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Strange Fantasy


 
 
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Cally
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Beitrag26.10.2008 13:07
Strange Fantasy
von Cally
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Diese Geschichte, deren Anfang ich euch nun vorzustellen wage, hat vor ungefähr einem Jahr begonnen und mich bis heute begleitet. Es ist das einzige Projekt, an dem ich regelmässig weiterarbeite, sozusagen ein literarischer Fels in der ansonsten so stürmischen Brandung. Für die Länge des Textes entschuldige ich mich jetzt schon, aber eine sinnvollere Unterteilung hielt ich nicht für möglich. Je nach Interesse kann ich weitere Teile nachschicken. Über Feedback freue ich mich immer. (Ich bedanke mich bei einer guten Freundin fürs Korrigieren und Kommentieren.)
________

Erstes Drittel von Kapitel 1

Ouvertüre – ein instrumentales Stück zur Einleitung einer Oper

Es gibt viele chaotische Plätze auf dieser Welt, doch nicht einmal der wildeste Ameisenhaufen kann sich mit dem klassischen Gedränge in einem Kleiderladen messen. Dies ist der Ort, an dem sich Kunden durch unzählige Ständer und Wühltische drängen müssen, als würden sie an einer Dschungelexpedition teilnehmen – mit dem kaum nennenswerten Unterschied, dass sich ihnen keine Büsche und Blätter in den Weg stellen, sondern hässliche Jacken und altmodische Jeans. Traditionsgemäss werden Kleiderläden von Frauen bewohnt. Dies führt dazu, dass der allgemein erträgliche Lärmpegel um ein Vielfaches überschritten wird, nicht unmassgeblich unterstützt von den nervigen Popsongs, die angeblich zur Unterhaltung abgespielt werden. Die Verkäuferinnen in solchen Läden sind selten geduldiger als ihre Kunden, was ein enormes Potential für Streitereien und Verletzungen mit sich bringt.

Unsere Geschichte beginnt mit einer Verkäuferin namens Annie Saveront. Annie war eine junge Frau Mitte zwanzig, die in chronologischer Reihenfolge eine Geburt, einen Geschlechtsakt, eine Abtreibung, eine Scheidung, einen Überfall, eine Schiesserei und einen Gefängnisaufenthalt hatte über sich ergehen lassen müssen. Sie konnte auf dunkelbraunes Haar, eine Narbe an der Wange und eine zweifelhafte Ausbildung zurückgreifen – all dies liess die Tatsache, dass sie in einem renommierten Modegeschäft eingestellt worden war, wie ein Wunder, oder zumindest wie einen grotesken Zufall erscheinen. In Wirklichkeit aber war dies völlig bedeutungslos, denn an jenem verhängnisvollen Abend nahmen Annies beruflichen Pläne mehrere überraschende Wendungen.

Wie an jedem Arbeitstag konzentrierte sich Annie darauf, so wenig wie nur irgend möglich zu tun, ohne dass es ihrer Chefin – in diesem Fall eine mütterliche alte Dame namens Charlotte – auffallen konnte. Gestresst hastete sie durch das ganze Gebäude und tat so, als müsse sie etwas wahnsinnig Wichtiges mit der grässlichen Bluse in ihrer Hand anstellen. Dies war eine unheimlich gute Taktik, um wirklicher Arbeit aus dem Weg zu gehen, aber schlussendlich muss man sich doch fragen, ob wirkliche Arbeit nicht angenehmer ist.

In Annies gewissenhaften Bestrebungen, nichts zu tun, traf sie urplötzlich auf ein Hindernis. Sie rempelte eine Kundin an, die mit einem öligen Aufschrei auf den Boden fiel und von einem Rock in der Grösse eines Segels begraben wurde. Annie blickte sich um, sah jedoch niemandem, dem sie die Schuld dafür in die Schuhe schieben konnte. Also musste sie sich wohl oder übel dazu herablassen, ihre eigene Suppe auszulöffeln. Sie reichte der Kundin die Hand und hievte sie nach oben.

Annie kannte die Frau, deren Kopf unter dem Rock zum Vorschein kam. Ihr Name war ebenso eklig wie edel; Laura Duburois. Sie war die Tochter eines arroganten Musikproduzenten und eine Stammkundin in Charlottes Geschäft. Annie hasste diese Person, denn alles an ihr – von den blonden Haarspitzen bis zu den teuren Stiefeln – verlieh ihr die Wirkung eines eingebildeten und stinkreichen Töchterleins. Und das völlig zu Recht.

«Es tut mir leid», sagte Annie, doch ihr Tonfall hätte nicht weniger entschuldigend sein können.

Laura schenkte der Verkäuferin ein mildes Lächeln, während sie die Flausen von ihrem Markenmantel schnippte. «Kein Problem», quiekte sie, «Tatsächlich kommen Sie mir sehr gelegen. Ich hätte da nämlich eine Frage.»

Annie stöhnte innerlich auf, denn sie kannte die Angewohnheiten der Blonden nur zu gut. In Charlottes Geschäft gab es nur eine einzige Goldene Regel: lasse dich niemals auf ein Gespräch mit Laura Duburois ein! Und sie musste festellen, dass die Regel nicht umsonst golden war; die besagte eine Frage vermehrte sich nämlich wie ein Rudel Kaninchen und bald schon konnte sich Annie vor Fragezeichen nicht mehr retten. Laura wollte nicht nur wissen, welche Schuhe im Geschäft sie am bequemsten fand, sondern auch, ob sie in diesem oder jenem Oberteil zu dick, zu dünn, oder aber zu normal aussehen würde. Kurzerhand wurde Annie zum Laufburschen abkommandiert und musste quer durch das Geschäft rennen, um Laura Mäntel, Röcke, Blusen, Socken, Slips, BHs, Taschentücher, Drinks und Magazine zu besorgen. Schliesslich trabte sie wie ein dunkler Schatten hinter dem Töchterlein her, in ihren Armen ein beunruhigend hoher Turm aus Stofffetzen.

