohl, so ganz stimmte es ja nicht. Ab und zu  kam dieser Mann, von dem seine Mama sagte, es sei sein Vater, nahm ihn an der Hand und machte einen Spaziergang mit ihm. Paul hatte ein klein wenig Angst vor diesem Fremden. Der Mann sprach nicht viel, hustete aber oft.

Wenn er Paul wieder nach Hause brachte, schenkte er ihm zum Abschied eine Tafel Schokolade und drückte ihn kurz an sich.
“Bis bald, mein Großer!” sagte er jedesmal. Dann verschwand er wieder. Aus dem Haus. Aus Pauls Leben.
 
“Hey, Paul,” die anderen Jungen waren, von ihm unbemerkt, hinter ihn getreten, “gib´s zu, du hast überhaupt keinen Papa!” 
Wieder lachten sie, schubsten ihn, so dass er beinahe hingefallen wäre. Das schrille Läuten der Schulglocke rettete ihn vor Schlimmerem. Fräulein Knesebrecht stand wie ein Feldwebel vor dem Eingang zum Schulgebäude.
“Ordentlich Aufstellen! In Zweierreihen!” 
Reihe für Reihe inspizierte sie die jugendliche Schar. Erst als alle schweigend und mit geradem Rücken auf das Signal zum Abmarsch warteten, durften sie mit kleinen trippelnden Schritten zurück in die Klasse.
 
Der Schultag ging zu Ende. Paul machte sich auf den Nachhauseweg. Der Ranzen drückte schwer auf seine schmächtigen Schultern. Müde und hungrig läutete er wenige Minuten später an der heimischen Tür. Mama öffnete ihm. Über ihre Wange kullerte eine dicke Träne.
“ Mein armer kleiner Junge!” Sie nahm Paul behutsam in ihre Arme. “Dein Vater, Paul, dein Papa, er ist gestorben. Er war so krank, musste immer so viel husten. Der liebe Gott hat ihn zu sich gerufen. Er ist jetzt ein Engel. Engel haben keinen Husten. Es geht ihm jetzt besser.”
 
Paul verstand erst nicht. Dann begriff er. Der Mann würde nicht mehr kommen und ihm Schokolade mitbringen. Er war gestorben, ein Engel. Es machte Paul traurig.
Beinahe hätte er geweint.
Doch dann musste er still vor sich hin lächeln. Er hatte eine Antwort. Endlich eine Antwort! Wenn ihn morgen die anderen Jungen fragen würden. Trotzig würde er sich gegen sie stellen.
“Mein Papa ist ein Engel! Mein Papa ist tot!”  und irgendwie war Paul erleichtert.



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Ruthi
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 36
Beiträge: 218



Beitrag26.06.2010 11:28

von Ruthi
Antworten mit Zitat

Hallo Brain smile
Ich fand die Geschichte sehr schön, sie hat mich gefesselt ohne dabei auf künstliche erzeugte Spannung bauen zu müssen, sehr gut!
Zwei Dinge sind imr aufgefallen:
Zitat:
Schüchtern sah er aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber. Er lächelte. Er war glücklich.

Ich weiß nicht, ob es ein Fehler ist, aber ich hatte es so gelesen, dass SIE lächeln sollte, und sein Glücklichsein darauf eine Reaktion ist. Wenn es anders gedacht war, vergiss meine Worte wink

Zum zweiten wundert mich, dass die Mutter ihn direkt an der Tür mit dieser Nachricht so überfällt. Man würde eigentlich erwarten, dass sie ihn erstmal hereinholt und ihn sich setzen lässt oder ähnliches. Es sei denn du würdest sie vorher schon so laut und ungebremst vorstellen.

Insgesamt wie gesagt eine schöne Geschichte.
LG Ruthi


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ELsa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 74
Beiträge: 1398



Beitrag26.06.2010 11:44
Re: Paul - Sommer 1964
von ELsa
Antworten mit Zitat

Liebe Brain,

Berührt! Ein kleiner Junge, der endlich die "Peergruppe" in die Tasche stecken kann, weil der Mann, der sein Vater ist, als Toter einzuordnen ist. Besser tot als nicht vorhanden, das ist raffiniert und klasse gedacht.

Gut, dass du schreibst, wann die Geschichte spielt, denn die Fräulein Knesebrechts sind zum Glück weitgehendst ausgestorben. Wobei mir nicht klar ist, warum sie so viel Raum in dem Text einnimmt? Das erschließt sich mir nicht.

Da hätte mich lieber einer weitere Episode über die Treffen Paul/Papa gelesen, nachdem das das Kernthema ist.   

The Brain hat Folgendes geschrieben:
Paul - Sommer 1964
 
1964 war ein heißer Sommer. Es war Pauls erstes Schuljahr. Er saß in der zweiten Reihe. Vor ihm Manuela mit ordentlich geflochtenen, blonden  Zöpfen, die jedes Mal, wenn sie ihre Hand in die Luft reckte, wild hin und her wippten. Der Platz neben ihm war leer.

Fräulein Knesebrecht war eigentlich nicht mehr in dem Alter ein Fräulein zu sein. Trotzdem betonte sie es voller Stolz, als sie sich der Klasse vorstellte. Ihre Haare waren streng nach hinten gezurrt, waren dort zu einem dicken grauen Knoten gebunden. Streng und energisch regierte sie über die ihr anvertrauten kleinen Wesen. Achtete darauf, dass sie brav Nullen in einer langen Reihe auf die, unter der fest aufgedrückten Kreide, quietschenden Schiefertafeln malten. Wurde es nicht müde, sie wieder und wieder Äpfelchen und Birnchen zählen zu lassen.

