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jim-knopf Dichter und Trinker
Alter: 35 Beiträge: 3974 Wohnort: München
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21.11.2008 18:59 Das Herz ist nichts... von jim-knopf
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Das Herz ist nichts...
Das Herz ist nichts,
als ein kahler Raum.
Manchmal treibt
ein Gefühl vorbei,
doch es weint nur
eine kalte Träne hinein,
die alles durchspült
und wund zurück lässt.
Du selbst hast gesagt,
dass ich mir nur
den Kopf stoße.
An den Kanten
der Tische, der Schränke,
du hast sie
alle mitgenommen,
du hast die Gardinen
zerfetzt,
es ist dunkel, jetzt,
wo die Sonne herein scheint.
Heute Nachmittag
habe ich mich betrunken,
weil es morgen
vielleicht nichts mehr zu trinken gibt,
weil es Morgen
vielleicht nicht einmal mehr
den Morgen gibt
und wer weiß schon,
wann die Nacht kommt,
wenn der Tag
doch die Nacht war.
Noch ein letztes Glas,
bis auf den letzten Tropfen,
trink aus, trink aus,
doch es läuft vorüber
an meinem geöffneten Herzen,
tropft herab
und Wolken
schwimmen in den Pfützen
meiner gebrochenen Oberfläche.
Mein Herz ist nichts,
als ein kahler Raum.
aufnahme_163942_1.mp3 (224.07 KB)
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halcyonzocalo Einsamer Trancer
Alter: 34 Beiträge: 1202 Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo
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21.11.2008 19:29
von halcyonzocalo
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Hallo, Jim!
Mir hat dein Gedicht sehr, sehr gut gefallen.
Mir zittern immer noch die Knie, so stark hat es auf mich gewirkt.
Da steckt unheimlich viel Gefühl drin und die Bilder, die du verwendest, sind teilweise brilliant.
Du benutzt nicht viele Metaphern, doch das macht gar nichts, im Gegenteil, die wenigen Bilder, die du benutzt hast, sind genau an der richtigen Stelle.
Hier gibt es keine überflüssigen kryptischen Abschnitte, die das Gedicht überladen wirken lassen - jedes Wort passt!
An einer Stelle bin ich ein bisschen gestolpert:
Zitat: | An den Kanten
der Tische, der Schränke,
du hast sie
alle mitgenommen, |
Die beiden Möbel zählst du auf und zwar jeweils mit dem Wort "der". Mir würde vielleicht ein schlichtes "und" besser gefallen. Andererseits - vielleicht wären dann zu viele "und" in deinem Gedicht. Letztendlich bleibt es deine Entscheidung - ich bin auf dem Gebiet der Lyrik ohnehin nicht so bewandert.
Zitat: | Heute Nachmittag
habe ich mich betrunken,
weil es morgen
vielleicht nichts mehr zu trinken gibt,
weil es Morgen
vielleicht nicht einmal mehr
den Morgen gibt |
Hier muss auch das zweite "morgen" klein geschrieben werden. Lediglich das dritte "morgen" muss groß geschrieben werden.
Eine kleine Frage noch:
Zitat: | du hast die Gardinen
zerfetzt,
es ist dunkel, jetzt,
wo die Sonne herein scheint.
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Ist der Reim (zerfetzt - jetzt) Absicht, oder zufällig?
Also noch einmal: Sehr, sehr schönes Gedicht, welches ich gerne gelesen habe!
Gruß
halcyonzocalo
(Sebastian)
_________________ Die minimaldeterministische Metaphernstruktur mit ihrer mytophoben Phrasierung spiegelt den ideeimmanent abwesenden Bedeutungsraum. |
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Eredor Dichter und dichter
Moderator Alter: 32 Beiträge: 3416 Wohnort: Heidelberg
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21.11.2008 23:21
von Eredor
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Hi Jim,
dieses Gedicht ist das schönste, das ich bisher von dir gelesen habe. Die Emotionen, die davon ausgehen, hüllen mich vollkommen ein.
Ich bin beeindruckt.
Zitat: | und wer weiß schon,
wann die Nacht kommt,
wenn der Tag
doch die Nacht war.