«Ich denke, ich habe alles», strahlte Laura. Annie antwortete nicht, da ihr Gesicht von einer Lawine aus Kleidern erdrückt wurde. Wie sie so hinter der Reichen her torkelte, verzweifelt darauf achtend, kein heilloses Durcheinander zu verursachen, keimte Groll in ihr auf; am liebsten hätte sie diese Laura Duburois unter dem tonnenschweren Haufen ihrer eigenen Einkäufe erstickt. Doch ein Sekundenbruchteil später hatte sie eine andere, viel bessere Idee. Dies war die erste der erwähnten beruflichen Planänderungen.

«Sind Sie sich auch sicher, ob Ihnen all das passt?», erklang Annies gedämpfte Stimme unter dem Kleiderhaufen. «Ich an Ihrer Stelle würde einiges davon erst anprobieren. Wir wollen doch nicht, dass Sie Ihr Geld umsonst ausgeben.» Verzweifelt spuckte Annie eine Socke aus, die es sich in ihren Mundhöhlen etwas zu gemütlich gemacht hatte.

«Sie haben Recht», erwiderte Laura zuvorkommend, als ob ihre Zustimmung für Annie eine Ehre zu sein hätte. «Nicht, dass ich es mir nicht leisten könnte» – sie kicherte wie ein kleines Mädchen – «Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, nicht wahr?» Gemeinsam bahnten sich die Frauen einen Weg zu den Umkleidekabinen und wählten für Laura ein besonders grosses und luxuriöses Exemplar.

Nachdem das Töchterlein die Kabine betreten hatte, rettete sich Annie vor dem sicheren Erstickungstot, indem sie den textilen Stapel in eine Ecke pfefferte. Keuchend versuchte die Verkäuferin, die flauschigen Fuseln von ihrer Zunge zu streichen, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. «Könnten Sie mir vielleicht die weissen Hosen reichen?», fragte Lauras zuckersüsse Stimme. Annie liess ihren Blick über den Müllhaufen aus Stoff kreisen, doch nirgends war ein weisser Fleck zu sehen. Alle Einkäufe Lauras waren in einem rosa Ton gehalten. Selbst die Socken, die Annie im Mund gehabt hatte, schimmerten in dieser kitschigen Farbe.

Frustriert griff Annie in ihre Hosentasche und zog etwas hervor, das ganz und gar nicht zur üblichen Ausrüstung einer Verkäuferin gehört; eine silbrige, funktionsfähige Pistole. Nicht zu unrecht wird man sich fragen, wozu Annie den lieben langen Tag eine Waffe mit sich trägt. Tatsache ist aber, dass man eine Pistole immer gebrauchen kann – nicht nur aus praktischen, sondern vor allem aus ästhetischen Gründen.

Annie konnte von Glück reden, dass die Mutter neben ihr so beschäftigt damit war, ihren Sohn in einen viel zu engen Pullover zu zwängen, ansonsten wäre sie wahrscheinlich angezeigt worden und hätte den Rest ihres Lebens in einem Hemd mit grässlichem Streifenmuster verbringen müssen. Vollkommen unbemerkt also entsicherte sie die Waffe, schob den Vorhang der Kabine zur Seite und hielt den Pistolenlauf gegen Lauras Kopf. Diese schnappte erschrocken nach Luft, wollte etwas sagen, wurde jedoch sofort unterbrochen. «Ein einziges Wort von Ihnen, und ich laufe Amok!», zischelte die Verkäuferin.

«Tun Sie das nicht bereits?», wagte Laura zu fragen. Annie schnaubte, trat in die Kabine und riss den Vorhang wieder zu. Mit einer dämonischen Miene beugte sie sich zur Blonden hinunter. Ihr bösartiger Blick litt jedoch unter der Erkenntnis, dass sich die blonde Frau bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte. Sie konnte ihre Verlegenheit nur mit Mühe verbergen. Laura grinste hämisch. «Sie können ruhig zugeben, dass Sie mich nur nackt sehen wollten.»

«Solche idiotischen Bemerkungen sind es, die meinen Zeigefinger nervös machen», gab Annie scharf zurück. Laura lachte leise. «Das ist doch nicht etwa Ihr Ernst? Wenn ich jemanden umbringen würde, dann würde ich das an einem etwas stilvolleren Ort als in einer Umkleidekabine tun.»

«Sie haben verdammt Recht», keifte Annie, «Los! Raus hier!»

«Darf ich mir vielleicht noch was anziehen?»

«Natürlich», erwiderte Annie wohlwollend, «Aber die Fummel draussen lassen Sie gefälligst liegen.»

Weitere Werke von Cally:
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Kowalski
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Beitrag26.10.2008 15:36

von Kowalski
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Ich habe nicht alles gelesen, das vorne weg und das liegt hauptsächlich daran, wie du die Geschichte erzählst. Es ist mehr ein Bericht und ein ganzes Stück von einer lebendigen Darstellung entfernt. Du beschreibst zuviel und zu allgemein.

