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Schizophrenes Liebeslied


 
 
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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag08.03.2010 16:46
Schizophrenes Liebeslied
von Enfant Terrible
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich bin unvollständig; als solches
erkennen mich Hände, wenn sie nachts
über die Schlafenden tasten auf der Suche
nach etwas, das sie nicht zerkratzen können.
Sie sind so kalt, weil sie kein Sonnenlicht speichern.

Der Bürgermeister hat Begrünung verordnet, seitdem
warten Dornen auf sie streifende Zartheit und fürchten
Rehe, die auferstehen von den Straßen und alles verdauen.
Man vertraut mir hier. Ich habe den singenden Blüten
deinen Namen auf die Zähne gelegt. Vor Respekt
verschlucken sie sich und zerfallen zu Flügeln
für Insekten, die in deinem Diadem
nach wachsendem Bernstein fischen.

Steig auf das Dach und schwinge dich zu mir
an den Lianan, die vom Himmel hängen.
Bei uns ist es nie so dunkel, wie wenn
Gehirnstrom ausbrennt.
Doch trag eine Kapuze - durch die Luft
rasen die Rahmen auf der Suche nach einem Gesicht
das hineinpasst. Ihre Greifer sind noch nicht reif für dich.

Du wirst Königin sein, deine Untertanen
reihen sich an der Allee und heben
zur Begrüßung ihren Kopf aus den Schlingen.
Dein Thronsaal mit Brokat auf den Spiegeln
wie auf dem Rücken einsamer Riesen.
Sie öffnen ihre Hand, dich hinüberzutragen.
Keine Angst! Ich habe ihnen in Nächten des Wartens
mit Messerklingen das Quetschen abgewöhnt.

Unsere Trauung: Der Priester lässt seinen Tentakel
bis zum Grund deiner Augen,
um das Licht hinaufzuziehen, dorthin,
wo alle es sehen und aus der Ferne gebannt
an der Schädeldecke zerschellen.
Ich weiß, du wirst nicht zucken.

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EdgarAllanPoe
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Die Tauben
Beitrag09.03.2010 17:53

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

Reggy. Aus jeder Zeile spricht mir dein Stil entgegen. Oder bist du's doch nicht?
Das ist bild- und wortgewaltig, aber auch schwer verdaulich und für mich unergründbar. Mir fällt es sehr schwer, eine Deutung zu formulieren.
Das LI hat sich in seinen Gefühlen nahezu verheddert; es zerteilt sich sozusagen. Ich hege wenig Hoffnung, dass sich die Liebe doch noch erfüllt.
Zwei kleine Sachen:

Zitat:
Steig auf das Dach und schwinge dich zu mir
an den Lianan, die vom Himmel hängen.


Zitat:
Doch trag eine Kapuze - durch die Luft
rasen die Rahmen auf der Suche nach einem Gesicht,
das hineinpasst. (...)


Eddie
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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag09.03.2010 20:24

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Woah, du bist mies. Kannst du nicht einmal daneben raten? Wenigstens, um ein bisschen Würze in die Sache zu bringen? Dabei war ich diesmal nicht so dumm, dieses Experiment anderweitig zu posten. Aber wisse: Lebend kriegst du mich nie!  Mad
Nee, im Ernst: Klar, dieser Text ist ein schwer zu entzifferndes Stück Kuddelmuddel, ein Mischmasch aus spontanene Gedanken/Visionen, unter einer ebensolchen Prämisse verbunden. Aber wenn sich der Interpretations-Guru da nicht dran wagt, wer dann?  Sad
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jim-knopf
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Beitrag09.03.2010 20:38

von jim-knopf
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guten abend krümel

ich komm leider selten zu deinen texten, weil ich oftmals ein paar Probleme damit habe. Weil es mir hier aber besonders auffällt und weil ich jetzt endlich glaube zu wissen, woran es liegen könnte, möcht ich hier doch einen kommentar los werden.

