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kapitel 13 - Avered


 
 
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kydu
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 45
Beiträge: 29
Wohnort: zu weit weg


Der Fluch Von Arabien
Beitrag07.12.2008 23:53
kapitel 13 - Avered
von kydu
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Als ich drinnen war, konnte ich es nicht fassen, dass es innen im Zelt so anders aussah, wie ich es von außen erahnen konnte. Man konnte fast sagen, dass es hier fast so prunkvoll und luxuriös wie in einem richtigen Palast war. Ich schaute mich um und sah aus den Augenwinkeln Avered, der gerade etwas zu trinken eingoss und mir ein Glas davon überreichen wollte.
„Danke, aber ich trinke nicht.“ lehnte ich den Drink ab und Avered stellte mein Glas auf einen kleinen Tisch.
„Wie heißt du eigentlich, mein Kind?“ Seine Stimme war auf einmal viel entspannter.
„Kyra“ antwortete ich ihm leise.
„Kyra – das ist ja wirklich ein schöner Name.“
Ich nickte verlegen, schaute auf den Boden und hatte Angst, dass er jetzt gleich über mich herfallen würde.
„Hast du eigentlich Angst vor mir, Kyra?“
„Nein“, log ich, „ich habe keine Angst.“
„Das solltest du aber.“ Avered grinste dreckig.
Mein Blick wanderte durch das Zelt, nur nicht auf ihn, denn ich konnte es nicht ertragen in seine gemeinen Augen zu sehen. Avered zog mich an sich und versuchte mich zu küssen. Doch vor Ekel wich ich einen Schritt zurück und begann wieder zu weinen.
„Du hast wohl nicht verstanden, was ich vorher gesagt habe?“ Avered war über mein Ausweichmanöver sehr erzürnt. Anscheinend war er es nicht gewohnt, dass Frauen ihn ablehnten.
Ich konnte in diesen Momenten nur an Golsir denken, auch wenn ich vor Angst fast starb, würde ich doch alles über mich ergehen lassen, nur um ihn zu retten. Warum, das wusste ich selbst nicht genau.
Ich hatte auch nicht lange Zeit darüber nachzudenken, denn der König der Innos packte mich so fest an der Schulter und erwischte dabei direkt meine noch nicht verheilte Wunde, dass ich vor Schmerzen laut aufschrie.
„Bitte lass mich … aah… lass mich doch los.“ Flehte ich ihn an, aber er zeigte kein Erbarmen.
„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht? Bin ich etwa nicht gut genug für dich?“ fuhr mich Avered an. Eine dunkle Locke hing ihm dabei wild in die Stirn, er beugte sich herab und packte mich an den Armen. Die starken Schmerzen in meiner Schulter ließen dadurch etwas nach und ich versuchte, ihn abzuschütteln, aber es gelange mir nicht. Avered warf mich zu Boden und drückte meine Hüfte mit seinem ganzen Gewicht nach unten. Ich wehrte mich nach Leibeskräften, doch Avered war zu stark für mich und presste seinen Körper gegen meinen, während er mit seinen Händen die meinen fest im Griff hielt.  
„Was fällt dir ein, … du dreckiges Schwein.“ beschimpfte ich ihn, aber das interessierte ihn freilich wenig. Er rammte mir seine schleimige Zunge in den Mund, rieb seinen Unterleib an mir und atmete dabei immer schneller. Plötzlich ließ er von mir ab und versuchte, wie schon vorhin, wieder mit Zärtlichkeit zum Erfolg zu kommen. Dadurch, dass er aufgehört hatte, mich zu küssen, konnte ich wieder besser atmen und mir kam ein spontaner Gedanke, der vielleicht die Rettung für mich bedeuten konnte. Schließlich hatte ich nichts mehr zu verlieren.
