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[Fant]Legenden von Eternya-Prolog: Am Anfang war der Schmerz

 
 
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MichaelaMaria
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 38
Beiträge: 113



Beitrag05.09.2007 10:20
[Fant]Legenden von Eternya-Prolog: Am Anfang war der Schmerz
von MichaelaMaria
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Prolog
Am Anfang war der Schmerz

Jahr 1 vor der Vertreibung
Im Norden von Harian


Seit dem Morgengrauen regnete es in Strömen. Schwarze Wolken hatten den Himmel verdeckt, als wollten sie dem Land die kleine Freude einiger Sonnenstrahlen nicht gönnen. Doch nun war es endgültig Nacht geworden, und eine noch tiefere Dunkelheit hatte sich wie ein Totenschleier über die sanften, grünen Hügel und dichten Wälder Harians gelegt.
Immer noch fielen dicke Tropfen auf den aufgeweichten Boden, als wolle der Himmel die Schande ertränken, die sich vor kurzem hier zugetragen hatte. Doch selbst das aggressive Grollen des Donners, vermochte die gequälten Schreie der Sterbenden nicht zu übertönen, deren Blut sich mit dem Schlamm am Erdboden mischte.  Sekundenlang erhellten die gezackten Blitze am Horizont die geschundenen Leiber. Manche regungslos, andere sich vor Schmerz windend und boten eine Anblick des Grauens.
Der beißende Wind heulte über die Ebene und zerrte an den Umhängen der schwarzgewandeten Gestalten, die in ihrem grausigen Tun innegehalten hatten, als ihr Anführer eingetroffen war und nun schweigend zwischen den verstümmelten Körpern hindurchschritt. Der metallische Geruch von Blut verpestete die frische, vom Regen gereinigte Luft.
Zwanzig Elfen war es nicht mehr gelungen sich vor ihren Verfolgern in den nahen, schützenden Wald zu retten, was ihr Schicksal  besiegelt hatte.

Langsam ging Lorcan durch die Reihen der Toten und Verwundeten, wobei er sich Mühe geben musste nicht das Gleichgewicht zu verlieren, da seine festen Lederstiefel immer wieder im Schlamm versanken. Seine dunkle Tunika, die schwarze Stoffhose und der schwere Umhang waren vollkommen durchnässt und klebten unangenehm an seinem Körper. Doch all das bemerkte er nicht während er sich einen Weg durch das Grauen bahnte, das er zu verantworten hatte.
Leere Augen starrten blind hinauf zum vollen Mond, der hinter den schwarzen Wolken erschienen war und die Szene in ein unwirkliches, silbernes Licht tauchte.
Er spürte wie sich seine Kehle immer mehr zuschnürte, als würden sich  die vielen leblosen Hände um seinen Hals legen und zudrücken.
Plötzlich packte eine weiße Hand seinen Fuß und er wäre fast gestolpert. Mit einer recht unelegant wirkenden Bewegung gewann er sein Gleichgewicht zurück. Er blickte erschrocken hinab und sah einen Elfen; als er zu sprechen versuchte quoll gurgelnd ein Schwall Blut aus seinem Mund und der Arm erschlaffte nachdem er ein letztes Mal krampfartig zugepackt hatte. Die Regentropfen fielen ungehindert in seine weit aufgerissenen Augen und bildeten dort kleine Seen. Lorcan kniff seine Augen zusammen um sich von dem Anblick loszureißen. Seine langen, dunklen Haaren hingen ihm in nassen, gelockten Strähnen ins Gesicht. Seine Augenbrauen bildeten in der Mitte zwei steile Falten und die Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Anscheinend hatten die Elfen sich gewehrt, denn er sah wie seine Gefolgsleute zwei schlaffe Körper vorsichtig auf die Rücken zweier Pferde banden, die nervös umhertänzelten. Der Geruch von Blut und Tod machte sie schreckhaft. Die Männer sprachen leise und hektisch miteinander, offensichtlich hatten sie erwartet er würde ihnen zufrieden auf die Schulter klopfen. Ihnen dazu gratulieren, Frauen und Kinder abgeschlachtet zu haben. Doch er empfand nichts als Abscheu und Ekel für sie.
Diesmal waren sie zu weit gegangen.
Es hätte niemand sterben müssen.
Er hatte nicht gewollt, dass jemand stirbt.

