Henry - noch eine kleine Kurzgeschichte

[lani]

Und ich wieder ich hoffe, ich mülle hier die Talentschmiede nicht mit meinen Texten zu - aber ich bin so gespannt auf Anregungen, da musste ich noch eine Geschichte von mir hier rein stellen. Ich befürchte, auch bei dieser könnte sich mein Problem mit den langen Sätzen irgendwo abzeichnen. Und mit dem letzten Satz bin ich nicht ganz zufrieden. was meint ihr?
Vielen Dank schonmal,
eure Lani

Ich saß an der Straßenecke vor unserem Haus und paffte eine Zigarette. Ich war elf, gerade geworden, und fühlte mich bereit für die weite Welt dort draußen.
   Zuhause hielt mich auch nicht viel. Meine Schwester, 14 Jahre alt, erwartete ihr erstes Kind. Und es gab nur Ärger, seitdem. Seitdem sie eines Nachts sturzbetrunken in das Schlafzimmer meiner Eltern torkelte, sich plärrend auf deren Bettkante setzte und gestand. Diese eine Nacht. Mit dem Nachbarsjungen.
   Seit dieser Nacht redeten meine Eltern nicht mehr allzu viel, weder mit mir noch mit sonst irgendjemanden. Sie sperrten mich ein, in mein Zimmer, aus Angst, auch ich könne eines Tages nach Hause torkeln. Sturzbetrunken. Zur Bettkante meiner Eltern. Und gestehen.
   Nur ab und an ließen sie mich hinaus, ließen mich eine Runde laufen, wie einen räudigen alten Hund, dem man, nach Tagen der Isolation, noch etwas frische Luft gönnen möchte.
   Auch an diesem Tag wäre es mal wieder Zeit gewesen für eben solch einen Rundgang. Doch stattdessen setzte ich mich, wie immer, an die Straßenecke und beobachtete Henry, unseren Nachbarsjungen, der im Garten arbeitete. Er war groß, verschwitzt und gerade 16 und wie jedes Mal, wenn ich Freigang hatte, wartete ich auf unser Geheimzeichen, einen kleinen Wink mit Henrys rechter Hand. Und Henrys Hand winkte. Auch an diesem Tag.
   Nach einem kurzen Blick in meine Richtung verschwand er dann. Hinter dem Haus seiner Eltern. Ich drückte den Zigarettenstummel auf dem Gehweg aus und blickte um mich. Dann machte ich mich ebenfalls auf. Vorsichtig. Durch den Garten seiner Eltern, vorbei an gehacktem Holz und frisch gepflanzten Blumen. Ich erreichte sein Haus, sah mich noch einmal um und bog dann um die Ecke. Hinter das Haus. Wo Henry bereits wartete.
   Zwei Wochen später betrank ich mich.

[Ana]

Sorry, falsche Stelle.

[lani]

hm? ich verstehe nicht ganz? gehört die hier nicht rein? sorry, bin neu hier, muss mich wohl noch mit den regeln hier vertraut machen
Grüße Lani

[Ana]

*lach* Nein, Lani, was ich geschrieben hatte gehörte zu deiner anderen KG

[lani]

ach so da sollte ich wohl das nächste mal genauer schauen

[Felix]

Moin lani

genau wie bei deiner anderen KuGe gibts hier eigentlich nix zu meckern. Kurz, prägnant und vor allem auch gut geschrieben.

[lani]

Hallo Felix,

dankeschön für deine Anregung!
Was hältst du denn vom Schluß? Ich bin mir da irgendwie noch unschlüssig.
Grüße Lani

[Felix]

Eigentlich kann man dem Ende nichts vorwerfen. Viel dezenter kann man es ja eigentlich gar nicht ausdrücken, du lässt dem leser genug Freiraum, um sich seine eigenen Gedanken zu machen.
Wobei da jetzt erst einmal meine Interpretation zur Frage steht. Habe ich dein Ende richtig verstanden und es geht um Homosexualität?

Ich hadere nur, ob mich der letzte Satz stören soll oder nicht. Eigentlich passt dieses abrupte Ende gut hinein, andererseits reißt es stark aus dem Lesefluss heraus (was natürlich auch wieder eine positive Eigenschaft sein kann).

[Michael]

Hallo lani,

deine Kurzgeschichte hat mir richtig gut gefallen. Das Thema hat seine Wirkung nicht verfehlt, und wie Felix schon angemerkt hat, lässt du dem Leser viel Platz für eigene Interpretationen.
Das einzige, worüber ich ein wenig zu meckern hätte, sind die kurzen Sätze. Normalerweise gefällt mir eine kurze prägnante Schreibe. Allerdings verfällst du mir manchmal zu sehr ins Abgehackte. An manchen Stellen wäre es besser, aus zwei, drei kleinen Sätzen einen längeren zu machen.
Auch könntest du ein wenig mehr Show reinbringen.
Aber das sind Kleinigkeiten, die den Text nicht nennenswert schlechter machen.

Mir hats gefallen.  

@Felix

Wie kommst du auf Homosexualität?
Also entweder habe ich etwas total falsch verstanden, oder du.  

