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Greybyte
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Beiträge: 6
Wohnort: Leobersdorf


G
Beitrag20.12.2009 11:46
Ein letztes Mal
von Greybyte
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Ein letztes Mal

Leicht torkelnd suchte er noch während dem gehen in Richtung Tür seinen Schlüssel heraus. Nicht nur der Alkohol war es der ihm das erschwerte, sondern wohl auch der Umstand dass es mitten in der Nacht war und man kaum was sehen konnte. Nur durch Tasten konnte er erkennen welcher der vielen da wohl der richtige ist. Vier kleine Löcher sollte der richtige haben.
Da er spürte sie, es war der Richtige. Mit einer leicht lässigen Geste wie er meinte, zog er den Schlüssel höher hinauf, doch wohl etwas zu übermütig, da der Schlüsselbund dabei aus seiner Hand glitt und scheppernd am Boden landete.
Es musste lustig sein Hans dabei anzusehen, wie er sich versuchte runterzubücken, doch nicht etwa dass er in die Knie ging, nein, er knickte einfach nur seinen Oberkörper vorne runter - mit den Füßen steif gerade stehen bleibend. Sicherlich wäre es ihm gelungen, hätte er nicht allzu viel getrunken. Ein kleiner Sturz nach vorne hin war da geradezu vorbestimmt und trat auch ein.
Da lag er nun kurz. Es schoss ihm viel durch den Kopf und trotz seines von außen schlimm benommen wirkenden auftreten war er irgendwie doch noch recht klar mit seinen Gedanken. Es war gerade, dass was er so hasste. Wie sehr wünschte er es sich einfach nicht mehr soviel zu denken. Niemanden kennt er der sich genauso verhält als besoffener wie er. Warum kann er nicht auch einfach so wie alle anderen ohne viel zu denken durch die Welt spazieren?
Es war ihm nicht vergönnt. Trinken konnte er was er wollte, zum denken hörte er noch nie auf. Vorher übergibt er sich zig Male. Wie sehr hasste er es so zu sein. Sein Magen verträgt weniger als sein Hirn. Er kann nichts mehr tun und trotzdem arbeitet sein Hirn noch immer tadellos.
Mit etwas Mühe schaffte er es jetzt ins Haus, gleich ins Badezimmer, einmal kaltes Wasser ins Gesicht ein Blick in den Spiegel mit einem schief aufgesetzten Lächeln und schon wollte er sich selbst eine verpassen. Wieso das alles? Wieso war er heute so dumm? Und jetzt sein Blick, einfach schrecklich. Kann er nicht einfach nur seine Ruhe haben von solchen Dingen?
Zähneputzen wollte er jetzt nicht mehr so spät und in dem Zustand.
Schnell einmal den Mund mit einer Zahndusche durchgespült und ab ins Zimmer, rein ins Bett, Licht aus – es war genug.
So müde er auch schon die ganze Zeit zu sein glaubte, jetzt war er hellwach. Es waren wohl die Gedanken die ihn wach hielten. Kann es nicht wie früher sein?
Gläubig war Hans noch nie, doch heute brauchte er irgendetwas, einfach um sich festzuhalten.
Seit einem Monat schon betete er. Es war kein wirkliches Beten, kein Beten wie es die Gläubigen taten, sondern viel mehr ein Hilferuf nach Außen, eine Aufforderung an sich selber, einfach ein Appell dass es besser gehen muss.
Er ließ darin all seinen Frust über vergangenes aufkommen. All seine Verzweiflung über sein wahres ich, dass hinter der Fassade steckt.
Selbst seine besten Freunde sehen ihn immer nur als fröhlichen Kerl der immer für Blödsinn gut ist, lustig ist, aber auch sehr ernst reden kann und jederzeit hilft. Von Verzweiflung keine Spur.
Doch so war es nicht. Einfach alles ärgerte ihn nur mehr, seine Familie, die Schule und die fehlende Freundin.
Immer wieder wollte er wegkommen von all seinen Problemen, doch schaffte er es nie. Immer wieder betete er dass all seine Probleme doch ein wenig abnehmen, vielleicht sogar nur gleich blieben, aber doch bitte nicht zunehmen sollen. Nützen tat es ihm nichts und genau das war worauf er jetzt draufkam. Es war niemand da der ihm half, niemand der ihn verstand.