Das Wimmern eines Babys riss ihn aus seinen Gedanken. Erleichtert dem Anblick von so viel Tod zu entfliehen ging er in die Richtung aus der es gekommen war. Es gab hier also noch Leben.
Etwas abseits lag eine junge Elfe, ein Baby schützend an ihre Seite gepresst. Sie lebte noch, denn Lorcan hörte sie erschreckt aufkeuchen als er auf sie zuging. Mit letzter Kraft redete sie auf ihr Kind ein um es zu beruhigen. Vielleicht hatte sie die Hoffnung, dass es unbemerkt bliebe.
Wäre er früher hier gewesen, er hätte es verhindern können
Er hätte es verhindern müssen.

„Nein! Ich flehe Euch an, verschont mein Baby ...“, schluchzte sie  hysterisch als Lorcan sich neben sie kniete. Ihr langes, pechschwarzes Haar schwamm in einer dunkelroten Pfütze, in der sich das fahle Mondlicht spiegelte. Das Kind schien unverletzt, doch die Elfe hatte eine tiefe Schnittwunde am Bauch davongetragen. Ihr helles Gewandt war zerfetzt und von ihrem eigenem warmen Blut durchtränkt. Ihr Körper zitterte. Wahrscheinlich war es einzig die Sorge um ihr Baby, die sie noch am Leben hielt.
Das einst bestimmt hübsche Gesicht war von Schmutz überzogen.
Es war ein Gesicht, von dem er nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, es jemals wiederzusehen.
„Sabira ...“, keuchte er und hatte das Gefühl zu ersticken als ihm die
weiteren Worte im Hals stecken blieben.
„Lorcan? Was ...?“, sie starrte ihn aus großen Augen an.
„Nein, ssscht, nicht sprechen! Bleib ruhig liegen, es kommt alles wieder in Ordnung!“, schon als er die Worte aussprach wusste er, dass es eine Lüge war, eine Lüge die ihm das Herz zerriss. Er zog hastig seinen Umhang aus und presste ihn auf die klaffende Wunde.
Sie hustete und dunkles Blut rann aus ihren Mundwinkeln.
Was hatte er nur getan.
Zum ersten Mal war er dankbar für den Regen, der die heißen Tränen verbarg, die von seinem Gesicht tropften.
Als sie sprach war es nur noch wenig mehr als ein Flüstern:
“Kümmere dich um meine Tochter ...“
Sie lockerte ihren Griff um das Baby und Lorcan hob das dreckige,
zappelnde Bündel mit zitternden Händen hoch.
Ein schwaches Lächeln erschien auf Sabiras Gesicht. Sie wollte eine Hand nach ihm ausstrecken, doch war bereits zu schwach dafür.
“Ich habe jeden Mond auf dich gewartet .. ich habe dich nie vergessen ...”, mit diesen letzten geflüsterten Worten erstarb ihr Atem und ihre Augen waren für immer gebrochen, blind, wie all die anderen, die ihn von diesem Tag an verfolgen sollten.
“Vergib mir ...”, heiße Tränen mischten sich mit dem kalten Regen, der langsam nachließ. Es war still geworden, bis auf das ferne, traurige Heulen eines Wolfes. Im Osten färbte sich der Himmel bereits orange und kündete von dem neuen Tag, der in Kürze anbrechen würde.

Das Baby schmiegte sich zufrieden an seine warme Brust. Als er den Blick dieser hellblauen Augen erwiderte, die ihn fragend und unschuldig anblickten, drohten ihn seine Erinnerungen zu ersticken. Erinnerungen an einen glücklicheren Ort, eine glücklichere Zeit, an hellblaue Augen die ihn fragend anblickten ...