Der Text ist mir zu metaphernlastig. Für mich ist das hier ein Versuch, irgendetwas möglichst gekonnt in möglichst kreative Metaphern zu verpacken. Für mich läuft das aber schief, weil für mich Metaphern nur funktionieren, wenn sie ein Gefühl mittragen. Sterile, "kalte" Metaphern lösen bei mir nichts aus, das mag noch so durchdacht und tiefgründig sein. Ich hab dann lieber ein intuitives Bild ohne eine großartige Bedeutung, als ein Text der mich mit seinen Bildern verwirrt und dabei fast erschlägt. Das ist für mich keine "Gefühlslyrik", das ist "Kopflyrik" und nach meinem Verständniss von Lyrik ist diese Kopflyrik immer die schlechtere. Das ganze ist freilich nur meine Meinung. Die Geschmäcker sind da bekanntlich sehr verschieden, sei mir also bitte nich bös

wink

Gruß
Roman


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EdgarAllanPoe
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Die Tauben
Beitrag09.03.2010 20:39

von EdgarAllanPoe
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Das Spontane merkt man deinem Text auch an - deshalb ist er auch so schwer zu interpretieren.
Weißt du, wie ich Paul Celans Gedichte lese? Wie Träume. Man weiß nicht, was auf einen zukommt. Und die Bilder sind so seltsam verwischt. Das muss aber kein Qualitätsmanko sein, im Gegenteil, dem Träumen kommt das sehr nahe.
Und das ist auch hier der Fall - ich sehe hier etwas, das einem im Schlaf durch den Kopf geht, aber irgendwie lässt es sich schwer deuten. Ich gestehe, diese Schwierigkeiten hatte ich auch schon bei "Es überlebten", aber vielleicht setzt sich ja nach wiederholtem Lesen ein Eindruck, der sich in ein Analyseergebnis übersetzen lässt. (Mann, klingt das jetzt wissenschaftlich ...)
Ach, eins noch: Schon nach den ersten Zeilen habe ich mich an "Was man einer Gargouille erzählt" erinnert gefühlt. Da wusste ich, dass du dich hinter dem Gedicht verbirgst, zumal die Bilder mit der gleichen Intensität wie da glühten.


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(...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan

Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"

Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.)
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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag09.03.2010 20:44

von Enfant Terrible
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@ jim: Vielen Dank für deine Äußerung. Ich kann deinen Standpunkt nachvollziehen, aber gestatte mir, meine "Arbeitsweise" zu erklären:
Du meinst, dies sei keine Gefühlslyrik - in meinen Augen ist das aber nichts als das. Ich denke, es ist bei jedem Dichter verschieden, leider kann ich Gefühle nicht in Spermaspritzer übersetzen (nein, das ist weder gehässig noch sonstwie gemeint  Laughing ).
Auch wenn es komplett verrückt klingt: Gefühle sehe ich als ein abstraktes Bild, als eine Art Kopfkino, und genauso halte ich sie lyrisch auch fest.
 Ich versuche hier nicht, etwas zu verkomplizieren, im Gegenteil, ich gebe möglichst einfach und ungefiltert wieder, was mir vorschwebt. Wie soll ich Verworrenheit anders wiedergeben, als mit verworrenen Bildern?
Die Gebilde in diesem Gedicht sind nicht einmal Metaphern. Das sind einfach Bilder. So wie ein Rohrschach-Test  Laughing

@ Eddie: Oje. Ich fürchte, der Stil schleift sich ein. Ich fürchte, ich muss mir wohl was anderes überlegen.  Cool


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EdgarAllanPoe
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Die Tauben
Beitrag09.03.2010 20:48

von EdgarAllanPoe
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Tu das.
Und das meine ich ernst. Ich bin gespannt, was da noch so kommen mag. Schreib z. B. mehr Humoriges. Deine bissige Satire hat mir sehr gefallen. (Okay, falscher Thread, aber egal ...)

Eddie

... und ich verzieh mich jetzt mal, um ein kitschiges Gedichtlein zu schreiben, hab da so eine Idee.


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EdgarAllanPoe
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Die Tauben
Beitrag10.03.2010 15:14

von EdgarAllanPoe
Antworten mit Zitat

Das lässt mir keine Ruhe, also versuche ich mich mal an einer Interpretation. Falls ich's in einem Stück schaffe - es wird lang. (EDIT: Ja, so lang jetzt auch wieder nicht, hab wohl nur übertrieben.)

Zitat:
Ich bin unvollständig; als solches
erkennen mich Hände, wenn sie nachts
über die Schlafenden tasten auf der Suche
nach etwas, das sie nicht zerkratzen können.
Sie sind so kalt, weil sie kein Sonnenlicht speichern.