Selbst wenn es vielleicht jemanden geben würde der ihm helfen könnte, würde er wohl nie darüber reden. Zu groß wäre die Peinlichkeit für ihn so zu schwächeln, so von Gefühlen und Problemen belastet zu werden und nicht stark genug zu sein. Lieber würde er eine Geschichte erzählen, wieder einen Teil aus seinem Leben erfinden, einfach etwas vorspielen was nicht da war, einfach um besser dazustehen.
Heute, so war er sich sicher, hat er seinen Tiefpunkt erreicht. Er sah kein Ende von all den Problemen. Sie sind gewachsen, drohen ihm zu erdrücken. Wozu tat er sich das an? Hat er denn überhaupt eine besser Zukunft? Seine kleine Hoffnung war vielleicht einmal einen super Job zu bekommen und doch noch etwas Erfolg zu haben und dank dem Geld den Problemen zu entkommen. Doch hieß es nicht überall man bräuchte dafür ein super Zeugnis? Hieß es nicht man findet heutzutage kaum mehr einen Job? Viel Glück braucht man dafür. Gute Noten allein sind noch lange nicht alles. Sooft wurde ihm sogar von seinem Vater erzählt wie super gebildete mit super Zeugnissen, kaum Geld zum überleben bekommen. Glück und sehr viel Fleiß war es was man braucht. Doch Glück hatte Hans noch nie und fleißig zu sein, immer alles zu geben, konnte er einfach nicht mehr. Zu ausgelaugt war er mittlerweile.
Es hat keinen Sinn mehr. Wozu sich noch mehr antun von alldem?
Hans spürte wie sein Gesicht heiß wurde, was wohl auch bedingt durch den Alkohol gefördert wurde. Seine Augen erhitzten sich und wurden Feucht.
Seine Zukunftsbilder waren nicht mehr vor ihm.
Ein Leben ohne Zukunft hat keinen Sinn.
Ohne noch mehr zu denken, stand er auf, blickte noch einmal in den Spiegel, es war ein mitleidiges Wesen was er da sah. Hassen tat er es für sein Aussehen, für seine Schwäche, für seine Weichlichkeit und seine verzweifelte Situation. Kein Mitleid mehr. Für so etwas nicht. Er wischte sich die Tränen aus den Augen, zog noch einmal die Nase hoch, riss sich zusammen. Jetzt werde ich dieses Wesen befreien. Wozu so quälen?
Einen Fuß nach dem anderen nach vorne setzend - immer sicherer. Der Alkohol war wie verschwunden. Alles war klar und deutlich. Hans wusste genau was er tat. Es war wohl der Moment in seinem Leben, der Moment wo alles klar war, der Moment wo er genau wusste was er tat. Zielsicher öffnete er die Hausapotheke, Schlaftabletten heraus. Fest in der Hand haltend, schon förmlich zerdrückend ging er zurück ins Zimmer.
In der Ruhe liegt die Kraft, Kraft ist Macht und Macht ist Sicherheit. Immer wieder wiederholte er diesen Spruch in seinen Gedanken. Wie er darauf kam wusste er nicht. Doch in diesem Moment war er wohl an einem Punkt wo wenig Menschen vor ihm waren. Ein Punkt wo alles so klar und deutlich, so einfach und durchschaubar ist, erreicht man nicht leicht und wenn dann überlebt man ihn nicht. Klar sehen darf nur wer nicht mehr da sein wird wenn die Klarheit aufhört.
Die Flasche in der linken Hand, viele Tabletten in der anderen saß er auf der Bettkante. Legte sich eine wie bei einer Zeremonie in den Mund, streichelte sie förmlich mit der Zunge, setzte die Flasche an und spülte das Mittel zur Erlösung die Kehle hinunter, spürte wie sie wanderte und ankam wo sie ihre Wirkung vollbringen sollte. Viele andere folgten. Immerhin wollte er sich sicher sein.
Zu klar war seine Sicht der Dinge, zu verführerisch die Versuchung allem zu entkommen, seine Zukunft so selbst zu entscheiden. Ein Zeichen zu setzen. Mit einem großen Grinsen legte er sich zurück. Hans zog noch einmal die Decke bis zur Brust hinauf und lag wie ein König machtvoll und mit glücklichen Zügen am Rücken. Die Gedanken nahmen ab, der Kopf wurde schwer. Es war herrlich. Immer mehr überkam ihm die Glücklichkeit, ein Gefühl der Freiheit.
Es war aus.