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Diese Stelle liebe ich.
lg Dennis
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Tom Boy Eselsohr
Alter: 36 Beiträge: 361
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22.11.2008 12:31
von Tom Boy
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Hallo Roman,
unglaublich starkes Gedicht. Vor allem die Stelle
Zitat: | Heute Nachmittag
habe ich mich betrunken,
weil es morgen
vielleicht nichts mehr zu trinken gibt,
weil es Morgen
vielleicht nicht einmal mehr
den Morgen gibt
und wer weiß schon,
wann die Nacht kommt,
wenn der Tag
doch die Nacht war. |
gefällt mir sehr. Sie zeigt die Orientierungslosigkeit und Verlorenheit des LIs.
Das einzige, was ich kritisieren würde (wenn ich müsste) wäre
Zitat: | doch es weint nur
eine kalte Träne hinein, |
Diese Stelle hat meiner Meinung nach leider eine ganz leichte Tendenz zum Kitsch. Allerdings gefällt mir der Rest dieser ersten Strophe so gut dass ich es auf keinen Fall grundlegen ändern würde.
Wie wäre es denn mit
doch es schwemmt nur
eine kalte Träne hinein,
? Nur als Vorschlag.
Liebe Grüße (und ich hoffe dir geht es gut)
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Rike Eselsohr
Alter: 45 Beiträge: 254
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22.11.2008 14:24
von Rike
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Ach Roman,
dieses Gedicht beweist doch nur, dass dein Herz kein kahler Raum ist und dass Schmerz dich zu lyrischen Höchstleistungen beflügelt.
Ich weiß, das ist wenig tröstlich aber passend. Lies mal, was Hermann Hesse dazu schreibt:
Und wenn ich mich genau besinne, so waren die Leiden einer hoffnungslosen Liebe, die Ängste und die Zaghaftigkeiten und die schlaflosen Nächte eigentlich weit schöner als alle kleinen Glücksfälle und Erfolge.
Dass ein Mensch den, den er liebt nicht bekommt und für sich alleine haben kann, ist das häufigste aller Schicksale, und damit fertig zu werden heißt: den Überschuss an Leidenschaft und Hingabe, den man für seine Liebe hat, diesem Objekt zu entziehen und sie anderen Zielen zuzuwenden: der Arbeit, der Mitarbeit im Sozialen, der Kunst. Dies ist der Weg, auf dem ihre Liebe fruchtbar und sinnvoll werden kann. Das Feuer, an dem sie jetzt nur das eigene Herz verbrennen lassen, ist nicht nur ihr Eigentum, es gehört der Welt, der Menschheit, und wird aus Qual zur Freude werden, wenn sie es fruchtbar werden lassen.
Ich bin beeindruckt, wie intensiv und eindringlich du deine Empfindungen lyrisch umsetzen kannst.
Rike
_________________ Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit (R. M. Rilke) |
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jim-knopf Dichter und Trinker
Alter: 35 Beiträge: 3974 Wohnort: München
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22.11.2008 21:31
von jim-knopf
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Hey halcyonzocalo
Zitat: | Mir hat dein Gedicht sehr, sehr gut gefallen.
Mir zittern immer noch die Knie, so stark hat es auf mich gewirkt. |
Ich glaub, zum kniezittern hab ich noch keinen gebracht. Freut mich daher umsomehr, wirklich.
Vielen Dank für die Verbesserungen mit dem "Morgen". Ich und die Rechtschreibung, jaja...
Zitat: | Eine kleine Frage noch:
Zitat: | du hast die Gardinen
zerfetzt,
es ist dunkel, jetzt,
wo die Sonne herein scheint. |
Ist der Reim (zerfetzt - jetzt) Absicht, oder zufällig? |
Nichts wird dem Zufall überlassen . Nein im Ernst, es war Absicht. In der Uni diskutieren wir oft stundenlang über die Funktion von Reimen. In "Todesfuge" von Celan gibt es auch genau einen Reim. Lange haben wir hier diskutiert, warum er den wieso, wann usw. einsetzt. Aber mit Celan will ich mich hier wirklich nicht vergleichen.
Hey Eredor
auch dir vielen Dank für den Kommentar. Von DEM kommenden Lyriker hier im Forum freut mich ein Kommentar natürlich sehr. Und wenns dir gefallen hat, dann ist das natürlich noch besser.
Hey Tom
schön, von dir zu hören.
Freut mich sehr, dass es dir gefällt.
