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Inmitten von Menschen, aber doch alleine.


 
 
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DerImigrant
Geschlecht:männlichWortedrechsler


Beiträge: 91



Beitrag07.10.2008 02:35
Inmitten von Menschen, aber doch alleine.
von DerImigrant
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Inmitten von Menschen, aber doch alleine, oder, wie schwer es in Deutschland ist ein Türke zu sein.


Es war spät Nahmittag. Erschöpft von der Arbeit fuhr ich die letzten Meter auf der Spielstraße unserer Siedlung entlang, nach Hause, bis ich einer Frau mit ihrem Hund an der Leine begegnete.

Sie und ihr Hund gingen schlendernd, mittig auf der Straße, sodass ich sie nicht überholen konnte. Ich zügelte mein Tempo und fuhr, mit der Hoffnung, dass sie mich bemerkte und auf die Fußgängerzone überwechselte, langsam hinter ihnen her.

Aber trotz Warten gingen sie weiter, ohne mich bemerkt zu haben. In den Moment, in dem ich mir überlegte, ob ich hupen sollte oder nicht, drehte sich die Besitzerin um und erschrack panikartig und mit ihr der Hund, wobei er anfing laut zu bellen.

Obwohl zwischen uns ein Abstand von mehr als zehn Metern lag, hatte meine Anwesenheit sie erschrocken. Ich hielt mich mit dem hupen zurück, da es eine Spielstraße war und ich vermeiden wollte, dass sie sich erschreken. Nun aber war es doch noch geschehen, ohne dass ich dazu mit beigetragen hatte.

Während der Hund außer Rand und Band anfing mein Auto zu attackieren, drehte ich die Scheibe des Autos runter und wollte mich für die ungewollte Überraschung entschuldigen, als plötzlich die Frau sich meinem Auto näherte, einen Tritt versetzte und zugleich schrie:

   Sch.. Ausländer, was glaubt ihr, wo ihr hier seit. Wir sind hier nicht in der Türkei, verpi.. euch wieder dorthin, woher ihr gekommen seit.“

Ich, meinerseits erschrocken und überrascht wusste nicht, was mir geschah, und schaute ratlos, abwechselnd die Frau und den Hund an. Ich schätze, dass sie so um die 30 Jahre alt war. Also erst das Licht der Welt erblickt haben musste, wo ich schon Zehn Jahre als jugendlicher auf den Baustellen arbeitete und brav meine Steuern zahlte.

Ich dachte:" Sie und der Hund scheinen nicht besonders gut gelaunt zu sein."

Während der Hund mit einem Mund voller Speichel mich anbellte, ergoss sich die Frau alle die ihr bekannten Türken-Schimpfwörter von der Seele.

Wörter, von denen ich einige schon kannte, aber auch welche die ich bis dahin nie gehört hatte. Wörter wie zum Beispiel:“ Kümmeltürke oder Kanake kannte ich schon, aber Wörter wie, „Eselreiter, Kameltreiber oder Hühner…., waren mir ganz neu. Die Frau schien, was Schimpfwörter anging, eine Fundgrube zu sein.

Erst, nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, und sie eine Pause einlegte presste ich, auch wenn nur Bruchweise, die ersten Wörter aus mir heraus:

- Entschuldigen sie, aber ist ihre Reaktion nicht bischen übertrieben, ich meine es gibt keine Veranlassung, dass sie mich derart beleidigen. Dazu haben sie kein Recht."

Verblüfft, dass ich sprechen konnte, sogar auf ihrer Ebene, trat sie einen Schritt zurück, verzerrte ihr Gesicht um die mehrfache und schrie mich nochmals dermaßen an, dass ich glaubte, dass sie jeden Augenblick, zusammen mit ihrem Hund, auf mich losgehen könnten.

- Was, sie unverschämter Halbaffe, sie wagen sich mir zu antworten? Ich habe es nicht nötig, von ihnen belehrt zu werden. Euch müsste man all samt in die Gaskammer stecken. Da gehört ihr nämlich hin. Das Ihr nicht fahren könnt ist doch unübersehbar. Haut doch ab, wenn ihr nicht fahren könnt, so was von unverschämt..“

Während sie mich anschrie und ich mit ruhiger Stimme versuchte sie zu beschwichtigen, hatten sich auch schon schaulustige Anwohner aus den Fenstern ihrer Häuser herausgelehnt und beobachteten den Vorfall.

