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Der alte Mann


 
 
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Huntress
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 34
Beiträge: 22



Beitrag07.12.2022 13:10
Der alte Mann
von Huntress
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo zusammen , dies ist meine abgelehnte Kurzgeschichte für die Mitternachtausschreibung.
Mich würde eure Meinung dazu interessieren, damit ich weiß, woran ich arbeiten sollte.
Danke im Voraus für alle, die sich die Zeit nehmen sie zu lesen und ein noch größeres Dankeschön für jegliche Kritik.  

Der alte Mann

Es war Freitagabend und ich hatte Wochenende. Endlich.
Mein Tag war eine einzige, scheinbar nur für mich erdachte Tortur gewesen.
Erst gab es Schwierigkeiten mit einem meiner Kunden, dann türmte mir mein Chef kurz vor Schluss noch einen Aktenberg auf den Schreibtisch. Mit süffisanten Grinsen und der Aufforderung, sie „nur noch  schnell durch zu sehen“.
Natürlich Chef, für sie doch immer. Ob ich etwas vor hätte heute Abend? Nein, ich doch nicht.
Wütend auf mich selbst, trat ich in die Pedale des Herrenrades.
Es stimmte, ich hatte tatsächlich nichts weiter vor. Außer vielleicht, wie so oft, in meine Stammkneipe zu gehen.
Nein, ich hatte keine Familie die auf mich wartete, nicht einmal ein Haustier. Aber muss man mich deswegen wie ein Mensch zweiter Klasse behandeln?
Ich hätte ihm meine Meinung sagen sollen! Die anderen in der Firma machten nie Überstunden, schon gar nicht an einem Freitag.
Die Straße hatte an dem Ende eine leichte Steigung und ich geriet, wie jedes Mal, aus der Puste. Hinter mir drängelte ein Auto und setzte immer wieder zum überholen an, obwohl reger Gegenverkehr herrschte.
Ja, dachte ich grimmig, dann kommst du heute eben auch nicht rechtzeitig nach Hause.
Atemlos bog ich in die Fußgängerzone ein und stieg von meinem treuen Drahtesel. Herbert, wie ich ihn im Stillen nannte. Und schob ihn mit der freudigen Aussicht auf eine kleine Mahlzeit und ein wohlverdientes Feierabendbier weiter.
Der verkehrsfreie Bereich erstreckt sich auf die gesamte Innenstadt. Kleine Läden reiten sich dort aneinander, niedlich in Szene gesetzt durch einzelne Hochbeete, Plastiken und Blumenampeln die an Mastleuchten hingen.
Mein Blick schweifte wohlwollend über die Auslagen der Geschäfte, an denen ich vorüberging. Bis aus den dunklen Scheiben eines Bekleidungsgeschäftes leblose Puppen geradezu vorwurfsvoll zurück starrten.
Wir haben auch Feierabend, schienen sie zu sagen, verschwinde!
Unwillkürlich zog ich meine Jacke enger. Puppen habe ich schon immer gruselig gefunden, je größer, desto schlimmer. Noch einmal warf ich einen Blick zurück, fast sicher, dass sie den Kopf drehen würde um mir nachzusehen.
»Ey man, pass doch auf!«
Je riss mich die wütende Stimme zurück in die reale Welt. Mit realen Problemen, die sich mir gerade in Form von drei Jugendlichen entgegenstellten.
»Alter hast du keine Augen im Kopf, oder was?«, schnauzte mich der hochgeschossene Kerl vor mir an.
Es war ein herausragendes Exemplar der Gattung Mensch, dass musste man schon sagen.
Breites Kreuz, top gestylt und so selbstgerecht, wie man es nur sein konnte, wenn einem das Leben noch keinen Knüppel zwischen die Beine geworfen hatte.
Ein kurzes, aber tiefes Gefühl von Neid stieg in mir auf, verwandelte sich aber sehr schnell in eine Mischung zwischen Angst und Wut.
 Offensichtlich hatte ich ihren Weg gekreuzt, anstatt auszuweichen. So etwas konnte heutzutage schon ausreichen, um verdroschen zu werden, dass wusste ich und deshalb sparte ich mir jegliches Kommentar über die paar Meter Ausweichraum rechts und links.
»Tschuldigung.«, murmelte ich und machte den Weg frei.
»Alte Leute, echt ey.«, höhnte einer seiner Freunde beim weitergehen. »Brauchen alle ne Brille.«
Ich hütete mich, etwas zu erwidern. Konnte es aber nicht sein lassen, ihnen einen wütenden Blick hinterher zu werfen.
Als ich dann noch sah, wie einer der Typen seine leere Kippenschachtel in die Blumen warf, hätte ich mir fast die Zunge abgebissen, um nicht laut hinterher zu brüllen.
Mit dem Kopf zwischen den Schultern und nicht mehr ganz so guter Laune, kam ich in meiner Stammkneipe an. Stimmengewirr und das hohe Gelächter einer Frau schallten mir entgegen.
Es war bereits spät und entsprechend voll war das Lokal und seine Gäste.
Durch das laute Gedrängel quetschte ich mich zu dem einzigen, freien Platz an der Theke. Nebenbei schaute ich mich nach bekannten Gesichtern um. Kein einziges zu war sehen, außer dem des Wirt natürlich.
»Moin Jan, magst du mir ein Pils und ne Currywurst machen.«
Jan, ein drahtiger fünfziger mit scharfen Gesichtszügen und unruhigen Augen, sah kurz von dem Zapfhahn auf, um mir zuzunicken.
»Moin Paul. Stressiger Tag?«
Wie leicht einem bei dieser Frage ums Herz werden kann. Und wie schwer es wieder wird, wenn der andere, wie so oft, gar keine Antwort hören will.
»Hier ist die Hölle los.«, fuhr Jan einfach fort. »Bea ist krank geworden und Nina kommt mit allem durcheinander.«
Er stellte mir das verlangte Bier vor die Nase und rieb sich die Hände an der Schürze.
»Essen dauert wohl ein bisschen.«, meinte er achselzuckend und machte sich daran, andere Bestellungen abzuarbeiten.
Ich klappte den Mund wieder zu und nippte stumm an meinem Glas. Viel gegessen hatte ich noch nicht und der Alkohol stieg mir bald zu Kopf.
Meine Finger und Fußspitzen kribbelten und der widerliche Mief menschlicher Ausdünstungen rückte zunehmend in den Hintergrund.
Müßig wanderten meine Blicke durch den vollen Schankraum. An einem großen Tisch an der Ecke, hatte sich eine Gruppe Jugendlicher breit gemacht. Sie sahen denen von der Straße ähnlich.
Natürlich waren sie es nicht. Aber ihre ganze Art und Weise. Der geleckte Kleidungsstiel, die blasierten Gesichter.
Mit düsterer Miene bestellte ich das nächste Pils und schaufelte mir, als das Essen kam, lustlos vorgeschnittene Wurststückchen in den Mund.
Alles schmeckte mit einem Mal fade. Immer wieder sah ich in die Richtung der gut gelaunten Partytruppe.
Hatten wir damals etwa auch so ausgesehen? Damals? Herrgott, so alt bin ich doch noch gar nicht, vierundvierzig gerade.
Das blonde Mädchen unter ihnen warf mit einem koketten Lachen ihre langen Haare zurück. Ein schönes Lachen. Ich beneidete den Kerl, der ihr mit einer stolzen Geste die Hand um die Schulter legte.
Ja ja, das ist deine. Für immer und ewig. Bis das der Tot euch scheidet, oder du ihr sagst, dass du keine Kinder willst. Meine Gedanken wanderten zu Nancy und wie so oft verfluchte ich mich.
Auch sie hatte so ein Lachen gehabt.
Wieder ertönte es hinter mir.
»Herrgott, kann die nicht mal leise sein.«, grummelte ich und nippte am Bier. Das wievielte? Keine Ahnung. Ein weiterer, wütender Blick  in Richtung der Truppe und mein Herzschlag setzte aus.
Puppen.
Entsetzt drehte ich mich wieder um und versuchte meinen Puls zu beruhigen. Blödsinn. Ich zitterte. Das war nicht echt, das Licht, der Alkohol. Meine schweißnassen Finger klammerten sich an das kühlende Glas. Ich schluckte. Einmal, zweimal.
Vorsichtig drehte ich mich wieder um und es war nichts mehr von diesen starren Gesichtern zu sehen. Diesen seelenlosen, toten Augen.
Der Abend war für mich beendet. Ich zahlte die Rechnung und drängelte mich dann wieder durch die Masse nach draußen, ohne noch einen Blick zurück zu riskieren.