Du konntest mich als Leser nicht in die Geschichte ziehen, der Anfang weckt kein Interesse, ist beliebig erzählt, fast schon gelangweilt. Das hat aber gar nichts damit zu tun, dass es nicht spannend sein könnte oder das das Thema nicht mehr hergeben würde.

Du ratterst sprachlich durchaus vielseitig und gar nicht ideenlos Beschreibung um Beschreibung herunter, ohne dich aber darum zu kümmern, mich als Leser bei der Hand zu nehmen und mir diese ganzen Dinge auch zu zeigen. Du beschreibst sie mir, beiläufig ... das weckt keine Emotionen, lässt keine Bilder entstehen. Es ist wie ein Vortrag, wo der Leser sich stets seiner Passivität bewusst ist, seines Außenseiter Dasein.

Ich lese aber, um Teil einer Geschichte zu sein, mitgenommen zu werden und nicht einfach nur zu erfahren, was wem wann wie und wo passiert ist, was jemand gesagt und gedacht hat - ich will das alles nachempfinden können und miterleben.

Mir ist bewusst das meine Kritik hart ist, dass du dir viel Arbeit gemacht hast, aber ich würde mir noch schlechter vorkommen, wenn ich dir das nicht gesagt hätte. Ich kritisiere nicht den Inhalt, soweit bin ich auch nicht gekommen - das ist einzig eine Kritik an der Form.

Das ist auch korrigierbar, wird allerdings je nachdem wie weit du schon bist, einiges an Arbeit erfordern und nicht einfach.
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Rheinsberg
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Bronzenes Messer


Beitrag26.10.2008 15:54

von Rheinsberg
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Kowalski - man kann das auch anders sehen. Bei den ersten beiden Absätzen fühlte ich mich nämlich sehr an Böll erinnert. Der Stil und der Aufbau sind ungewöhnlich, ob das bei einem größeren Ganzen zieht oder nur linkisch wirkt, würde ich anhand dieses Ausschnitts nicht beurteilen wollen.

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"Books are written with blood, tears, laughter and kisses. " - Isabel Allende

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Cally
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Beitrag26.10.2008 15:58

von Cally
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@ Kowalski: Ich verstehe deine Kritik — es ist fast genau die, die ich erwartet habe. Doch das von dir Angesprochene liegt in der Natur dieser Geschichte, es ist ihre Grundessenz, die ich nicht zu ändern bereit bin. Würde ich es tun, wäre nichts mehr so, wie ich es mir wünsche.

Mich interessiert, wie diese Form bei einem Leser ankommt, dieses Auktoriale, Ausschweifende, Detaillierte … Anscheinend ist dies also langweilig. Damit kann ich ganz gut leben. Es bestätigt mich auch in meinem Entschluss, die Geschichte grösstenteils abgekapselt von der Öffentlichkeit zu lassen wink
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Kowalski
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Beitrag26.10.2008 16:05

von Kowalski
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Meine Kritik sollte nicht den Anschein erwecken absolut zu sein, falls dem so ist, nehme ich davon ausdrücklich Abstand.

Diese Form der beschreibenden Erzählung ist nicht mehr zeitgemäß und wenn überhaupt nur noch in Verbindung mit herausragender Wortschöpfung dem Leser vermittelbar. Wenn ich Klassiker lese, dann auch nur die Besten und selbst bei einem Hermann Hesse oder Thomas Mann stört mich deren zugeknöpfte Art zuweilen - auch wenn sie sprachlich über die Maßen reizvoll agieren.

Meine Kritik sollte nur deutlich machen, dass ich das Buch nicht lesen oder gar kaufen würde, wenn es in dieser Form bliebe. Ich weiß nicht welche Ambitionen Cassy damit verfolgt, aber sie jetzt in einem Weg zu bestärken, der in der Form ziemlich sicher zu nichts führen wird, halte ich für schlimmer, als eventuell ihren Ärger auf mich projiziert zu wissen.
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Rheinsberg
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Bronzenes Messer


Beitrag26.10.2008 16:24

von Rheinsberg
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Nicht mehr zeitgemäß? Wer bestimmt das? Muss jeder sich an den Massengeschmack halten? Gerade Literatur lebt davon, dass sie nicht uniform und zeitgeistangepasst sein muss - das wäre der Tod des Fortschritts.

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Cally
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Beitrag26.10.2008 16:25

von Cally
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Kowalski, ich kann dich beruhigen. "Strange Fantasy" ist ein Ausnahmefall. Normalerweise schreibe ich anders, du musst mich also nicht missionieren Razz Trotzdem mag ich die Geschichte. Nicht, weil ich mir erhoffe, möglichst viele Leser damit zu erreichen und erst recht nicht, weil ich mir davon finanziellen Erfolg verspreche. Es macht mir schlicht Spass, daran zu schreiben. Dies halte ich für die Hauptsache, obschon mich sehr interessiert, was andere davon halten. Diese Meinung hast du kundgetan und ich nehme es dir überhaupt nicht übel. Nix also mit Feindseligkeiten.

Folgendes aber verstehe ich nicht:
Kowalski hat Folgendes geschrieben:
[…] sie jetzt in einem Weg zu bestärken, der in der Form ziemlich sicher zu nichts führen wird […]

Was heisst "zu nichts führen"? Wohin muss ein Text führen, sodass es sich lohnt, ihn zu verfassen?
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Kowalski
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Beitrag26.10.2008 16:39

von Kowalski
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Nicht mehr zeitgemäß? Wer bestimmt das?
Die Erwartungen und die Nachfrage der Leser bestimmen; nicht was geschrieben wird, das ist richtig, aber was gedruckt und in den Läden steht.