„Lass das! Du verstößt damit gegen das Gesetz!“ schrie ich ihm ins Gesicht.
Avered grinste zwar, schien aber doch etwas verunsichert zu sein. „Aha. Und welches Gesetz soll das bitte sein?“ Dabei drückte er mich wieder mit seinem vollen Gewicht zu Boden.
„Ich … ich bin eine Prinzessen!“
„Oho! Eine Prinzessin …“, verspotte er mich, war aber durch meine Behauptung doch sichtlich aus dem Konzept geworfen und hakte deshalb vorsichtshalber nach. „In welchem Land wollt ihr denn Prinzessin sein, meine Schöne?“
„Dubai.“
„Dubai? Wenn das wahr ist, müsst ihr also Felestra sein.“
Ich nickte.
„Weißt du was mein Täubchen, ich glaube dir sogar.“ Avered ließ meine Hände los und setzte sich auf. Golsir würde nie mit einer gewöhnlichen Frau reisen, aber mit seiner zukünftigen Frau schon. Dann sind die Gerüchte also doch wahr.“
„Welche Gerüchte?“
„Na, wenn Golsir dich zur Frau nimmt, fällt ihm damit automatisch Dubai in die Hand. Er wird somit Herrscher über das größte Land und erlangt durch dich den Reichtum von König Hassan.“ Avered stand auf und holte eine große Flasche aus einem schwarzen Schrank. Ich richtete mich auf, säuberte mein Gewand und setzte mich auf einen Stuhl, der in meiner unmittelbaren Nähe stand.
„Wer sagt dir eigentlich, dass ich ihn überhaupt heiraten will?“ Ich fasste in diesem Moment einen genialen Plan!
Avered lehnte sich an den Schrank und leerte sein Glas in nur einem Zug. „Was wollen Golsir und du eigentlich hier mitten in der Wüste?“
„Wir wollen zu einem Dorf an der Nordküste. Dort werden bald gute Freunde von uns heiraten und wir sind zu dem Fest geladen.“
„Mmh“, Avered schien mir aus irgendeinem Grund nicht zu trauen, „warum sagt ihr, dass ihr noch nicht sicher wisst, ob ihr Golsir überhaupt heiraten wollt? So viel ich weiß, seid ihr einander doch versprochen!“
„Nein, das sind wir nicht mehr.“
„Ja, aber selbst wenn es so ist … jede Prinzessin Arabiens würde doch alles dafür geben, den schönen, reichen Golsir zum Ehemann zu bekommen!“
„Tja, anscheinend irrt ihr euch jetzt gewaltig. Denn Golsir ist sicher nicht der Mann,  den ich mir erträumt habe.“
„Tatsächlich?“
„Tatsächlich.“
„Aber warum?“
Es ist einfach eine zu große Last, so etwas mit sich zu tragen …“
„Was meist du damit?“ fragte Avered.
„Meine königliche Narbe.“ Ich schob meinen Umhang so weit herunter, dass er sie an meiner Schulter sehen konnte, um ihm einen Beweis für meine Geschichte zu liefern.
Avered sah sich die Narbe gar nicht genau an, denn allein meine Bereitschaft, freiwillig meine Schulter zu präsentieren, war ihm wohl bereits Beweis genug.
„Ein Fluch, … ja das ist sie in der Tat, wer diese Narbe trägt, der ist verflucht.“
Wir schwiegen für ein paar Augenblicke und Avered musterte mich nochmals von Kopf bis Fuß. „Du bist wirklich anders. Keine der anderen Prinzessinnen würde es wagen, so mit mir zu sprechen.“