Vor der Tür atmete ich langsam ein und aus. Lächelte wieder und schallt mich einen Narren.
Die Nacht war noch jung und ich wollte nicht nach Hause. Es war kühler geworden, aber der leichte Wind war angenehm auf der Haut.
Gemächlich schlenderte ich mit Herbert die nun ausgestorbene Straße hinunter, auf die große, schwarze Silhouette der alten Backsteinkirche zu.
Es lag Erregung in der Luft. Ja, die Dunkelheit hatte ihre eigenen Reize. Sie roch so süß nach der stickigen Kneipenluft und ich sog sie tief ein.
Man hörte in der Ferne ausgelassene Stimmen, einzelne Autos mit lauter Musik und in der tiefen Stille dazwischen das sanfte Rascheln der Blätter.
Früher hatte ich solche Nächte geliebt. Sie versprachen Abenteuer, wilde Liebe und wüste Gelage. Nun allerdings war der kleine Ausflug den ich vorhatte, am Friedhof vorbei und hinunter zum See, Abenteuer genug für mich.
Nur ein kurzer Spaziergang, dachte ich entschlossen, die Nacht gehört mir ja wohl genauso, wie den jungen Leuten.
Als ich an dem Parkplatz vor der Kirchwiese vorbeikam, sah ich die Hinterlassenschaften einer vor kurzem gefeierten Stehparty. Zerdrückte Bierdosen, Einwickelpapier von Fastfood Burgern, Zigarettenkippen.
Auf der hüfthohen Mauer, die das grüne Stück Erde von dem asphaltierten trennte, waren kleine Schnapsflaschen wie Soldaten aufgereiht.
Zum zweiten Mal an diesem Abend wurde ich richtig wütend auf unsere tolle Jugend.
Das es pubertierende Halbstarke gewesen waren, die diesen Müll hinterlassen hatten, da gab es für mich keinen Zweifel. Erwachsene tranken nicht in Gruppen auf Parkplätzen, das wäre ja albern.
Mit zusammengekniffen Augenbrauen und in ereifernden Gedanken versunken, schlug ich den Weg zu meiner Linken ein.
Das Licht der Straßenlaternen erreichte den kleinen Pfad nicht mehr, der hinter dem hoch aufragendem Haus Gottes verlief. Die Dunkelheit um mich herum wurde tiefer, bedrohlicher.
Als hätten die trutzigen Mauern das letzte aufflackern der Zivilisation geschluckt und nur die ursprüngliche, herrische Nacht zurückgelassen. Schatten in Schatten zeichnend, Laute verzehrend.
Doch ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um diese subtilen Veränderungen zu merken.
Den Weg hinter der Kirche kannte ich im Schlaf. Er führte in klarer Linie und gesäumt von alten Lindenbäumen über den Totenacker direkt zu der Seepromenade.
 Es war nichts besonderes mehr, darüber zu gehen. Alle in der Stadt nutzten diese Abkürzung und es war wohl auch so gewollt, denn die kleine Tür, neben dem hübsch verziertem, eisernem Tor, stand Tag und Nacht offen.
Herrgott, selbst ein Kindergarten grenzte an diesem Friedhof. Besser konnte man den Tot nicht in das Leben integrieren.
Deshalb beschlich mich die Angst auch erst, als ich stehen blieb, weil die Blase drückte. Mein treues Fahrrad, stellte ich an einen der Alleebäume. Streichelte beiläufig den Sattel.
Und war schon kurz davor, der Natur freien Lauf zu lassen, als mein Verstand endlich auch wahrnahmen, was die Augen sahen.
Die verwitterten Grabsteine um mich herum. Die vergilbten Blumenkränze, auf einem frischen Erdhügel, nur ein paar Meter von mir entfernt. Die vielen Kreuze.
Wie auf ein Stichwort, wurden meine restlichen Sinne scharf gestellt. Es war Still. Unheimlich still. Und ich war ganz alleine.
 Ein Knacken hinter mir, ließ mich erschrocken herumwirbeln. Ohne Frage ein drolliger Anblick, denn ich war ja gerade dabei gewesen, ein Geschäft zu verrichten. Lachte da nicht auch einer?
Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich den dunklen Weg in Richtung der Kirche hoch.
Da stand doch jemand? Hastig stopfte ich alles zurück, wo es hingehörte und stolperte fast über Herbert, als ich mit wackeligen Knien flüchten wollte.
»Scheiße!« Mit zitternden Händen richtete ich meinen Gefährten wieder auf und schwang mich dann in den Sattel. »Los, los los.«
Vor meinem innerem Auge, sah ich die Puppe aus dem Schaufenster da oben stehen, wie sie mit ausgestrecktem Zeigefinger in meine Richtung deutet. Sünder! Willst auf einem Friedhof urinieren!
Erst als ich atemlos und mit klopfendem Herzen am See angekommen war, machte ich halt.
»Du meine Güte, Herbert, alter Junge.«, keuchte ich und wischte mir mit meinem Arm den Schweiß von der Stirn. »Was für eine dumme Idee.«
Ich rollte weiter zu den zwei Parkbänken, die nahe dem Wasser standen und von denen man freie Sicht auf die große Seefläche hatte. Dort ließ ich mich mit einem erleichterten ächzen fallen.  