Ich war ratlos, wie ich vorgehen sollte. Meiner Handlungsfreiheit waren grenzen gesetzt.

Zum Ersten hatte ich hier mit einer Frau zu tun und musste als Mann nachsichtiger als sonst sein, zum Zweiten hatte sie einen Wild gewordenen Hund an der Leine, den sie jeden Augenblick loslassen könnte und zu Letzt war ich der einzige Nichtdeutsche in der Siedlung.

- Hören sie, ich hatte nicht die Absicht sie zu erschrecken. Ich wohne gleich nebenan. Die Strecke fahre ich schon seit zwei Jahren, ohne dass sich bis heute jemand über mich beschwert, hätte. Ich meine, was sollte ich tun, außer zu warten, dass sie mich bemerken und netterweise vorbei lassen. Dafür, dass sie sie erschrocken haben kann ich nichts.

Sie aber wollte wohl von all dem nichts wissen, und unterbrach mich:

- Es ist mir, egal ob sie hier wohnen oder nicht, ihr seit doch Schuld daran das alles den bergab geht. Während ihr arbeitet, sind wir Deutsche auf das Amt angewiesen, das ist doch nicht mehr normal. Ich Sch…auf euch Dönerfresser. Hätte der Hit…gelebt währe das alles nicht passiert. Verbrennen sollte man euch, Allsamt eurer Sippschaft.

Während sie redete, versuchte ich zu verstehen, ob das alles wirklich geschah, oder ob ich vielleicht in einem bösen Traum lag, aus der ich schnell wieder raus musste. Ich drehte mich kurz um und sah Menschen aus ihrem Fenster kucken und war zu tiefst geschockt, dass niemand sich der Frau entgegenstellte.

In Gegenteil. Ich sah in ihren Gesichtern eine gewisse Schadenfreude, die mir Angst machte, als wollten sie sagen:“ es geschied euch recht. Was habt ihr auch hier zu suchen. Hier sind wir die Hausherren und ihr die Störenfriede.“

Auf einmal fühlte ich mich ganz alleine. Und das, obwohl ich schon seit 40 Jahren in Deutschland und zwei Jahren in dieser Siedlung lebte. Mir war klar geworden, dass jeder Versuch, die Frau zu beruhigen,  scheitern würde. Ich könnte noch so Redegewand sein, wie ich wollte. Aber die Anwohner, was war mit ihnen los? Warum kriegte keiner von ihnen ein Wort aus sich heraus und was noch wichtiger war, warum schauten sie zu, anstatt sich hinter ihren Gardinen zu verstecken und so zu tun als hätten sie uns nicht bemerkt? Das währe, in Gegensatz zu ihrer jetzigen Lage, doch anständiger gewesen. Als Letztes schaute ich mir nochmal den Hund an und dachte: „Du bist ein Hund und hast das Recht zu bellen, aber diese Menschen, was ist mit ihnen Los?“

Ich drehte die Scheibe meines Autos wieder zu und fuhr in Schrittempo weiter, nach Hause, das cirka in Hundert Meter Entfernung lag. Bis zu dem Tag, an dem meine Familie und ich aus der Siedlung auszogen, begleitete mich der Gedanke und die Angst, ob nicht irgend jemand in der Nacht,  heimlich Meine Wohnung anzünden könnte, mit dem Wissen, dass die meisten der Anwohner doch friedlich waren und sich um nichts kümmerten.

Wie durch ein Zufall kam in der selben Abend eine Sendung im Fernsehen, wo ein Politiker forderte, dass das Ausländerrecht in Deutschland verschärft werden müsste und die Jenigen die sich nicht integrieren wollen das Land verlassen sollten, zumindest sie zur Intergration gezwungen werden müssten.
Ich lächelte traurig, schaltete das Ferseher aus und ging schlafen.

DerImigrant



_________________
Ein Maler soll malen, was er in sich sieht, nicht was er vor sich sieht. (Caspar David Friedrich)
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Der Verständige ist wie des Gewürzhändlers Tafel, stillschweigend seine Trefflichkeiten vor Augen stellend; der Unverständige ist wie eine Kriegstrommel, laut tönend, im Innern leer, mit eitlem Getöse.(Saadi, zwischen 1209 und 1213 - 1292)
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caro
Gänsefüßchen
C


Beiträge: 18



C
Beitrag07.10.2008 10:27

von caro
Antworten mit Zitat

Hallo Imigrant,

Deine Geschichte hat mich gerade sehr berührt oder besser gesagt vom Hocker gehaun. Zum ersten Mal las ich SOFORT eine lange Geschichte durch, wurde auf Dich aufmerksam. Nun habe ich auch anderes von Dir gelesen, wobei mir der „Abschied“ besonders gefällt. Du hast einen fesselnden Schreibstil, der Text liest sich so flüssig, sodaß man die kleinen Rechtschreib- und Grammatikfehler glatt überliest (und ich warte auf die Fortsetzung von „Abschied“).

