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joyce
Schneckenpost
J

Alter: 32
Beiträge: 9



J
Beitrag28.02.2010 19:28
Strömung
von joyce
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich stehe einsam unter einer Straßenlaterne,
durchgeweicht vom harten Regen
der in festen, klatschenden Tropfen
Oberflächen und Haut erfasst.
Still schaue ich in die ziehenden Gesichter derer,
die wie ein unaufhörlicher Fluss an mir vorbeifließen.
Ich blicke in die weißen, nichtssagenden Augen –
und ich sehe nichts als Leere.

Der gelbe Strahl der hohen Lampe
erfasst nur flüchtig die Gesichter;
bloß um sie schleunigst wieder in die Dunkelheit zu führen
aus der sie kamen.
Die Luft steht vor Schwefelgeruch;
bei jedem Atemzug strömt er hinein in die Lungen
und verbraucht wieder hinaus.

Der Klang der Schritte auf dem Kopfsteinflaster
hämmert monoton in meinen Kopf.
Ihre Stimmen, flüsternd, aggresiv,
bohren Narben in mein Gehör.

Ein starker Wind erfasst die herbstgefallenen Blätter,
die sich aufbäumen wie sterbende Soldaten,
nur um schlussendlich den Unsinn dieses Unterfangens zu erkennen
und wieder sacht zu Boden zu gleiten.
Mir friert; die emotionale Kälte
hatte sich mit der herbstlichen Frische verbunden.

Ich weiß, dass früher oder später
dieser Menschenstrom, dieser Schwarm,
auch mich erfassen wird.
Plötzlich spüre ich, wie sich mein Körper eigenständig
in den Trott einhängt.
Die gerade noch feindvoll blitzenden Augen
sind vom Inneren gesehen emotionsdurchzogen.
Triebgesteuert ziehe ich mit.


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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag28.02.2010 19:42

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Was Stimmung anbelangt, birgt das Gedicht meiner Meinung nach großes Potential, jedoch wird es unter den großzügig verwendeten Adjektiven und Adverbien erdrückt. Entspecken und straffen wäre da von Vorteil - wie im Leben auch  Laughing Ich fange mal an (wenn ich nicht fertig werde, mache ich später weiter)

Zitat:
Ich stehe einsam unter einer Straßenlaterne,
durchgeweicht vom harten Regen
der in festen, klatschenden Tropfen
Oberflächen und Haut erfasst.
Still schaue ich in die ziehenden Gesichter derer,
die wie ein unaufhörlicher Fluss an mir vorbeifließen.
Ich blicke in die weißen, nichtssagenden Augen –
und ich sehe nichts als Leere.

Kursiv habe ich die fragwürdigen Adjektive und Konstruktionen markiert, die mir nicht so recht bekommen. Einige Dinge sind hier wirklich überflüssig.
Etwa die "festen, klatschenden" Tropfen: Die erschließen sich eigentlich schon aus dem harten Regen. Dass sie Oberflächen und Haut erfassen, liest sich seltsam wissenschaftlich, unlyrisch. Der Wind kann etwas erfassen, aber die Regentropfen nicht - ich hätte mir hier ein poetischeres Bild gewünscht, wenn überhaupt. Ich finde diese Beschreibung des Regens so, wie sie dasteht, recht überladen.
Auch die "ziehenden" Gesichter sind doppelt gemoppelt, weil du sagst, dass sie an dir vorbeifließen - dann ziehen sie ja bereits.
Das "ich" am Schluss ist Geschmackssache, ich fand einfach, "doch sehe nichts als Leere" kommt schärfer und dramatischer.

Zitat:
Der gelbe Strahl der hohen Lampe
erfasst nur flüchtig die Gesichter;
bloß um sie schleunigst wieder in die Dunkelheit zu führen
aus der sie kamen.
Die Luft steht vor Schwefelgeruch;
bei jedem Atemzug strömt er hinein in die Lungen
und verbraucht wieder hinaus.