»Lebende Puppen, so etwas kindisches. Ha.«
Wie zur Antwort auf mein kurzatmiges Lachen, erscholl entfernt das Gelächter mehrerer Leute. Schnell hatte ich die Quelle in Form einer kleinen Gruppe ausgemacht, die an dem begradigten Ufer feierten. Übermütiges Kreischen und das planschen von Wasser drang zu mir herüber.
Nun, wo sich mein Puls allmählich beruhigte, hörte ich auch das nervige Wummern der mitgebrachten Musik.
»Also das ist doch...«, mir fehlten die Worte »Werd ich euch denn gar nicht mehr los!«
Offensichtlich hatte es sich die gesamte Stadtjugend zur Aufgabe gemacht, mir meinen Freitag zu verderben.
Mit dem tiefen Wunsch nach Rache in meinem Herzen, stand ich auf um in den See zu pinkeln, in dem diese Halbaffen so vergnügt badeten.
Entschlossen stampfte ich zu der gesäumten Kante.
»Das würde ich lassen, alter Knabe.«
Die Stimme war nicht laut, oder herrisch und so schreckte ich nicht wieder zusammen, sondern drehte mich nur erstaunt um. Auf der zweiten Bank, direkt neben meiner, saß ein Mann im Anzug.
Er hatte die Beine übereinandergelegt und der rechte Arm hing entspannt über der Rückenlehne.
Einen Moment starrte ich nur an. Niemand trägt einfach so mehr Anzüge. Die waren was für Feiern, die Arbeit, oder wenn man sonst wen beeindrucken musste.
Aber keiner trägt sie einfach so, da sah man in den besten Fällen deplatziert aus, oder man machte sich lächerlich.
Dieser Mann was weder das eine, noch das andere. Er sah so verdammt gelassen aus, als wäre dieser dunkel beige Dreiteiler mit Fliege und allem, das normalste der Welt.
Herrgott, der Kerl hatte sogar den passen Hut neben sich liegen.
Entschuldigen sie bitte, reden sie mit mir? »Hä?« Ja, es ist schrecklich, was Schock und Alkohol mit der Sprache machen können.
Mit einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte wiederholte er: »Das würde ich an ihrer Stelle lassen. Gehen sie in die Büsche. Sie ist schon wütend genug.«
Ohne ein weiteres Wort kam ich der Aufforderung nach, zumal es nun tatsächlich dringend wurde. Unter normalen Umständen, wäre ich davon ausgegangen, dass der Kerl mir nur mein Fahrrad stehlen wollte. Aber das ging in den Strudel anderer Gedanken völlig unter.
Wo war der Herr in Beige so plötzlich hergekommen? Lauerte er schon die ganze Zeit hinter den Bäumen, um sich dann im richtigen Moment lässig auf die Bank zu setzten und Tipps zu verteilen?
Und wer war sie? »Bestimmt ist der n Spinner.«, grummelte ich leise und mit einen nervösen Blick über die Schulter.
Aber eigentlich hatte ich mir solche immer anders vorgestellt. Ungepflegt und mit diesem irren Funkeln, von dem man so viel hört.
In der Hoffnung, dass der Kerl einfach gehen würde, bleib ich länger hinter dem üppigen Bewuchs, als ich gemusst hätte.
Irgendwann konnte ich es aber nicht mehr herauszögern, ohne mich weiter lächerlich zu machen und außerdem war ich inzwischen neugierig geworden.
Also zog ich mit einer endgültigen Geste den Reißverschluss zu und ging zurück zu Herbert und dem Anzugträger.
Dieser hatte seine Zeit genutzt und damit begonnen, sich eine Zigarette zu drehen. Natürlich.
Ich setzte mich auf meine Bank und versuchte nicht in seine Richtung zu blicken.
»Man sollte so etwas nie in einem See verrichten, wissen sie.« begann er ruhig, ohne von seiner Hände Arbeit aufzusehen. »Und vor allem nicht in der Nacht und unter gar keinen Umständen, wenn die Dame darin bereits so wütend ist, wie diese hier.«
Er beendete sein Werk und erhob sich geschmeidig. Zwei Schritte später, stand er vor mir. Seine ganze Art strahlte so viel Autorität und Selbstvertrauen aus, dass ich, als er mir eine der Zigaretten anbot, wie fremdgesteuert zugriff und mir von ihm Feuer geben ließ.
»Danke.«
Mit einem seufzen setzte er sich neben mich. »Dafür gibt es nichts zu danken, alter Knabe.«
Er steckte sich seine eigene an und schon bald umgab mich der würzige Geruch einer Rauchwolke.
Mechanisch zog ich an der Kippe, die er mir gegeben hatte. Es schmeckte ungewöhnlich stark nach Gewürzen, nicht wirklich wie Tabak, aber angenehm. Dabei hatte ich eigentlich aufhören wollen.
Eine Weile sagte niemand etwas. Am anderen Ufer fingen sie nun an zu singen, aber es waren gedämpfte Geräusche, die ich wie durch Watte hörte.
Erstaunlich klar war dagegen das leise plätschern des Wassers, wie es an die Steine schwappte. Das helle rascheln der Schilfrohre, als der  Wind sie gegeneinander rieb. Und noch etwas meinte ich zu hören.
