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Kapitel 4 - Südindien 1/2


 
 
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kydu
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 45
Beiträge: 29
Wohnort: zu weit weg


Der Fluch Von Arabien
Beitrag10.11.2008 15:30
Kapitel 4 - Südindien 1/2
von kydu
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Südindien war schön. Fast zu schön, denn ich fühlte mich fast wie im Urlaub und spielte schon mit dem Gedanken, meine Mission einfach sausen zu lassen. Die erste Woche verbrachten wir die meiste Zeit am Strand und feierten abends in den Clubs. Diese Partys sind zwar nicht unbedingt meine Welt, aber ich amüsierte mich und hatte Spaß. Außerdem war ich für jede Ablenkung dankbar. Wir ließen es uns richtig gut gehen, gingen shoppen, genossen die Wellness-Angebote unseres Hotels in vollen Zügen und entdeckten unsere Vorliebe für indisches Essen. Wir sahen uns schon beide um gut 10 kg schwerer nachhause kommen, aber wir trösteten uns damit, dass es ja Fitnessstudios gab, in denen wir unsere überflüssigen Pfunde schnell wieder abtrainieren konnten. Außerdem war meine Arbeit im Krankenhaus so hart, dass sie an sich schon ein gutes Training darstellte. Unser Motto lautet also schnell: „Alles probieren und nichts übrig lassen!“

Zu Beginn der zweiten Woche wurde uns das Nichtstun aber dann doch zu langweilig. Außerdem war ich ja nicht zum Vergnügen hier her gekommen. Leider. Ich plante für die nächsten Tage unser Programm. Auf jeden Fall wollte ich die vielen Sehenswürdigkeiten des Landes besuchen und vor allem die weltberühmten Moscheen besuchen. Da Alira jedoch nicht gerade auf antike Stätten und Kultur steht, entschlossen wir uns, vormittags immer zu trennen, damit wir beide unternehmen konnten, was wir wollten und uns erst wieder zum gemeinsamen Mittagessen zu sehen.
Als erstes wollte ich das berühmte Museum, welches sich mitten in der Stadt befand und deshalb nicht schwer zu finden war, besuchen. Als ich dort ankam, war ich etwas enttäuscht, denn das Museum war bei weitem nicht so groß, wie ich es mir vorgestellt hatte, wenn es wohl auch für indische Verhältnisse geradezu riesig sein musste.

