[KuGe] Re-cycling

[Lesehoernchen]

Re - cycling
Du stehst am Abgrund, benebelt mit Leben, hinter dir schien es besser, zugezogen, Wand vor Augen und glücklich. Vor dir die Klippe, ungewiss, doch das Licht scheint genau darauf, auf Wolkenberge unter dir und du willst springen. Das Messer auf deinem Handgelenk hält dich noch zurück, Kälte zerrt an den Muskeln. Da wo Wärme fehlt, läuft nichts geschmeidig.
Sie sagt dir, es ist vorbei, aber „sowas von“ und du lachst erstickt. Natürlich. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Du wehrst dich gegen das Tier in dir drin, das aufgesprungen ist, sich aufgebaut hat und ihr fest in die Augen sieht. Doch es weiß schon, dass nicht viel Zeit vergeht bis es nur noch da liegen wird, als wäre es eben erst geboren, erbrochen an Atembeschwerden.
Das „Nein, das geht nicht“ kommt heiser von den rissigen Lippen des Menschen, der du warst. Der Mensch, der du wirst, rechnet sich aus : Überleben minus Kraft , fatal, halbüberleben geht nicht, genau so wenig wie halbschwanger. Also ganz oder gar nicht, total!
Das Messer liegt nun drei Meter von dir weg , nackt auf dem Boden unter deinen Füßen. Ja den gibt es noch, aber SIE steht nicht mehr darauf, sondern ist mit einem Sprung nach hinten, durch die Wand hindurch, in ihre Welt geflohen.
Du spuckst wie ein Baby, hechelst nach neuer Luft, schreist schrill und dann, die Uhr muss kaputt sein, tickt es nicht mehr in dir drin. Da ist Platz, luftiger Raum, für dich. Da schreibt jemand die neue Zeitrechnung und trägt dich in die Liste der Erfolgreichen ein. Sie steht da nicht drin. Deine Erinnerungen tragen ihren Namen mit den Fingerspitzen.
Du packst es noch nicht mit ganzer Hand, die räumt indes deine Seele auf und recycelt stumm.

[Alogius]

Hi,

ich lese den Text als düsteres Gedankenspiel, mit einem vielleicht guten Ausgang. Das Offene darin macht den Text aus. Die erzeugten Bilder (wie gesagt, ich lese eher metaphorisch) sind ungewöhnlich in ihrer Kombination, was mir sehr gefällt. Ich denke, inhaltlich kann man da auch nicht streiten, da der Text wie eine Art gedankenlyrisches Konstrukt wirkt.

Sprachlich hier und da absichtlich verworren. Dadurch holpert es beim ersten Lesen etwas, das hat sich bei mir im wiederholten Lesen aber wieder gegeben.
Ich kann auch schwer etwas anderes sagen, bin ich doch erklärter Liebhaber von Verschwurbelungen dieser Art.

Alles in allem:
Ein sehr interessanter Text. Dürfte auch nicht länger sein, weil er sich sonst verlieren würde.

Danke
Gruß
Tom