Lorcan schritt so hastig aus als könne er vor seiner eigenen Aufregung davonlaufen. Die Sonnenstrahlen die durch das dichte Blätterdach fielen, malten kachelartige Lichtflecken auf den feuchten Waldboden. Die Luft schien vor Leben zu vibrieren. Vögel sangen ihre fröhlichen Lieder, während die Grillen um die Wette zirpten und Bienen hastig von einer Blume zur anderen summten. Der schwere, süßliche Geruch von hunderten Blüten kitzelte seine Nase und brachte ihn auf eine Idee. Hastig ging er zum Wegrand und pflückte einige Blumen, bis er einen kleinen Strauss beisammen hatte, der in den verschiedensten Farben leuchtete. Zufrieden mit seinem Werk setzte er seinen Weg fort, immer tiefer in den Wald, nicht wissend, dass er heute das Schicksal von ganz Eternya besiegeln würde. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als ein Reh vor ihm aus dem Unterholz brach und über den Weg davonhüpfte. Der Schreck war ihm bis in die Knochen gefahren und ließ ihn erkennen wie nervös er wirklich war. So konnte er ihr nicht gegenübertreten. Er versuchte sich zu beruhigen. Nach einigen tiefen Atemzügen schien sich sein Magen etwas zu entspannen und erst jetzt bemerkte er, dass er sein Ziel beinahe schon erreicht hatte. Am Ende des Weges tat sich eine riesige Lichtung auf in deren Mitte ein dunkelblauer See lag.