Das "[U]nvollständig[e]" weist bereits auf die Schizophrenie, besser gesagt auf die Persönlichkeitsstörung, hin.
Die zentrale Position in dieser Strophe nehmen die "Hände" ein. Da sie "(...) kalt [sind], weil sie kein Sonnenlicht speichern", liegt die Assoziation bzw. die Erinnerung an einen Horrorfilm nahe. Tote Hände, die einen packen, die bleich sind, weil sie lange keine Sonne mehr gespürt habe - hier also ein Sinnbild für Bedrohung.
Man erwartet von solchen "Händen", dass sie sich auf die Suche nach Dingen machen, die sie greifen und "zerbrechen" können. Im Klartext: Sie wollen Schmerzen zufügen.
Das ist hier aber nicht so, sondern umgekehrt. Sie wollen keine Schmerzen zufügen.
Damit nehmen sie eine ganz andere Position ein, als man das zunächst vermutet hätte - diese "Hände" sind ganz und gar nicht aufs Erschrecken fixiert, sondern sie wollen Liebe erfahren. Nur suchen sie zu diesem Zeitpunkt heimlich danach - darauf deuten die "Schlafenden" hin, über die sie hinwegstreichen. Das lässt den Schluss nahe, dass die Menschen, zu denen die "Hände" gehören, schüchtern sind und niemanden stören oder gar verärgern wollen. Eigentlich total irrational - denn wieso sollten ausgerechnet sie keine Liebe erfahren dürfen?

Zitat:
Der Bürgermeister hat Begrünung verordnet, seitdem
warten Dornen auf sie streifende Zartheit und fürchten
Rehe, die auferstehen von den Straßen und alles verdauen.
Man vertraut mir hier. Ich habe den singenden Blüten
deinen Namen auf die Zähne gelegt. Vor Respekt
verschlucken sie sich und zerfallen zu Flügeln
für Insekten, die in deinem Diadem
nach wachsendem Bernstein fischen.


Meiner Meinung nach so ziemlich die schwierigste Strophe im ganzen Gedicht - ein wahrer Metaphernsturm wirbelt hier, den es zu bändigen gilt.
Ein "Bürgermeister" herrscht über seine Stadt, er hat Macht, Entscheidungen im Rathaus durchzubringen etc. Das Bild der Seelenlandschaft hier mit einer Stadt zu vergleichen, ist gar nicht übel - es zeigt das sich dort befindende Innenleben.
Doch die "Begrünung", die der "Bürgermeister" anordnet, bringt noch keine Früchte - denn die "Dornen [warten] auf sie streifende Zartheit", was wiederum Schüchternheit ausdrückt - genauso wie bei den zu Anfang erwähnten "Händen".
Diese zarten Pflänzchen sind in Gefahr, die durch größere Lebewesen - hier den "Rehe[n]", bedingt wird. Das heißt im übertragenen Sinn, diese soeben keimenden Gefühle können noch nicht alleine überleben - sie brauchen jemanden, der sie behütet, der auf sie aufpasst.
Wobei derjenige, der diese offensichtlich positiven Dinge spürt, nach außen gehen sollte - tut er aber nicht. "Man vertraut mir hier. Ich habe den singenden Blüten/deinen Namen auf die Zähne gelegt.": Das ist ein Indiz für die innerliche Zurückgezogenheit des LIs. Es fühlt sich in seinem Inneren besser, als wenn es sich jemandem offenbart. Aber das ist fatal. Denn so kommt es nie an sein Ziel, geliebt zu werden.
Darauf weisen die nachfolgenden Verse hin. Die "Blüten", direkter formuliert: die Gefühle können nach einiger Zeit nicht mehr überleben, sie "zerfallen". Ergebnislosigkeit ist die Folge, unmittelbar verbunden mit Trauer, Depression, gar psychischer Krankheit (wenn man den Titel noch hinzunimmt).

Zitat:
Bei uns ist es nie so dunkel, wie wenn
Gehirnstrom ausbrennt.
Doch trag eine Kapuze - durch die Luft
rasen die Rahmen auf der Suche nach einem Gesicht
das hineinpasst. Ihre Greifer sind noch nicht reif für dich.