Genauso wie kaum noch Schwarzweißfilme produziert werden, auch keine Stummfilme,  gab und gibt es auch in der Literatur Veränderung. Das schmälert nicht den Wert von klassischer Literatur, genauso wie keiner hergehen würde und einen Stummfilm kritisieren würde, eben weil er stumm ist - aber nur noch in Ausnahmefällen wird man sich damit heute noch Publikum erschließen. Und wenn, dann ist dieses Publikum extrem kritisch. Das ist nur eine realistische Betrachtung der Situation, ich habe das nicht wertend gemeint.

Was heisst "zu nichts führen"? Wohin muss ein Text führen, sodass es sich lohnt, ihn zu verfassen?
Das war in der Annahme verfasst, der mir nahe liegenden, dass du das Buch mit dem Ziel der Veröffentlichung schreibst. Deine Erklärung relativiert das natürlich und es sei dir auch unbenommen, dieses Buch aus welchen anderen Gründen auch immer zu schreiben.

Wäre das Eingangs schon deutlich geworden, hätte ich auch gar nichts kritisiert. Es hätte aber auch sein können, dass du dir nicht bewusst gewesen wärst, dass du damit an der Zeit vorbei schreibst und am Ende dann eine böse Überraschung erlebst - das wollte ich dir nur ersparen.
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Cally
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Beitrag26.10.2008 18:15

von Cally
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Kowalski hat Folgendes geschrieben:
Wäre das Eingangs schon deutlich geworden, hätte ich auch gar nichts kritisiert.

Wirklich nicht? Denn deine Kritik habe ich nicht nur als eine auf den Erfolg bezogene verstanden. Dass du den ersten Ausschnitt nicht packend findest, ist eine persönliche Meinung, die doch überhaupt nichts damit zu tun hat, ob sich das Buch in einem Geschäft verkaufen würde.

Deshalb interessiert mich dein Feedback und das anderer Leser durchaus. Wenn es das nicht tun würde, dann hätte ich mir das alles hier auch ersparen können. Zum Beispiel hat es mich ziemlich überrascht, dass du den Stil als nicht zeitgemäss betrachtest.
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Kowalski
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Beitrag26.10.2008 18:53

von Kowalski
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Cally hat Folgendes geschrieben:
Wirklich nicht? Denn deine Kritik habe ich nicht nur als eine auf den Erfolg bezogene verstanden.


Ja, nur um dir zu sagen, dass ich die Form nicht passend finde - wenn du geschrieben hättest, dass du sie wissentlich benutzt - dazu hätte mich nichts veranlasst.

Cally hat Folgendes geschrieben:
Dass du den ersten Ausschnitt nicht packend findest, ist eine persönliche Meinung, die doch überhaupt nichts damit zu tun hat, ob sich das Buch in einem Geschäft verkaufen würde.


Natürlich ist meine Einschätzung nicht maßgebend, darum habe ich auch  gesagt, dass ich es nicht kaufen würde und habe die Gründe in meiner Kritik offen gelegt. Allerdings hat es indirekt schon etwas damit zu tun, denn wenn ich es nicht kaufe, dann falle ich und alle anderen, die das auch so sehen, schon einmal raus.

Ich finde das auch deshalb nur relevant, weil du eben von einem Buch geschrieben hast und soviel Zeit investiert hast.

Cally hat Folgendes geschrieben:
Deshalb interessiert mich dein Feedback und das anderer Leser durchaus. Wenn es das nicht tun würde, dann hätte ich mir das alles hier auch ersparen können. Zum Beispiel hat es mich ziemlich überrascht, dass du den Stil als nicht zeitgemäss betrachtest.


Ich denke das Beste ist abzuwarten, was andere noch dazu schreiben werden, vielleicht vertrete ich auch eine Meinung die sonst keiner teilt.
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Hoody
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Beitrag26.10.2008 21:26

von Hoody
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Hallo Cally Very Happy
ch muss sagen mir gefällt der Text. Und hoffentlich postest du noch mehr, bin neugierig wie es weitergeht.
Aber einen mackel (schreibt man das so...) habe ich gefunden, besser gesagt habe ich so empfunden.
Annie ist die Hauptperson. Aber irgendwie, ich weiß nicht, ich fühle mich nicht richtig wie sie. Nur manchmal schreibst du was sie denkt. Aber was riecht sie, vielleicht auch ein bisschen genauer den Ort beschreiben und mehr auf Annie eingehen. Sie ist ne interessante Persönlichkeit, vernarbte Wange usw. Also bisschen genauer schildern und versuchen so zu schreiben das ich denke ich wäre Annie. Das ich denke ich wäre eine Frau Embarassed  Das ich denke, ich würde am liebsten diese Laura erschießen. Weil das habe ich jezt echt nicht gefühlt.(das mit den wasser holen usw hat mich an diese neue Soap auf Sat1 erinnert, Anna und die liebe, oder so) Außer es ist so beabsichtigt dann kannste es lassen =))

So und jetzt zur der kleinen Diskussion.
Nehmen wir mal an du würdest das Buch verlegen lassen, ich würds kaufen. es gef´ällt mir sehr gut Very Happy

Zitat:
Allerdings hat es indirekt schon etwas damit zu tun, denn wenn ich es nicht kaufe, dann falle ich und alle anderen, die das auch so sehen, schon einmal raus.