Paul liebte die spielerisch gestellten Aufgaben. Voller Eifer bemühte er sich, die rundesten Nullen von allen zu erschaffen. Alle gleich aussehend, ordentlich in Reih und Glied. Bemühte sich, die Äpfelchen und Birnchen am schnellsten zu addieren, als erster die Hand zu heben, um zu zeigen - “Ich weiß es! Ich weiß es schon!”
 
Paul mochte Fräulein Knesebrecht. Fräulein Knesebrecht erwiderte diese Sympathien nicht, bemühte sich aber, es nicht merken zu lassen. Im tiefsten Inneren ihres Herzens hatte sie eine Abneigung gegen solche Kinder. Auch(,) wenn sie selbst ein Fräulein war.
 
Es läutete zur Pause. Fräulein Knesebrecht bestand darauf. <- den Satz würde ich hintan stellen. Die Kleinen mussten sich in Zweierreihe aufstellen, sich paarweise an den Händen fassen und erst wenn es mucksmäuschenstill war, durften sie im Gleichschritt den Weg zum Schulhof antreten. Fräulein Knesebrecht bestand darauf.
Paul strahlte. Ein glücklicher Zufall hatte es ergeben. Heute durfte er die Hand von Manuela halten. Schüchtern sah er aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber. Er lächelte. Er war glücklich.
Kaum waren sie an der frischen Luft angekommen, ließ Manuela seine Hand los und lief ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen zu ihren Freundinnen. Paul stand alleine auf dem Hof. Wehmütig sah er hinter Manuela her. Sah, wie sie mit den anderen Gummitwist spielte. Das Lächeln auf seinen Lippen verschwand.

In der Nähe standen einige der Jungs in einem kleinen Grüppchen zusammen.
“Hey, Paul,” riefen sie zu ihm herüber, “wo ist denn eigentlich dein Papa?”
Laut lachend drehten sie sich um und rannten davon.
 
Paul senkte seinen Blick zu Boden. Er schämte sich. So sehr. Alle hatten sie einen Papa. Alle, nur er nicht.
Obwohl, so ganz stimmte es ja nicht. Ab und zu  kam dieser Mann, von dem seine Mama sagte, es sei sein Vater, nahm ihn an der Hand und machte einen Spaziergang mit ihm. Paul hatte ein klein wenig Angst vor diesem Fremden. Der Mann sprach nicht viel, hustete aber oft.

Wenn er Paul wieder nach Hause brachte, schenkte er ihm zum Abschied eine Tafel Schokolade und drückte ihn kurz an sich.
“Bis bald, mein Großer!” sagte er jedesmal. Dann verschwand er wieder. Aus dem Haus. Aus Pauls Leben.
 
“Hey, Paul”, die anderen Jungen waren, von ihm unbemerkt, hinter ihn getreten, “gib´s zu, du hast überhaupt keinen Papa!” 
Wieder lachten sie, schubsten ihn, sodass er beinahe hingefallen wäre. Das schrille Läuten der Schulglocke rettete ihn vor Schlimmerem. Fräulein Knesebrecht stand wie ein Feldwebel vor dem Eingang zum Schulgebäude.
“Ordentlich aufstellen! In Zweierreihen!” 
Reihe für Reihe inspizierte sie die jugendliche Schar. Erst als alle schweigend und mit geradem Rücken auf das Signal zum Abmarsch warteten, durften sie mit kleinen trippelnden Schritten zurück in die Klasse.
 
Der Schultag ging zu Ende. Paul machte sich auf den Nachhauseweg. Der Ranzen drückte schwer auf seine schmächtigen Schultern. Müde und hungrig läutete er wenige Minuten später an der heimischen Tür. Mama öffnete ihm. Über ihre Wange kullerte eine dicke Träne.
“ Mein armer kleiner Junge!” Sie nahm Paul behutsam in ihre Arme. “Dein Vater, Paul, dein Papa, er ist gestorben. Er war so krank, musste immer so viel husten. Der liebe Gott hat ihn zu sich gerufen. Er ist jetzt ein Engel. Engel haben keinen Husten. Es geht ihm jetzt besser.”
 
Paul verstand erst nicht. Dann begriff er. Der Mann würde nicht mehr kommen und ihm Schokolade mitbringen. Er war gestorben, ein Engel. Es machte Paul traurig.
Beinahe hätte er geweint.
Doch dann musste er still vor sich hin lächeln. Er hatte eine Antwort. Endlich eine Antwort! Wenn ihn morgen die anderen Jungen fragen würden. Trotzig würde er sich gegen sie stellen.
“Mein Papa ist ein Engel! Mein Papa ist tot!”  Und irgendwie war Paul erleichtert.


Ein paar Korinthen im Text. Ich bin jetzt beim genauen Lesen nicht sicher, ob du nicht den allerletzten Satz streichen solltest. Der Leser weiß wohl, dass Paul dadurch entlastet ist.