Als er noch ein Kind war, war er oft zum Baden hier her gekommen. Er war stets ein Einzelgänger gewesen. Eines Tages war er hier einem jungen Elfenmädchen begegnet, die die Fische gefüttert hatte. Zuerst hatten sie sich voreinander gefürchtet, doch schon bald Freundschaft geschlossen. Von da an hatten sie sich zu jedem vollen Mond hier getroffen. Heimlich, denn obwohl Elfen und Menschen seit jeher in Frieden nebeneinander lebten, war eine Verbindung der beiden Völker nicht gerne gesehen.
Lorcan war nie ein Mensch gewesen, der anderen leichtfertig vertraut hatte, doch sie war eine Ausnahme gewesen. Sie war seine Familie geworden. Seine Mutter war kurz nach seiner Geburt gestorben und sein Vater war fortgegangen, da er den Tod seiner Frau niemals verkraftet hatte. So war er bei verschiedenen Familien seines Dorfes aufgewachsen, die sich zwar alle  herzlich um ihn bemüht hatten, doch wirklich zuhause hatte er sich nirgends gefühlt. Bis er diesen versteckten See entdeckt hatte, und das Geheimnis einer wahren Freundschaft.
Als einige Jahre vergangen waren, kam schließlich der Tag, an dem er zum ersten Mal bemerkte hatte, wie seidig ihre langen, schwarzen Haare waren, wie sehr ihre hellblauen Augen im Mondlicht leuchteten und wie wohlgeformt ihr schlanker, graziler Körper war. Das war der Augenblick gewesen, in dem er sie zum ersten Mal mit den Augen des Mannes gesehen hatte, zu dem er herangewachsen war. Sie unterschied sich so sehr von den Mädchen in seinem Dorf. Er hatte ihr nie von diesen neuen Gefühlen erzählt, die ihn überwältigten wann immer sie ihn anlächelte oder zufällig berührte. Er wollte sie nicht erschrecken, denn er verstand es ja selbst nicht. Die Zeit zwischen ihren Treffen wurde für ihn immer unerträglicher, und nach einer Weile erkannte er schließlich was mit ihm geschehen war, und er beschloss zu handeln. Er wollte nicht mehr ohne sie sein, wollte sie stets um sich haben und keinen Moment vergeuden den er nicht mit ihr teilen konnte.
So hatte er sich heute auf den Weg gemacht, ihr seine Liebe zu gestehen. Er hatte den Waldrand erreicht, und da saß sie am Ufer, wie vor all den Jahren, die so weit entfernt schienen. Ihr hellblaues Kleid schmiegte sich sanft an ihre weiblichen Rundungen was ihm den Atem stocken ließ. Er verharrte einige Momente bis er seinen ganzen Mut zusammennahm und mit weichen Knien auf die Lichtung trat. Sein Herz raste als wolle es aus seiner Brust springen, als sie auf ihn zugelaufen kam und ihn zur Begrüßung umarmte. Ihre Haare dufteten süßer als jede Frühlingswiese.
“Du hast dich verspätet”, sagte sie mit einem kecken Lächeln auf den Lippen, das ihre vorwurfsvollen Worte Lügen strafte.
“Oh die sind ja schön! Sind die für mich?Oh danke Lorcan, das ist so lieb von dir!”, freudig hatte sie sich den Blumenstrauss schon selbst geschenkt bevor er etwas dazu sagen oder tun konnte.
“Ich, äh ...”, war alles was er erwidern konnte.
“Ist schon gut! Komm! Die Erdbeern sind endlich reif, die musst du unbedingt probieren!”, mit diesen Worten lief sie aufgeregt davon.
Mit unsicheren Schritten folgte er ihr. Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, wie sollte er es ihr bloß sagen?
“Wo bleibst du denn? Ich muss dir etwas wichtiges erzählen!”.
Er beschleunigte seinen Schritt und hatte sie bald eingeholt. Sie hockte am Seeufer und war gerade dabei, große, rote Erdbeeren in einen geflochtenen Weidenkorb zu legen. Er setzte sich mit überkreuzten Beinen neben sie, als sie ihm eine der köstlichen Früchte anbot. Er nahm sie und drehte sie eine Weile in den Händen, da er nicht wusste wie er dieses Gespräche beginnen sollte. Nachdem sie ihm kurz dabei zugesehen hatte fragte sie:
“Was ist nur los mit dir heute?”, zwei hellblaue Augen blickten ihn fragend an.
“Ist irgendetwas passiert?”
Ein warmer Wind wehte ihr einige Stränen ihres glänzenden, schwarzen Haares ins Gesicht. Sie war schöner als alle Mädchen die er je gesehen hatte.
“Nein ich ... es ist nichts passiert.”
Sie lächelte ungläubig und widmete sich wieder den überreifen Erdbeeren.
Er konnte selbst nicht glauben wie töricht er sich benahm, sie hatten sich jahrelang alles erzählt, und jetzt brachte er nicht fertig einen vernünftigen Satz zu formulieren. Nun verstand er warum der Metzger im Dorf immer wieder gesagt hatte: “Frauen verwirren den Verstand, Junge.”. Nun verstand er es nur zu gut. Er schüttelte den Kopf über seine eigenen törichten Gedanken.
“Sabira, hör mir bitte zu, ich muss mit dir etwas sagen”, sagte er und es klang weniger selbstsicher als er beabsichtigt hatte.
Sie hörte auf ihre Umgebung weiter nach Erdbeeren abzusuchen und legte den Korb beiseite.