Zitat: | Das einzige, was ich kritisieren würde (wenn ich müsste) wäre
Zitat: | Zitat:
doch es weint nur
eine kalte Träne hinein, |
Diese Stelle hat meiner Meinung nach leider eine ganz leichte Tendenz zum Kitsch |
Ich verstehe, was du meinst. Aber ein bisschen Kitsch gehört überall rein...
was solls, aber natürlich hast du recht. Vielen Dank, dass du mich darauf hinweißt.
Hey Rike
und auch an dich noch vielen Dank für deinen Kommentar.
Du solltest das lyrische Ich nicht mit dem Autor verwechseln, das halte ich besonders hier für sehr wichtig.
Aber mich freut sehr, dass es auch dir gefällt. Ich würde mich freuen, auch wieder einmal eines deiner Gedichte so positiv kommentieren zu können. Also ran an den Stift und los gehts. Wenns hier einer drauf hat, dann du. Los,los,los
Viele Grüsse
Roman
_________________ Ich habe heute leider keine Signatur für dich. |
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Rike Eselsohr
Alter: 45 Beiträge: 254
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23.11.2008 00:01
von Rike
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Hey Roman,
Zitat: | Du solltest das lyrische Ich nicht mit dem Autor verwechseln, das halte ich besonders hier für sehr wichtig. |
Entschuldige, das ist sonst auch nicht meine Art.
Es war nur, weil du selbst neulich schriebst, dir wäre im Moment überhaupt nicht nach Liebesgedichten und deine letzten Werke gingen thematisch irgendwie alle in die gleiche Richtung. Außerdem finde ich dieses Gedicht so ergreifend und authentisch, dass man irgendwie annimmt, sowas kann nur jemand schreiben, der gerade mitten drin steckt.
Nimm es als Kompliment! Du schaffst es, in deinen Werken Stimmungen überzeugend rüberzubringen.
Rike
PS: Danke fürs Anfeuern!
_________________ Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit (R. M. Rilke) |
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Pütchen Weltenbummler
Moderatorin
Beiträge: 10314 NaNoWriMo: 40788 Wohnort: Im Ländle
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24.11.2008 22:15
von Pütchen
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Lieber Jim,
Mann, jetzt muss ich dich schon wieder loben und meinen Vorgängern zustimmen. Du schreibst so ergreifend, dass ich als Selbst-Nicht-Lyriker dauernd zu deinen Gedichten kommen muss
Klasse
Das einzige, was mich ein bisschen stolpern ließ, war:
Zitat: | Noch ein letztes Glas,
bis auf den letzten Tropfen,
trink aus, trink aus,
doch es läuft vorüber |
Das doppelte "Trink aus". Es ist schon irgendwie ein Drängen, aber ich weiß nicht, warum ich das irgendwie (unpassend) mit Oktoberfest assoziiere. Wie auch immer, das Gedicht ist klasse!!
Und wieder super vorgetragen - ich mag deine Stimme.
Liebe Grüße, Pütchen
_________________ ****************************************************************
"Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken."
(Isaac Newton, 1642-1726)
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DSFo-Call Gänsefüßchen
Beiträge: 19
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Pütchen Weltenbummler
Moderatorin
Beiträge: 10314 NaNoWriMo: 40788 Wohnort: Im Ländle
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27.11.2008 00:59
von Pütchen
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@Boro:
_________________ ****************************************************************
"Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken."
(Isaac Newton, 1642-1726)
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Taugenichts Reißwolf
Alter: 38 Beiträge: 1201
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27.11.2008 01:15 Re: Das Herz ist nichts... von Taugenichts
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jim-knopf1988 hat Folgendes geschrieben: | Das Herz ist nichts...
Heute Nachmittag
habe ich mich betrunken,
weil es morgen
vielleicht nichts mehr zu trinken gibt, |
Gedicht, Taugenichts, kluger Mann:
(Ich fragte ihn,
warum er trinke
und er sagte:)
weil es Morgen
vielleicht nichts
zu trinken gibt.
Am Nachmittag
kaufte ich Wein.
Darf ich mich geehrt fühlen?
Oder den Zufall verdammen? ^^
_________________ Hellseherei existiert nicht. Die Leute glauben mir mein Geschwätz nur, weil ich einen schwarzen Smoking trage. |
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Pencake Exposéadler
Alter: 55 Beiträge: 2364 Wohnort: Hamburg
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27.11.2008 11:39
von Pencake
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Moin Jim-Knopf.
Fein zwischen Altbekanntem und Selbstmitleid
hindurchgeschrieben.
Gefällt mir auch sehr.
Herzlich, Niko
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