Ein zischendes Atmen, als würde jemand in unmittelbarer Nähe vor Wut die Luft zwischen knirschenden Zähnen einsaugen. Ich schauderte unwillkürlich.
»Sehen sie sie.«, flüsterte mein Sitznachbar »Die armen Teufel werden nicht wissen, wie ihnen geschieht.«
Ich schluckte »Nein.«, meine Stimme klang ein klein wenig hysterisch »Wo denn, da ist doch nichts.«
Der Mann kicherte. Es war ein fast bösartiges Geräusch, dass mich frösteln ließ. Er streckte die Hand aus und deute auf einen Teppich aus Seerosen, die nahe dem Ufer wuchsen.
»Sie hat lange gebraucht um zu verstehen, dass es Müll ist, den ihr in den See werft. Keine Opfer, wie in alter Zeit.«
Angespannt sog ich den würzigen Rauch ein und drehte nervös die halb aufgerauchte Kippe zwischen den Fingern. Spähte immer wieder zu den großen grünen Blättern, die auf der tiefschwarzen Wasseroberfläche schwammen.
Wollte ich überhaupt sehen wovon er sprach?
Obwohl ich mir immer mehr wie ein dummer Junge vorkam, dem ein Streich gespielt wurde, beugte ich mich vor und blickte nun konzentrierter auf die gezeigte Stelle. Kniff die Augen zusammen und blinzelte. Einmal, zweimal.
Eine plötzliche Bewegung unter der Oberfläche ließ mich zurück zucken.
Da war ein Schatten, man spürte seine düstere Anwesenheit mehr, als das man ihn sah, aber er war da. Ein großer Schatten, der in dem See lauerte.
»Sehen sie.«, raunte es neben mir. »Das ist der Grund, warum man vorsichtig sein sollte, wenn man Nachts an diesem Gewässer ist.«
Meine Gedanken wirbelten durcheinander. Wenn da wirklich etwas gefährliches im Wasser war, musste ich die Gruppe drüben warnen, oder?
Aber eigentlich, dachte ich mit einer Aufwallung von Trotz, waren sie selber schuld wenn ihnen etwas passiert. Und sollten diese Vandalen ihren Abfall in den See geschmissen haben, war es vielleicht nur richtig, wenn sie dafür bestraft würden.
Ich spürte, dass mein Gesprächspartner  mich beobachtete und rutschte unbehaglich auf dem Eisengeflecht hin und her. Der Herr im Anzug wirkte nicht bedrohlich, viel mehr ging von ihm ein sanfter Tadel aus, der mich verunsicherte.
Vielleicht war es nur ein großer Fisch gewesen. Ganz sicher sogar.
Der Mann neben mir zog eine Taschenuhr aus seinem Jackett. »Es bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit alter Knabe.«
»Aber dort ist doch...« Nichts, wollte ich sagen, aber dass stimmte nicht mehr. Ganz langsam schob sich der perfekt geformte Kopf einer Frau aus dem Wasser.
Ich sog erschrocken die Luft ein. Ihr langes schwarzes Haar schwappte träge mit den Wellen um ihr herzförmiges Gesicht. Die Haut schimmerte wie gestohlenes Mondlicht und ihre vollen Lippen hatten das rot der halb geöffneten Knospen, die um sie schwammen.
Sie war wunderschön.
Doch dann sah ich mehr und zuckte zurück. Pure Mordlust loderte in den blutunterlaufenen Augen. Ihr Mund war wie bei einem knurrenden Hund verzogen und entblößte eine Reihe nadelspitzer Zähne.
Die Nixe blickte nicht in meine Richtung, sonst hätte ich wahrscheinlich Reißaus genommen. Sie fixierte die Gruppe Jugendlicher, die sich nichtsahnend in ihrem Revier vergnügten.
Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt.
Ganz kurz blitzte die Vision von einer jungen Frau durch meinen Kopf. Mit weit aufgerissenen Augen trieb sie im Schilf. Das Gesicht blass und leblos.
»Herrgott im Himmel.«, rief ich erschüttert und sprang auf. »Meine Güte sehen sie das?«
Der Mann im Anzug lehnte sich mit einem spöttischen Lächeln zurück.
»Was tun wir denn jetzt?« fragte ich hilflos und machte einen unsicheren Schritt in Richtung See. Hin und hergerissen sah ich hinüber zu den nächtlichen Badegästen
»Rüber stürmen und schreien, dass sie gleich von einer Märchengestalt aufgefressen werden? Die werden uns bestenfalls auslachen. «
Aufgewühlt zertrat ich den Stummel der Zigarette unter meinem Absatz.
»Wir könnte natürlich einfach hier bleiben, wahrscheinlich passiert eh nichts. Und wenn was passiert, war es ja nicht unsere Schuld, oder?«
Mein Magen zog sich zusammen, als ich sah, wie die gruselige Gestalt lautlos wieder abtauchte.
Die Zeit lief mir davon.
»Wieso gehen sie eigentlich nicht rüber, immerhin scheinen sie sich ja auszukennen.«
Ich drehte mich zu dem Mann um, aber er war verschwunden. Einfach so.
Mit einem weit hallendem Ton zerriss die Glocke der Kirche die tiefe Stille um mich herum. Schaudernd zählte ich die Schläge und sah dann auf meine Armbanduhr.
Es war Mitternacht.
Was sollte ich nur tun?