Nicht nur, dass die Gefühle im Inneren verkümmern, das LI besitzt auch noch eine äußerst surreale Vorstellungskraft.
Aus diesen wenigen Versen wird deutlich, dass es noch nicht reif ist, sich jemandem zu offenbaren, um seine Gefühle mit ihm zu teilen. Selbsterkenntnis ist hier ein Stichwort - "durch die Luft/rasen die Rahmen auf der Suche nach einem Gesicht,/das hineinpasst". Es versucht sich mittels vieler Wege zu orientieren, aber es schafft es nicht: "Ihre Greifer sind noch nicht reif für dich." Somit steht das LI erst am Anfang. Sich selbst hat es sich seine Gefühle eingestanden. Jetzt fehlt es nur noch daran, sich anderen zu öffnen.

Zitat:

Du wirst Königin sein, deine Untertanen
reihen sich an der Allee und heben
zur Begrüßung ihren Kopf aus den Schlingen.
Dein Thronsaal mit Brokat auf den Spiegeln
wie auf dem Rücken einsamer Riesen.
Sie öffnen ihre Hand, dich hinüberzutragen.
Keine Angst! Ich habe ihnen in Nächten des Wartens
mit Messerklingen das Quetschen abgewöhnt.


Die äußere Welt widerspricht jedoch radikal der inneren. Hier ist das LI nämlich ganz klar selbstüberschätzend - wobei es das zuvor noch nicht gewesen ist. In seiner Fantasie nimmt es die tollsten Rollen ein ("Königin"), und "Untertanen", über deren Freiheit es bestimmen kann und vor allem darf, die ihm dienen und es verehren. Im Umkehrschluss denke ich daher, dass es in der realen Welt nicht so ist - dort ist es vielmehr so, dass sich das LI in seiner Introvertiertheit unterordnet und keine Verteidigung äußert. Hier steigt es jedoch im Dialog mit einer fiktiven Person, in einer Art verdrehtem Monolog, zu einer Herrscherin auf, die ihre "Untertanen" gewaltsam unterdrückt ("Messerklinge", "abgewöhn[en]").

Zitat:
Unsere Trauung: Der Priester lässt seinen Tentakel
bis zum Grund deiner Augen,
um das Licht hinaufzuziehen, dorthin,
wo alle es sehen und aus der Ferne gebannt
an der Schädeldecke zerschellen.
Ich weiß, du wirst nicht zucken.


Das Gedankenexperiment geht seinem (vorläufigen) Ende entgegen.
Der spätere Traupartner wird wohl nicht freiwillig mit dem LI zusammensein - darauf deutet das "hinauf[gezogene Licht]" hin. Es empfindet eine Befriedigung dabei, dass es endlich über jemanden herrschen kann, es ist sich seiner Sache sicher (s. letzte Zeile). Es übt Einfluss auf andere aus, hier wohl nur in seiner Fantasie ("Priester"), es ist zufrieden, aber die anderen sind es nicht, niemand ist es außer ihm allein.

Fazit: Hier geht es nicht um Liebe, wie wir sie kennen, hier geht es nicht um Zuneigung, Treue und so weiter. Sondern hier geht es um Macht, um Herrschen über andere, die in der verdrehten gedanklichen Welt so hingebogen werden, dass es wie Liebe aussieht. Eigentlich eine sehr unheimliche Vorstellung, aber nur meine eigene Interpretation. Du kannst ja auch was anderes mit dem Gedicht beabsichtigt haben.

Falls ich Mist interpretiert habe, sag es mir bitte. (Ich fühle mich jetzt einfach dazu genötigt, diese Floskel wieder auszupacken.)


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Michael Lüttke
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M
Beitrag12.03.2010 20:28

von Michael Lüttke
Antworten mit Zitat

Das muss in Lyrik verschoben werden, denn es ist gute Lyrik.
"Metaphernlastig" ist ein Wort, dass eigentlich ein Lyrik unkundige Leser schreiben würde. Es ist so wie:
Den Ball HÄTTE er rein machen MÜSSEN.


Michael


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SylviaB
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Beitrag12.03.2010 21:49

von SylviaB
Antworten mit Zitat

Ich stimme Micha insofern zu, dass ich finde, dieses Gedicht gehört in Lyrik und keines Falls in die Talentschmiede. Danke Micha für die Meldung.