Ich ging in das Museum hinein und sah mich um. Anscheinend hatte man jedem bedeutendem König einen eigenen Raum gewidmet, indem man beispielsweise seine Rüstung, seine Waffen oder persönliche Gegenstände betrachten konnte. Ziemlich gelangweilt schlenderte ich von Raum zu Raum, bis ich etwas ziemlich Erstaunliches entdeckte. Über dem Eingang zu einem der Ausstellungsräume war eine Fahne und auf dieser befand sich exakt der gleiche Falke, der auch auf meinem Medaillon abgebildet war. Ich war wie elektrisiert, und ich ging schnurstracks in den Raum hinein. Und tatsächlich! Auf einer Schrifttafel konnte ich entziffern, dass es sich hierbei um Ausstellungstücke von König Amir handelte. In aller Ruhe betrachtete ich jeden Gegenstand, ich wusste zwar nicht, nach was ich genau suchte, aber anscheinend musste es einen tieferen Grund geben, warum mich das Schicksal hier her geführt hatte.
„Entschuldigen sie bitte“, räusperte sich jemand hinter mir und sprach zu mir in einem erstaunlich guten Englisch: „Kann ich ihnen behilflich sein?“
Ich drehte mich um und sah einen Mann, der ungefähr mein Alter haben musste und mich anlächelte. Er trug keine Uniform, wie sie die Museumsangestellten hatten und ich glaubte daher, dass er wohl nur nach einer Möglichkeit suchte, mit mir zu flirten. Ich schüttelte nur den Kopf und meinte, dass ich wohl auch ohne seine Hilfe ganz gut zurechtkommen würde.
„Ich wollte sie nicht belästigen, gnädige Frau. Ich dachte nur, weil sie sich so für König Amir interessieren, hätten sie vielleicht eine Frage zu unseren Exponaten.“
„Arbeiten sie denn hier?“ fragte ich ihn.
„Oh, sie meinen, weil ich keine Uniform trage. Ich verstehe. Nein, ich arbeite nicht hier, aber mein Vater ist der Direktor dieses Museums. Ich bin sozusagen hier aufgewachsen und kenne mich auch ganz gut mit unserer Geschichte aus.“  
Ich nickte ihm höflich zu und da er merkte, dass ich gerade eine Fahne betrachtete, fing er einfach an, sie mir ungefragt zu erklären.
„Diese Fahne stammt aus der Zeit von König Amir, so um ca. 300 nach Christi Geburt.“
Mit seinem Wissen über Amir weckte er meine Neugier und ich bat ihn, mir mehr über ihn zu erzählen.
Er grinste aber nur ziemlich frech und meinte dann, dass er sich zuerst doch vorstellen sollte. „Mein Name ist Raihan, ich bin hier geboren, habe Archäologie studiert und….“
Doch ich unterbrach ihn ziemlich barsch „ Schön für sie. Aber sie wollten mir doch eigentlich etwas über König Amir erzählen und nicht ihre Lebensgeschichte.“
In diesem Moment konnten wir uns beide das Lachen nicht verkneifen.
Raihan stellte sich vor einen großen Glaskasten und fuhr in einem sehr ernsten Ton mit seinen Ausführungen fort.
„Hier. Das ist die Rüstung König Amirs. Sehen sie sich diese bitte etwas genauer an!“
Ich tat was er wollte, aber konnte ehrlichgesagt nichts Außergewöhnliches an dieser Rüstung erkennen.
Raihan schien das zu bemerken. „König Amir hatte angeblich ein großes Geheimnis. Es heißt, er war unsterblich in eine Frau verliebt, von der niemand wusste, wer sie genau war. Aber sein Onkel, der vor ihm König war, gegen diese Beziehung. Raihan hat dann später eine Prinzessin aus dem Norden Indiens geheiratet, die Hassiena hieß und zwei Söhne mit ihr gezeugt.“
Seine Worte erinnerten mich an Felestras Schicksal und den Fluch. Ich wurde ziemlich wütend und blaffte ihn an: „Aber dafür musste er seine große Liebe opfern!“
„Nun“, Raihan war sichtlich von meinen Gefühlsausbruch überrascht, „er hat getan, was ein guter König tun musste, um sein Land zu schützen.“
„Er hätte seine große Liebe heiraten und trotzdem ein guter König sein können.“ antwortete ich ihm wieder etwas gelassener.
„Nein, das konnte er leider nicht. Sein Onkel verbot ihm nämlich, weiter mit dieser Frau zusammen zu sein und drohte ihm mit der Todesstrafe, wenn er sich diesem Befehl widersetzen sollte. Amir musste leben, das wusste er, denn ohne ihn wäre sein Land in Anarchie verfallen und dem sicheren Untergang geweiht gewesen.“
Wir standen eine Weile ganz ruhig vor der Vitrine, bevor ich ihn fragte: „Und was soll an dieser Rüstung nun so interessant sein?“
Raihan lächelte und zeigte auf den Brustpanzer. „Sehen sie sich das hier bitte mal an. Genau da, wo früher sein Herz gewesen sein muss, ist eine Schrift eingraviert. Der Legende nach soll es sich dabei um den Namen seiner großen unglücklichen Liebe handeln. Sicher behaupten kann das aber leider niemand, denn die Zeichen sind in Klangonisch geschrieben, einer uralten, sagenumwobenen Schrift, die heute von keinem Menschen mehr gelesen werden kann.“
Tatsächlich! Auf der Rüstung war etwas eingraviert. Ich schaute genauer hin und erkannte sofort, was da stand: * FELESTRA * ! Der Name durchzuckte mich wie tausend Blitze und die letzten Zweifel fielen von mir ab. Die Geschichte aus dem Buch war wahr, sie hatte tatsächlich stattgefunden und ich war die Auserwählte. Ich hielt es aber für besser, mich nicht erkennen zu geben und verheimlichte Raihan, dass ich das Klangonisch lesen konnte.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes war ein weiterer Glaskasten in dem es ein großes Schwert zu sehen gab.
„Auf Amirs Schwert sind auch klangonische Buchstaben zu sehen. Ich möchte fast wetten, dass die auch in irgendeiner Beziehung zu der unbekannten Frau stehen.“
Ich ging die paar Schritte bis zu der Vitrine und neigte meinen Kopf, um die Inschrift besser erkennen zu können. Auf der Klinge stand aber nicht wieder Felestras Namen, wie ich eigentlich vermutet hatte, sondern der folgende Satz:
„Die Erinnerung ist die einzige Hölle, die uns ewig zu quälen vermag.“

