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Niemals-Meteorologie


 
 
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag12.11.2009 21:10
Niemals-Meteorologie
von Enfant Terrible
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wenn der Wind stärker wird
(weht er auch die fettigen Haare
des Nerds durcheinander,
der am Regler sitzt?),
obwohl seine Puste nicht reicht
für einen Sturm,
ist mit blätternassen Fußspuren zu rechnen
in der Wohnung, die zurückweicht
(Kälte zieht Dinge zusammen,
doch die Leere hält dagegen).

Die kahlen Äste überkrabbeln die Grenze
zwischen Herbst und Zuhause.
Das Stadium poetischen Klopfens
für dieses Mal ausgelassen,
reißen sie Vorhänge beiseite,
blättern in fettfleckigen Tagebüchern
und ritzen in jede verfügbare Staubschicht:
„Dein einziger Freund war hier“.

Die Schlösser gehören ausgewechselt,
vor allem jenes, das am Kopf baumelt
statt eines Ohrrings.

Wenn der Wind
(„Ich hab’s noch drauf
auch wenn ich nicht Kyrill heiße!“)
vor der Elektrizität keinen Halt macht,
erinnert der verloschene Fernseher
an die Existenz realer Dunkelheit,
schließlich ist jeder Bildschirm ein Bastard
zwischen Fenster und Auge.



_________________
"...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP

Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo
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Jocelyn
Bernsteinzimmer

Alter: 59
Beiträge: 2251
Wohnort: Königstein im Taunus
Das Silberne Fahrrad Ei 1



Beitrag03.12.2009 11:50

von Jocelyn
Antworten mit Zitat

Hallo ET!

Hier mein eingelöstes Versprechen.

Dieser Text ließ mich lange nicht los, auch wenn ich nur langsam dahintergestiegen bin, will sagen, hinter die Bedeutung des Textes über die Fessel des Erahnten hinaus.
Deshalb habe ich ihn einwirken lassen.
Und deshalb schreibe ich dir erst jetzt.

Niemals-Meteorologie verstehe ich als einen anderen Begriff für die erwähnte Leere, die durch den Herbstwind freigelegt wird.
Dabei scheint das LI dahinter einen Sinn zu erahnen, ein intelligentes Treiben, und es fragt sich, ob der vermutete Verursacher auch davon betroffen ist. Er, dieser Nerd, der Halbgott über den Dingen. Eine Art Petrus?

Die Wohnung, damit das Heimischsein in der Welt, die fiktive Heimat, wird von der Kälte und dem Wind bewusst zerstört. Mit dem Ziel, alte Freunde in dem Bewusstsein des LIs wiederzuerwecken, doch sie sind schon verloren, unter der Staubschicht, im fleckigen Tagebuch. Dadurch hat dein Gedicht eine große Melancholie.

Stattdessen hat das LI sich dem Bastard verschrieben, dem Bildschirm. Zu seinem Wohlergehen zerstört der Wind auch diesen.
Nun kann das LI die Schlösser in seinem Kopf auswechseln.
Ich sehe hier also eine Art begrüßte Erneuerung, ausgelöst durch die Zeit des Herbstes, des schmerzlichen Abschieds, des Niedergangs.

Sehr gut hat mir das Bild der kahlen Äste gefallen, die die Grenze zwischen Herbst und Zuhause überkrabbeln. Klasse!

So meine Interpretation,
ein Text, der diesem Dauerbrenner wunderbar gerecht wird, ja, das finde ich.
Lass dich nicht zu sehr verbiegen. Aber ein bisschen, bitte Wink !

Jocelyn


_________________
If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)

Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)

"Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer."
(Voltaire)
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Enfant Terrible
Geschlecht:weiblichalte Motzbirne

Alter: 30
Beiträge: 7278
Wohnort: München


Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag04.12.2009 15:08

von Enfant Terrible
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vielen Dank für deinen  ausführlichen Kommentar, Jocelyn! Es ist ein Gedicht über Einsamkeit, die sich gerade in dieser tristen Jahreszeit verschärft. Das LI möchte sich in seine vier Wände zurückziehen, aber nicht mal da kann es sich von der Kälte isolieren.

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