“Klingt ja sehr geheimnisvoll! Na sag schon, ich will alles erfahren!”, sagte sie, sichtlich gespannt darauf was er ihr mitzuteilen hatte.
Er nahm noch einen tiefen Atemzug bevor er anfing zu sprechen:
“Ich weiß nicht so richtig wie ich anfangen soll ... wir kennen uns nun schon so lange und du bist meine beste Freundin”
“Und du bist mein bester Freund, egal was alle anderen davon halten, das weißt du doch”, sagte sie mit einem aufmunternden Lächeln und drückte seine Hand. Ihr vollen Lippen hatten die Farbe der reifen Früchte und brachten sein Blut in Wallung. Aprupt stand er auf und dreht sich um, er musste sich konzentrieren. Er betrachtete eine Weile den tiefblauen See, die Sonnenstrahlen tanzten auf den Wellen wie kleine Diamanten.
“Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen und ich will es auch garnicht!”, sagte er nun mit fester Stimme immer noch zum See gewand.
“Oh Lorcan, das musst du auch nicht, ich werde immer deine Freundin sein. Aber langsam machst du mir Angst ... wirst du etwa fortgehen?”
“Nein Sabira, ich liebe dich, und ich möchte, dass du mich heiratest.” Er hatte das so schnell gesagt, dass er sich nicht sicher war ob sie es verstanden hatte. Er drehte sich wieder zu ihr um, sie sah ihn an als hätte er so eben erklärt Erdbeeren wären blau und wachsen auf Bäumen. Unter anderen Umständen hätte er diesen Gesichtsausdruck komisch gefunden. Sie senkte ihren Kopf und starrte entgeistert den Boden an, nach einer Weile sprach sie mit zitternder Stimme:
“Lorcan, ich ... nein bitte, es darf nicht sein! Ich wollte dir doch auch etwas erzählen, ich ... ich bin verlobt”, eine einzelne Träne rann über ihre Wange. Lorcan fühlte sich als hätte ihm jemand einen Dolch in seine Eingeweide gerammt und würde kräftig daran herumdrehen. Doch ein letzter Hoffnungsschimmer regte sich in ihm.
“Aber ... das macht nichts, wir gehen fort! Nur du und ich! Wir werden gemeinsam irgendwo leben, ich werde arbeiten und ...”, sie unterbrach ihn energisch.
“Nein Lorcan! Hörst du mir nicht zu? Ich bin verlobt!”
“Aber, aber du liebst ihn nicht, du kannst ihn nicht lieben ... du gehörst zu mir! Wir gehören zusammen!”
Sie sah ihn mitleidig an und dieser Blick sagte ihm alles was er wissen musste. Er hatte das Gefühl als wäre es mit einem mal kälter geworden.
“Hör zu Lorcan, du bist der beste Freund den ich je hatte ... aber mein Vater würde mir nie erlauben einen Mensch zu heiraten, das weißt du! Und ich habe dir doch von Semiás erzählt ... er hat gestern um meine Hand angehalten, und ... ich habe ja gesagt, Lorcan. Wir werden in 3 Monden heiraten.”
Sie schien ihm plötzlich so fremd zu sein, so fern, unerreichbar. Er hatte diesen Moment dutzende Male in seinen Gedanken durchgespielt, doch hatte es stets damit geendet, dass sie glücklich in seinen Armen lag. Nun kam es ihm vor als würde dies alles jemand anderem passieren, als würde er sich selbst von irgendwo außerhalb seines Körpers beobachten wie er auf dieser Lichtung stand.
Sie stand auf und kam auf ihn zu. Als sie seine Hände ergreifen wollte zuckte er zurück. Seine Augen brannten, doch er würde nicht weinen, nicht vor ihr. Er hatte ihr vertraut. Sie war seine einzige Freundin, seine Familie gewesen, all diese Jahre. Doch sie hatte ihn belogen, nein, er hatte sich selbst belogen. Er war allein, wie damals, wie immer schon. Wie hatte er erwarten können, dass eine Elfe ihn heiraten würde? Auch sie würde ihn verlassen wie seine Eltern ihn verlassen hatten. Wie hatte er glauben können für eine Elfe gut genug zu sein? Wie hatte er so töricht sein können? Er, der es doch besser als jeder andere hätte wissen müssen. All der Schmerz und die Enttäuschung, die er gerade noch gespürt hatte verwandelten sich mit einem mal in kalte Wut. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und er zischte:
“Wage es nicht mich noch einmal anzufassen.”
Erschrocken wich sie vor ihm zurück, so hatte sie ihn noch nie erlebt. Ihre Tränen hinterließen dunkle Flecken auf ihrem hellen Kleid.
Mit einem letzten, hasserfüllten Blick drehte er sich um und ging wie in Trance auf den Waldrand zu. Sie blieb wie versteinert stehen, lief ihm dann jedoch hinterher und schrie verzweifelt:
“Lorcan, nein warte, so darf es nicht enden!”
Doch er hielt geradeaus auf den Wald zu ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen. Sie blieb stehen und brach am Boden zusammen. Als er den Waldrand erreicht hatte blickte er zurück. Da kauerte sie, in der Mitte der Lichtung am Erdboden, von Krämpfen geschüttelt da sie so heftig weinte, selbst hier konnte er ihr Schluchzen noch hören. Und er empfand nichts. Nichts als Zorn.