Diese Worte hatte ich schon einmal gelesen und genau wie beim ersten Mal, bedrückten sie mich sehr. Ich hatte leider beim Lesen nicht auf Raihan geachtet, der mich beobachtet hatte und näher kam.
„Und?“ sah er mich fragend an, „Was steht auf dem Schwert?“ und zog dabei eine Augenbraue hoch.  
Ich ärgerte mich, weil ich nicht besser aufgepasst hatte. „Wie bitte?“ stotterte ich heraus,
„Na“, stichelte er weiter, „es sieht fast so aus, als ob sie das Klangonisch lesen könnten, so wie sie das Schwert gemustert haben und weil ich dessen nicht mächtig bin, habe ich mir gedacht, sie könnten mir die Inschrift vielleicht vorlesen.“
„Also gut.“ antwortete ich und zog ebenfalls eine Braue nach oben. „Auf der Klinge steht: „…Made … in Hongkong.“
Wir begannen beiden über meinen Witz zu lachen und ich war insgeheim sehr froh, dass ich mich damit noch so gut aus der Affäre ziehen konnte.
Plötzlich wurde Raihan aber wieder ernst und sagte: „Wissen sie, ich arbeite hart daran, diese Schrift eines Tages lesen zu können und wenn ich irgendwann soweit bin, werde ich König Amirs Geheimnis lösen und damit Geschichte schreiben.“
In selben Moment klingelte sein Handy und Raihan verließ den Raum, um die anderen Besucher nicht zu stören.
Da stand ich nun, wieder ganz alleine und vor dem Schwert meines Vorfahren, sozusagen meines Ururururgroßvaters. Es fühlte sich fast so an, als ob selbst vor mir stand und versuchte, mir etwas mitzuteilen. Dieses Gefühl bedrückte mich sehr und mir war, als ob ich gleich in tausend Teile zerspringen würde. Die beiden, Felestra und Amir hatten nie aufgehört sich zu lieben, auch wenn sie sich nie wieder gesehen haben. Und ich war mir sicher, dass sie sich selbst jetzt, hunderte Jahre nach ihrem Tod, noch liebten und darauf warteten, endlich wieder vereint zu sein. Ich bemerkte, dass mir eine Träne herunter lief, wischte sie aber schnell mit der Hand weg und schaute mich weiter in Amirs Raum um. Jedes Ausstellungsstück hatte seine eigene Geschichte zu erzählen. Ich kehrte schließlich zu der Rüstung zurück und blieb eine Weile, tief in meinen Gedanken versunken, stehen. Als ich bemerkte, dass Raihan neben mir stand und mich beobachtete, war mir das irgendwie unangenehm.
„Ich will sie in ihrer Andacht nicht stören.“ meinte er trocken, „aber das Museum hat eigentlich schon seit einer guten halben Stunde geschlossen.“
Ich schaute auf die Uhr und tatsächlich war es bereits 17 Uhr. „Oh, das tut mir leid, aber ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich überhaupt nicht mehr auf die Zeit geachtet hatte.“ versuchte ich mich zu entschuldigen. Ich verabschiedete mich kurz von Raihan und wollte Richtung Ausgang gehen, aber er lief mir nach und hielt mich zurück.
„Sie interessieren sich wohl sehr für Geschichte?“
„ Nein, eigentlich nicht.“ antwortete ich recht ehrlich. „Aber ich interessiere mich für König Amir.“
„ Ja, das habe ich gesehen.“ lachte Raihan. „Ich will nicht aufdringlich sein, aber wenn sie Lust und morgen noch nichts vorhaben, könnten sie uns gerne begleiten.“
„Wohin begleiten?“
„Ich werde mit ein paar Bekannten raus zu den Kaki Höhlen fahren. In diesen Höhlen befinden sich die alten Königsgräber, darunter auch das von ihrem verehrten König Amir. Also, wenn sie Interesse haben, wäre es mir eine Ehre, sie dort hin führen zu dürfen.“
Ich überlegte nicht lange und nahm sein Angebot an. Vielleicht fand sich ja in diesen Höhlen oder im Grab Amirs einen Hinweis darauf, wie ich den Fluch brechen konnte.
Raihan war sichtlich über meine Entscheidung erfreut. „Hervorragend! Wir treffen uns morgen so um 10 Uhr vor dem Eingang des Museums, wenn ihnen das passt.“
„Ja“, antwortete ich, „10 Uhr ist in Ordnung. Bis morgen also.“ Ich winkte ihm kurz zum Abschied und verließ Raihan und das Museum.

Draußen erinnerte ich mich daran, dass ich mich ja schon vor einiger Zeit mit Alira hätte treffen sollen. Da ich mich so sehr verspätet hatte, war sie nicht mehr am Treffpunkt. Das hatte ich befürchtet. Aber ich kannte sie gut und machte mir keine Sorgen um sie. Bestimmt hatte sie beim Warten jemand angesprochen, wahrscheinlich ein hübscher, junger Kerl und mit dem saß sie jetzt bestimmt in einem Restaurant oder einer Bar. „Geschieht mir ganz recht, dass ich ganz alleine essen muss. Warum muss ich auch immer so rumtrödeln?“ dachte ich mir, als in eine Art Hotdog oder zumindest einem Hotdog-artigen Etwas biss, den ich bei einem Straßenhändler gekauft hatte.

Am nächsten Morgen stand ich, wie vereinbart, um 10 Uhr vor dem Eingang des Museums. Die Türen standen offen und ein paar Touristen gingen an mir vorbei und in das Museum hinein. Es dauerte nicht lange, und ich sah Raihan auf mich zu kommen.
„Guten Morgen!“ lächelte er mich an.
“Danke. Ihnen auch.“ erwiderte ich.
„Und“, fragte er mich. „sind sie bereit, auf Entdeckungsreise zu gehen?“ Er war aufgeregt wie ein kleiner Junge am Weihnachtsabend und rieb sich nervös die Hände.
„Wo sind denn überhaupt die Anderen?“ wunderte ich mich.
„Ach die … die sind schon vorgegangen. Wir treffen sie erst später in den Höhlen.“
Plötzlich streckte Raihan mir seine Hand entgegen, lächelte noch süßer als bisher und meinte: „Entschuldige bitte meine Unhöflichkeit. Mir ist aufgefallen, dass ich nicht einmal ihren Namen weiß.“
Ich schüttelte ihm die Hand. „Ich heiße Kyra. Kyra Senders.“
„Kyra? Das ist wirklich ein schöner Name. Und er passt zu Ihnen. Ich bin Raihan Mehra. Und keine Angst, ich will Ihnen nicht wieder meine Lebensgeschichte erzählen. Sie können aber gerne Raihan nennen. Das tun hier alle.“
„Und sie dürfen mich gerne duzen!“ erwiderte ich.
„Gerne, Kyra.“ Er bemerkte die Rose in meiner Hand, fragte aber nicht danach. Er schien irgendwie zu ahnen, warum ich sie dabei hatte.

