Immer wieder ein sicherer Rückzugsort - macht das Sinn?

[Boycott-Nestle]

Hallo Community,

in meinem aktuellen Romanprojekt strandet eine Familie nach einer Autopanne in Albanien. Der Protagonist wird aufgrund eines Fluches von seiner Familie isoliert und schlägt sich allein durch. Er findet zwar Hilfe aber das spielt für meine Frage keine Rolle, und zwar:

Der Protagonist macht Erkundungstouren durch das Dorf, auch mal bei Nacht, es ist teils gefährlich und es wird viel riskiert. Dann jedoch kann er immer wieder in die sichere Unterkunft zurückkehren. Tut das der Spannung einen Abbruch?
Ich habe auch mal gehört, so ein auf und ab aus mitfiebern und Sicherheit ist gar nicht so schlecht. Oder sollte ich dem Protagonisten ab einem gewissen Punkt in der Geschichte lieber den Zufluchtsort verwehren oder anderweitig madig machen?

[Tetz]

Deine Geschichte braucht auf jeden Fall einen Höhepunkt (normalerweise kurz vorm Ende des Buches), einen Punkt an dem die Spannung am höchsten Punkt angekommen ist. Das ist normalerweise der Punkt, an dem der Held an seinem tiefsten Punkt angekommen ist und es keinen Ausweg mehr zu geben scheint.
In dem speziellen Fall würde ich sagen, irgendwann muss die sichere Zuflucht vermutlich weg oder unerreichbar sein. Aber da ich deine Geschichte noch nicht gelesen habe, kann ich jetzt noch nicht sagen, ob es da auch anders klappen könnte.

[Taranisa]

Ich stimme Tetz zu. Es steigert ja auch die Spannung, ob der (vermeintlich) sichere Zufluchtsort nicht irgendwann entdeckt wird. Er fühlt sich z.B. beobachtet, bemerkt Veränderungen bei seiner Rückkehr dorthin ...

[Thomas74]

In deinem Fall stört es den Handlungsablauf nicht, zumindest laut dem, was ich bis jetzt davon mitbekommen habe.

[Dyrnberg]

Stört mich als Leser überhaupt nicht, im Gegenteil: Ist doch schön, wenn sich auf Abenteuersequenz so etwas wie Nachdenken, Austausch, Sicherheit und Behaglichkeit ausbreitet. Man denke an Herr der Ringe. Oder an zig Zombie-Erzählungen. Da gibt es auch meist einen Safe spot. Funktioniert für mich, solange die Motivation klar ist, warum die Hauptfigur diesen wieder verlässt, statt einfach nur Couch und Netflix. ; )

Und wie angemerkt: Sollte dieser safe spot im Laufe der Geschichte verloren gehen, erhöht das fast automatisch die Spannung.

[Araragi]

Am liebsten lese ich Geschichten, die das auf und ab der Spannung in unregelmäßigem Abstand halten. Dadurch ist es schwer vorherzusagen, wann die Geschichte wieder richtig Fahrt aufnimmt. Wäre die Geschichte jedoch durchgehend von Gefahren gesät, kann es schnell monoton werden und man bekommt als Leser das Gefühl, dass dem Prota ohnehin nichts geschehen kann.

Was den Höhepunkt der Geschichte angeht, kann dieser auch sehr gut in der Mitte stattfinden. Dadurch hat man etwas mehr Zeit, die Folgen der Katastrophe anschaulich zu beschreiben und die Konsequenzen, die die Charaktere davontragen. Allerdings ist mir dabei aufgefallen, dass der Höhepunkt am Ende der Geschichte, dann meistens ein wenig flacher ausfällt, was vielleicht nicht jedem zusagt.

[Boycott-Nestle]

Ok das heißt grundsätzlich haben die meisten hier kein Problem damit. Ich find es ja auch irgendwie cool so, wie der Schlafsaal der griffindors…
Ich hatte mir auch schon überlegt, den Rückzugsort am Ende wegfallen zu lassen. Ich habe nur noch ein bisschen Handlung für die er notwendig ist. Mal sehen was am Ende rauskommt.

[Thomas74]

[Araragi]

[Pickman]

[Willebroer]

Der Weg ist das Ziel. Den kann man trotz allem mit Hindernissen versehen.

Aber auch der Leser braucht mal eine entspannte Phase. Das Prinzip findet sich in vielen Erfolgstiteln (wird nur oft übersehen) - auch als Reihe von Ruhepunkten bei der Heldenreise, wo oft neue Erkenntisse gewonnen bzw. neue Infos oder Entscheidungen überdacht werden.

Interessantes Beispiel ist dieses Blockhaus in der "Schatzinsel", das erst ein Zufluchtsort ist und dann wieder bedroht wird, dann plötzlich in der Hand der Feinde ist (und Jim Hawkins tappt in die Falle)...

Orte können genauso wichtig sein (und genauso ambivalent) wie Personen.

[Kritzel_Katze]

Ich liebe ruhigere Momente in Büchern, also unbedingt mit einbauen. Es kann nicht immer nur Action geben

Bei mir gibt es da zwei Arten. Manchmal ist ein Charakter alleine und denkt nach, läuft vielleicht durch eben diesen Rückzugsort und rekapituliert. Das andere sind ruhige Dialoge, die auch gut sein können. Ich finde, nicht alles muss immer 100 % der Handlung dienen, aber so werden unter anderem Charaktere verfestigt und ausgebaut, vor allem auch Beziehungen zwischen Figuren.

Meine Krimis spielen in Japan, da sind zum Beispiel Schreine oder Tempel sehr passende Schauplätze für so etwas. Gibt geografischen und kulturellen Kontext, lässt den Charakter runterkommen und ist ein geheiligter Ort, also sollte außerdem eines Kriminalfalls stehen.

[Jinxed]

Ich sehe es ähnlich wie KritzelKatze. Ich finde, Figuren brauchen Zeit, um eine Entwicklung zu zeigen. Klar können sie auch in einem dramatischen Actionmoment über sich hinauswachsen, aber Dinge durchdenken und reflektieren gehört meiner Meinung nach auch unbedingt dazu, und das geht nur in ruhigeren Momenten. Gleiches gilt, wenn Figuren Beziehungen zueinander aufbauen sollen. Dafür braucht es auch ein paar ruhigere Szenen mit entsprechenden Dialogen.
Was allerdings nicht heißt, dass ich es nicht cool fände, wenn der sichere Rückzugsort für den dramatischen Höhepunkt der Geschichte, dann irgendwann plötzlich nicht mehr erreichbar ist ... ;o)

[Rodge]

Die Frage wäre auch, wer denn weiß, dass es sich um einen sicheren Ort handelt. Dir als Autor ist es klar, aber dem Leser musst du das ja nicht offenlegen.

Auch wenn es schwer ist, eine Geschichte aufgrund einiger Zeilen zu beurteilen, so kann ich mir doch gut vorstellen, dass sich daraus eine spannende Geschichte ergibt.

[Boycott-Nestle]

Ok. Ja das stimmt, niemand kann wissen dass der Ort auch sicher bleibt. Auch wenn ich finde, er hat wirklich so einen Unangreifbar-Flair wie der Schlafsaal der Griffindors.
Aber die Geschichte ist weiter vorangeschritten und der sichere Rückzugsort wurde trotz alledem von den 'Bösen' in Beschlag genommen.
Es passt natürlich trotzdem zur Geschichte, würde ich zumindest sagen.