Später erzählten die Leute in seinem Dorf, dass sich der junge Lorcan von einem Tag auf den anderen verändert hatte. Er wurde immer verbitterter und hasserfüllter, doch wollte er niemanden den Grund dafür nennen. Bald bemerkten sie, dass es etwas mit den Elfen zu tun haben musste, denn wann immer er sich im Wirtshaus betrank, brach er in Hasstiraden über sie aus. Sie alle seien eingebildet, arrogant, hochnäsig, hielten sich für etwas Besseres und wollten deshalb ihre Magie nicht mit den Menschen teilen. Wohnten deshalb zumeist im Wald, abseits der menschlichen Siedlungen. Wollten deshalb nicht, dass sich ihre Söhne und Töchter mit Menschen einließen. Lorcan war ein begnadeter Redner und schon bald schlossen sich ihm einige junge Männer aus den Dorf an. Wann immer sie konnten prangerten sie die Elfen an. Gaben ihnen die Schuld für Krankheiten, Überschwemmungen, Ernteausfälle. Bald wurde alles Schlechte, dass den Menschen widerfuhr den Elfen zugeschrieben. Immer mehr und mehr schlossen sich ihm an und sie fingen an sich die Lorcaner zu nennen, denn sie sahen Lorcan als ihren großen Anführer. Der Hass auf die Elfen verbreitete sich wie ein Lauffeuer, endlich hatte man einen Sündenbock für all das Übel gefunden. Obwohl die Elfen den Menschen geholfen hatten wann immer sie um Hilfe gebeten wurden, wurde die Magie, die sie wirkten, bald für böse befunden. So wie alle magischen Völker wie Einhörner und Drachen die wegen ihrer magischen Hörner gejagt wurden. Doch wurde ein solches Tier gewaltsam getötet, verloren die Hörner ihre magischen Kräfte, noch ein Beweis dafür dass diese Völker den Menschen keine Magie vergönnten. Die Zahl der Lorcaner wuchs zusehends, nach einem halben Jahr waren es schon mehrere Hundert. Sie zogen von Dorf zu Dorf und gewannen immer mehr Anhänger für ihre Sache. Bald waren sie der Meinung ganz Eternya sei nicht groß genug für die Menschen und die magischen Völker. Die wenigen Elfen die in den Städten der Menschen lebten wurden bald vertrieben. Es waren nicht alle dieser Meinung, doch es war abzusehen, dass es zu einem Krieg kommen würde. Jeder wusste, dass die magischen Völker Kinder der Natur waren und deshalb eng mit dem Land verbunden. Wahrscheinlich war das der Grund wieso sie beschlossen Eternya den Menschen zu überlassen und nicht zu kämpfen, aus Liebe zu ihrem Land. Denn hätten sie gekämpft, was sie durchaus gekonnt hätten, wäre ihr geliebtes Land verwüstet worden. So verließen sie Eternya und zogen hinter die Nebel in die Anderswelt, die die Menschen nicht zu betreten vermochten. Es gab bestimmte, ihnen heilige Orte zu denen sie alle wanderten, dort konnten sie Brücke in jene verborgene, magische Welt schlagen.
Doch einigen fanatischen Lorcanern genügte es nun nicht mehr, dass sie von diesen Gestaden zogen. Ihrer Meinung nach sollten sie vollständig ausgelöscht werden damit Eternya endlich und endgültig frei sein konnte. Lorcan lehnte dies jedoch entschieden ab.
Dann kam der Tag als eine Patroullie jener Lorcaner auf eine Gruppe flüchtender Elfen traf und die Verfolgung aufnahm. Gegen die berittene Truppe hatten sie keine Chance. Doch bekam es der jüngste von ihnen mit der Angst zu tun und ritt zurück, um Lorcan zu benachrichtigen, der sich sofort auf den Weg machte um zu verhindern was nicht mehr verhindert werden konnte. Er kam zu spät.