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Alogius
Geschlecht:männlichKinnbeber

Alter: 47
Beiträge: 3206

Die Goldene Bushaltestelle Goldene Feder Prosa (Anzahl: 2)


Vom Verschwinden der Muse
Beitrag20.12.2009 13:57

von Alogius
Antworten mit Zitat

Moin,

zuerst hielt ich Hans für eine ältere Person, aber er scheint ja doch noch etwas jünger zu sein?
Da, denke ich, ist es noch problematischer, die Gedanken eines Selbstmörders und auch dessen Motive genau zu erfassen. Gelungen ist das aus meiner Sicht nicht.

Nun denn:

Der Text schildert die letzten Wege, Gedanken und Lebensumstände einer Figur, die sich am Ende des Textes entschließt, sich das Leben zu nehmen. Das wird durchaus klar, doch fehlt aus meiner Sicht der Auslöser, fehlen die speziellen Motive. Sicher kann man einen Text auch so gestalten, dass die Gründe unklar bleiben - aber hier hast Du die Perspektive gewählt, die eine Erklärung anbietet. Sie reicht aber nicht aus, ist zu allgemein und damit zu schwach erzählt. Sein Verhalten am Ende des Textes, das Grinsen zum Beispiel, wirkt außerdem in gewisser Weise schon selbstgefällig und einfältig. Wer sich selbst tötet, dem ist sein Leben mehr wert als ein Grinsen. Sonst würde er alle Probleme umgehen, mit einem Lachen im Gesicht verdrängen oder wegschieben. Er aber hat den anderen Weg gewählt, doch es fehlt mir im Text die Konsequenz in der Erzählhaltung und im Erzählten selbst.

Sprachlich gesehen gibt es zwar einige ansprechende Stellen, doch die problematischen Passagen überwiegen. Zu ungenau und holprig sind viele Ausschnitte geschrieben und erschweren damit unnötig das Lesen. Die Leere, die so ein Mensch empfinden muss, sie wird damit nicht in Worte gefasst oder übertragen auf den Leser.
Außerdem findet man doch nicht wenige Fehler in Grammatik, Zeichensetzung und Rechtschreibung.

Ich werde in Beispielen auf alle genannten Dinge eingehen (das sind nicht alle Problemstellen, nur eine Auswahl):

Zitat:
Leicht torkelnd suchte er (noch) während dem gehen (in Richtung Tür) seinen Schlüssel heraus. Nicht nur der Alkohol war es, der ihm das erschwerte, sondern wohl auch der Umstand, dass es mitten in der Nacht war und man kaum was sehen konnte. Nur durch Tasten konnte er erkennen welcher der vielen da wohl der richtige ist. Vier kleine Löcher sollte der richtige haben.