Liebe Grüße
ELsa


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Liesette
Geschlecht:weiblichLeseratte

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Beitrag26.06.2010 12:12

von Liesette
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Hallo Brain,

ich gebe Elsa Recht, schmeiß den letzten Satz raus, deine Geschichte hat auch so einen stimmigen Abschluss.
Dir ist eine schöne Momentaufnahme eines kleinen Lebens gelungen, meinen Glückwunsch.

LG,
Silke


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Ilona
Klammeraffe
I


Beiträge: 558
Wohnort: irgendwo in Hessen


I
Beitrag26.06.2010 12:22

von Ilona
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Hallo Brain

besser tot als nicht vorhanden - ein sehr berührender Gedanke, es lohnt sicher, darüber zu schreiben.

Allerdings ist mir nicht klar was Fräulein Knesebrecht damit zu tun hat, auch Manuela finde ich in dem Zusammenhang nicht ganz stimmig. Gut sie gibt sich nicht mit ihm ab, weil er Aussenseiter ist, darin kann man einen Zusammenhang sehen, es erscheint mir - innerhalb einer solch kurzen Geschichte - trotzdem weit hergeholt.

Ob die AUssenseiterrolle durch den Tot des Vaters beseitigt wird? Ich wage heir leise Zweifel anzumelden.

Zitat:
Paul hatte ein klein wenig Angst vor diesem Fremden


Und dann ist er traurig wenn erstirbt? Auch hier bin zweifelnd.

Grüße

Ilona
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Barnetta25
Erklärbär
B

Alter: 39
Beiträge: 3



B
Beitrag26.06.2010 12:36

von Barnetta25
Antworten mit Zitat

Hallo Brain

Dein Werk bekommt nun meinen ersten Kommentar hier im Forum...tut mir leid wink

Die Geschichte finde ich inhaltlich sehr schön, habe das Geschehen sofort direkt vor Augen.

Eine Anmerkung habe ich aber. Wahrscheinlich liegt es nur an meiner Wahrnehmung, aber wenn das Mädchen in der ersten Reihe sich meldet, wieso wippen da die Zöpfe mit? Das kann ich mir bildlich nicht so vorstellen.

aber sonst  Daumen hoch
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The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1966
Wohnort: Over the rainbow


Beitrag26.06.2010 12:42

von The Brain
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Uiii! So schnell so viel Resonanz? TOLL!!!!!!!

Freue mich!!!!!  Laughing   Laughing  Laughing

... versuche mal ganz schnell zu antworten (- bin an der Arbeit....)

@ Ruthi
lieben Dank für dein Lob!
Zu deinen Anmerkungen:
Er lächelt, weil er glücklich ist, dass er ihre Hand halten darf - ihr ist es eher lästig, bedenkt man ihr Davonrennen bei der ersten Gelegenheit.

Die Mutter ist (sie weint) sichtlich vom Tod ihres "ehemaligen Partners" (Mann, Freund, etc.) erschüttert, hat sich selbst nicht unter Kontrolle.
Ihr Schmerz bringt sie dazu den Kleinen damit zu "überfallen", ohne darüber nachgedacht zu haben. In solchen Situationen neigt man oft dazu sein Leid herausschreien zu wollen ....

Liebe Grüße

The Brain


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The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1966
Wohnort: Over the rainbow


Beitrag26.06.2010 14:04

von The Brain
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Liebe Elsa,


vielen Dank für´s Erbsenzählen - wie immer hab ich es geschafft trotz fünf Mal Korrektur lesen ein paar Fehler zu übersehen .... Kann ich prima bei meinen eigenen Texten!

Den Satz nach hinten stellen? Ja, ich glaube das liest sich flüssiger.

Danke!

Die Überrepräsentanz der Lehrerin habe ich jetzt nicht so wahrgenommen... Sie ist ein wichtiger Teil seines Tagesablaufs. Im Gegensatz zum Verhältnis zu seinem Vater hat er eine  Bindung zu ihr - mag sie - versucht ihr zu Gefallen, um Anerkennung zu erzielen.
Mit dem Vater kann er nicht wirklich etwas anfangen. Das Verhältnis ist distanziert.
Fräulein Knesebrecht ist für die Geschichte wichtig, da sie zum einen eine große Rolle in Pauls Leben spielt, zum anderen an ihrer Figur die Stimmung der damaligen Zeit - Strenge, Konservatives Denken, etc. - aufgezeigt wird.


Liebe Grüße

The Brain


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Gast2
Eselsohr
G


Beiträge: 459



G
Beitrag26.06.2010 14:24
...
von Gast2
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Hallo Brain,

Elsa hat schon Erbsen gezählt, hier noch eine: Die Lehrerin hat strenge Haare und regiert streng.  Smile

Ansonsten gefällt mir die Geschichte sehr gut, sehr schön erzählt.

Den letzten Satz würde ich weglassen oder das "und" weglassen.

Liebe Grüße

Heidi
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The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 65
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Wohnort: Over the rainbow


Beitrag26.06.2010 16:29

von The Brain
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Danke, liebe Lisette für dein Lob!

Den letzten Satz mochte ich eigentlich ganz gerne - als Verstärkung und gleichzeitig Erklärung. Offensichtlich ist er aber nicht nötig - ergo - weg damit!


Liebe Grüße

The Brain


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The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 65
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Wohnort: Over the rainbow


Beitrag26.06.2010 18:57

von The Brain
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So, mal gerade wieder fünf Minuten Zeit.... Immer noch am arbeiten und das noch bis heute Nacht um zwölf ....