Wir stiegen in seinen Jeep, fuhren los und als wir nach gut einer Stunde bei den Höhlen ankamen, sah ich, dass dort bereits drei weitere Jeeps standen.
Raihan schnallte sich seinen Rucksack auf den Rücken und reichte mir eine Taschenlampe. „Hier bitte. Die wirst Du brauchen!“
Je weiter wir in die Höhle hinein gingen, desto finsterer wurde es. Schließlich trafen wir auf die Anderen. Raihan stellte mich kurz vor und wir teilten uns in drei Gruppen auf, um die Höhle besser erkunden zu können. Ich gehörte zu seiner Gruppe und irgendwie hatte ich das auch gehofft. Wir brachen auf, jede Gruppe ging in eine andere Richtung, denn die Höhle hatte wirklich enorme Ausmaße.
Schon nach wenigen Schritten fielen mir die vielen Kammern der Höhle auf. In jeder einzelnen befand sich das Grab eines Königs. Manche waren eher klein, aber in den meisten befanden sich die Grabstätten einstmals sehr mächtiger Könige und entsprechend groß und prunkvoll waren die dazugehörigen Grabkammern. Einige waren sogar so gewaltig, so vermutete ich, dass dort wohl ganze Familien begraben sein mussten.
Als wir endlich die Grabkammer von Amir erreicht hatten, sahen sich die restlichen Mitglieder meiner Gruppe nur kurz um, für sie gab es wohl hier nichts Neues zu entdecken, und gingen dann weiter in die Höhle hinein. Ich wollte aber eine Weile hier bleiben und so einigten wir uns darauf, dass sie mich erst auf ihrem Rückweg wieder abholen würden. Raihan meinte mit einem Augenzwinkern, dass er mich nicht alleine lassen wolle und blieb bei mir.

Endlich war der Moment gekommen, auf den ich so lange gewartet hatte. Vor mir stand das Grab von Amir – ich konnte es kaum fassen und starrte es mir großen Augen an. Der Sarkophag war überwältigend, aber leider sehr staubig, wie ich feststellen musste, als ich versuchte die Inschrift darauf zu entziffern. Doch das machte mir nichts aus. Kein Staub der Welt hätte meine Freude dämpfen können. Ich nahm mein Halstuch ab, das ich immer für solche Zwecke dabei hatte und wischte damit den Dreck, so gut ich konnte, zur Seite. Raihan stand neben mir und betrachtete mein Treiben skeptisch.
Ich bemerkte es, sah ihn aber nicht an und machte einfach weiter. Als ich fertig war, konnte ich zufrieden feststellen, dass seine Skepsis fehl am Platze gewesen war, denn der Sarg war nun erstaunlich sauber. Ich hielt einen Augenblick inne, legte ich die rote Rose, die ich mitgebracht hatte, auf Amirs sterbliche Überreste, schloss die Augen und falte die Hände zu einem kurzen Gebet.
Als ich sie wieder öffnete, musste ich grinsen, denn ich sah, wie erstaunt Raihan über mich und mein Verhalten war.
„Ich verstehe das nicht.“ meinte er auch ziemlich schnell. „Du tust fast so, als ob du ihn gekannt hättest. Wieso machst du das?“
Ich zuckte aber nur mit den Schultern und grinste zurück.
„Ich habe wirklich noch nie jemand wie dich getroffen.“ fuhr er fort. „Du trauerst um einen Mann, der vor ungefähr zweitausend Jahren gestorben ist. Schon wenn Du nur an ihn denkst, kommen dir fast die Tränen. Irgendwie…“, er legte seine Stirn nachdenklich in Falten, „… irgendwie bist du verrückt. Oder hast du Gründe für dein merkwürdiges Verhalten?“
Ich drehte mich um, ging ein paar Schritte vom Grab weg und auf ihn zu: „Als du vor Amirs Rüstung gestanden bist und von ihm erzählt hast, da ... da konnte ich in deiner Stimme ebenfalls eine große Trauer spüren. Du hast seine Rüstung angesehen, fast so als ob ihr einmal Freunde gewesen wäret. Ich weiß, das klingt verrückt. Oder nicht? Erkläre mir das bitte!“
Wir schauten uns für eine Weile in die Augen und sagten kein Wort. Totenstill war es in der Kammer und zwischen uns lag nur Amir in seinem kalten, vom Staub der Jahrhunderte bedeckten, Grab.
„Ich bin Archäologe.“ Durchbrach Raihan schließlich unser Schweigen. „Mich fasziniert die Geschichte Indiens und vor allem die von König Amir, weil er ein Geheimnis hatte, das bis heute niemand lüften konnte. Auch ich nicht. Obwohl ich das seit Jahren versuche. Ich möchte so gerne wissen, was damals genau geschehen ist, wer seine große Liebe war und was zum Teufel die Schriftzeichen bedeuten, die auf seiner Rüstung und seinem Schwert stehen!“ Irgendwie schien Raihan nach diesem Geständnis erleichtert zu sein. Er fasste sich wieder und sah mich fragend an: „Jetzt weißt du, warum ich so hinter ihm her bin. Aber Du? Warum um Himmelswillen bist du so an ihm interessiert?“
Auch wenn ich diese Frage erwartet hatte, war ich nicht darauf vorbereitet. Ich senkte den Kopf und begann zu stammeln: „Ich … ich habe Amir zu Beginn verachtet, weil er die Frau, die er liebte, verlassen hat. Doch dann hast du mir die Begründung erklärt, warum er das tun musste. Ich kann jetzt besser nachvollziehen, warum er sie verlassen hat. Ich kann ihn dadurch einigermaßen verstehen, ich verzeihe ihm und es tut mir leid, dass ich ihm so Unrecht getan habe. Deshalb auch die Rose…“
„Dann willst du dich also mit der Rose bei Amir entschuldigen?“
„Ja, das will ich.““ Mir war klar, dass er mir das nicht recht abkaufen wollte, dennoch nickte er verständnisvoll und trat mit einem leichten Lächeln im Gesicht wieder näher an das Grab heran. „Sieh dir bitte nur mal diese Inschrift an!“
Um sie besser sehen zu können, stellte ich mich gegenüber von Raihan auf einen großen Stein. Da ich vorher mit meinem Tuch den Grabstein vom ärgsten Staub gesäubert hatte, konnte ich die Schrift jetzt auch wirklich ganz gut erkennen.