Schon der Beginn ist holprig und ungeschickt formuliert.
"Leicht torkelnd suchte er während des Gehens seinen Schlüssel."
Das wäre der gleiche Informationsgehalt, nur gestraffter. Der erste Satz ist problematisch, weil er viele unnötige Wörter und Wendungen enthält; außerdem ist er recht umständlich geschrieben. In meinem Vorschlag ist alles enthalten, das wichtig ist. Dennoch ist es nur eine Umwandlung. Den könnte man viel einfacher formulieren:
"Er torkelte bis zur Tür und suchte seinen Schlüssel." (Ob man das Torkeln ersetzen könnte?)
In den zweiten Satz habe ich im Zitat das Komma eingefügt.
Und vielleicht besser (markiert): "...er kaum etwas sehen konnte."
Der folgende, kursiv markierte Teil:
Schöner wäre es, diesen Teil aktiver zu gestalten. In etwa (Beispiel) so:
"Er taste sich voran und erwischte endlich den richtigen Schlüssel."
Einfacher, knapper. Weniger stolpernd.

Zitat:
Da er spürte sie, es war der Richtige. Mit einer leicht lässigen Geste wie er meinte, zog er den Schlüssel höher hinauf, doch wohl etwas zu übermütig, da der Schlüsselbund dabei aus seiner Hand glitt und scheppernd am Boden landete.

Der erste Satz ergibt ohne ein Komma nach "Da" keinen Sinn. An sich kann der Satz auch gestrichen werden. Im Folgesatz fehlt auch ein Komma nach "Geste". Wieder ist der ganze Satz unnötiv verkompliziert. Daraus zwei Sätze oder eine Kürzung machen, das wäre sinnvoll.
So wirken die Handlungen ziemlich statisch. Du benötigst dadurch allein zwei Sinnabschnitte (Absätze), bis er überhaupt ansetzt, die Tür zu öffnen. Dann fällt ihm der Schlüsselbund runter usw. Es dauert und dauert, es geschieht aber nichts und manch Leser wird aufhören, sich für den Text weiter zu interessieren.

Weiteres Beispiel für unnötige Streckung bzw. Statik:
Zitat:
Ein kleiner Sturz nach vorne hin war da geradezu vorbestimmt und trat auch ein.

Wieso nicht einfach: Er stürzte nach vorn und schlug mit dem..." etc. ?

Hier liegen, exemplarisch, erneut alle Probleme vor:
Zitat:
Es schoss ihm viel durch den Kopf und trotz seines von außen schlimm benommen wirkenden auftreten war er irgendwie doch noch recht klar mit seinen Gedanken. Es war gerade, dass was er so hasste. Wie sehr wünschte er es sich einfach nicht mehr soviel zu denken. Niemanden kennt er der sich genauso verhält als besoffener wie er. Warum kann er nicht auch einfach so wie alle anderen ohne viel zu denken durch die Welt spazieren?

Was schießt ihm denn durch den Kopf?
Außerdem: "seines Auftretens".
Und: "Es war gerade das, was er so hasste."
Und: "Besoffener", nicht klein!
Hier fehlen mehrere Kommata.
Auch hier sind die Formulierungen fast in einer Art Berichtsform. Gefühle, Mitleid oder gar eine Vorstellung seiner Bewegungen, doch auch seines Innenlebens entstehen nicht. Er ist eine Chiffre, die durch den Text wandelt und roboterhaft agiert. Natürlich wäre das ein Stilmittel, aber in beide Richtungen funktioniert der Text so nicht. Dazu ist der Stil zu stakkatohaft einerseits, zu unnötig verworren andererseits.
Durch fehlende Konzentration auf sein Inneres entsteht kein Bild.

Zitat:
Sein Magen verträgt weniger als sein Hirn. Er kann nichts mehr tun und trotzdem arbeitet sein Hirn noch immer tadellos.

Zwei Dinge (der zweite Aspekt ist wesentlicher):
Erstens:
Sein Hirn scheint ja nicht unbedingt tadellos zu funktionieren. Man beachte die Probleme vor der Haustür - zum Beispiel.
Zweitens (sehr wichtig!):
Wieso wechselst Du jetzt ins Präsens? Dadurch entsteht ein unangenehmer und auch falscher Bruch im Text. Sind es seine Gedanken aus der personalen Perspektive heraus? Dann müssten die aber ebenfalls im Präteritum stehen, oder nicht?
Das passiert ab jetzt häufiger im Text und ist so nicht korrekt.