Ich nahm mein Glas, das er vorhin auf den Tisch neben mir gestellt hatte und trank einen kräftigen Schluck daraus. Avered tat das Gleiche, füllte sich sein Glas sofort wieder mit Wein und kippte es erneut in nur einem Zug hinunter.
Ich hoffte stark, dass er, wenn er noch eine Weile so saufen würde, bald völlig betrunken wäre und sich dadurch die Chancen darauf, dass ich meinen Plan erfolgreich durchführen konnte, erheblich erhöhen würde. Damit er auch fleißig weiter trank, versuchte ich ihn mit einigen geschickt gewählten Worten in die richtige Stimmung zum Saufen zu bringen.
„ Erlaubt mir eine Frage.“, stachelte ich ihn an, „Wieso lebt ein so großer und mächtiger König, wie ihr es seid, eigentlich in einem solch kalten Loch? Ihr gehört doch gar nicht hier her!“
„Ja, da habt ihr den Nagel auf den Kopf getroffen.“ Avered war sichtlich betrübt über diesen Missstand. So betrübt sogar, dass er sein leeres Glas zur Seite warf und dazu überging, ab jetzt direkt aus der Flasche zu trinken. „Ich gehöre nicht hier her. Aber Andavalerios, der Wächter der Dunkelheit, sieht das wohl etwas anders.“
„Wieso? Zwingt dich der Wächter etwa dazu in diesen Höhlen zu hausen?“
„Nein, aber lass es mich mal so sagen, hier fühle ich mich sicher vor ihm.“
„Erkläre mir bitte, warum ein so glanzvoller König, wie du es bist, solche Angst vor Andavalerios hat.“
„Angst? Ich habe vor Nichts und Niemand Angst! Aber … wie soll ich dir das am Besten erklären ... mmh, mein Volk ist nicht gerade beliebt und die anderen Stämme haben Andavalerios um Hilfe gegen uns gebeten.“
„Tja, kein Wunder, das habt ihr euch ja wohl selber zuzuschreiben, so wie ihr drauf seid!“
Er grinste und zuckte mit den Achseln. „ Tja, da magst du wohl recht haben. Aber ...“ Avered hielt inne.
„Aber was?“ hakte ich nach und zog meine Augenbrauen skeptisch hoch.
„Ich mag mein Volk, denn sind wir mal ehrlich, es ist doch schrecklich langweilig, wenn man immer nur das Richtige tut und ständig anständig ist.“ Der Alkohol hatte Avered die Zunge gelöst und er kam jetzt erst in Fahrt. „Das Leben wird sonst mehr und mehr zu einem eintönigen, klebrigen Brei, aus dem man wie eine Fliege, die in ein Glas Met gefallen ist, nie mehr rauskommt. Egal wie sehr man strampelt und sich bemüht, man kommt nicht mehr heraus aus dieser langweiligen Existenz. Dabei hat das Leben so viel mehr zu bieten, glaub mir Kyra!“ Er setzte die Flasche an und genehmigte sich einen weiteren tiefen Zug. „Es ist ja nicht so, dass mein Volk nur mordet und plündert. Wirklich nicht! Aber wenn man uns angreift, dann verteidigen wir uns  … Naja, ab und zu mag es schon vorkommen, dass es meine Leute sind, die ein wenig Ärger machen, aber das kann ich nicht als echtes Problem bezeichnen.“
„Und als was bezeichnest du es, wenn du Frauen vergewaltigst?“
Er stand auf, ging langsam auf mich zu und baute sich vor mir auf. „Glaubst du etwa, ich könnte es mit jeder Frau machen, mit der ich möchte?“
Da fiel mir wieder ein, dass er das wirklich nicht konnte, denn laut dem uralten Gesetz durfte er nur weibliche Nachkommen des Adels ehelichen und mir war klar, dass ihm bestimmt kein König freiwillig seine Tochter zur Frau geben würde. Ich schüttelte langsam den Kopf. „Ja, diese Narbe ist wirklich ein Fluch.“

Ich wusste nicht, ob ich es jemals schaffen würde, Felestra zu finden, aber ich wollte dafür wenigstens das hier zu Ende bringen. Es musste sein. Also stand ich auf, drehte mich zu Avered um und schenkte ihm mein süßerstes Lächeln. „Nach der Hochzeit meiner Freunde werde ich nicht mehr nach Dubai zurückgehen. Ich möchte ein neues Leben anfangen.“
„Wieso willst du das? Du hast doch alles was du brauchst und wirst später einmal über eines der mächtigsten Königreiche herrschen. Könnte ein Leben überhaupt besser sein, als deines?“
„Vielleicht ist es ja gerade das, was mich langweilt.“
„Was willst du, Kyra? Sag mir, wonach du suchst.“
„Wenn ich das nur wüsste …“

Und tatsächlich, meine List ging auf, denn Avered hatte Feuer gefangen. „Vielleicht bin ich es ja, nach dem du so lange gesucht hast?“
„Mmh … vielleicht stimmt das sogar.“
„Kyra, ich mache dir einen Vorschlag. Wieso bleibst du nicht einfach ein paar Tage als mein Gast hier. Ich zeige dir mein Land und dass ich es verstehe, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Wahrscheinlich änderst du deine Meinung über mich, wenn du mich erst mal besser kennengelernt hast und findest mich dann auf einmal richtig attraktiv?“
Jetzt hatte ich ihn genau da, wo ich ihn haben wollte und musste nur noch so weiter machen. Das würde ich gerne Avered, das kannst du mir glauben. Aber ich kann leider nicht, da ich spätestens beim nächsten Vollmond in einem Dorf an der Ostküste sein muss.“
„Mmh, bis zum nächsten Vollmond sagst du … wie lautet der Name des Dorfes überhaupt?“
Ich tat so, als ob ich überlegen würde, setzte meine Unschuldsmiene auf und flunkerte ihm vor: „Es tut mir leid, ich kann mich einfach nicht an den Namen dieses Dorfes erinnern. Diese Käffer heißen doch alle irgendwie gleich, wer soll sich da einen Namen merken können?“
Avered fuhr sich mit der Hand durch seine Haare. „Ist es vielleicht Baken?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Humus?“
„Äähm … nein.“
„Und Ladia?“
„Nein, auch nicht?“
„Suta … Menar oder Geshol … oder …“
„Wie hieß das erste nochmal?“
„Suta. War es Suta?“
„Äähm … nein.“
„Mist! An der Ostküste gibt es doch gar nicht so viele Dörfer. Mmh, das einzige, das ich jetzt noch nicht genannt habe, ist … Moment … ja, das ist Aschrafie.“
„Aschrafie?“ Ich blickte rasch zu Avered, der schon langsam ungeduldig wurde. „Ja, das ist es!“ Und das war es auch tatsächlich, denn konnte mich erinnern, den Namen Aschrafie in meinem  Buch gelesen zu haben.
„Nun“, fuhr Avered fort, „Aschrafie liegt ungefähr eineinhalb Tagesreisen von hier entfernt.  Bis zum Vollmond sind es nur drei Tage. Das bedeutet, du kannst noch für gut zwei Tage hier bei mir bleiben, bevor ich dich von meinen Männern dort hin bringen lasse.“
„Nein, ich werde nur einen Tag hier bleiben und ich will auch nicht, dass deine Männer mich begleiten, sondern allein mit Golsir nach Aschrafie reisen.“
„Mit Golsir? Das verstehe ich nicht. Wieso willst du nun doch wieder mit ihm gehen?“
„Weil ich ihm mein Wort gegeben habe, dass ich bis zum Vollmond beim ihm bleibe. Aber danach gehen wir getrennte Wege. Ist das in Ordnung für dich?“
„Mmh … in Ordnung. Aber jetzt ist es schon spät geworden und der ganze Wein hat mich doch ein wenig schläfrig gemacht. Komm Kyra, ich zeige dir, wo du die Nacht verbringen wirst.“
Avered führte mich weiter in das Zelt hinein, das fast wie ein großes Haus aufgebaut war und unter dessen Dach mehrere Räume untergebracht waren. Mein Gastgeber war nun auf einmal ganz höfflich und führte mich in einen dieser Räume, in dessen Mitte ein riesen Bett, welches mit allerlei Blumen und Perlen geschmückt war, stand. Mein Nachtlager erinnerte mich mit seinen goldenen Vorhängen fast an ein Märchen aus Tausend und einer Nacht.
„Ich hoffe, dir gefällt es hier.“Avered verbeugte sich so galant wie es sein angetrunkener Zustand noch zuließ, wünschte mir eine gute Nacht und torkelte in seine eigenen Gemächer zurück.

Kaum dass er weg war, zog ich mich aus und legte mich in mein Bett. Ich war zwar durchaus zufrieden damit, wie ich mich aus der Misere gezogen hatte, war aber noch immer voll schrecklicher Angst um Golsir. Mir war klar, dass Avered alles tun würde, um mich für sich zu gewinnen, weil er hoffte, dass ihm eine Heirat mit Felestra, für die er mich ja hielt, auch die Herrschaft über Dubai bescheren würde. Ich dachte noch lange nach, aber irgendwann übermannte mich dann doch der Schlaf und schickte mich ins Land der Träume.

Am nächten Tag ging ich gleich nach dem ich erwacht war wieder zum Hauptraum des Zeltes zurück. Dort befand sich ein großer Tisch und darauf war alles zu finden, was man sich für ein Frühstück nur wünschen konnte. Um diese Zeit kamen anscheinend viele Mitglieder des Adels der Gilde Innos hier her, um zusammen mit ihrem König das erste Mahl des Tages einzunehmen, denn der Speiseraum war ziemlich gut gefüllt und gut ein Dutzend Frauen waren gut damit beschäftigt, die hungrigen Mäuler zu stopfen.
Da sah ich plötzlich Avered, der mit einem vollen Teller in der Hand auf mich zukam.  „Guten Morgen Kyra! Na, hast du gut geschlafen?“
„Ja.“ antwortete ich ihm übertrieben freundlich und das war nicht mal gelogen.
Avered rückte einen Stuhl zurecht und gab mir mit einen leichten Kopfnicken zu verstehen, dass ich mich darauf setzen sollte. Ich überlegte nicht lange, sondern nahm sein Angebot sofort an und bedankte mich für seine Höflichkeit. Schließlich hatte ich auch nur einen Tag Zeit, um das Vertrauen des Königs der Innos zu gewinnen und das musste ich dringend, wenn mein Plan funktionieren sollte.

Nach dem Frühstück führte mich Avered lange durch das Höhlensystem. Unser Ausflug war äußerst interessant, denn ich hatte bisher nicht gewusst, dass viele kleinere Eingänge zu geheimen Verstecke führten, in denen jede Menge Gold, Diamanten, Schatztruhen oder auch alte Bücher vor den Feinden sicher gelagert wurden. Aber den schönsten Ort hier unten, hob sich Avered für den Schluss seiner Führung auf. „Schließ die Augen Kyra“, kündigte er dieses Kleinod voller Spannung an, „jetzt wirst du gleich etwas Wunderschönes erleben!“
Ich tat, was er verlangte und hielt sogar meine Hände vors Gesicht als Avered mich durch einen besonders engen Eingang in eine Höhle bugsierte.  
„Einen Moment noch Kyra“, hauchte er mir geheimnisvoll zu, „gleich sind wir da!“
Ich spürte einen kalten Luftzug und hörte ein ziemlich lautes, tosendes Geräusch. Avered hielt mich zärtlich an der Hüfte fest und gab mir Bescheid, dass ich nun die Augen wieder aufmachen durfte.
Da es sehr hell war, brauchte ich einen Augenblick bis ich mich an das grelle Licht gewohnt hatte. Als ich wieder gut sehen konnte und erkannte, wo wir uns befanden, fuhr mir der Schreck in die Beine und ich klammerte mich starr vor Angst an Avereds Arm fest.
Dieser beruhigte mich. „Du musst keine Angst haben Kyra, ich halte dich schon.“
Wir standen auf einer hohen Klippe, direkt vor uns war der Weg zu Ende und ein tiefer Abgrund tat sich klaffend auf. Es war eine Art riesiger Saal oder, mit etwas Poesie gesagt, beinahe eine eigenständige, verblüffend schöne Welt, die ich so großartig hier nie erwartete hätte. Vor uns war es schwarz und man konnte gar nicht erkennen, wo der Boden war, so tief ging es hinunter. Aber über uns war das genaue Gegenteil! Mir kam es fast so vor, als ob sich ein zweiter Himmel auftat, der in seiner Schönheit und Helligkeit dem wirklichen Himmel nicht um viel nachstand. Etwas weiter entfernt war ein enormer Wasserfall zu sehen. Das Wasser spiegelte sich durch den Lichteinfall wie tausende, funkelnde Kristalle, bevor es krachend laut zu Tale stürzte. Und das Schönste, das diesem Szenario noch die Krone aufsetzte, war der wunderschöne Regenbogen, der sich zwischen den tosenden Wassermassen und dem Höhlenfirmament aufspannte.
Ich konnte kaum meinen Augen nicht glauben, was ich da gerade zu sehen bekam. „Das ist …“, ich suchte nach den passenden Worten dafür, doch diese fand Avered für mich.  
„Atemberaubend!“, sagte er.  
Ich nickte mit einem Lächeln und ergänzte seine Beschreibung noch: „ Ja, atemberaubend ist das passende Wort dafür. Das ist das Herrlichste, das ich je gesehen habe.“

Gegen Mittag kehrten wir von unserer Erkundungstour zurück und ich ruhte mich in meinem Raum ein wenig aus. Meine Gedanken drehten sich dabei aber erneut ständig um Golsir, von dem ich seit gestern nichts gehört oder gesehen hatte.
„Halte durch, mein Freund! Nur noch bis morgen, halte durch Golsir.“ hauchte ich leise vor mich hin und wollte ihm, wie wohl auch mir, damit Mut machen.

Den Abend verbrachte ich bei Avered in seinen Gemächern. Wir sprachen über Gott und die Welt. Er erzählte mir, wie er zum König gekrönt wurde und auch von seiner Kindheit. Zu meiner großen Überraschung erfuhr ich auch, dass er und Golsir in ihrer Jugend sehr gute Freunde gewesen sein mussten, bis der Ernst des Lebens sie irgendwann einholte und sie sich aufgrund ihrer doch äußerst unterschiedlichen Charaktere heillos zerstritten.

Die Zeit verflog bei diesem interessanten Gespräch regelrecht und es wurde sehr spät, bis Avered mich, wie bereits am vorherigen Abend, äußerst galant zu meinem Raum brachte. Diesmal verabschiedete er sich aber nicht sofort von mir, sondern blieb noch eine Weile bei mir stehen.
„Das war heute ein herrlicher Tag mit dir! Ich würde mir wirklich wünschen, dass ich jeden Tag mit Dir verbringen könnte.“
Ich nickte höflich und wollte mich verabschieden, aber Avered hielt mich zurück.
„Warte Kyra!“
Ich schaute ihn an und da ich in seinen Augen sah, dass er sich in mich verliebt hatte, sank ich mein Blick schüchtern zu Boden.
„Du brauchst keine Angst mehr vor mir zu haben. Das weißt du doch, oder Kyra?“
Er versuchte mich zu umarmen, aber ich wehrte ihn ab.
„Wofür fürchtest du dich nur so?“ Avered war enttäuscht, dass ich seine Zuneigung immer noch nicht erwidern wollte.
„Bitte sei nicht böse.“, antwortete ich ihm. „Es ist nicht so, dass du mir nicht gefallen würdest. Ganz im Gegenteil. Aber …“ Ich stockte.
„Aber was?“ wollte Avered ungeduldig wissen.
„… eine Frau, die vor der Ehe von einem Mann genommen wird, gilt als entehrt!“
Der König der Gilde Innos grinste fast schon verzweifelt. „Kyra, ich werde dich nicht entehren … ich schwöre es!“ Mit seinen Fingern streichelte er mir sanft über die Wange und sah mir dabei tief in die Augen. „Ich würde alles für dich tun. Sag mir bitte, wenn ich irgendetwas für dich tun kann, sag es und es soll geschehen.“
„Warum bist du so gut zu mir Avered?“
„Du gefällst mir und … und ich liebe dich.“
„Liebe? Aber du kennst mich doch noch gar nicht richtig.“
„ Aber ich möchte dich gerne kennenlernen, Kyra. Bitte gib mir die Möglichkeit dazu.“
„Die sollst du bekommen, mein König.“ Ich küsste ihn auf die Stirn. „Aber nicht heute. Du darfst mich nicht zu sehr bedrängen, hörst du.“
„Wie du wünscht.“ Avered verabschiedete sich von mir. „Aber wenn du von deiner Reise zurück bist, dann haben wir doch genügend Zeit für einander? Kyra, versprichst du mir das?“
Ich versprach es ihm, wohlwissend dass ich nie wieder zu ihm zurückkommen würde. Schließlich hatte ich keine andere Wahl als zu lügen, denn dadurch rettete ich nicht nur Golsir, sondern konnte auch morgen endlich meine Reise fortsetzen. Die Zeit drängte, wenn ich Felestra noch rechtzeitig finden wollte!

Am nächsten Morgen machte ich mich fertig und trat aus dem Raum heraus, in dem ich die letzten zwei Nächte verbracht hatte. Avered, der gerade sein Schwert am Gürtel befestigte, sah mich kommen und begrüßte mit einem seligen Lächeln.
„Guten Morgen, Kyra! Na, hast du gut geschlafen?“
„Wie ein Bär …“ Wir mussten beide lachen. Danach umarmte mich Avered und sagte: „Es war nicht das Glück allein, das dich zu mir geführt hat, Kyra. Die Götter wandeln oft auf geheimnisvollen Pfaden und dabei nehmen sie die Einen an der Hand und lassen die Anderen zurück.“
„Ich verstehe dich nicht  ganz …“ Ich war wohl noch zu müde, für so viel hintergründige Gedanken am frühen Morgen.
Avered schien das aber nicht weiter zu kümmern. Er grinste. „Komm Kyra, die Anderen warten schon auf uns.“
Wir verließen das königliche Zelt und ich sah davor um die 20 Reiter, die bereits auf ihren Pferden saßen und reisefertig zu sein schienen. Ich blickte rasch hin und her, um Golsir unter der Schar ausmachen zu können. Als ich ihn endlich erspähte und auch sah, dass er wohl auf war, zauberte die Freude darüber ein strahlendes Lächeln auf mein Gesicht. Das verschwand dann aber ziemlich schnell wieder. Golsir hatte anscheinend nicht die geringste Freude mich wiederzusehen, denn ich spürte, dass er jeden Blickkontakt mit mir vermied.
Das hatte wohl auch Avered gemerkt, der noch immer hinter mir stand und mir in mein Ohr flüsterte: „Vergiss ihn! Golsir wird dich nie wieder anfassen wollen. Du bist für ihn gestorben, denn er denkt, dass wir beide zusammen ... du weißt schon, was ich meine.“
Ich schloss die Augen und mein Herz schrie vor Schmerz auf, denn damit konnte er wohl durchaus recht haben. „Aber … aber es war doch gar nichts zwischen uns.“, versuchte ich mich bei Avered irgendwie herauszureden.
„Das weißt Du. Und das weiß ich.“, antwortete mir dieser, „Aber Golsir weiß es nicht. Und er wird dir nicht glauben, wenn du ihm die Wahrheit erzählst.“
Genervt sagte ich: „Dann ist das wohl so. Außerdem ist Golsir auch nur mein Begleiter, ein guter Freund und nicht mehr!“
„Aha, nur dein Begleiter!“ lachte Avered. „Sag mir bitte Kyra, welche andere Frau für einen guten Freund das tun würde, das du für Golsir getan hast? Oder willst du mir etwa weißmachen, dass du dich für einen Mann geopfert hättest, der dich nicht …“
Ich wollte nicht hören, was er mir weiter zu sagen hatte und unterbrach Avered jäh. „Wo ist eigentlich mein Pferd?“
Avered schüttelte über mich und mein Verhalten nur den Kopf, denn den Mann, der mir mein Pferd gebracht hatte und damit anscheinend schon die ganze Zeit neben mir stand, hatte ich wohl übersehen.
„Da ist es doch!“ Avered zeigte auf meinen Hengst. „Hast du keine Augen im Kopf?“
Ich warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, nahm die Zügel, stieg auf meinen weißen Hengst und wir machten uns auf den Weg nach draußen.

Als wir endlich den Ausgang des Höhlenlabyrinths erreicht hatten und wir zu ersten mal seit Tagen wieder die Sonne sahen, war ich erleichtert. „Na dann Kyra, mach es gut! Es war mir ein Vergnügen.“ verabschiedete sich Avered von mir.
Ich sah ihn fragend an, denn ich verstand nicht ganz, was er mir damit sagen wollte. „Du hast doch von mir gar nicht bekommen, was du wolltest.“
„Oh doch, das habe ich schon. Allein dich kennengelernt zu haben meine Süße, war mir bereits ein großes Vergnügen. Und ich hoffe sehr darauf, dass wir unsere Gefühle für einander noch vertiefen können, wenn wir uns bald wiedersehen. Ich hoffe, du siehst das genauso."
Zu Golsir sagte er nichts und dieser blieb ebenfalls stumm. Dann verließ uns Avered mit seinem Gefolge und ritt in seine kalte, dunkle Hölle zurück.



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Wenn die Liebenden fallen, die Liebe fällt nicht,
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.
-Dylan Thomas-
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