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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag07.12.2022 14:58

von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Huntress,

Was an deinem Text sehr auffällt, ist die hohe Fehlerquote bezüglich Rechtschreibung, Kammasetzung, Einhaltung des gewählten Präteritums (ab und an wird Präsens anstelle Präteritum verwendet), Grammatik (z.B. gehäufte Singular/Plural-Fehler), kein Punkt am Ende der direkten Rede, wenn ein Inquit folgt.
Die hohe Fehlerquote reißt zu oft aus dem Text raus.

Stilistische Dinge, wie teilweise die Inkonsequenz in der gewählten Erzählperspektive, Ausdruck, manche Straffungen im Text, Logikbrüche eliminieren oder generell der Aufbau der Story, ließen sich überdenken, um der Geschichte mehr Struktur, Nachvollziehbarkeit/Logik und Spannung zu geben.

Der Text ist leider ziemlich spannungsarm geraten und hält nicht seine Linie. Szenen, wie z.B. die erste Begegnung mit den Jugendlichen sollten intensiv und spannend sein, die Angst des Erzählers spürbar machen, aber es kommt nicht spannend rüber. Er ist mir in dem Augenblick zu berichtend. Das kann er ja in der Kneipe machen, sich die Begegnung nochmal vor Augen führen, aber in der Situation selbst nimmt das der Szene die Bedrohlichkeit.
Wenn Paul später betrunken ist, dann lass ihn betrunken handeln, aber mir ist er zu verkopft und erklärt mir zu viel, weil er es betont, dass er betrunken ist, aber das kommt auf mich als Leser nicht so rüber. Wenn er z.B. über sein Fahrrad stolpert, dann lass ihn darüber stolpern und brauchst nicht noch schreiben, dass er gestolpert ist, weil er betrunken ist. Erklär weniger. Dass er einige Bier in der Kneipe getrunken hatte und einen nüchternen Magen hatte, dürfte sich der Leser denken, dass er gut angesäuselt ist.

Lies den Text nochmal in Ruhe durch, gerne auch laut sich vorlesen, und lass ein Rechtschreibprüfprogramm durchlaufen. Allein schon wegen des sehr hohen Fehlergehalts könnte es sein, dass dein Text nicht genommen worden ist.

LG Constantine
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Huntress
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 34
Beiträge: 22



Beitrag07.12.2022 16:29

von Huntress
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Hallo Constantine,
Vielen Dank, dass du dich mit dem Text auseinandergesetzt hast.

Ja.
Ich könnte mich gerade schwarz ärgern. Alleine die Trennung zusammengeschriebener Wörter. Drei Leute haben diesen Text gelesen und mich mit falscher Lobhudelei in Sicherheit gewiegt.
Anstatt ihn noch einmal durch ein Programm zu jagen. Mist.
Wird mir kein zweites Mal passieren.

Magst du mir eventuell noch ein Beispiel für misslungenen Ausdruck und Logikbrüche markieren?

Die Begegnung sollte nicht bedrohlich sein. Es ist ja auch grundsätzlich nicht bedrohlich, auf Jugendliche zu treffen, oder ihnen im Weg zu stehen. Es sollte eher den Charakter von Paul beschreiben. Dass es ihn beschäftigt, er sich nicht traut etwas zu sagen. Und mit jeder weiteren Begegnung an diesen Abend mit der Jugend sollte seine Ablehnung weiter steigen, bis er zum Schluss die Macht in den Händen hält, sie büßen zu lassen.
Ob er sich in seiner Engstirnigkeit und seinem eigenen Scheitern dazu hinreißen lässt, das Glück und Leben anderer zu zerstören.
Durch den Tod einer lauernden Nixe, oder (was realistischer ist) durch Ertrinken, weil sie vermeintlich betrunken schwimmen waren. Die Puppen sollten in dem Fall einerseits als Omen dienen, was passieren wird. Zum anderen als Treiber, die ihn zu dem Punkt lenkten, an dem er diese Entscheidung treffen konnte.
Und richtig betrunken hatte ich ihn gar nicht vor Augen.
Eher angetrunken.
Aber wer seinen Text erklären muss, hat ihn nicht gut geschrieben. Und wahrscheinlich, habe ich die Geschichte gedanklich so überinterpretiert, dass man als Leser nicht mehr dahintersteigt.
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kioto
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Beitrag07.12.2022 18:12

von kioto
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Hallo Huntress

Dein Text ist insgesamt gut geschrieben, die Fehler bei der Rechtschreibung stören mich nicht so sehr. Natürlich sollte man im Feedback besser darauf achten.