Liebe Ilona,

die Wichtigkeit der Rolle von Frau Knesebrecht hatte ich schon in meiner Antwort an Elsa versucht zu erläutern. Ähnlich verhält es sich mit Manuela.
Der Prota schwärmt für dieses Mädchen ( - könnte jetzt auch ein Junge sein, mit dem er gerne befreundet wäre - das ist austauschbar) wird aber von ihr ignoriert. Seine Rolle in der Klasse - keine! Er bemüht sich durch Leistung zu glänzen, nur um endlich dazu zu gehören. Am Beispiel Manuelas wird aufgezeigt, das ihm dies nicht gelingt.

Durch den Tod des Vaters wird seine Rolle als Außenseiter kein Ende finden(?) - aber zumindest hat er nun eine Erklärung, wo sein Papa ist. Er muss die Antwort nicht mehr aus Scham schuldig bleiben. Hat somit natürlich einen besseren Stand, als mit einem unerklärlich abwesenden Vater. (1964!)

Paul hat ein sehr distanziertes Verhältnis zu seinem Vater. Dennoch sieht er die Mutter weinen und weiß, das etwas Schreckliches passiert ist. Das anfängliche Unverständnis gleitet über in eine Art der Trauer, da es sich um einen Verlust handelt. Er bekommt eine Ahnung von der Endgültigkeit des Todes. Nicht zuletzt lässt sich der Anflug von Trauer auch auf die nun vorerhaltende Schokolade umlenken.

Liebe Grüße

The Brain


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derSibirier
Reißwolf
D


Beiträge: 1250



D
Beitrag26.06.2010 19:14

von derSibirier
Antworten mit Zitat

Hallo liebe Brain

Der Text geht mir nahe. Eine bittere, aber sehr gute Geschichte, hast du da geschrieben. Was nützt schon ein Papa, von dem man eigentlich nicht mehr hat, als ein bisschen Schokolade und ein paar unpersönliche Worte. Kinder denken einfach, und ein toter Vater ist besser, als einer, von dem man nichts weiß und zu erzählen hat.
Das Leben als Kind ist manchmal traurig hart, hoffentlich gibt die Mutter dem Kleinen genügend Liebe mit auf den Schulweg. Denn das braucht der Knabe dringend, so wie jedes Kind auf seinem Lebensweg.

Es ist eine besondere Geschichte. So wahr wie das Leben selbst.

Zitat:
Wehmütig sah er hinter Manuela her. Sah, wie sie mit den anderen Gummitwist spielte.

Vorschlag: Wehmütig sah er hinter Manuela her, wie sie später mit den anderen Gummitwist spielte.

Zitat:
“Mein Papa ist ein Engel! Mein Papa ist tot!”  und irgendwie war Paul erleichtert.
Im Schlusssatz solltest du bitte den Leser unbedingt alleine weiterdenken lassen. Das ist hier enorm wichtig, um dem Text eine klare Aussage und richtige Wirkung mitzugeben.
Schrein nur:

“Mein Papa ist tot!”  
Und Paul war erleichtert .


derSibirier grüßt
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Ilona
Klammeraffe
I


Beiträge: 558
Wohnort: irgendwo in Hessen


I
Beitrag26.06.2010 19:17

von Ilona
Antworten mit Zitat

Zitat:
Das anfängliche Unverständnis gleitet über in eine Art der Trauer, da es sich um einen Verlust handelt


Sorry, Brain, Du schriebst doch er hat Angst vor ihm. Schokolade hin oder her, Angst ist eine starke Emotion.

Zitat:
aber zumindest hat er nun eine Erklärung, wo sein Papa ist. Er muss die Antwort nicht mehr aus Scham schuldig bleiben. Hat somit natürlich einen besseren Stand, als mit einem unerklärlich abwesenden Vater


Auch 1964 war ein unerklärlich abwesender Vater nicht der einzige Grund für Aussenseitertum.

Zitat:
Er bemüht sich durch Leistung zu glänzen, nur um endlich dazu zu gehören


Ich kann mich nicht erinnern, daß der Klassenstreber jemals der Liebling aller Kameraden war. Meistens waren diese Schüler Aussensetier. Ich bezweifle, dass dies 1964 anders war.

Der Text ist durchaus verständlich, daran liegt es nicht, mir ist die Figur zu konstruiert siehe meine Anmerkugen oben.

Grüße von

Ilona
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Gast2
Eselsohr
G


Beiträge: 459



G
Beitrag26.06.2010 19:42
...
von Gast2
Antworten mit Zitat

Liebe Ilona,

ich verstehe nicht: Auch ein Klassenstreber hat Freunde. Und es gibt sicher viele Gründe für ein Aussenseitertum, aber hier ist es nun mal "Der fehlende Vater" für das der Junge gehänselt wird.

Auch wenn der Junge etwas Angst vor ihm hat, so gehört er doch zu ihm. Die Hänselei überwiegt nur, deswegen ist er erleichtert, trauert aber auch ein wenig. Das hat Brain sehr richtig erfasst!