„ Diese verdammte Schrift kann niemand entziffern. So viele haben es versucht, alle sind gescheitert. Auch ich. Und weißt du wieso?“ meinte Raihan ziemlich frustriert.
Obwohl ich es wusste, schüttelte ich verneinend den Kopf.
„Niemand kann Klangonisch lesen, weil es nur von der Königsfamilie benutzt wurde. Von Generation zu Generation wurde sie ausschließlich an die Kinder der Familie weitergegeben. Der Versuch Normalsterblicher, diese Schrift zu erlernen, wurde sogar mit dem Tode bestraft. Und als schließlich der große Krieg anfing, da benutzten sie die Könige als eine Art Geheimschrift, was ihnen viele Vorteile gebracht hat. Selbst die vielen Spione, die sich zu jeder Zeit im Palast versteckt hielten, konnten ja damit nichts anfangen.“
Wenn es um die Geschichte des Königshauses ging, war Raihan sichtlich in seinem Element und die Worte sprudelten förmlich aus ihm heraus: „Es gab übrigens zwei große Kriege. Zwischen beiden lag nur ein Jahr. Im ersten Krieg starb König Amir, obwohl Indien eigentlich gar nicht an diesem Krieg beteiligt war. Aber Arabien war es. Amir eilte seinem besten Freund, einem Araber, zu Hilfe und fand dabei in einer Schlacht den Tod.“
Ich überlegte kurz und wurde neugierig, denn in dem Buch, das ich gelesen hatte, stand nichts von diesem Krieg. „Was war der Grund für diesen Krieg?“ fragte ich deshalb Raihan.
Doch der schüttelte nur den Kopf. „Das weiß niemand genau.“ Und schaute sich die Schrift noch etwas genauer an.
„ Was noch merkwürdiger ist“, murmelte er schließlich, „ist, dass diese Schrift eindeutig arabischen Ursprungs sein muss. Aber wieso steht sie dann an Amirs Grab?“
Mir schoss es bei diesen Worten durch den Kopf, dass der Krieg vielleicht nur deshalb geführt wurde, weil der Fluch tatsächlich ausgebrochen war und alles zerstört hatte. Ich brauchte einfach mehr Informationen. „Weiß man wenigstens, was nach Endes des Krieges genau passiert ist?“
„Mmh“, Raihan überlegte. „Nichts. Nichts ist passiert. Der König, der zuvor über ganz Arabien geherrscht hatte, wurde nach dem Krieg nie wieder erwähnt. Man vermutet deshalb, dass er in der letzten Schlacht gefallen sein muss. Manche behaupten sogar, dass König Avered ihn eigenhändig getötet hat.“
„Aber der Fluch besagte doch eigentlich, dass alle Könige sterben mussten!“
„Ja, das ist korrekt, aber zwei von ihnen, König Golsir und König Avered blieben am Leben.“
„Was ist dann geschehen?“
„ Avered herrschte noch ca. 30 Jahre über das Land. Diese Jahre, so haben Geschichtsschreiber berichtet, waren wohl die schlimmste Zeit überhaupt. Avered muss ein wahrer Tyrann gewesen sein. Er hat alles zerstören lassen, gemordet und sich ohne Rücksicht auf Verluste alles genommen, was er wollte. Viele Menschen flohen deshalb aus Arabien.“
„Und was war mit König Golsir?“
„Wenn man den alten Büchern Glauben schenken kann, besaß König Golsir die Kraft von 40 Männern und das Herz eines Löwen. Er war ein guter Mensch, warmherzig und weise. Doch leider hat er es aus irgendeinem Grund nicht geschafft, den verhassten Avered vom Thron zu stürzen und seine Schreckensherschafft zu beenden. “
Ich schaute mir die Inschrift nochmals an, dieses Mal noch genauer. Da sie wirklich sehr alt war und die Zeit ihre Spuren darauf hinterlassen hatte, musste ich mich wirklich anstrengen, um etwas erkennen zu können. Doch bevor es mir gelang etwas zu entziffern, hörte ich, dass der Rest unserer Gruppe wieder zurückkam. Schnell nahm ich mein Handy aus der Tasche und machte ein Foto von der Inschrift. Raihan sah mir dabei zu, sagte aber kein Wort.