Er wusste nicht mehr wie lange er geweint hatte. Er konnte den Blick nicht von der reglosen Gestalt abwenden, die vor ihm im Dreck lag. Etwas in ihm hatte sich verändert. Die Sonne war inzwischen über die Berge gewandert, und kämpfte mit dem kalten, feuchten Nebel der sich über die Ebene gelegt hatte. Raben und Krähen umkreisten das Feld, in Erwartung eines Festmahls. Alles schien so unwirklich, schemenhaft, als wäre es ein Traum. Doch die bittere Wirklichkeit war ein Berg aus Leichen, aufgestapelt, um verbrannt zu werden.
Und es war seine Schuld. Er hatte den einzigen Menschen getötet, den er jemals geliebt hatte. Seine Hand hatte nicht das Schwert geführt, doch sein verletzter Stolz und sein gebrochenes Herz hatten ihr Schicksal besiegelt.
Er fühlte sich mit einem mal so leer. Da war nichts mehr, kein Zorn, keine Wut, kein Hass. Nur Reue und diese alles verschlingende Leere.

Nach diesem Tag kündigte Lorcan an, dass der Orden der Lorcaner, wie sie sich inzwischen nannten, aufgelöst werde. Er versuchte seine Anhänger davon zu überzeugen, dass sie einen Fehler gemacht hatten. Dass es falsch war, was sie getan hatten, dass sie sich geirrt hatten. Doch davon wollten sie nichts hören, denn im Orden der Lorcaner hatten jene, die sich mit einem einfachen Leben eines Bauers nicht begnügen, wollten eine Aufgabe, eine höhere Berufung für sich gefunden. Einige behaupteten die Elfenhexe hätte ihn vor ihrem Tod verzaubert und so wurde er als Verräter davongejagd.
Lorcan schloss sich den letzten fliehenden Elfen an, die ihn in ihrem Großmut gestatteten mit ihnen hinter die Nebel in die Anderswelt zu gehen. Denn er wollte Sabira, so hatte er das Kind genannt, nicht zumuten in der Welt aufzuwachsen, die er erschaffen hatte.

Die Lorcaner wählten einen neuen Anführer, und nannten ihn Lorcan. Sie sahen sich nun als Befreier und Herrscher über Eternya und führten ein strenges Regime.
Nach und nach erkannten die Menschen was sie verloren hatten als die magischen Völker ihre Welt verlassen hatten und Stimmen wurden laut die sich gegen die Lorcaner erhoben. Doch wurde jeder Aufstand sofort niedergeschlagen. Die Leute bekamen Angst und fügten sich.
Erst als die Lorcaner begannen ganze Familien auszurotten, deren Ahnen Elfen waren, erhoben sich die Menschen gemeinsam, unter der Führung von Harian dem I. um die Lorcaner zu vertreiben. Sie wurden gezwungen über das Himmelsgebirge zu fliehen, jene Bergkette, die den Kontinent Eternya teilte und als unüberwindbar galt, denn ihre Gipfel ragten bis in die Wolken und den Himmel. Jene, die es gewagt hatten über dieses Gebirge in die unbekannten Länder zu ziehen, die dahinter lagen, waren nie wieder zurückgekehrt.

Und seit jenem Tag galt das Himmelsgebirge als verflucht. Immer wieder verschwanden Menschen und Tiere spurlos, die sich zu weit in dessen Nähe gewagt hatten. Die Legende erzählt, die vertriebenen Lorcaner seien bei der Überquerung des Gebirges umgekommen und zu Dämonen geworden, die nun die Lebenden heimsuchen um Rache zu nehmen.