Liebe Grüße

Heidi
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Ilona
Klammeraffe
I


Beiträge: 558
Wohnort: irgendwo in Hessen


I
Beitrag26.06.2010 20:40

von Ilona
Antworten mit Zitat

Jeder hat eine eigene Art die Welt zu sehen. Dies wirkt sich natürlich auch darauf aus, wie man einen Text liest oder besser: was man herausliest. In dem Fall haben mich verschiedene Dinge gestört, Dich nicht. Was wiederum zeigt, dass es eine Menge unterschiedlicher Leser gibt  Wink

Grüße

Ilona
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derSibirier
Reißwolf
D


Beiträge: 1250



D
Beitrag26.06.2010 20:43

von derSibirier
Antworten mit Zitat

Dem Sibirier gefällt die Aussage der Geschichte sehr gut.
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Aknaib
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

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Beiträge: 740
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Beitrag27.06.2010 04:04

von Aknaib
Antworten mit Zitat

Hallo The Brain,

dein Text insbesondere das Ende hat mich berührt.
Mir ist völlig verständlich, dass für Paul diese Erklärung seelisch wichtiger ist als der Tod  des Ersatzvaters.
Jedoch geht es mir wie einigen anderen der letzte Satz bzw.:
Zitat:
und irgendwie war Paul erleichtert
... könnte entfallen.

Hier ein paar Dinge die mir aufgefallen sind.

Der erste Satz: Ich verstehe, dass du damit die Zeit einführen möchtest. Allerdings hast du sie im Titel und er wäre daher in dieser Form nicht nötig.
Der ersten Satz sollte  den Leser in den Text ziehen. Dazu ist: "1964 war ein heißer Sommer" nicht angetan. Zumal die Aussage des heißen Sommers im Text keine Rolle spielt.  

Auch das Wörtchen „war“ ist nicht gerade ein Zugpferd. Es kommt mir am Anfang zu oft vor.
Zitat:
1964 war ein heißer Sommer. Es war Pauls erstes Schuljahr. Er saß in der zweiten Reihe. Vor ihm Manuela mit ordentlich geflochtenen, blonden  Zöpfen, die jedes Mal, wenn sie ihre Hand in die Luft reckte, wild hin und her wippten. Der Platz neben ihm war leer.

Fräulein Knesebrecht war eigentlich nicht mehr in dem Alter ein Fräulein zu sein. Trotzdem betonte sie es voller Stolz, als sie sich der Klasse vorstellte. Ihre Haare waren streng nach hinten gezurrt, waren dort zu einem dicken grauen Knoten gebunden.
Warum das Wort "eigentlich"?

Zitat:
Voller Eifer bemühte er sich die rundesten Nullen von allen zu erschaffen. Alle gleich aussehend, Ordentlich in Reih und Glied. Bemühte sich die Äpfelchen und Birnchen am schnellsten zu addieren, als Erster die Hand zu heben um zu zeigen - “Ich weiß es! Ich weiß es schon!”
  
Paul mochte Fräulein Knesebrecht. Fräulein Knesebrecht erwiderte diese Sympathien nicht, bemühte sich aber, es nicht merken zu lassen.


Zitat:
Im tiefsten Inneren ihres Herzens hatte sie eine Abneigung gegen solche Kinder. Auch, wenn sie selbst ein Fräulein war.
Hier verstehe ich die Logik nicht. Was hat das Fräulein-Sein damit zu tun, dass sie eine Abneigung gegen speziell solche Kinder hat?
Meinst du nicht eher ihre Abneigung gegen Kinder allgemein? Jedenfalls ist sie als Figur so dargestellt.  

Zitat:
Es läutete zur Pause. Fräulein Knesebrecht bestand darauf. Die Kleinen mussten sich in Zweierreihe aufstellen, sich paarweise an den Händen fassen …
Die Abfolge der Sätze haut hier nicht hin.
So klingt es, dass Fräulein Knesebrecht ( toller Name) darauf bestand, dass es zur Pause läutete.

Zitat:
Reihe für Reihe inspizierte sie die jugendliche Schar.
"jugendlich" passt im Zusammenhang mit einer ersten Klasse nicht so gut.

Zitat:
Über ihre Wange kullerte eine dicke Träne.
“ Mein armer kleiner Junge!” Sie nahm Paul behutsam in ihre Arme.
Nur eine Träne? Ist sie nicht aufgelöst, wenn sie Paul gleich an der Tür mit der Todes-Nachricht überfällt?
Das Ausrufezeichen passt an dieser Stelle nicht.
Es wird hier fälschlicher Weise als besondere Betonung benutzt.

 
Zitat:
In der Nähe standen einige der Jungs in einem kleinen Grüppchen zusammen.
“Hey, Paul,” riefen sie zu ihm herüber, “wo ist denn eigentlich dein Papa?”
Komma ist verrutscht. Hat man 1964 in der ersten Klasse das Wort "hey" benutzt ... eher "He"

Das  Bild der Lehrerin ist dir super -zu gut Laughing- gelungen. Dadurch tritt sie für mich in den Vordergrund der Geschichte, obwohl Paul die Hauptfigur ist.
Hier fehlt m. E. der rote Faden von Pauls Außenseiterdasein durch den gesamten Text. Es kommt erst am Ende heraus, reduziert sich auf die Jungen von denen er gehänselt wird.  
Dass Manuela zu den Mädchen geht und mit ihnen spielt, ist eine andere Schiene. Hier kommt nicht Pauls Anderssein zum Vorschein sondern die ersten zarten Annäherungsversuche der Geschlechter.