Ich würde sagen, die elfjährige, rauchende Protagonistin hat sich vom durchgeschwitzten Henry mal eben schwängern lassen. Und gut zwei Wochen später, nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, besäuft sie sich, kommt nach Hause, setzt sich auf die Bettkante und beichtet.  

Gruß
Michael

[Felix]

Hm, ich schätze ich bin einfach davon ausgegangen, dass der Erzähler ein Er ist, vielleicht könnte man das männlichen Egozentrismus nennen  
Sollte der Prota tatsächlich eine Frau sein, dann liege ich falsch

[Gast]

Seltsamerweise bin ich auch automatisch davon ausgegangen, dass der Erzähler ein "Er" ist - vielleicht bringt das der Titel mit sich? Erst nach dem soeben erfolgten zweiten Lesen bin ich mir sicher, dass es eine "Sie" ist... Mir gefällt die Geschichte auch - wobei ich, wie gesagt, am Rätseln war - ein elfjähriger Junge wird vermutlich keine Schwangerschaft gestehen müssen...   Das Problem ist, dass man den genauen Titel der Geschichte vergessen hat, bis man beim wahren Henry angelangt ist (Man hat nur noch einen vagen männlichen Vornamen im Hinterkopf.). Und wenn man ab dem ersten Satz davon ausgeht, einen männlichen Erzähler zu haben, dann vertreibt man dieses Bild eben so schnell nicht mehr aus dem Kopf.

[Alogius]

Sprachlich und stilistisch, es wurde ja schon erwähnt, gibt es keinen Grund, zu meckern.

Inhaltlich musste ich, obwohl flüssig geschrieben, mehrfach lesen. Genau weiß ich noch nicht, warum das so ist. Irgendwas ist seltsam verdreht und verworren, aber ich glaube, das ist Absicht. Deshalb lasse ich das mal so stehen. (Immerhin liebe ich ja auch Verwirrungen...)
Wenn das Ende eine Pointe haben soll, dann ist sie aus meiner Sicht gelungen. Das Milieu, in welchem sich die Geschichte bewegt, ist in knappen Worten gut umschrieben, völlig ausreichend.
Dass der titelgebende Henry nicht unbedingt Hauptfigur und eben doch wieder Hauptangelpunkt ist, gefällt mir sehr.

Insgesamt: Gelungen.

Gruß,
T.
ps.: Show don't tell.... wichtig, aber nicht der heilige Gral!

[lani]

Hallo,

dankeschön für eure Kommentare
Also es handelt sich tatsächlich um ein Mädchen, dass letztendlich von Henry geschwängert wird
ja, einmal übertreib ich´s mit langen Sätzen und dann manchmal doch auch wieder mit den kurzen - ich muss noch lernen, ein besseres Gefühl dafür zu bekommen und ein Mittelmaß zu finden - und ich hoffe, ihr könnt mir dabei helfen
viele Grüße
Lani

[Adlerauge]

Man kann diese Geschichte so erzählen wie hier, aber auch anders. Was man aber nicht darf: den Schluss ändern. Er ist der Gag, der die Story hervorhebt.
Was mir noch gefällt: endlich eine KG, die wirklich kurz ist und deshalb auch Chancen hat, veröffentlicht zu werden. Allerdings nicht in Tageszeitungen und "normalen" Zeitschriften, denn die ängstlichen Redakteure werden sich am Alter (11!) der Geschwängerten stören. (Übrigens: wer da was von Homo verstanden hat, sollte mal zum Augenarzt.)

[Neraniel]

Teilweise ein bisschen holprig geschrieben, aber ich glaube das war auch genau deine Absicht. Die Art, wie du erzählst, erinnert sehr an die Gedanken einer 11-jährigen Jugendlichen.

Aber... 11?!    mit nem 16-Jährigen? Das ist echt heftig! Aber nicht unrealistisch.


Schöne, knackig-kurze Geschichte mit Schmunzler am Ende.


Alex

[Biggi]

Hallo Lani,
gefällt mir sehr gut, wie du formulierst.
Aber letztlich eine grausame Vorstellung, diese Anhäufung:
erst elf, rauchend, ungeschützten Sex und gleich schwanger.
Es soll Gegenden geben, da könnte das sein.
Mir ist die Kleine trotzdem etwas zu jung.

Liebe Grüße!

[splaQ]

Mir gefällt die Geschichte ausgesprochen gut. Syntax und Wortwahl passen perfekt zur story, wie ich finde. Auch mal sehr angenehm, etwas knackig Kurzes zu lesen.

Daumen hoch.

[causa.sui]

Ich teile im Grunde die Meinungen der anderen.

Die Geschichte ist gut geschrieben, die Pointe gelungen - jedoch einmal auf eine (wie ich meine) beabsichtige und einmal auf eine unbeabsichtigte Weise: ich dachte nämlich auch es sei ein Protagonist und keine ProtagonistIN, bis ich den letzten Satz gelesen habe.  


Vielleicht hätte man dieser Verwechslungsgefahr etwas entgegenwirken können, z.B. indem man: