18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Was suchst Du in Madagaskar?
Teil 52 Das "Antsika" schliesst für immer


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag01.12.2008 23:10
Teil 52 Das "Antsika" schliesst für immer
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Endlich!
Serge und Jan hatten einen Termin zur „Visite“. Die Sachen im LKW sollten vom Zoll besichtigt werden. Vielleicht bekommen wir sie noch am gleichen Tag ausgehändigt?

Doch der LKW war ja zugeschweißt. Ein Mann wurde herbei gerufen. Er kam mit einem Trennschleifer. Stromausfall. Den ganzen Vormittag, über Stunden hinweg: Stromausfall.

Die Arbeiter in der Hafenhalle kamen mit Hammer und Meißel. Jan wehrte sich. Sie griffen nun zu einer kleinen Säge und begannen die Sicherheitsstangen durchzusägen. Mühselig. Dem Zolldirektor dauerte es zu lange. Er ging. Die Visite-Kommission vom Zoll löste sich auf. Jan war ratlos, aufgeregt, frustriert.
Ausgerechnet heute Stromausfall!
Serge sollte seine Fragen übersetzen. Doch er diskutierte mit dem Transiteur. Jan herrschte ihn an. Serge, genauso ratlos, hilflos, tat sein Bestes, diskutierte weiter. Jan platzte der Kragen. Er verstand den Dialog nicht, wollte dass Serge endlich seine Fragen übersetzt. Er schrie herum und tobte.
Serge kündigte und verließ die Halle im Hafen. Jan resignierte, blieb mit Sebastian allein dort. Die beiden ließen den LKW nicht aus den Augen. Sie verhandelten weiter auf Französisch und Englisch.

Zu dieser Zeit arbeitete ich im „Antsika“. Als ich Serge sah, freute ich mich, dachte ich doch der Termin wäre beendet, fragte nach Jan und Sebastian und ob wir nun die Sachen heute noch aus dem Hafen bekommen würden. Serge war einsilbig. Er sah mich kaum an und sagte, die beiden seien noch im Hafen und er geht jetzt nach hause. Ich schaute ihm ungläubig und erstaunt nach. Wieso ließ er sie im Hafen allein? Was hatte das alles zu bedeuten?

Ich hatte nur wenig Zeit, lange darüber nachzudenken, die Veranstaltung am Abend musste vorbereitet werden. Das Personal wartete auf der Terrasse von Allianz Francaise auf mich und ich musste losgehen.
Unterwegs traf ich Jan. Er lachte und sagte, Sebastian sei noch im Hafen. „Die Sachen werden gerade umgeladen. Wir können sie gleich auf der Terrasse in Empfang nehmen.“ Sie bekamen einen LKW zur Verfügung gestellt. Unser LKW sei noch nicht mit dem Zoll fertig, aber den Inhalt könnten wir schon ausladen. Ich konnte es kaum glauben. Sie hatten es geschafft!

Es vergingen noch einige Stunden, dann kam ein LKW mit offener Ladefläche voll mit Kisten, Sachen und Kartons, dazwischen einige Arbeiter und am Rand der Ladefläche sah ich Sebastians blonden Schopf. Er strahlte und lachte. Die Freude war groß.
Beim Abladen fassten alle mit an. Schnell wurde der LKW entladen. Ein „Sotscha Besaka“, ein Bier und ein Dankeschön für jeden Helfer und schon mussten wir uns wieder der bevorstehenden Veranstaltung widmen. Die ersten Zuschauer waren schon da. In der Küche türmten sich die Kisten und man schlängelte sich ständig zur Kühltruhe durch.

Am nächsten Morgen wurden die Möbel für die Terrasse zusammen gebaut, die Tische und Stühle für das neue Internetcafe, für die Terrasse und im „Antsika“ wurde der neue Eingangstresen aufgestellt.
Alle waren erfreut und beeindruckt.
Schon wollten die ersten Kunden ins neue Internetcafe bei Allianz Francaise, doch dort bestand noch keine Internetverbindung. Sebastian richtete die neuen Computer ein. Netzwerkkabel wurden gekauft. Kabel für den Receiver fehlten. Einige Kabel waren zu kurz oder funktionierten nicht. Jan kaufte nicht nur neue Kabel, sondern auch ein Mischpult für die große Musikanlage.

Sebastian fand in einem der Kartons eine Tüte mit Süßigkeiten. Ich hatte schon nicht mehr daran gedacht. Wir saßen auf der Terrasse, voller Freude, lutschten Lakritze und lachten über die Aufregung der letzten Tage.

Der Vermieter vom „Antsika“ kündigte an, dass unsere Antenne vorübergehend abgebaut werden sollte. Doch für wie lange?
Wir besprachen mit dem Internetanbieter, die Antenne für den Breitbandfunk am gleichen Tag des Abbaus vom „Antsika“ am Hause von Allianz Francaise zu installieren, damit wir bereits am Abend dort online sind.

Wir riefen alle Mitarbeiter zusammen. Ich staunte. Vor mir saßen 13 Leute und folgten meinen Worten. 13 Angestellte hatten wir mittlerweile. Einige musste ich entlassen.
Das „Antsika“ wurde geschlossen.
Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, wie lange und wann wir es wieder eröffnen würden. Doch wir konnten nicht Personal beschäftigen, wenn das Geschäft geschlossen war. Wir hatten vor, das „Antsika“ zu renovieren und nach den Umbaumaßnahmen des Vermieters wieder zu eröffnen.

Serge kam, um seine Papiere abzuholen. Ich bat ihn zu einem Gespräch, versuchte ihm die Situation vom Hafen zu erklären, dass so etwas vorkommen kann, dass man solche Dinge klären und damit aus der Welt schaffen kann. Weglaufen ist keine Lösung. Ich wollte ihn dazu bewegen, zu bleiben. Nein, er war zu. Er wollte nicht. Zu groß war der Ärger über Jans Verhalten. Alle Mühe meinerseits war vergebens. Er ging.

Dieser arbeitsreiche Monat ging zu Ende. Das „Antsika“ war geschlossen. Traurig sah der große Kundenraum aus, als wäre das Leben weiter gezogen und hätte diesen Ort verlassen.

Das „Antsika“ blieb für immer geschlossen. Auch nach einem halben Jahr, waren die Baumaßnahmen des Vermieters nicht beendet, wurde keine neue Antenne montiert und die monatliche Miete in voller Höhe belastete uns. Im November des gleichen Jahres kündigte ich den Mietvertrag, ließ die Räume noch einmal streichen und zwang den Vermieter, die Kündigung ohne weitere Kündigungsfrist, anzunehmen. Die eingezahlte Kaution bekam ich nicht zurück. Auf einen Gerichtsprozess verzichteten wir, denn ein Anwalt wäre kostspieliger gewesen.

Loslassen. Immer wieder im Leben geht es im dieses Thema.
Freunde loslassen, Orte loslassen, Pläne, Konzepte loslassen.
Umorientieren.
Ziele loslassen, neu überdenken. Neu Wege gehen.
Locker bleiben. Nicht verkrampfen.
Ängsten keine Chance geben.
Weitergehen.
Weitergehen mit Zuversicht und Vertrauen.
Vertrauen in uns, in unsere Kraft,
aber auch Vertrauen, dass dieser Weg genau der ist,
der vorgesehen ist.

Die Antenne am alten Internetcafe wurde abgebaut und nach immerhin einer Woche hatten wir im neuen Internetcafe die erwartete Internetverbindung. Ein neuer Anfang war gemacht.
Immer wieder kamen Kunden vom alten „Antsika“.
Eine Tafel an der Außenseite des Hauses, die von der Schließung und der bevorstehenden Renovierung verkündete, gab den Hinweis auf das neue Internetcafe bei Allianz Francaise.

Eines Abends räumten wir Tische und Stühle zusammen, das Fußballspiel war vorbei, die Gäste gegangen. Ein Trupp Jugendlicher zog an der Terrasse vorbei, offensichtlich angetrunken. Einer von ihnen schrie uns etwas zu. Die anderen redeten auf ihn ein und hielten ihn sichtlich zurück. Unser Personal rief ihm aufgeregt und erbost etwas zu. Ich verstand, was da vor ging. Sebastian übersetzte den Rest. Er hatte uns beschimpft, er dachte wir gehören zu Allianz Francaise und wir seien Franzosen. Er hasste Franzosen.

Das gab uns zu denken. Wir sprachen in den nächsten Tagen immer wieder über dieses Erlebnis und beschlossen uns als „Deutsch“ offensichtlicher zu präsentieren. Auf den Rechnern wurden Hintergrundbilder mit Fotos von Berlin installiert.
An die Wände hängten wir große Bilder mit Motiven aus Deutschland. Ein Bild zeigte Köln bei Nacht im 80x30 cm Format.

Bald sprach sich herum, dass die „Deutschen bei Allianz Francaise“ ein schickes modernes Internetcafe eröffnet hatten. Viele Kunden machten Fotos.
Selbst die Vertreter von verschiedenen Internetanbietern ließen es sich nicht nehmen, Fotos zu machen von der Ausstattung. Auch der Preis wurde akzeptiert. Wir hatten einen guten Start, auch ohne Werbung. Einige Stammkunden folgten uns, andere neue Stammkunden kamen hinzu.

Manchmal ist der kleinste Hügel mühselig. Wir klagen und schwerfällig ziehen wir weiter. Dann wieder passieren Dinge und wir rennen über ein Gebirge.
Kein Umsehen, kein Blick zurück.
Keine Frage nach der Kraft, nach Ausdauer.
Keine Frage, wie hoch ist der Berg.
Wir überrennen jedes Hindernis.
Hoppla, war das ein Stolperstein?
Die Energie ist einmal ausgebrochen und sie fließt wie aus einer unsichtbaren, nicht versiegenden Quelle.

Ich kenne zwei dieser Quellen: Freude und Liebe.
Wie heißen deine Quellen?



_________________
Wenn du immer nur tust, was du schon kannst, bleibst du, was du bist.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Was suchst Du in Madagaskar?
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Das Leben im Forum
von Cholyrika
Cholyrika Werkstatt 1 15.04.2024 10:59 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Veranstaltungen - Termine - Events
17.04.2024, 19 Uhr: Lesung aus "...
von Bananenfischin
Bananenfischin Veranstaltungen - Termine - Events 0 10.04.2024 20:23 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens
Ai (künstliche inteligenz) für eige...
von Ayumi
Ayumi Literaturtheorie / Kulturwissenschaft / Künstliche Intelligenz / Philosophie des Schreibens 5 10.04.2024 17:14 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Feedback
Das Gebet
von Tisssop
Tisssop Feedback 0 10.04.2024 10:07 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Rezensionen
"Die Ärztin"-ein Theaters...
von writersblockandtea
writersblockandtea Rezensionen 0 08.04.2024 13:59 Letzten Beitrag anzeigen

BuchBuchEmpfehlungBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungBuchBuch

von preusse

von Pütchen

von princess of night

von fancy

von CAMIR

von Nicki

von Mogmeier

von Epiker

von Soraja

von Valerie J. Long

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!