Sind wir Deutschen wirklich so ? Gibt es in jedem Land Menschen, mit denen man besser nicht in Kontakt kommen möchte ???

Schreib bitte unbedingt weiter ! Bin gespannt auf mehr !

Liebe Grüße Carola
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Nina
Geschlecht:weiblichDichterin


Beiträge: 4998
Wohnort: Berlin


Beitrag07.10.2008 10:52

von Nina
Antworten mit Zitat

Lieber Immigrant,

schön Dich zu lesen! Deine Texte, wie immer, ein Hochgenuß.
Ein Berührt-Werden. Schön, - wenn auch diese Geschichte traurig ist.
So ein Erlebnis hätte mich auch seltsam berührt und irritiert zurück
gelassen. Ich hoffe, Du fühlst Dich (wieder) wohl.

LG
Nina


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DerImigrant
Geschlecht:männlichWortedrechsler


Beiträge: 91



Beitrag08.10.2008 17:13

von DerImigrant
pdf-Datei Antworten mit Zitat

caro hat Folgendes geschrieben:
Hallo Imigrant,

Deine Geschichte hat mich gerade sehr berührt oder besser gesagt vom Hocker gehaun. Zum ersten Mal las ich SOFORT eine lange Geschichte durch, wurde auf Dich aufmerksam. Nun habe ich auch anderes von Dir gelesen, wobei mir der „Abschied“ besonders gefällt. Du hast einen fesselnden Schreibstil, der Text liest sich so flüssig, sodaß man die kleinen Rechtschreib- und Grammatikfehler glatt überliest (und ich warte auf die Fortsetzung von „Abschied“).

Sind wir Deutschen wirklich so ? Gibt es in jedem Land Menschen, mit denen man besser nicht in Kontakt kommen möchte ???

Schreib bitte unbedingt weiter ! Bin gespannt auf mehr !

Liebe Grüße Carola


Hallo Carola

Es freut mich das dir meine Texte gefallen. Bekanntlich hört man das immer gerne. Solche Feedbacks spornen einen an.

Nein, aus Erfahrung kann ich sagen, dass Gott sei Dank nicht alle Deutschen so sind. Aber ich glaube das viele gegen Rassismus anfällig sind. Ich glaube, dass es auch ein bisschen mit der deutschen Mentalität zu tun hat.

Letztendlich gibt es in jeder Kultur Menschen, die eine Neigung für Rassismus haben, nicht nur in der deutschen Gesellschaft.

Wir, die Immigranten, sind verständlicher weise gegen Rassismus sehr empfindlich und haben mit der Zeit einen Sinn dafür entwickelt solche Leute zu erkennen. Wir sind nicht froh darüber, jedoch ist doch von vorteilen. Ich werde mich bemühen weiterhin Texte hier in Forum zu veröffendlichen, kann es aber nicht versprechen.

lg güven


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DerImigrant
Geschlecht:männlichWortedrechsler


Beiträge: 91



Beitrag08.10.2008 17:18

von DerImigrant
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Nina hat Folgendes geschrieben:
Lieber Immigrant,

schön Dich zu lesen! Deine Texte, wie immer, ein Hochgenuß.
Ein Berührt-Werden. Schön, - wenn auch diese Geschichte traurig ist.
So ein Erlebnis hätte mich auch seltsam berührt und irritiert zurück
gelassen. Ich hoffe, Du fühlst Dich (wieder) wohl.

LG
Nina


Hallo Nina

Danke für deinen Kommentar.
In Gegenteil, es ist ein Genuß euch als Leser haben zu dürfen.

Dieser Vorfall ist vor ca vier jahren passiert. Trotz der langen Zeit bekomme ich, bei Erinnern, immer noch Gänsehaut. Solche Dinge kann man eben nicht einfach wegstecken. Es haftet an einam sein ganzez Leben Lang.

lg güven


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