Als mich Raihan am Abend dieses Tages zu meinem Hotel zurückbrachte, bedankte mich für den schönen Tag und verabschiedete mich von ihm.
In meinem Zimmer angekommen, merkte ich wie erschöpft ich von dem anstrengenden Ausflug  war. Ich warf mich auf mein Bett und stöhnte: „Mein Gott, bin ich kaputt!“.
„Das glaube ich dir gerne – so fertig wie du aussiehst!“ Ich erschrak, denn ich hatte aufgrund meiner Erschöpfung gar nicht mitbekommen, dass Alira auch schon wieder im Hotelzimmer war.
„Und wer ist bitte der süße Kerl, der dich hergebracht hat?“ bohrte sie nach. Ich musste lachen, denn ich wusste wie neugierig Alira sein konnte, vor allem wenn es um Männer ging. „Och, der? Niemand. Niemand besonderes.“ antwortete ich übertrieben desinteressiert.
„Wo warst du überhaupt  mit ihm? Auf dem Friedhof? Du riechst jedenfalls so.“
Ich richtete mich auf und grinste sie an. „ Ja, ich war  auf dem Friedhof und wir haben zusammen ein paar Leichen ausgegraben. Und jetzt gehe ich unter die Dusche.“
Alira schüttelte nur noch den Kopf und rief mir nach, dass ich ihr sofort alles über diesen süßen Typen erzählen musste, aber ich konnte mich ins Bad retten und knallte ihr die Türe vor der Nase zu.

In der darauffolgenden Nacht konnte ich nicht gut schlafen. Eigentlich konnte ich das ja schon seit Tagen nicht mehr, seitdem ich hier angekommen war, hatte ich keine Nacht durchschlafen können.
Ich musste ständig an Amir denken und Raihans Worte schwirrten mir im Kopf herum.  Konnte es wirklich so gewesen sein, dass er nie aufgehört hatte, sie zu lieben und Felestra nur verließ, weil er sich seinem Onkel beugen musste. Aber warum hatte er ihr das dann damals nichts gesagt, als sie sich in jener Nacht auf dem einsamen Hügel außerhalb der Stadt getroffen hatten?
„Vielleicht wusste Felestra ja auch die Wahrheit, die keinen Ausweg für ihre Liebe übrig ließ und wollte alles nur so schnell wie möglich beenden. Aber wenn das der Fall war, dann …“ Irgendwie gab das Ganze keinen Sinn. Ich grübelte und grübelte, bis ich anscheinend mitten in der Nacht doch eingeschlafen war.  

"Du hast schon wieder von ihm geträumt. Gib es zu. Ich sehe es dir nämlich an!", seufzte Alira als wir am nächsten Morgen zusammen am Frühstückstisch saßen. Meine brünetten Haare standen wirr in alle Himmelsrichtungen und ich hatte Augenringe, wie aus dem Bilderbuch.
"Hast du diese Nacht wieder nicht geschlafen?", meinte sie weiter und band ihre roten Haare zusammen.
Ich war total übermüdet, dass war leider nicht zu übersehen und murmelte wohl etwas von drei Stunden, die ich geschlafen hätte, woraufhin Alira ihr hübsches Gesicht in tiefe Sorgenfalten um mich warf.

Seit wir in Indien angekommen waren,  hatte ich auch angefangen von einem unbekannten Mann zu träumen, der jede Nacht zu mir kam, um mich in meiner Phantasie in längst vergangene Zeiten zu entführen. Er war wohl ein Ritter, aber keiner dieser Helden in einer glänzenden Rüstung, von denen immer in den Märchen erzählt wurde. Es handelte sich eher um eine Art geheimnisvollen Gefährten, der auf einem herrlichen Pferd ritt und von einem Falken begleitet wurde. Er hatte aber rein gar nichts von einem edlen Prinzen, von denen kleine Mädchen gerne träumten. Der unbekannte Mann in meinen Träumen war ein eiskalter Krieger, der das Töten zu einer eigenen Kunstform erhoben hatte. Eiskalt war er, wie der Schnee, der ihn auch oft in meinen Träumen umgab. Ein schweigsamer Mann, der nicht vieler Worte gebrauchte sondern sein scharfes Schwert sprechen ließ. Ich konnte in jedem meiner Träume genau erkennen. Er sah jedesmal gleich aus und jedesmal erschrak ich über sein Äußeres: Er trug ein zerrissenes Kampfgewand, dass über und über mit dem Blut seiner Feinde besudelt war. Seine braunen, halblangen Haare waren teilweise geflochtenen, sein Körper war sehnig und schlank und seine dunklen Augen zeigten eine feste Entschlossenheit. Mit jedem Traum erschien er mir klarer, es kam mir so vor, als ob er immer mehr Gestalt annahm. Immer mehr zog er mich in seinen Bann und ich spürte etwas an ihm, das mich anzog und immer stärker wurde. Sein Gesicht bedeckte er jedoch immer mit einer schwarzen Maske und so konnte ich ihn zwar sehen, aber nicht erkennen, wer oder was er war. Wenn mein Traum dann zu Ende ging und er mich bis zur nächsten Nacht verließ, wachte ich meistens weinend auf und konnte nicht mehr einschlafen. Natürlich sprach ich mehrmals mit Alira über diese Träume, aber sie hatte genauso wenig wie ich eine Erklärung dafür.