Ein paar unverbindliche Anmerkungen.

Der Inhalt kennzeichnet die Frustration des Protas recht gut, auch wenn manche Szenen zu plakativ beschrieben wurden. Ablehnung von Remplern und Randalierern kennzeichnet nicht unbedingt  frustrierte Menschen. Das ist eher der Fall, wenn andere versuchen, ihn in ihr Leben einzubeziehen und er zurück schreckt und diese Versuche abblockt.

Die Büroszene ist mir zu einfach gestrickt. Rücksichtslose Chefs hat fast jeder, ev. wären Konfrontationen mit Kollegen plastischer.

Das Ende ist etwas kurz und überraschend. Gewissensbisse kräftiger skizzieren?

Ansonsten gerne gelesen.

Gruß Werner


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Stanislav Lem: Literatur versucht, gewöhnliche Dinge ungewöhnlich zu beschreiben, man erfährt fast alles über fast nichts.
Phantastik beschreibt ungewöhnliche Dinge (leider m.M.) meist gewöhnlich, man erfährt fast nicht über fast alles.

Gruß, Werner am NO-Kanal
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Dyrnberg
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Beitrag07.12.2022 18:31

von Dyrnberg
Antworten mit Zitat

Ich würde dem Text zugute halten, dass er in einfachen Sätzen eine Geschichte erzählt - und das ist keine versteckte, zynisch gemeinte Kritik. Manche Kurzgeschichten wollen nämlich tiefsinnig und literarisch wirken, und sind in Wahrheit einfach nur umständlich im Satzbau. Das war es aber jedoch bereits mit Lob, nun folgt die Kritik:

(1) Zu viele Fehler. [Beispiel: "Mit süffisanten Grinsen" gleich ganz zu Beginn. Das macht keinen guten Eindruck.]

(2) Der Text bringt viele Elemente, die für mich nichts anderes als ein Klischee sind. Also Elemente, die man schon so oft wo gelesen und gesehen hat, das man sofort aufhören will. Gleich in den ersten Zeilen: Armer Arbeitnehmer klagt über seinen Job und freut sich aufs Wochenende, aber rücksichtloser Chef "türmt" "kurz vor Schluss noch einen Aktenberg auf den Schreibtisch." Das wirkt wie eine Szene aus einem 1950er Film, so verstaubt. Dazu passend: Welcher Chef türmt denn heute noch etwas auf den Tisch? Schickt man da nicht eine Mail?

(3) Die Story ist - gerade zu Beginn - überraschungsarm. Und spannungsarm. Es wäre eventuell gut, wenn die Kurzgeschichte schneller Fahrt auf nimmt.

Gerade wenn man eine plot-driven Geschichte schreibt, empfiehlt sich ein direkter, spannungsreicher Einstieg. Mir wurde mal gesagt: "Die meisten Leser entscheiden bei einer Kurzgeschichte nach maximal 5 Sätzen, ob sie weiterlesen. Und 5 sind schon viel."

Lies Dir Deine ersten 5 Sätze nochmal durch. Steht da irgendetwas, das frisch, neu, spannend ist? Das mich zum unbedingten Weiterlesen drängt? Für mich als Leser ist die Antwort leider ein klares Nein.

Deine Geschichte könnte im Grunde auch hier beginnen:

»Kann die nicht mal leise sein«, grummelte ich und nippte am Bier. Ein weiterer, wütender Blick in Richtung der Truppe und mein Herzschlag setzte aus.


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Ein Roadtrip durch die Philosophie: "Die Nacht der Fragen und der Morgen danach" (Roman)
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag08.12.2022 17:55

von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Huntress

Huntress hat Folgendes geschrieben:
Magst du mir eventuell noch ein Beispiel für misslungenen Ausdruck und Logikbrüche markieren?

Mache ich gerne.

Beispiele für Ausdrücke:
Zitat:
Ein kurzes, aber tiefes Gefühl von Neid stieg in mir auf, verwandelte sich aber sehr schnell in eine Mischung zwischen Angst und Wut.

Eher "eine Mischung aus", nicht zwischen.

Zitat:
Ja, die Dunkelheit hatte ihre eigenen Reize. Sie roch so süß nach der stickigen Kneipenluft und ich sog sie tief ein.

So wie es da steht, roch die Dunkelheit süß und nach der stickigen Kneipenluft, was keinen Sinn ergibt. Ich vermute, dass eher dies gemeint war:
"Ja, die Dunkelheit hatte ihre eigenen Reize. Nach der zuvor stickigen Kneipenluft roch sie so süß und ich sog sie tief ein."

Zitat:
Einwickelpapier von Fastfood Burgern

Gibt es auch in diesem Zusammenhang Nicht-Fastfood-Burger?

Zitat:
Ohne Frage ein drolliger Anblick, denn ich war ja gerade dabei gewesen, ein Geschäft zu verrichten. Lachte da nicht auch einer?

Paul macht mir nicht den Eindruck, als würde der Begriff "drollig" zu seinem Vokabular gehören.

Zitat:
Vor meinem innerem Auge, sah ich die Puppe aus dem Schaufenster da oben stehen, wie sie mit ausgestrecktem Zeigefinger in meine Richtung deutet. Sünder! Willst auf einem Friedhof urinieren!

Was ist mit dem Rotmarkierten gemeint?


Beispiele für Logikbrüche:
Zitat:
Es war Freitagabend und ich hatte Wochenende. Endlich.
Mein Tag war eine einzige, scheinbar nur für mich erdachte Tortur gewesen.
Erst gab es Schwierigkeiten mit einem meiner Kunden, dann türmte mir mein Chef kurz vor Schluss noch einen Aktenberg auf den Schreibtisch. Mit süffisanten Grinsen und der Aufforderung, sie „nur noch  schnell durch zu sehen“.
Natürlich Chef, für sie doch immer. Ob ich etwas vor hätte heute Abend? Nein, ich doch nicht.
Wütend auf mich selbst, trat ich in die Pedale des Herrenrades.

Ich finde den Anfang des Textes nicht gelungen, ist er mir zu sprunghaft zwischen Verortung des Tages und freudigem Wochenendebeginn, einer Rückblende (Was hat Paul mit dem Aktenberg getan? Wie viel später ist er aus dem Geschäft gekommen?), die den Tag als scheinbar einzige Tortur bezeichnet, und plötzlichem Sprung auf den wütend radelnden Paul. Ich würde hier anders beginnen, mit dem wütenden, radelnden Paul und anschließend kann gerne die Rückblende folgen, was die Wut verursacht hat.

Zitat:
Es stimmte, ich hatte tatsächlich nichts weiter vor. Außer vielleicht, wie so oft, in meine Stammkneipe zu gehen.
Nein, ich hatte keine Familie die auf mich wartete, nicht einmal ein Haustier. Aber muss man mich deswegen wie ein Mensch zweiter Klasse behandeln?
Ich hätte ihm meine Meinung sagen sollen! Die anderen in der Firma machten nie Überstunden, schon gar nicht an einem Freitag.
Die Straße hatte an dem Ende eine leichte Steigung und ich geriet, wie jedes Mal, aus der Puste. Hinter mir drängelte ein Auto und setzte immer wieder zum überholen an, obwohl reger Gegenverkehr herrschte.
Ja, dachte ich grimmig, dann kommst du heute eben auch nicht rechtzeitig nach Hause.
Atemlos bog ich in die Fußgängerzone ein und stieg von meinem treuen Drahtesel. Herbert, wie ich ihn im Stillen nannte. Und schob ihn mit der freudigen Aussicht auf eine kleine Mahlzeit und ein wohlverdientes Feierabendbier weiter.

Das "vielleicht" in die Stammkneipe gehen" passt nicht, da er ja nicht "vielleicht" hingeht, sondern determiniert heute Abend dies geplant hat.
Ich hätte eher verstanden, dass er am heutigen Abend nicht hingeht, weil er deutlich länger auf Arbeit war. Aber auch das ist kein Hinderungsgrund gewesen.

Zitat:
Es war bereits spät und entsprechend voll war das Lokal und seine Gäste.
Durch das laute Gedrängel quetschte ich mich zu dem einzigen, freien Platz an der Theke. Nebenbei schaute ich mich nach bekannten Gesichtern um. Kein einziges zu war sehen, außer dem des Wirt natürlich.
»Moin Jan, magst du mir ein Pils und ne Currywurst machen.«
Jan, ein drahtiger fünfziger mit scharfen Gesichtszügen und unruhigen Augen, sah kurz von dem Zapfhahn auf, um mir zuzunicken.
»Moin Paul. Stressiger Tag?«
Wie leicht einem bei dieser Frage ums Herz werden kann. Und wie schwer es wieder wird, wenn der andere, wie so oft, gar keine Antwort hören will.
»Hier ist die Hölle los.«, fuhr Jan einfach fort. »Bea ist krank geworden und Nina kommt mit allem durcheinander.«
Er stellte mir das verlangte Bier vor die Nase und rieb sich die Hände an der Schürze.
»Essen dauert wohl ein bisschen.«, meinte er achselzuckend und machte sich daran, andere Bestellungen abzuarbeiten.
Ich klappte den Mund wieder zu und nippte stumm an meinem Glas. Viel gegessen hatte ich noch nicht und der Alkohol stieg mir bald zu Kopf.

Gratulation in einer randvollen Kneipe einen freien Platz am Tresen zu erwischen. Vielleicht der Vorteil, wenn man alleine kommt. Meine Erfahrung ist da anders, was freie Tresenplätze in einer vollen Kneipe angeht.
Was mich aber eher irritiert, ist das Zuklappen des Mundes. Warum war Pauls Mund aufgeklappt, um ihn wieder zuzuklappen?

Zitat:
Zum zweiten Mal an diesem Abend wurde ich richtig wütend auf unsere tolle Jugend.

Eigentlich ein drittes Mal, wenn der Unmut in der Kneipe mitgezählt wird.

Zitat:
Erwachsene tranken nicht in Gruppen auf Parkplätzen, das wäre ja albern.

Woher hat er diese Weisheit? Dann scheint er nichts von Erwachsenen auf Parkplätzen bei Sport- und Musikverantstaltungen zu halten.

Zitat:
Auf der hüfthohen Mauer, die das grüne Stück Erde von dem asphaltierten trennte, waren kleine Schnapsflaschen wie Soldaten aufgereiht.
Zum zweiten Mal an diesem Abend wurde ich richtig wütend auf unsere tolle Jugend.
Das es pubertierende Halbstarke gewesen waren, die diesen Müll hinterlassen hatten, da gab es für mich keinen Zweifel. Erwachsene tranken nicht in Gruppen auf Parkplätzen, das wäre ja albern.
Mit zusammengekniffen Augenbrauen und in ereifernden Gedanken versunken, schlug ich den Weg zu meiner Linken ein.
Das Licht der Straßenlaternen erreichte den kleinen Pfad nicht mehr, der hinter dem hoch aufragendem Haus Gottes verlief. Die Dunkelheit um mich herum wurde tiefer, bedrohlicher.
Als hätten die trutzigen Mauern das letzte aufflackern der Zivilisation geschluckt und nur die ursprüngliche, herrische Nacht zurückgelassen. Schatten in Schatten zeichnend, Laute verzehrend.
Doch ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um diese subtilen Veränderungen zu merken.