Zitat:
Mit etwas Mühe schaffte er es jetzt ins Haus, gleich ins Badezimmer, einmal kaltes Wasser ins Gesicht ein Blick in den Spiegel mit einem schief aufgesetzten Lächeln und schon wollte er sich selbst eine verpassen. Wieso das alles? Wieso war er heute so dumm? Und jetzt sein Blick, einfach schrecklich.

Endlich ist er angekommen. Das hat gedauert...
Diese Passage ist jedoch weit weniger problematisch. Das erste Mal konnte ich, wenn auch nur kurz, etwas mit der Figur anfangen, weil Du hier anschaulicher wirst als in den Teilen davor und danach.

Logikfrage:
Zitat:
Gläubig war Hans noch nie, doch heute brauchte er irgendetwas, einfach um sich festzuhalten.
Seit einem Monat schon betete er. Es war kein wirkliches Beten, kein Beten wie es die Gläubigen taten, sondern viel mehr ein Hilferuf nach Außen, eine Aufforderung an sich selber, einfach ein Appell dass es besser gehen muss.

Was ist denn jetzt? Betet er oder trägt er einen Hilferuf in seine Umgebung? Wie sieht das aus, wie ist das zu verstehen?
Ich kann mir keine Vorstellung davon machen. Es fehlt die Präzision dieser Aussagen.

Und hier
Zitat:
Er ließ darin all seinen Frust über vergangenes aufkommen. All seine Verzweiflung über sein wahres ich, dass hinter der Fassade steckt.
Selbst seine besten Freunde sehen ihn immer nur als fröhlichen Kerl der immer für Blödsinn gut ist, lustig ist, aber auch sehr ernst reden kann und jederzeit hilft. Von Verzweiflung keine Spur.

, abgesehen von den Problemen der Zeichensetzung etc, ist wieder der unerklärliche Wechsel im Tempus. Der Sinn wird mir nicht klar (siehe oben).

Die folgende Passage (ich erwähne Kommafehler usw. jetzt nicht mehr, sie sind aber da) klärt etwas über seine Gedanken und Motive auf:
Zitat:
Doch so war es nicht. Einfach alles ärgerte ihn nur mehr, seine Familie, die Schule und die fehlende Freundin.
Immer wieder
(...)
kaum Geld zum überleben bekommen. Glück und sehr viel Fleiß war es was man braucht. Doch Glück hatte Hans noch nie und fleißig zu sein, immer alles zu geben, konnte er einfach nicht mehr. Zu ausgelaugt war er mittlerweile.

Wäre ich zynisch, würde ich sagen: "Ja, und? Das war es? Das reicht ihm aus, sein Leben zu hassen und beenden zu wollen? So ein Weichling."
Die Motive sind einfach nicht intensiv genug behandelt, nicht schmerzvoll im Begreifen des Lesers, weil der Text sich keine Zeit dafür nimmt, genau darauf einzugehen.
Man könnte auch davon ausgehen, dass es sich um typisch pubertäre Probleme handelt. Da sieht die Welt immer düster aus, alles ist mistig und beschissen. Wer hat denn nicht in seiner Jugend so gedacht? Aber reicht es aus? Sind seine Gefühle so sensibel in die Seele gespannt, dass der letzte Schritt von ihm getan wird? Wenn ja, hätte das ausgeführt werden müssen.
So bleibt kein Grund, der wirklich Auslöser wäre.

Symptomatisch für die selbstmitleidige Einstellung:
Zitat:
Ein Leben ohne Zukunft hat keinen Sinn.

Er denkt sich diese Zukunftslosigkeit aber selbst. Problematisch ist aber, dass diese Gedankengänge nicht erzählerisch umgesetzt werden, sondern man auf seine eigenen Schlüsse zu sehr angewiesen ist, ein unvollständiges Bild zu füllen.
Das ist, wenn präzise und durchdacht ausgeführt, ein Stilmittel, aber nicht hier.
(Dass wir uns verstehen:
Mir geht es nicht darum, alles vor die Nase gesetzt zu bekommen, auf keinen Fall. Meine eigenen Texte leben oft von der Andeutung und dem Rätselhaften, aber der vorliegende Text muss sich psychologisch messen lassen. Und da reift er nicht aus.)