Wir waren immer noch dabei unser Frühstück einzunehmen und ich knapperte mittlerweile ziemlich lustlos an einem Stück Brot herum. Diese schlaflosen Nächte raubten mir irgendwie meinen Appetit und leider auch meine ganze Energie, aber ich wusste nicht, was ich dagegen unternehmen sollte. Einerseits machten mir diese Träume sehr zu schaffen, aber andererseits wäre es wohl für mich noch schlimmer gewesen, wenn der unbekannte Ritter aus meinem Kopf verschwunden wäre, auch wenn seine Besuche ziemlich negative Auswirkungen auf mein Leben hatten. Seitdem diese Träume angefangen hatten, fühlte ich mich auf eine seltsame Weise leer und unvollständig. Alira beobachte mich mit wachsender Beunruhigung, doch konnte sie nichts gegen die Macht meiner Phantasie unternehmen.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Träume etwas mit der Geschichte aus dem Buch zu tun haben müssen.“ Alira sprach etwas aus, was ich mir insgeheim auch schon gedacht hatte. Ich hatte sie bereits im Flugzeug über den wahren Grund unserer überstürzten Reise hierher informiert und ihr alles über den Fluch bis in das kleinste Detail erzählt. Zu Beginn hatte Alira das Ganze natürlich nicht ernst genommen und für einen dummen Witz gehalten. Doch seit wir hier waren und sie mitbekommen hatte, wie sehr ich unter meiner Mission litt, begann sie mir immer mehr zu glauben. Alira war eine ziemlich taffe Frau und zu dem Schluss gekommen, dass ich mich endlich meiner Aufgabe stellen müsste. Schließlich waren wir nur deshalb hier her gekommen und ich wäre es auch meiner Mutter schuldig, wenn der so viel an der Sache lag. Ich sollte deshalb, ihrer Meinung nach, so schnell wie möglich zu dem einsamen Hügel vor der alten Königsstadt fahren, um mich dort umzusehen. Ich wusste, dass sie Recht hatte und beschloss, mich gleich heute auf den Weg dorthin zu machen. Leider alleine, denn Alira traute sich scheinbar nicht, mich zu begleiten. So taff war sie dann auch wieder nicht.
 
Ich mietete mir gleich nach dem Frühstück, bei dem ich letztendlich  keinen Bissen heruntergebracht hatte, einen Wagen und fuhr los. Ich wollte die Sache endlich hinter mich bringen. Ich war gut einen halben Tag  unterwegs, bis ich schließlich an eine Stelle kam, an der man mit dem Auto nicht mehr weiterfahren konnte. Ich wusste zuerst nicht, was ich machen sollte, sah aber dann einen Mann auf einem Esel reiten, hielt ihn an und fragte, wie ich am Besten zu dem einsamen Hügel gelangen könnte. „Mit dem Auto wäre das nicht möglich.“ antwortetet er, „aber ganz in der Nähe sei sein Haus und wenn ich wollte, könnte ich dort einen Pferd von ihm mieten, mit dem ich ganz leicht dort hin gelangen könnte.“