Trotzdem möchte ich dich fragen, ob du damit einverstanden bist, wenn ich es verschiebe. Ich warte da erst auf deine Antwort.

Und ich möchte zwei klitzekleine (was wäre SylviaB ohne dies) Anmerkungen machen:


Zitat:
Der Bürgermeister hat Begrünung verordnet, seitdem
warten Dornen auf sie streifende Zartheit und fürchten
Rehe, die auferstehen von den Straßen und alles verdauen.



Zitat:
Unsere Trauung: Der Priester lässt seinen Tentakel
bis zum Grund deiner Augen,
um das Licht hinaufzuziehen, dorthin,
wo alle es sehen und aus der Ferne gebannt
an der Schädeldecke zerschellen.
Ich weiß, du wirst nicht zucken.


Bei dem "sie" fehlt entweder ein Komma dahinter oder das "sie" sollte ein "die" sein. Sag mir wenn ich es ändern soll.

Zu der Tentakel... Also da hab ich ein sehr zwiespältiges Gefühl zu. Zum einen hat ein Priester keine Tentakeln (man könnte ein "Arm wie eine Tentakel" oder "Wissen/Liebe/Schutz wie ein Tentakel" draus machen) aber zum andern verstehe ich wieder was du damit ausdrücken willst. Vielleicht aber auch, weil ich deine Lyrik und deine Form Metaphern zu verwenden sehr schätze und mag. *grübel* Ich kann also eher nachvollziehen was gemeint ist, wie jemand der keine Ahnung von "Dir" und deiner Schreibweise hat. hm... Schwer...

Also ich würde diesen Satz etwas umformulieren.
Ansonsten... Spitze. Gib mir bescheid.

Lieben Gruß
Sylvia


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Gast2
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Beitrag13.03.2010 11:45
..
von Gast2
Antworten mit Zitat

Hallo Reggy,

ich habe nicht die Kommentare zu deinem Gedicht gelesen...deswegen wiederhole ich eventuell bereits Gesagtes?!

Für mich liest sich dein Gedicht wie ein Wachtraum, die Bilder erscheinen durcheinander, aber gefühlsbeladen. Da sie Vorstellungen sind, ergeben sie keine Lösung, sondern rufen einfach Gefühle hervor, die du niederschreibst.

Mir gefällt das sehr gut, diese Vorgehensweise kann ich gut nachvollziehen. Deine Sprache bewundere ich nach wie vor und deswegen: Was machst du hier in der Talentschmiede???  (habe ich schon mal gefragt, oder?)

Liebe Grüße

Heidi
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jim-knopf
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Beitrag13.03.2010 13:39

von jim-knopf
Antworten mit Zitat

Zitat:
"Metaphernlastig" ist ein Wort, dass eigentlich ein Lyrik unkundige Leser schreiben würde. Es ist so wie:
Den Ball HÄTTE er rein machen MÜSSEN.


Is freilich eine Sache über die man diskutieren kann

den Vergleich versteh ich leider aber überhaupt nicht smile


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Michael Lüttke
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M
Beitrag14.03.2010 12:54

von Michael Lüttke
Antworten mit Zitat

jim-knopf hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
"Metaphernlastig" ist ein Wort, dass eigentlich ein Lyrik unkundige Leser schreiben würde. Es ist so wie:
Den Ball HÄTTE er rein machen MÜSSEN.


Is freilich eine Sache über die man diskutieren kann

den Vergleich versteh ich leider aber überhaupt nicht smile


Nix für ungut Jim.
Es gibt unter Lyrikern so Floskeln, über die wir gerne lachen.
Ene davon ist "metaphernlastig", weil sie eigentlich von Greenhorns
benutzt wird. Erfahrene Lyriker wissen, dass es so etwas eigentlich gar nicht gibt. Rolling Eyes

Der Vergleich zur Fussballflosklel sollte das verdeutlichen.


Michael


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SylviaB
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Beitrag14.03.2010 13:31

von SylviaB
Antworten mit Zitat

Lieber Michael,

hier möchte ich dir wiedersprechen.
Es gibt "metaphernlastig". Und ich kenne keinen Lyriker der darüber lacht, ausser dich.

Lieben Gruß
Sylvia


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