Auch der Faden der Lehrerin bringt das nicht zum Ausdruck. Zwar mag sie solche übereifrigen Kinder wie Paul nicht, doch das spiegelt nicht  warum gerade er der Außenseiter ist. Denn z.B. müsste sie Manuela ebenfalls nicht mögen.
Zitat:
… die jedes Mal, wenn sie ihre Hand in die Luft reckte, wild hin und her wippten.
Manuela ist für mich auch eine von den übereifrigen, die sich mit wedelndem Arm meldet, wenn ihre Zöpfe dabei hin und her springen.
Wenn Paul ein Außenseiter ist, woher wissen die Jungen, dass er keinen Vater hat, obwohl es gleichzeitg diesen Ersatzvater gibt?


1964 ist fast identisch mit meinem ersten Schuljahr. Auch wenn ich nicht solch ein Fräulein zur Erstlehrerin hatte, kann ich mir dieses lebhaft vorstellen. Ihre Art von Disziplin -heute unvorstellbar- hat auch mich begleitet.


Herzliche Grüße
Bianka
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The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

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Beitrag27.06.2010 10:58

von The Brain
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,

versuche mal eure zahlreichen Kommentare aufzuarbeiten.

Vielen Dank dafür!

@ Barnette25

Liebe Barnettta,
freue mich sehr, dass dir die Geschichte gefällt!

Zu deiner Frage zitiere ich jetzt einfach mal Aknaib.....

 
 
Zitat:
Zitat:
… die jedes Mal, wenn sie ihre Hand in die Luft reckte, wild hin und her wippten.

Manuela ist für mich auch eine von den übereifrigen, die sich mit wedelndem Arm meldet, wenn ihre Zöpfe dabei hin und her springen.


Alles klar?

Liebe Grüße

The Brain


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The Brain
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Beitrag27.06.2010 11:02

von The Brain
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Hallo, liebe Dela,

freue  mich sehr, dass du meinen Text gelesen hast.

Zitat:
Elsa hat schon Erbsen gezählt, hier noch eine: Die Lehrerin hat strenge Haare und regiert streng.  


 Embarassed  Erwischt! Habe ich glatt übersehen .... Danke!


... und das mit dem letzten Satz - den nehm ich wirklich raus!



Vielen lieben Dank für dein Lob!!!

Liebe Grüße

The Brain


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Dinge wahrzunehmen,
der Keim der Intelligenz

(Laotse)

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Die Kindheit endet nicht mit dem Erwachsenwerden.
Sie begleitet dich durch all deine Lebenstage.

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Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.

(Hermann Hesse)
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Merlinor
Geschlecht:männlichArt & Brain

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Beitrag27.06.2010 11:03

von Merlinor
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Hallo Brain

Das ist eine nette Geschichte.
Sie lässt sich flüssig lesen, ist sprachlich sauber erzählt und orthographisch korrekt zu Papier gebracht.  
Allerdings überzeugt sie mich nicht und das hat verschiedene Gründe.

Gerade eine Kurzgeschichte muss einer sauber ausgearbeiteten Dramaturgie folgen und ihre Protagonisten sollten in ihren Handlungen den darin anvisierten Spannungsbogen stützen.
Sie hat keinen Platz für unwesentliche Details und belanglose Randfiguren.

Das aber ist hier nicht der Fall, ganz im Gegenteil:
Große Betonung legst Du zum Beispiel auf die Beschreibung der Klassenlehrerin Frau Knesebrecht und deren Handlungen.
Doch weder zum Aufbau des Konfliktes der zentralen Figur der Geschichte, des kleinen Paul, noch zu dessen Fortentwicklung trägt diese Figur irgend etwas Substantielles bei. Weder im positiven noch im negativen Sinn tritt sie mit ihm in Interaktion, wenn es um die Frage seines großem Problems geht - der Rolle des Vaters im Leben des Jungen - und darum, wie dieser zentrale Konflikt des Stückes vorankommt bzw. sich durch den Tod des Vaters löst.
Genauso die kleine Mitschülerin Manuela: Zwar hüpfen deren Zöpfe nett auf und ab, wenn sie sich meldet und sie marschiert brav Hand in Hand mit Deinem kleinen Helden in die Pause, doch dabei bleibt es.
Die "bösen Jungs" hingegen, die ihn wegen seines Vaters hänseln und eigentlich eine zenrale Rolle in der Entwicklung eben dieses Konfliktes spielen sollten, bleiben farblos und unfertig.
So sind es am Ende fast schon zwei Geschichten, die Du einfach nebeneinander stellst: Hier die streckenweise sorgfältige Beschreibung eines öden Schulalltages aus dem Jahre 1964, dort die Probleme, die sich durch Krankheit und Tod des Vaters einem kleinen Jungen in diesem Alltag stellen - die allerdings in der Darstellung kurz, oberflächlich und vage ...

So funktioniert keine Kurzgeschichte! Da fehlt die Stringenz.

Instinktiv muss Dir das während des Schreibens selbst klar geworden sein. Vermutlich deshalb hast Du versucht, der fehlenden Atemlosikkeit des Plots mit einem atemlos wirkenden Schreibstil beizukommen. Es ist ja ein wahres Stakkato an Kurz- und Kürzest-Sätzen, die Du da aneinandergereiht hast.
Nun, ich sage es einmal milde: Weniger wäre hier mehr. In den zentralen Brennpunkten einer scharfen Dramaturgie darf man gerne auch mal mit "zwei-Worte-Sätzen" arbeiten, aber bitte nicht als Dauerzustand.