Die markierten Sätze passen mMn nicht zu den Beschreibungen, die er eigentlich nicht bemerkt hätte können.

Zitat:
Den Weg hinter der Kirche kannte ich im Schlaf. Er führte in klarer Linie und gesäumt von alten Lindenbäumen über den Totenacker direkt zu der Seepromenade.
 Es war nichts besonderes mehr, darüber zu gehen. Alle in der Stadt nutzten diese Abkürzung und es war wohl auch so gewollt, denn die kleine Tür, neben dem hübsch verziertem, eisernem Tor, stand Tag und Nacht offen.
Herrgott, selbst ein Kindergarten grenzte an diesem Friedhof. Besser konnte man den Tot nicht in das Leben integrieren.

Die rot markierte Reaktion kann ich nicht nachvollziehen, scheint er den Weg und die Umgebung hinter der Kirche sehr gut zu kennen. Was überrascht ihn hier jetzt am Kindergarten?

Zitat:
Dieser hatte seine Zeit genutzt und damit begonnen, sich eine Zigarette zu drehen. Natürlich.
Ich setzte mich auf meine Bank und versuchte nicht in seine Richtung zu blicken.
»Man sollte so etwas nie in einem See verrichten, wissen sie.« begann er ruhig, ohne von seiner Hände Arbeit aufzusehen. »Und vor allem nicht in der Nacht und unter gar keinen Umständen, wenn die Dame darin bereits so wütend ist, wie diese hier.«
Er beendete sein Werk und erhob sich geschmeidig. Zwei Schritte später, stand er vor mir. Seine ganze Art strahlte so viel Autorität und Selbstvertrauen aus, dass ich, als er mir eine der Zigaretten anbot, wie fremdgesteuert zugriff und mir von ihm Feuer geben ließ.
»Danke.«
Mit einem seufzen setzte er sich neben mich. »Dafür gibt es nichts zu danken, alter Knabe.«
Er steckte sich seine eigene an und schon bald umgab mich der würzige Geruch einer Rauchwolke.

Zigarettendrehen als Werk zu bezeichnen, würde ich überdenken.
Was leider auch nicht rüberkommt, ist, dass der Anzugträger 2 Zigaretten dreht. Im Text ist nur von einer die Rede und plötzlich sind es zwei.

Soweit einige Beispiele. Vielleicht ist hilfreiches dabei.


Huntress hat Folgendes geschrieben:

Die Begegnung sollte nicht bedrohlich sein. Es ist ja auch grundsätzlich nicht bedrohlich, auf Jugendliche zu treffen, oder ihnen im Weg zu stehen. Es sollte eher den Charakter von Paul beschreiben. Dass es ihn beschäftigt, er sich nicht traut etwas zu sagen. Und mit jeder weiteren Begegnung an diesen Abend mit der Jugend sollte seine Ablehnung weiter steigen, bis er zum Schluss die Macht in den Händen hält, sie büßen zu lassen.

Wenn ich zitiere, was Paul in der Situation mit den Jugendlichen denkt
Zitat:
verwandelte sich aber sehr schnell in eine Mischung zwischen Angst und Wut.
 Offensichtlich hatte ich ihren Weg gekreuzt, anstatt auszuweichen. So etwas konnte heutzutage schon ausreichen, um verdroschen zu werden, dass wusste ich und deshalb sparte ich mir jegliches Kommentar über die paar Meter Ausweichraum rechts und links.

habe ich dennoch den Eindruck, dass er eine Bedrohung spürt.

Huntress hat Folgendes geschrieben:
Und richtig betrunken hatte ich ihn gar nicht vor Augen.
Eher angetrunken.

Das Angetrunkene kommt rüber. Richtig blau ist er wohl nicht, aber er meinte selbst, dass ihm bereits das erste Bier gut zu Kopf gestiegen ist und danach folgten unzählige andere. Insofern, schwer einzuschätzen, wie sehr Paul alkoholisiert ist, wenn er manchmal meint, dass er unter Alkoholeinfluss steht, andererseits ziemlich nüchtern die Umgebungen nach dem Kneipenbesuch beschreibt.


LG Constantine
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Huntress
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 34
Beiträge: 22



Beitrag19.12.2022 14:12

von Huntress
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo,
es ist leider etwas her, aber ich wollte eure Mühen nicht unkommentiert lassen, zumal sie für mich augenöffnend waren.
Den Einstieg wollte ich nur "hinter mich bringen"
Er sollte einfach länger arbeiten, um die Stunden bis Mitternacht zu überbrücken.
Das war mir bis zu euren Kommentaren nicht bewusst.
Tatsächlich zieht sich dieses hinter sich bringen durch ziemlich viele meiner Texte. Das wird mir gerade klar.
Deshalb und weil eure Kritik so herrlich gnadenlos sämtliche Schwächen meines dilettantischen Schreibhandwerkes offenlegt, werde ich mich erst einmal mit sehr sehr vielen Büchern zu dem Thema auseinandersetzten, um endlich einen geeigneten Rahmen für meine Ideen zu schaffen. Zudem werde ich mich mehr an Kurzgeschichten üben, denn diese war die erste ihrer Art.

Ich danke euch, von Herzen
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