Doch noch ahnte niemand, wie wahr diese Legende wirklich war.

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Ich denke hier ist das Kursive legitim oder wink?



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MichaelaMaria
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Beitrag05.09.2007 10:23

von MichaelaMaria
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Habe den Prolog überarbeitet ... bin sehr dankbar für ehrlich Meinungen smile

GlG!


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Mana
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Apollon
Beitrag05.09.2007 14:53

von Mana
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der anfang des neuen prologs gefällt mir besser jedoch die rückblende find ich ein bissel zu lang.
wie gefällt dir die idee die rückblende mit dem anfang zu vermischen.
wenn du quasi immer hin und her erzählst was vor und nach der schlacht passierte und lorcan während er herumläuft und seine ehemalige geliebte findet in erinnerungen schwelgt. is aber nurn vorschlag, vielleicht gefällt dir ja die idee.


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MichaelaMaria
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Beitrag05.09.2007 16:12

von MichaelaMaria
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Hallo smile

Da es ja ziemlich flott anfängt, habe ich die Rückblende extra an der Stelle eingebaut um den Leser ein bischen Zeit zum Durchatmen zu verschaffen. Sie ist ein bischen lang geworden, das stimmt, aber ich wollte ausführlich und glaubhaft begründen warum Lorcan zu dem geworden ist, der er ist, und auch den Orden, da sie ja noch eine wichtige Rolle spielen werden später. Was die Lorcaner angeht will ich vor allem zu Beginn keine halben Sachen machen, weil wenn SIE nicht glaubhaft sind, ist es das ganze Buch nicht ^^

Das mit dem Hin und Her springen wäre natürlich eine weiter Lösung, aber ich glaube das würde den Leser, gerade zu Beginn des Buches ziemlich verwirren, da er weder die Figur, die Welt oder ihre Geschichte etwas besser kennt, oder nicht? Außerdem traue ich mir das selbst, mit meinem derzeitigen literarischen Fähigkeiten noch nicht so wirklich zu lol2

Ganz liebe Grüße smile


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Mana
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Apollon
Beitrag05.09.2007 16:15

von Mana
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käme doch aufn versuch an oder? im schlimmsten fall hätteste nen abend verplemmpert.

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Lore
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Code Philomele
Frauenschicksale in einer Großstadt
Beitrag11.09.2007 18:34

von Lore
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Hallo MichaelaMaria

Ich sehe Dein Genre ist also *Fantasie* und das beherrschst Du  exellent.

Ich lese die normalerweise nicht, aber hier hat es mich interessiert, was Du machst und ich habe es nicht bereut.
Davon werde ich mir auf die Fortsetzungen ansehen.

Dein Stil ist klar, flüssig, informativ und unterhaltend, mehr kann man von einer solchen Erzählung nicht erwarten.

Die kursiv dargestellte Rückblende kommt genau im rechten Moment.

An dem gesamten Text gibt es aus meiner Sicht nichts zu bekritteln.

Bis später

Lore
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MichaelaMaria
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Beitrag11.09.2007 19:01

von MichaelaMaria
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Hey smile

@Lore:

Dankeschön das freut mich wirklich sehr!!

Ich denke wir werden wirklich noch eine Menge voneinander lesen lol2 Bist du eigentlich selbst in der Werbebranche?

Mit meiner Geschichte geht es beim 2. Kapitel weiter ^^ (das erste kapitel habe ich in prolog umbenannt *g*)

GlG wink


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Lore
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Beiträge: 932
Wohnort: Düsseldorf


Code Philomele
Frauenschicksale in einer Großstadt
Beitrag11.09.2007 19:47

von Lore
Antworten mit Zitat

Hi MichaelaMaria

Nein, ich bin nicht in der Werbebranche und war es auch nie.
Aber man lernt im Laufe eines langen Lebens eine Menge Leute kennen und kann dann auf Informationen zurück greifen.

Der Stoff zum schreiben geht also nicht aus.

Lore
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