Ist das aber nicht bei jeder Geschichte/Buch. Man kann es nie allen Recht machen. Es gibt immer Leute denen etwas nicht passt.
Zum Beispiel du würdest es nicht kaufen.
Ich schon.
Und Rheinsberg vielleicht.
drei geteilte Meinungen =P...

Naja, egalo. Mir hats gut gefallen und ich würde es weiterlesen.
lg Jarda Very Happy


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Cally
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Beitrag26.10.2008 23:03

von Cally
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Ich danke dir für die netten Worte, Jarda.

Jarda hat Folgendes geschrieben:
Annie ist die Hauptperson.

Annie ist nicht die Hauptperson. (Eigentlich sollte das ja Hauptfigur heissen, aber seien wir mal nicht pingelig.) Der erste Ausschnitt mag diesen Eindruck vermitteln, aber dem ist nicht so. In "Strange Fantasy" ist das Kollektiv wichtig. Man wird sich nie in eine der Figuren explizit hinein versetzt fühlen, weil die Perspektive stets wechselt und so nie einen Schwerpunkt setzt. Das führt unweigerlich zu dem, was Kowalski bemängelt hat. Dazu nämlich, dass der Leser keinen Zugang findet, sich selbst nicht als aktiv Involvierter, sondern als passiver Beobachter sieht. Das muss nicht schlecht sein, sage ich, obwohl mir da wahrscheinlich vehement widersprochen werden wird.

Jarda hat Folgendes geschrieben:
[…] hat mich an diese neue Soap auf Sat1 erinnert […]

Ich habe mir noch nie Soaps angesehen, von daher kann ich ohne schlechtes Gewissen von mir behaupten, nicht billig abgekupfert zu haben wink Aber der Vergleich an sich hat was, den Begriff literarische Seifenoper würde ich ohne zu Zögern auf meinen Text anwenden.

EDIT zu etwas, das mir im Nachhinein aufgefallen ist:

Kowalski hat Folgendes geschrieben:
Ich kritisiere nicht den Inhalt, soweit bin ich auch nicht gekommen - das ist einzig eine Kritik an der Form.

Dann bist du tatsächlich gut damit beraten, gleich aufzuhören. Der Inhalt nämlich ordnet sich der Form unter, nicht umgekehrt. Inhaltlich wirst du nichts Tiefgründiges finden, keine Moral, keine Botschaft, nichts. Hier geht es mir vorwiegend um das Erzählen, böse ausgedrückt: das Palavern.
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Cally
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Beitrag28.10.2008 18:42

von Cally
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Auf Jardas Wunsch hin poste ich hier nun die Fortsetzung. Hoffentlich kann wenigstens er sich daran erfreuen wink

[Zwischen dem ersten und zweiten Teil denke man sich eine Trennlinie, bevor man weiterliest]

Zweites Drittel von Kapitel 1

Die Poesie sollte die Welt verschönern und verändern, doch letzten Endes ist sie kaum mächtiger als das Summen einer Eintagsfliege. Keine Sau interessiert sich für das Leben von Künstlern, doch wenn irgend ein gestörter Diktator die Macht ergreift, sind sie die ersten, die sterben. Nur wenn sie zum Zeitpunkt ihres Todes bemerkenswert jung oder schön sind, dann werden sie zu Legenden.

Genau daran hatte Simone Krawus gedacht, bevor sie ihre Wohnung verlassen, die Tür verriegelt und sich auf eine möglichst hohen Brücke über einem möglichst reissenden Fluss gestellt hat. Um der Dramatik Willen wehte eine zaghafter, kalter Wind und brachte ihre pechschwarzen Haare zum Wehen. Simone hätte sich ja schon einen Tag früher umgebracht, doch gestern war die Nacht schwül und wolkenleer gewesen – keine gute Szenerie für einen Suizid. Der Regen wollte sich nicht mit Simones Sinn für Romantik anlegen, und so begann er zu fallen. Die zaghaften Tropfen aus dem Himmel hatten keine Chance gegen die wilden Wasserpartikel des Flusses und wurden gnadenlos verschluckt.

Simone Krawus hielt sich für hässlich. Ihr einziger Weg zur Legende war der Tod. Sie wollte sterben, weil sie jung sterben wollte. Ihre Gedichte lagen auf dem Schreibtisch. Die Chance, dass ein Kunstkritiker sie finden würde, stand recht hoch. Zumal sie um die hundert von ihnen angerufen hatte. Ein schüchternes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie sich an der Brüstung hoch zog.

Die junge Frau mit Hang zur Melancholie wäre mit Sicherheit ertrunken, wäre nicht zufällig an der selben Stelle und zur selben Zeit ein heiteres Mädchen namens Beatrice Peeks Spazieren gegangen. Beatrice sah zwar nicht direkt wie ein Hippie aus, doch im Vergleich mit der dunkel gekleideten Simone wirkte sie wie das menschliche Pendant eines exotischen Papageis; in ihren braunen Haaren steckten Spangen und Schleifen wie bunte Kugeln an einem Weihnachtsbaum. Ihre Kleiderwahl war absichtlich so schrill und unpassend wie möglich ausgefallen. Beatrice war ein bekennender Fan von Komplementärkontrasten.

