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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18339
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06.02.2010 06:19 Sommer-Kyrie I von MosesBob
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Sommer-Kyrie I
Wir kurierten uns von allem,
spielten mit dem Licht wie Prismen,
suchten nach Geheimnissen
und fanden die wertvollsten in uns selbst.
Ich kann mich an den Geruch der Jahreszeit erinnern,
der blütensüß und schwer in der Luft waberte.
Wir rannten durch das Sonnengelb der Rapsfelder,
klopften uns die Pollen aus den Kleidern,
riefen uns bei den Namen, die wir uns gegeben hatten
und lebten das Leben,
das wir leben wollten.
Kein anderes hätte besser zu uns gepasst.
Gemeinsam waren wir frei
und begannen zu begreifen, dass diese Freiheit
echt und ewig war,
solange wir nur jeden Morgen aufwachten
und unsere Gesichter zwischen den Laken fanden,
die zerbombt waren und zerliebt
von den Übergriffen am Abend und in der Nacht,
zwischen den Kissen, den Decken, den Kerzen und dem Obstkorb
(die Erdbeeren waren überflüssige Geschmacksverstärker,
aber eine sehr cunniling kulinarische Beilage).
Zum Frühstück gab es Kaffee, Zigaretten und uns.
Danach gingen wir ins Bad, putzten uns die Zähne,
wuschen uns die Sünden von der Haut,
um Platz für neue zu schaffen,
und machten weiter, wo wir aufgehört hatten.
Häufig fuhren wir an den Strand,
meistens waren wir die ersten.
Lauf zum Wasser und finde mich dort.
Du weißt, was ich meine,
es war unser Ohrwurm,
Sommer für Sommer.
Wir suchten uns ein abgelegenes Fleckchen,
tapsten in den Fluss, schwammen gemeinsam,
hielten uns umschlungen
und stellten uns vor, wie es wäre,
einfach davonzutreiben,
mit dem Wind, mit den Wolken oder den Gezeiten.
Niemand konnte sehen, dass wir unter Wasser bereits trieben,
während sich die Sonnenstrahlen in deinen Haaren verhedderten
und in deinen Augen fingen,
vor allem in deinen Augen,
Gott, du hättest deine Augen sehen sollen.
Doch gerade, als alles so war wie früher,
sagtest du, dass du jetzt gehen müsstest,
weil meine Zeit zu träumen
begrenzt sei.
Der Morgen danach schmeckt bitter.
Er schmeckt immer bitter.
Es ist Sommer, wie damals,
aber mir ist kalt und ich friere.
Ich gehe schon lange nicht mehr ans Wasser,
weil ich weiß, dass ich dich dort
nicht mehr finden werde.
Die Aufdringlichkeit der Realität ist vulgär.
Sie lauert vor meinen Lidern
und schmiegt sich an mich wie eine Hure.
Ich versuche, sie wegzublinzeln und abzuschütteln,
aber es gelingt mir nicht.
Sie wartet.
Wenn es sein muss, wartet sie den ganzen Tag,
ich weiß das.
Ich höre sie atmen.
Ihre Haut ist aus Frost und mit Raureif zernarbt.
Sie ist überall.
Sie verschwindet nicht.
Ich denke:
Hätte ich dein Versprechen, ewig zu träumen,
würde ich meine Augen
niemals mehr öffnen
und
Gäbe es einen Weg, bei dir zu sein,
würde ich ihn finden,
auch wenn ich mich tausendmal
verlaufen würde.
Am 27. März, vor fünf Jahren,
warst du es, die gefahren ist.
Ich saß neben dir.
Ich wünschte, wir hätten getauscht.
Weitere Werke von MosesBob:
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
(Sir Peter Ustinov)
Der Weise lebt still inmitten der Welt, sein Herz ist ein offener Raum.
(Laotse) |
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anuphti Trostkeks
Alter: 58 Beiträge: 4320 Wohnort: Isarstrand
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16.03.2010 00:33
von anuphti
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Hallo Mo!
Ich stöbere immer gerne in den offenen Beiträgen, aber es ist selten, dass ich auf etwas stoße, was mich auf Anhieb und beim wiederholten Lesen wieder und wieder fasziniert.
Die lässige Art, wie Du eine intensive Liebesgeschichte beschreibst, mit all Deinen sexuellen Andeutungen und Freudschen Durchstreichungen, die Erschütterung bei der Trennung, alles ist so lebendig.
Und dann das Ende, wo ich mich gefragt habe, war es ein Autounfall?
Sind Selbstvorwürfe im Spiel?
Was ist genau passiert vor 5 Jahren?
Danke für diesen Text!
Sehr gerne gelesen!