Was bleibt ist eine gewisse Enttäuschung: Eine nette Geschichte eben, aber mehr auch nicht ...
Hier fehlt es leider schon an ganz grundsätzlichem Handwerk.
Gerade eine Kurzgeschichte will sauber durchdacht und auf den Punkt kondensiert werden. Gerade bei ihr darf der Autor sich Abschweifungen nicht erlauben und sollte seine Stilmittel sparsam und gezielt einsetzen.
Warum nur glauben gerade bei der Kurzgeschichte so viele Autoren, sie könnten sich eine saubere Vorarbeit sparen und einfach drauflos schreiben?

Davon, was Du Ihr alles an Gutem tun könntest, wenn Du Deine Szenen mit etwas mehr "Erzählen" aufwerten würdest, statt lediglich zu "beschreiben",  will ich hier noch gar nicht reden.
Auch die Plausibilität der Story solltest Du noch einmal auf den Prüfstand stellen: Kinder sind klug und verstehen in der Regel mehr, als wir Erwachsenen glauben. Der Junge hätte also vermutlich sehr genau gewusst, dass es sich bei dem "fremden Mann" um seinen Vater handelt und dass dieser krank war.
Ich will damit nicht sagen, dass sich im Schulhof dann nicht dennoch ähnliche Hänseleien ergeben haben könnten - Kinder sind in manchen Dingen oft wirklich grausam - doch eben mit einem anderen, realistischeren Hintergrund.
Die (möglicherweise ansteckende) Krankheit des Vaters könnte da thematisiert sein, oder die ( zu damaligen zeiten unübliche) eventuelle Trennung der Eltern, oder eine emotionale Blockade des Jungens selbst, seine familiären Umstände zu verarbeiten u.s.w.
Auch eine Kurzgeschichte will sauber recherchiert und auf eine glaubwürdige, in sich schlüssige Grundlage gestellt sein, nicht anders als der große Roman.
Hier ist das ungenügend ausgearbeitet.

Ich hoffe jetzt, dass Du mir ob meiner deutlichen und harten Worte nicht böse bist.
Wir haben uns seitens der Moderation entschlossen, in Zukunft etwas direkter auf die Kategorisierung der Texte einzuwirken und diesbezüglich eine klarere Linie zu fahren.
Eigentlich gehörte diese Geschichte deshalb in die Talentschmiede verschoben, denn einem Verleger kann man sie im derzeitigen Zustand noch nicht vorlegen.
Aber das überlasse ich jetzt erst einmal Deiner Entscheidung.

Ich selbst hatte mich ja in der letzten Zeit aus der Rezensionsarbeit weitgehend rausgehalten, werde mich aber jetzt auch hier wieder öfters zu Wort melden, um dieser Linie Nachdruck zu verleihen.
Ich fürchte, schon bald werde ich deshalb in meinem geliebten Forum als der "böse alte Mann" verschrien sein, denn für ein kritisches Wort bin ich immer gut.
Aber MosesBob hat gesagt, dass mir dieser Schuh gut stehen würde. *soifz*
Mal sehen, was daraus wird ... Sad

LG Merlinor


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„Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“

MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942
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ELsa
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 74
Beiträge: 1398



Beitrag27.06.2010 11:23

von ELsa
Antworten mit Zitat

Liebe Brain,

The Brain hat Folgendes geschrieben:


Die Überrepräsentanz der Lehrerin habe ich jetzt nicht so wahrgenommen... Sie ist ein wichtiger Teil seines Tagesablaufs. Im Gegensatz zum Verhältnis zu seinem Vater hat er eine  Bindung zu ihr - mag sie - versucht ihr zu Gefallen, um Anerkennung zu erzielen.
Mit dem Vater kann er nicht wirklich etwas anfangen. Das Verhältnis ist distanziert.
Fräulein Knesebrecht ist für die Geschichte wichtig, da sie zum einen eine große Rolle in Pauls Leben spielt, zum anderen an ihrer Figur die Stimmung der damaligen Zeit - Strenge, Konservatives Denken, etc. - aufgezeigt wird.


Nun, wenn die Lehrerin für Paul so wichtig ist, könntest du sie vielleicht aus seinem POV (Blickwinkel) beschreiben und wahrnehmen, anstatt ihren POV einzunehmen?

Da geht es mir uns diese beiden Stellen in deinem Text:

Zitat:
Fräulein Knesebrecht war eigentlich nicht mehr in dem Alter ein Fräulein zu sein. Trotzdem betonte sie es voller Stolz, als sie sich der Klasse vorstellte. Ihre Haare waren streng nach hinten gezurrt, waren dort zu einem dicken grauen Knoten gebunden. Streng und energisch regierte sie über die ihr anvertrauten kleinen Wesen. Achtete darauf, dass sie brav Nullen in einer langen Reihe auf die, unter der fest aufgedrückten Kreide, quietschenden Schiefertafeln malten. Wurde es nicht müde sie wieder und wieder Äpfelchen und Birnchen zählen zu lassen.



Zitat:
Paul mochte Fräulein Knesebrecht. Fräulein Knesebrecht erwiderte diese Sympathien nicht, bemühte sich aber, es nicht merken zu lassen. Im tiefsten Inneren ihres Herzens hatte sie eine Abneigung gegen solche Kinder. Auch, wenn sie selbst ein Fräulein war.