Dann folgt der Entschluss:
Zitat:
Ohne noch mehr zu denken, stand er auf, blickte noch einmal in den Spiegel, es war ein mitleidiges Wesen was er da sah. Hassen tat er es für sein Aussehen, für seine Schwäche, für seine Weichlichkeit und seine verzweifelte Situation. Kein Mitleid mehr. Für so etwas nicht. Er wischte sich die Tränen aus den Augen, zog noch einmal die Nase hoch, riss sich zusammen. Jetzt werde ich dieses Wesen befreien. Wozu so quälen?
(...)
Fest in der Hand haltend, schon förmlich zerdrückend ging er zurück ins Zimmer.

Mitleidig trifft es. Leider. Denn die Figur bleibt durch den vorliegenden Stil sehr blass, weshalb vom Leser auch kein Mitleid zu erwarten wäre.
Einzig interessant: das "Wesen".
Das hättest Du mehr ausführen sollen, um dem Text etwas Originelles zu geben. Denn die Geschichte eines Selbstmörders braucht etwas Neues, sonst ist sie uninteressant.

Falle:
Zitat:
Doch in diesem Moment war er wohl an einem Punkt wo wenig Menschen vor ihm waren. Ein Punkt wo alles so klar und deutlich, so einfach und durchschaubar ist, erreicht man nicht leicht und wenn dann überlebt man ihn nicht. Klar sehen darf nur wer nicht mehr da sein wird wenn die Klarheit aufhört.

Zum markierten Satz:
Das wage ich zu bezweifeln.

Das hingegen
Zitat:
Zu klar war seine Sicht der Dinge, zu verführerisch die Versuchung allem zu entkommen, seine Zukunft so selbst zu entscheiden.

ist eine interessante Formulierung, weil sie offenbart, dass er selbst nicht erkennt, wie gering seine Aussichten sind, die Zukunft zu entscheiden, indem er sich umbringt. Denn er entscheidet über sein Vergehen, nicht über etwas, das folgen wird.
Das mehr thematisiert, und die Geschichte wäre etwas (!) besser geworden.

Diese Passage jedoch,
Zitat:
Hans zog noch einmal die Decke bis zur Brust hinauf und lag wie ein König machtvoll und mit glücklichen Zügen am Rücken. Die Gedanken nahmen ab, der Kopf wurde schwer. Es war herrlich. Immer mehr überkam ihm die Glücklichkeit, ein Gefühl der Freiheit.

ich hatte es erwähnt, zeugt nicht gerade von Größe oder gar Weisheit. Selbstherrlich und irgendwie extrem einfältig wirkt Hans plötzlich. Wie er da liegt und wartet, wirkt er unfreiwillig komisch - ich kann mir nicht denken, dass Du das so gemeint hast.

Fazit:

Der Text ist nicht sehr originell. Ansätze verpuffen, weil danach wieder unnötige und holprige Spielereien und Formulierungen folgen, die dem Text keine Tiefe geben. Dadurch werden Motive nicht deutlich und Ansätze, den Text zu interpretieren, gibt es keine.
Sprachlich muss viel daran getan werden. Auch solltest Du Dir unbedingt mal diverse Regeln zu Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung anschauen! Hier gibt es viele Quellen.

Betrachte das als subjektive Sicht, nichts anderes ist es.

Gruß

Tom


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Greybyte
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G
Beitrag20.12.2009 17:57

von Greybyte
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für die vielen Verbesserungen!
Echt super dass du dir da so eine Arbeit gemacht hast um mich auf meine unzähligen Fehler aufmerksam zu machen! Dass etwas nicht ganz gepasst hat wusste ich schon vorher beim durchlesen. Allerdings wäre ich ohne dich nie darauf gekommen was genau nicht passt!
also nochmals danke!smile

lg
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