Das Seltsamste und Schönste an Beatrice war jedoch die Gitarre, die sie über ihre Schulter geschnallt hatte. Das Instrument war beschmiert mit der infantilen Zeichnung einer Berglandschaft. Simone fragte sich, ob die Unbekannte das verbrochen hatte, oder ob die Gitarre einem Vierjährigen mit Fingerfarben in die Hände gefallen war. Beatrice spielte unermüdlich die selbe, langweilige Akkordabfolge, doch es lag so viel Hingabe in der Bewegung ihrer Finger, dass Simone nicht darum herum kam, gerührt zu sein – wie bereits erwähnt, sie war eine Romantikerin. Also stieg die Schwarzhaarige von der Brüstung und sah die Unbekannte verwundert an. Sie konnte doch nicht aus dem Leben scheiden, ohne zu wissen, was diese Verrückte mitten in der Nacht ausgerechnet hier tat.

Eine Weile lang betrachtete Simone, wie die Kleine herumhüpfte, sang und zupfte. Beatrice verbeugte sich vor einem imaginären Publikum. «Was tust du da eigentlich?», fragte Simone schliesslich. Beatrice schreckte hoch und kniff die Augen zusammen, als wäre ihr die selbstmordgefährdete Dame erst jetzt aufgefallen.

«I'm singing in the rain!», erwiderte Beatrice in einer grauenhaft schrägen Melodie. Sie lächelte ein Lächeln, das selbst den härtesten Gletscher erweicht hätte. «Do you speak English?» erkundigte sich Simone unsicher.

«Pardon?», sagte Beatrice beiläufig. Einer ihrer unsichtbaren Fans überreichte ihr soeben eine rote Rose. Die Braunhaarige bedankte sich und unterschrieb eine gedachte Autogrammkarte. «Est-ce que vous parlez française?», fragte Simone verzweifelt. Wenn die Fremde nun «¿Cómo dice?» gesagt hätte, wäre ihr der Geduldsfaden endgültig gerissen, doch dankenswerterweise blieb es bei einem simplen «Wie bitte?»

«Nichts», flüsterte Simone vollkommen perplex. Sie war noch nie gut darin gewesen, zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen, doch es war ein Armutszeugnis, nicht einmal mit einer ganz normalen Verrückten ein sinnvolles Gespräch führen zu können. Simone wusste mittlerweile zwei Dinge über Beatrice Peeks. Erstens; sie war nervig. Zweitens; sie hatte nicht mehr alle Dornen an der Rose. Doch während sie so in ihr gutmütiges Gesicht blickte, gesellte sich ein dritter Punkt zu den anderen beiden; sie war eigentlich ganz niedlich.

Beatrices Wesen hätte Simone an sich selbst erinnert, wäre sie nicht um ein Vielfaches depressiver, introvertierter und intelligenter gewesen. Sie wusste, was sie von der Welt zu erwarten hatte. Nämlich nichts.

«Spielst du ein Instrument, Schwarzschopf?» Die Verrückte torkelte mit ausgestreckten Armen auf Simone zu, die nicht anders konnte, als Beatrice mit einem Zombie in Hippie-Kluft zu vergleichen. Wie jeder vernünftige Mensch, der einen Zombie in Hippie-Kluft sieht, wich Simone zurück. Sie drückte sich gegen die Brüstung, als würde sie einem wilden Bären gegenüberstehen. In ihrem Kopf manifestierten sich die möglichen Schlagzeilen der morgigen Zeitungen: «Die grossartige Lyrikerin Simone Krawus wird von wild gewordenem 68er-Zombie zerfetzt», oder – schlichter, aber ebenso effektiv – «SIMONE KRAWUS TOT».

Simones irrwitzigen Wahnvorstellungen erstarben, als Beatrices Haut die ihre Berührte. Die Verrückte hatte mit ihren Händen liebevoll das Kinn der Schwarzhaarigen umfasst. Die Situation erinnerte Simone frappierend an eine klassische Filmszene. Und erneut lief ihre Fantasie Amok. Sie sah sich selbst und die Verrückte, wie sie sich küssten – zuerst an einem glasklaren Bergsee, dann auf dem stürmischen Mount Everest und zuletzt auf einer schaukelnden Wippe. Alle drei Szenen liessen Simones Herz einen übermütigen Hüpfer machen. Nicht etwa, weil sie sich in die Verrückte verliebt hatte, sondern weil sie sich seit ihrer Kindheit keinen Kuss mehr vorgestellt hatte. Und es war absurd und ermutigend zugleich, dass so schöne Gedanken kurz vor ihrem Selbstmordversuch Gestalt angenommen hatten.

«Ich hab mal Ukulele gespielt», flüsterte Simone vollkommen ausser sich.

«Ukululala», wiederholte Beatrice schwärmend, «Was für ein toller Name für ein Instrument. Möchtest du es mir zeigen?»

«Eigentlich hatte ich noch was vor», entgegnete sie unschlüssig.

«So, was denn?», drängte die Gitarristin. Sie sah aus wie ein kleines Mädchen, das von ihrer Mama wissen wollte, ob sie denn wirklich vom Storch auf die Welt gebracht worden war.

«Ich wollte mich umbringen», erwiderte Simone.

Auf Beatrices Stirn bildeten sich skeptische Falten. «Strange», nuschelte sie verwirrt, «Womit die Menschen ihre Zeit totschlagen.»

«Ich finde es eine sehr gute Beschäftigung», warf der Schwarzschopf ein.

«Unsinn!», meinte Beatrice, «Wenn du dich jetzt umbringen würdest, würdest du zahlreiche andere Chancen zum Selbstmord verpassen.»

«Was redest du da für einen Stuss?» Ungläubig schüttelte Simone den Kopf.

«Denk doch mal nach!», sagte die Verrückte, «Du kannst dich auch dann noch umbringen, wenn du wirklich stirbst.»