Nächtliche Grüße
Anuphti
_________________ Pronomen: sie/ihr
Learn from the mistakes of others. You don´t live long enough to make all of them yourself. (Eleanor Roosevelt)
You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach) |
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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18339
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16.03.2010 10:38
von MosesBob
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anuphti hat Folgendes geschrieben: | Hallo Mo! |
Hallo An!
anuphti hat Folgendes geschrieben: | Und dann das Ende, wo ich mich gefragt habe, war es ein Autounfall?
Sind Selbstvorwürfe im Spiel?
Was ist genau passiert vor 5 Jahren? |
Autounfall: Ja. Selbstvorwürfe? Gute Frage. Wenn man erkennt, dass ein anderes Leben lebenswerter ist als das eigene - was um Himmels Willen nicht bedeuten soll, dass das eigene nicht lebenswert ist -, hätte man gerne die Wahl, bevor der Tod zuschlägt. Auch wenn es egoistisch ist.
Danke fürs Lesen und Kommentieren,
Martin
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)
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(Sir Peter Ustinov)
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(Laotse) |
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anuphti Trostkeks
Alter: 58 Beiträge: 4320 Wohnort: Isarstrand
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16.03.2010 13:09
von anuphti
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Hallo MO!
(Du weißt schon wer MO ist, oder? der beste Freund von WallE....irgendwie erinnert mich Deine hilfreiche Art an ihn, deshalb "MO")
Jetzt habe ich Deinen Text nochmal gelesen, und bin noch tiefer berührt.
Da sind Bilder drin..
zerliebt von den Übergriffen der letzten Nacht...
die Erdbeeren waren überflüssige Geschmacksverstärker....
während sich die Sonnenstrahlen in deinen Haaren verhedderten...
ihre Haut ist aus Frost und mit Rauhreif zernarbt...
Verdammt, wie machst Du das.
Dieser Text ist mit das Beste, was ich bisher hier gelesen habe!!
Tief berührte Grüße
Anuphti
_________________ Pronomen: sie/ihr
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You don´t have to fight to live as you wish; live as you wish and pay whatever price is required. (Richard Bach) |
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Tiefgang Reißwolf
Alter: 43 Beiträge: 1139 Wohnort: Hamburg
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16.03.2010 13:26
von Tiefgang
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Jetzt erst gesehen, Mobschi, dass du einen weiteren Super-Prosa-mit-Umbrüchen-Text aus deinen hemdsärmeligen Gliedmaßen purzeln lassen hast.
Ich habe eigentlich nichts zu meckern, finde den Text spitze, weil er sehr tief geht, ohne irgendwo zu pathetisch zu klingen. Einzig den ersten Satz - deine eigentliche Stärke - finde ich schrecklich, der muss m.M. anders.
Und ein bis zwei kleine Fehler - die du normal auch nicht machst - sind da drin. Z.B. ist das "Gäbe" groß, muss aber klein nach dem "und".
Hätte ich mehr Zeit, würde ich auf einige tolle Passagen näher eingehen (z.B. die zerbombten Kissen von der Schlacht in der Nacht sind toll).
Wie gesagt, aus der Prosa mit Zeilenumbrüchen machen wir noch was.
_________________ DOPLPACK Verlag
- schreiben & bleiben - |
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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18339
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16.03.2010 16:57
von MosesBob
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Hallo ihr zwei beiden!
An, WallE finde ich klasse. Du meinst doch den drolligen, kleinen Roboter, der immer so herzzereißend "Eva" surrt, oder? Ich mag den Blechrabauken. Schöner Film.
Gerold, alter Suppenkasper. Das "gäbe" steht absichtlich groß, weil es einen neuen Gedanken einleitet. Ja, da staunste - der Moses ist um keine Ausrede verlegen. Und was den ersten Satz angeht: Der ist brillant. Keine Widerrede! Prismen ist ein toller Plural und reißt alles raus.
Naja, und mit der Prosa mit Zeilenumbrüchen kommen wir irgend wann mal ganz groß raus. Wir sind die Avantgarde eines neuen Trends, ich spüre es im aufkommenden Frühling. Da geht was.
Ich danke euch!
Verliebt, verlobt, verheiratete Grüße,
Martin
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anuphti Trostkeks
Alter: 58 Beiträge: 4320 Wohnort: Isarstrand
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16.03.2010 17:11
von anuphti
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hmm
kannst Du Dich auch noch an MO erinnern?
den kleinen Putzroboter?
Dem WallE mit seiner Kette auf´s Visier tritt, als er ihn putzen will?
Und ganz zum Schluss, im Müllraum, als WallE ihm die Hand gibt und MO sie erst einmal putzt, dann schüttelt, und sich dann vorstellt: "MO"
Und wieder in standby Stellung geht.
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MosesBob Gehirn²
Administrator Alter: 44 Beiträge: 18339
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16.03.2010 17:13
von MosesBob
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Mo!
_________________ Das Leben geht weiter – das tut es immer.
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(Laotse) |
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