Hier sind ebenfalls einige unlyrische Formulierungen drin. Wenn du viele Adjektive verwendest, läufst du generell Gefahr, unpräzise zu werden, statt ein schönes Bild zu erzeugen.
Zum Beispiel der "gelbe Strahl der hohen Lampe": Ich ahne, dass du mit der hohen Lampe eine Straßenlaterne meinst. Warum schreibst du das Wort dann nicht? Und der Strahl ist meistens gelb; es wäre etwas Besonderes, wenn du es schaffst, das Laternenlicht in einem Bild für sich einzubeziehen.
Dass das Licht die Menschen zurück in die Dunkelheit führt, finde ich einen schönen Einfall, allerdings ist der betreffende Vers sehr sperrig und prosaisch formuliert. Könntest du das vielleicht straffen?
Das mit der Luft in den Lungen ist im Grunde eine recht banale Feststellung, auch hier wäre eine besondere Metapher vonnöten, um der Beschreibung eine Daseinsberechtigung zu geben. Überlege dir, was an Beschreibung du wirklich brauchst! Kopple an das Atmen wenigstens eine Emotion, die diesen Vorgang in deinem Gedicht besonders macht.

Zitat:
Der Klang der Schritte auf dem Kopfsteinflaster
hämmert monoton in meinen Kopf.
Ihre Stimmen, flüsternd, aggresiv,
bohren Narben in mein Gehör

Ich kann nicht konkret sagen, was die Fehler dieser Strophe sind bzw was mich daran stört, doch insgesamt liest es sich nicht optimal, da zu prosaisch. Das mit dem Klang der Schritte, der hämmert, könntest du zum Beispiel zusammenfassen. Und statt "ihre Stimmen, flüsternd" gleich "Ihr Flüstern" oder so etwas. "aggressiv" ist wieder ein viel zu sachliches Wort für diese Art von Gedicht, finde ich. Und Narben ins Gehör bohren ... das Bild fühlt sich einfach nicht stimmig an.

Zitat:
Ein starker Wind erfasst die herbstgefallenen Blätter,
die sich aufbäumen wie sterbende Soldaten,
nur um schlussendlich den Unsinn dieses Unterfangens zu erkennen
und wieder sacht zu Boden zu gleiten.
Mir friert; die emotionale Kälte
hatte sich mit der herbstlichen Frische verbunden.

"herbstgefallene Blätter" finde ich einen schönen Neologismus, auch gefällt mir der Vergleich mit dem Soldaten. Den starken Wind würde ich wieder adjektivtechnisch abspecken: Windbö? Sturm? Einfach ein knackiges Substantiv, das mehr aussagt. Kursiv die Stellen markiert, die sich meines Erachtens wieder vom Satzbau her sehr, sehr prosaisch lesen.

Zitat:
Ich weiß, dass früher oder später
dieser Menschenstrom, dieser Schwarm,
auch mich erfassen wird.
Plötzlich spüre ich, wie sich mein Körper eigenständig
in den Trott einhängt.
Die gerade noch feindvoll blitzenden Augen
sind vom Inneren gesehen emotionsdurchzogen.
Triebgesteuert ziehe ich mit
.

Inhaltlich und stimmungstechnisch finde ich das Ende gut, allerdings sind die wieder kursiv markierten Stellen sehr vage, sehr prosalastig, gerade dieses "vom Inneren gesehen emotionsdurchzogen" ist extrem verkompliziert, dabei unklar. Unbedingt umformulieren!

Ich wiederhole nochmals: Du hast stellenweise einen sehr schönen Umgang mit Sprache drauf, aber du musst mehr darauf achten, dass deine Verse schlanker, knapper, lyrischer sind, weil du dazu neigst, dich allzu "sachlich" auszudrücken. Auch die Adjektivitis steht den Bildern im Weg. Oft hilft es, statt einer Adjektiv/Substantiv-Kombination lieber ein prägnantes Nomen herzunehmen.

Und was ganz überflüssig ist zu sagen: Tolle Vertonung! smile extra Daumen hoch


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um die Dunkelheit zu sehen"
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