Ein seltsames Argument. Doch Simone Krawus würde darüber nachdenken müssen.
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Hoody
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Beitrag28.10.2008 20:55

von Hoody
Antworten mit Zitat

Hallo liebe Cally.
Mir fiel es diesmal schwer ein passenden Kommi abzugeben^^.
Der erste Text gefiel mir von der Spannung besser und ist auch das totale Gegenteil vom zweiten Text. Das macht das ganze so interessant.Aber der zweite hat auch etwas. Etwas ruhiges und interessantes, was einen zum Nachdenken zwingt.
Aber jetzt mal zum letzten Text.
Der Dialog mit Beatrice ist sehr interessant und besonders

Zitat:
Ich wollte mich umbringen», erwiderte Simone.

Auf Beatrices Stirn bildeten sich skeptische Falten. «Strange», nuschelte sie verwirrt, «Womit die Menschen ihre Zeit totschlagen.»

«Ich finde es eine sehr gute Beschäftigung», warf der Schwarzschopf ein.

«Unsinn!», meinte Beatrice, «Wenn du dich jetzt umbringen würdest, würdest du zahlreiche andere Chancen zum Selbstmord verpassen.»

«Was redest du da für einen Stuss?» Ungläubig schüttelte Simone den Kopf.

«Denk doch mal nach!», sagte die Verrückte, «Du kannst dich auch dann noch umbringen, wenn du wirklich stirbst.»


gefiel mir gut. Wie gesagt das hat mich als Leser auch zum überlegen gebracht´. Und ich hoffe du postest noch nummero drei des Kapitels.
Ist echt interessant was du da "zamschreibst"^^.

lg Jarda


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"Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen."
Konrad Adenauer
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Cally
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Alter: 33
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Wohnort: Schweiz


Beitrag30.10.2008 22:36

von Cally
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Jarda hat Folgendes geschrieben:
[…] ist auch das totale Gegenteil vom zweiten Text.

Interessant. So habe ich das beim Schreiben nämlich nicht empfunden. Doch was hat mein Gefühl schon für eine Bedeutung? Rolling Eyes Die von dir zitierte Stelle ist übrigens die, die ich innerhalb des ersten Kapitels am wenigsten mag. Sie passt irgendwie nicht zum restlichen Text, erscheint mir seltsam verkehrt.

Dir zuliebe schicke ich nun noch Episode III nach, danach ist vorerst Schluss mit "Strange Fantasy". Es gibt noch andere Geschichten zu erzählen, Geschichten, die vielleicht mehr Anklang finden werden.

[Trennlinie Nr.2]

Letztes Drittel von Kapitel 1

Die Wissenschaftler haben jeglichen Sinn fürs Schöne verloren. Verzweifelt klammern sie sich an die Kausalität und versuchen das Wesen des Lebens zu verstehen. Doch wenn irgendwann in den nächsten zehn Jahren die Ausserirdischen einfallen, werden uns unsere Tele- und Mikroskope auch nicht vor dem Tod bewahren können. Ein Professor in Neurobiologie stirbt ebenso sicher am Einschlag eines Kometen wie der dümmste Bettler in der dunkelsten Gasse der dreckigsten Stadt auf Erden.

Dies alles ging Evalie Marcallus durch den Kopf, als sie mit einem offiziell anmutenden Umschlag durch einen friedlichen Park schlenderte. In dem Umschlag befanden sich die Ergebnisse ihrer Abschlussprüfung, doch die hoch gewachsene Frau hatte bereits errechnet, wie sie abgeschnitten hatte; Sie war die beste Schülerin in der hunderteinundzwanzigjährigen Geschichte ihres Gymnasiums. Evalie hätte Physik studieren, sie hätte bahnbrechende Entdeckungen machen und dafür den Nobelpreis erhalten können. In der Zukunft wäre ihr Name neben denen von Marie Curie und Lise Meitner gestanden. Die Schwarzhaarige wäre unsterblich geworden, hätte sie sich nicht auf eine Parkbank gesetzt, die Testergebnisse zerrissen und in den überfüllten Mülleimer neben ihr geworfen.

An jenem kühlen Nachmittag schwor sie sich, niemals den Fuss in eine Universität zu setzen. Mit ihrer Entscheidung lenkte Evalie die Geschichte der Menschheit in eine völlig verkehrte Richtung, doch es war ihr scheissegal. Das, was sie jetzt wirklich brauchte, war eine Zigarette. Glücklicherweise war der alte Mann neben ihr ein gutmütiger Kettenraucher, was Evalie einen Glimmstängel umsonst und ein kostenloses Betätigen eines Feueranzünders einbrachte.

Zur selben Zeit, nur eine einzige Parkbank weiter östlich, nahm eine junge Frau namens Bridget Searm Platz. Das braunhaarige Mädchen wirkte wie ein Magnet auf die Blicke männlicher Passanten. Reihenweise traten maskuline Augäpfel aus ihren Höhlen, um die nicht unschönen Rundungen Bridgets fachmännisch zu inspizieren. Diejenigen, die von einer Partnerin begleitet wurden, verdienten sich mit ihrem Verhalten natürlich alle einen wohlgepflegten Tritt in die Weichteile.

Auf Evalies Stirn bildete sich eine pulsierende Ader – denn die Männer, die sich nicht gequält zwischen die Beine greifen mussten, schenkten der Schwarzhaarigen auf der benachbarten Bank entweder überhaupt keine Beachtung, oder aber einen mitleidigen, wenn nicht gar abfälligen Blick. Tatsächlich sah Evalie neben Bridget wie etwas aus, das sofort recycelt gehörte. Eigentlich interessierte sich Evalie nicht dafür, was andere von ihr hielten. Nur die Tatsache, dass ihre Mitmenschen dachten, ihre Meinungen hätte eine Bedeutung, brachte sie zur Weissglut.