Ich drehte also um und folgte der Wegbeschreibung zu seinem Haus. Nach gut fünf Minuten Fahrzeit erreichte ich mein Ziel und  war ziemlich überrascht, denn das Haus des offensichtlich armen Bauern war eher eine riesige Ranch mit großen und ziemlich modernen Pferdeställen. Ich parkte mein Auto, stieg aus und marschierte Richtung der Ställe. Nach wenigen Schritten bemerkte ich einen herrlichen, weißen Andalusischen Hengst, der  wild geblähten Nüstern stolz über seine Koppel galoppierte. Da ich Pferde liebe, ging ich zu ihm hin, stützte meine Ellbogen auf den Zaun und betrachtete ihn, wie er langsam zu mir her stapfte. In diesem Moment hörte ich eine Frau, die irgendwo hinter mir im Stall sein musste, rufen. „Hallo! Kann ich ihnen behilflich sein?“
Ich drehte mich um und sah eine kleine, etwas dickliche Frau auf mich zukommen, die ganz offensichtlich die Gattin des Bauern von vorhin sein musste.
„Hallo. Ja, das können sie in der Tat. Ich würde gerne eines ihrer Pferde mieten. Ihr Mann hat mich hierher geschickt.“
„So, so. Sie wollen also ein Pferd mieten“. wiederholte sie meine Worte und musterte mich dabei. „Kennen sie sich überhaupt in dieser Gegend aus? Wenn nicht, könnte ich meinen Neffen rufen, der ist ein guter Führer.“
Ich überlegte kurz, wie ich mich entscheiden sollte. Einerseits kannte ich mich ja hier in der Region wirklich nicht aus und wusste deshalb nicht, wie ich zu dem einsamen Hügel gelangen sollte und deshalb hätte ich einen Führer durchaus gebrauchen können. Andererseits  wollte ich aber, bei dem was ich vorhatte, ungestört sein und das Letzte, was ich wollte, war ein lästiger Typ, der ständig in der Nähe war und mich mit seinen Fragen nervte. Das letzte Argument war wohl das Stärkere, denn ich lehnte ihr Angebot ab. „Vielen Dank für das Angebot, aber ich brauche keinen Führer. Ich werde den Weg schon irgendwie alleine finden.“
Mit dieser Aussage gab sie sich aber sichtlich nicht zufrieden!  „Wieso wollt ihr Touristen nie auf uns hören. Immer reitet ihr alleine fort, verlauft euch und mein Mann muss sich dann die ganze Nacht um die Ohren schlagen, um euch zu suchen…“  
Tja, das saß und dagegen konnte ich schlecht etwas sagen. „Also gut, bitte holen sie ihren Neffen. Ich wäre sehr froh, wenn er mich führen würde.“
Die Alte nickte zufrieden und ging in den Stall zurück. Ich wandte mich für eine Weile wieder dem weißen Hengst zu, bis ich merkte, dass ein junger Mann mit zwei gesattelten Pferden aus den Stallungen heraus trat.
Als er näher kam, musste ich lachen, denn dieses Gesicht kannte ich nur zu gut. Es war Raihan, der mich führen sollte!
„Das glaube ich jetzt nicht. Du schon wieder!“ grinste er. „Aber eigentlich habe ich mir schon gedacht, dass es sich nur um dich handeln kann, als gerade meine Tante zu mir gekommen ist und mich fragte, ob ich eine Fremde zum einsamen Hügel vor Amirs alter Königsstadt bringen könnte.“
„Was heißt hier bitte: Du schon wieder“, protestierte ich. „Du könntest dich ruhig ein bisschen freuen, mich zu sehen.“
Raihan lachte. „Aber das tue ich doch. Wirklich!“
„Was machst du überhaupt hier draußen, mitten in der Wüste?“ fragte ich schnell, weil er nicht merken sollte, wie froh ich war, ihn so schnell wiederzusehen.
„Ich bin oft hier. Immer wenn ich in der alten Königsstadt nach Fundstücken suche, wohne ich bei meiner Tante und meinen Onkel.“
„Naja“, neckte ich ihn „wenn ich gewusst hätte, dass du der Führer bist, dann wäre ich lieber zu Fuß gegangen.“
„Ach ja.“
„Ja.“
„Da hast du aber Pech gehabt. Alleine lasse ich dich da nicht raus reiten. Ist zu gefährlich für dich. Und jetzt steig schon auf, ich will schließlich heute Abend wieder zuhause sein.”

Auf dem Weg zur alten Königsstadt schwiegen wir ziemlich lange. Ich genoss die Aussicht, denn wir ritten entlang der Küste und von dem Berg aus, den wir gerade passierten, konnte man kilometerweit in die Ferne und sogar bis zum nahen Meer sehen.
“Gibt es eigentlich eine bestimmte Stelle, wo du hin willst?” fragte mich Raihan auf halbem Weg.
„Ja, die gibt es. Aber ich weiß ihren Namen nicht und auch nicht, wo sie sich genau befindet.”
„Na dann beschreibe sie mir einfach mal.”
„Hmm … es muss einen einsamen gelegen Felsen geben, eine Art Hügel, von dem aus man weit hinaus auf den Ozean blicken kann.”
„Weißt du“, erwiderte Raihan, „Felsen gibt es hier viele und weil wir direkt an der Küste sind, sieht man von so gut wie jedem das Meer.“
„Lass uns einfach die Küste entlang reiten.“ schlug ich vor. „Wir werden ihn schon finden!“

Etwas später erreichten wir tatsächlich eine Art Hochplateau, auf dem sich auch ein markanter Felsen befand, von dem man eine traumhafte Aussicht aufs Meer haben musste. Ich stieg vom Pferd und sah mich um. Irgendwie suchte ich nach einem Anhaltspunkt, dass diese Kuppe der Felsen aus meinem Buch sein konnte. Ich schritt den ganzen Platz ab, um irgendein Zeichen zu finden oder einen Beweis dafür, dass Felestra hier auf den Wächter der Nacht getroffen war. Raihan, der mittlerweile auch vom Pferd gestiegen war, sah mich prüfend an.  „Was suchst du?”
Ich gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er sich gedulden sollte und schaute mich weiter um. Hinter einem kleinen Felsen, der nahe dem Hügel lag, scharrte ich mit meinem Fuß im Sand, weil ich mir aus irgendeinem Grund einbildete oder wahrscheinlich doch eher hoffte, dass hier ein Hinweis versteckt sein musste. Fehlanzeige.



_________________
Wenn die Liebenden fallen, die Liebe fällt nicht,
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.
-Dylan Thomas-
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