Hier switcht du zwischen beiden POVs hin und her, man könnte das durchaus aus Pauls POV erzählen, wie z.B. so:

Fräulein Knesebrecht war eigentlich nicht mehr in dem Alter, ein Fräulein zu sein. Paul würde sie eher als Oma bezeichnen. Aber er hielt sich an die gewünschte Bezeichnung, denn als sie sich der Klasse vorgestellt hatte, betonte sie es und machte dazu ein stolzes Gesicht. Ihre Haare waren streng nach hinten gezurrt, dort zu einem dicken grauen Knoten gebunden. Streng und energisch regierte sie, das gefiel Paul. Sie achtete darauf, dass die Schüler brav Nullen in einer langen Reihe auf die, unter der fest aufgedrückten Kreide, quietschenden Schiefertafeln malten. Wurde es nicht müde, sie wieder und wieder Äpfelchen und Birnchen zählen zu lassen.


Paul mochte Fräulein Knesebrecht. Leider erwiderte sie diese Sympathie nicht. Paul fühlte das in den Blicken, die sie ihm ab und zu schenkte. Einmal sagte Fräulein Knesebeck, als sie die Merkzettel für den bevorstehenden Elternabend austeilte, zu ihm: "Mit einem Besuch deines Vaters kann man ja nicht rechnen."

Sind natürlich nur Beispiele dafür, was ich meinte.

Liebe Sonntagsgrüße
ELsa


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The Brain
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 65
Beiträge: 1966
Wohnort: Over the rainbow


Beitrag28.06.2010 13:15

von The Brain
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Lieber Merlinor, (böser alter Mann Very Happy )



Erstaunen, Bestürzung, Selbstzweifel, Niedergeschlagenheit, und dann auch ein ganz klein bisschen Wut - letztendlich Gelassenheit. Das sind die Emotionen, die du durch deinen Kommentar in mir geweckt hast ...

Dass dir mein Text nicht zusagt, ist eine Sache, mir aber zu unterstellen

Zitat:
Warum nur glauben gerade bei der Kurzgeschichte so viele Autoren, sie könnten sich eine saubere Vorarbeit sparen und einfach drauflos schreiben?


war der Satz, der mich, ein friedfertiges Wesen, zornig machte. Ich habe den Text sehr wohl durchdacht und ganz bewusst auf einen
"Spannungsbogen" im klassischen Sinn verzichtet.
Es ist eine leise, subtile Geschichte, bei der man sehr viel zwischen den Zeilen lesen muss/ sollte. Hier findet keine "Aktion" statt. Es ist eher eine Zustandsbeschreibung, eingebettet in das Jahr 1964. So dient auch die Lehrerin dazu, das Konservative, die Vorurteile der damaligen Zeit nahezubringen. Weniger als Person, sondern als Institution. Ebenso sind die anderen Personen nur Platzhalter.
Es geht auch nicht um das Verhältnis zwischen Vater und Sohn - es geht um das, womit der Prota mit der Einschulung konfrontiert wird. Außenseiter zu sein, ohne darauf Einfluss nehmen zu können.
Ich hatte nicht nur eine Trennung der Eltern im Kopf - bei mir ist Paul ein uneheliches Kind ( angedeutet durch " auch, wenn sie selbst ein Fräulein war").
Für mich ist das eine Geschichte die, langsam vor sich "hinplätschern" muss.

Zitat:
Es ist ja ein wahres Stakkato an Kurz- und Kürzest-Sätzen,

Lies mal ein paar andere Texte von mir.... zaghaft zu Wort melde: mein Stil...

Ich mag hier nicht all deine Kritikpunkte rechtfertigen. Ich stelle aber fest, dass du einen ganz anderen Blickwinkel auf das Erzählte hast.
Das ist legitim. Jeder bringt seine eigene "Historie" mit in den Text.
Dinge, die du kritisierst - darum geht es mir hier gar nicht. Das wäre eine andere Geschichte.

Letztendlich ist es mir gleichgültig, in welcher Kategorie ein Text steht, ich möchte ein klein wenig Aufmerksamkeit, um zu erfahren, wie mein Werk von anderen aufgenommen wird, welche Fehler habe ich übersehen, was kann ich für Anregungen aus den Kommentaren mitnehmen - um es kurz zu machen, ich möchte aus den Rezessionen lernen.
In der Talentschmiede wuselt so einiges herum - hervorragende Stücke, sowie Texte, die ich nach dem zweiten Satz abbreche weiter zu lesen. Meine Entscheidung die Geschichte hier zu posten habe ich ja bereits am Dorfbrunnen erläutert.

In Zukunft werde ich eben alles in die Talentschmiede stellen. Letztendlich spielt dies keine große Rolle. Für mich ist nur die Resonanz der Leser wichtig.
Die war für diese Arbeit überwiegend positiv, um so mehr verwunderte mich dein Kommentar ...

Will hier weder mit übertriebener Bescheidenheit, noch mit Überheblichkeit glänzen.
Ich habe mich sehr gefreut, dieses Forum gefunden zu haben, um hier ein bisschen Textarbeit machen zu können. das ist, was für mich zählt und was ich mir für die Zukunft wünsche.

Liebe Grüße

The Brain


P.S. Ich würde den Text - mit wenigen Änderungen, die ich aus den Anregungen der Kommentare entnommen habe - genau so an einen Verlag schicken .....


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