So steif wie ein acht Tage alter Kräcker wandte Evalie ihren Kopf nach rechts. Bridget, die Quelle ihres Unmuts, leerte soeben ihre Umhängetasche. Zum Vorschein kamen zerknitterte Geldscheine, unzählige halb aufgebrauchte Labellos, glitzernde Ketten und Ringe, spitzenbesetzte Unterwäsche, CD-Hüllen mit dazugehörigem Inhalt, auf buntem Papier geschriebene Briefe, leere Bierdosen und ein Kuscheltier in Form eines dicken Elefanten. Nachdem sie all dies auf den roten Latten der Bank ausgebreitet hatte, fixierten sie mit ihren schwarz umrandeten Augen Evalies Zigarette.

«Hast du Feuer?», wollte sie wissen. Evalie legte ihren Kopf in den Nacken und gab sich dabei alle Mühe, so gelangweilt und unfreundlich wie möglich zu wirken. «Wofür?», fragte die ehemalige Schülerin. Ihre Stimme machte unmissverständlich klar, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt dafür war, sie nach Feuer zu fragen – beziehungsweise sie überhaupt anzusehen. «Wenn ich keins bekomme, wirst du es nie erfahren», antwortete Bridget. Ihre Lippen umspielten ein Grinsen, das Evalies Adrenalin in die Höhe trieb.

Mit einer verschwenderischen Portion Widerwille beugte sich Evalie zum alten Kettenraucher, der Bridget freundlich seinen Feueranzünder anbot. Diese nahm ihn dankend entgegen und legte ihre Habseligkeiten auf den Mülleimer zwischen ihr und Evalie. Bridget entfachte den Feueranzünder und hielt ihn wie eine Olympische Fackel in die kühle Höhe. Das Haargel, das Bridgets Frisur wie eine Schutzkapsel umgab, glänzte fröhlich im Licht des silbernen Anzünders.

Mittlerweile hatten sich auch einige weibliche Augenpaare auf Bridget gerichtet. Sogar der kurzsichtige Kettenraucher beugte sich unter enormen Kraftaufwand nach vorne, um nichts Wichtiges zu verpassen. Bridget hingegen musterte den Mülleimer, als wäre er der Schrein eines legendären Maya-Gottes. Mehrere Herzschläge verstrichen, bis Bridget den Feueranzünder schliesslich auf den Mülleimer fallen liess. Dessen Inhalt fing sofort Feuer; die Geldscheine verschrumpelten zu wertlosem Papier und die CDs und Ketten verbogen sich zu Formen, die moderne Künstler vor Freude hätten stöhnen lassen. Auch die Partikel von Evalies zerrissenen Notenspiegel lösten sich unwiderruflich in stinkenden Rauch auf.

Die Spaziergänger umschwärmten den Mülleimer wie Geier einen verhungernden Nomaden. In solchen Situationen machen sich tuschelnde Statisten immer gut, deswegen sollen die beiden angeregt murmelnden Hausfrauen unter der hohen Tanne nicht unerwähnt bleiben. Evalie achtete nicht auf die Menschenmenge, sondern starrte wie gebannt auf die Flamme, die sich tänzelnd in die Luft frass. Zwei vorwurfsvolle, pechschwarze Knopfaugen blickten sie an. Einen kurzen Moment lang verlor Evalie die Achtung vor ihrem eigenen Wohlbefinden. Dieser Moment, der kaum länger dauerte als der Flügelschlag eines Kolibris, reichte aus, um Evalies Hand nach vorne entgleiten zu lassen. Sie packte das Kuscheltier Bridgets und zog es aus dem Schrotthaufen, wobei sie sich die Finger verbrannte.

Jeder Mensch hat mehr Geheimnisse als das Universum Sterne, doch ein jeweils einziges dieser persönlichen Mysterien ist um ein Vielfaches peinlicher als alle anderen. Wenn dieses unangenehmste aller Geheimnisse je ans Licht käme, so würde sich dessen Besitzer wünschen, vor Scham wirklich im Boden zu versinken. Das grösste Geheimnis von Evalie Marcallus stand nun kurz vor seiner Enthüllung; die junge Frau vergötterte nämlich Stofftiere jeglicher Art. Dies war auch der Grund dafür, weswegen sie ihre makellose Hand für das Leben eines – jetzt nicht mehr flauschigen, sondern eher verkohlten – Elefanten geopfert hatte.

Erstaunt betrachtete Bridget die rauchende Linke Evalies. «Was sollte das denn?», wollte sie wissen. Anders als man es vielleicht erwarten würde, klang ihr Tonfall alles andere als anklagend. Im Gegenteil, sie war sogar froh, dass ihr Elefant (den sie übrigens heimlich «Stubsi» nannte) das Inferno überlebt hatte. Er erinnerte sie nämlich an eine Zeit, in der ihr Sabber die einzige unanständige Körperflüssigkeit an ihr gewesen war. Bridgets Pupillen hatten anscheinend eine retrospektive Verschwommenheit angenommen, was zumindest Evalies nachfolgenden Worte erklären würde.

«Du machst anscheinend gerade eine tief greifende Veränderung durch.»

«Das machen wir alle täglich, Süsse», erwiderte Bridget überraschend philosophisch «Nur sind diese Veränderungen selten so eindrucksvoll wie die hier.»
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