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Solomonovna oder die Nacht der ermordeten Dichter


 
 
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Bananenfischin
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Silberne Harfe



Beitrag20.11.2022 21:00
Solomonovna oder die Nacht der ermordeten Dichter
von Bananenfischin
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.

Lina gab nichts auf Äußerlichkeiten. Es war dir unmöglich, ihr ein Geschenk zu machen. Sie ließ sich nicht blenden, sah den Dingen auf den Grund. Warum sich mit einer Hülle befassen, mit zufälliger Bedeutung belegt, wenn man versuchen konnte, den innersten Kern zu verstehen? Ein seidener Schal? Endlosfaser aus Protein. Eine Perlenkette? Aufgefädeltes, kugelförmig geschichtetes Calciumcarbonat. Ein Diamant? Kubisch modifizierter Kohlenstoff, Druck und Hitze sei Dank.
Dich hat sie trotzdem geliebt, sich nicht daran gestört, dass du nur Lehrer warst. Die Brillanz ihres Verstandes hat dich fasziniert, bald nach eurer Verlobung aber doch gestört, obwohl die Art, wie sie der Welt begegnete, deiner nicht unähnlich war. Aber als deine zukünftige Frau hättest du dir Lina weicher gewünscht, ein bisschen häuslicher, romantischer. Weniger getrieben von ihrem Forschungsdrang. Gegen diesen Konkurrenten konntest du nur den Kürzeren ziehen. Und hast dennoch angefangen von Kindern und der Freude, ein Heim zu umsorgen. Von da an war eure Zukunftsmusik angefüllt mit Dissonanzen, und schon bald war es aus und sie ging fort.

Ihr Leben. Das warst nie du. Das war die Biochemie, schon immer.

In Genf und später auch in der UdSSR war sie Pionierin: erste Professorin hier und dort, Direktorin, Vorsitzende, bahnbrechend forschend über Zellatmung, Blut-Hirn-Schranke, Altern. Für dich war sie vor allem die erste große Liebe, und manchmal hast du Angst, sie könnte auch die letzte sein. Beide habt ihr euch nie mehr gebunden. Aber euch geschrieben und besucht. So ging es lange. Bis zum zweiten großen Krieg.
Du hast dir vorgestellt, sie noch einmal zu fragen, diesmal ohne Bedingungen. Ihr könntet gemeinsam das Altern erforschen, wolltest du sagen, witzig und ernst zugleich. Aber du bist stumm geblieben.
Und nun machst du seit Jahren einmal im Monat einen Umweg über ihr altes Institut, gehst mit Linas früherem Kollegen auf einen Kaffee und fragst, ob er etwas gehört hat. Er hat noch Beziehungen nach Moskau, aber inzwischen helfen auch die nichts mehr. Niemand weiß, wo sie seit dem Berufsverbot ist, gemunkelt wird von Isolationshaft in Lubjanka, so wie bei einem Dutzend anderer, neuerdings von einem geheimen Prozess. Was der Grund dafür sein könnte, darüber redet ihr viel. Widersinnig, wäre ihr ausgerechnet die Mitgliedschaft im Jüdischen Antifaschistischen Komitee zum Verhängnis geworden. Aber Stalin ist paranoid. Was nach dem Urteil folgen wird, davon sprecht ihr nicht. Ihr wisst, was auf Spionage steht.

Wenn Lina doch nur, denkst du. Wenn ich doch nur, denkst du.


.

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UtherPendragon
Eselsohr
U


Beiträge: 402



U
Beitrag28.11.2022 17:20

von UtherPendragon
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Bodenständig, im Ton angemessen, souverän geschrieben und mit einem interessanten Hintergrund. Für mich definitiv obere Hälfte, vielleicht oberes Drittel bewertungstechnisch.
Was soll man da noch sagen:
Alerta - der Kampf geht weiter?
Tut er das?
Beste Grüße,
UP


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nebenfluss
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Beiträge: 5987
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Beitrag28.11.2022 18:42

von nebenfluss
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Hier wurde die Biografie der sowjetischen Naturwissenschaftlerin Lina Stern mit einer – möglicherweise frei erfundenen – Liebesgeschichte verknüpft. Diese Idee rettet einen Text, bei dem man ansonsten auch fragen könnte, ob er wirklich Prosa oder nicht nur ein interessant aufbereiteter Wikipedia-Eintrag ist, weil der Liebhaber in der zweiten Person ständig präsent bleibt. Anlässlich des Verschwindens Lina im stalinistischen Regime hadert er erneut mit dem Scheitern der Beziehung, die seinem Bedürfnis nach Familie und Häuslichkeit zum Opfer fiel und vielleicht auch, angesichts der Zeit, einer gewissen gekränkten Männlichkeit, nicht den großen Ernährer geben zu können.  
Wahr oder nicht, liest sich das ansprechend und berührend und beschert dem Wettbewerb nebenbei auch noch einen der gelungensten Schlusssätze (bzw. derer zwei). Dass der Titel wohl nur als Hinweis zum Auffinden der historischen Persönlichkeit dient, verzeihe ich, zumal es ja noch den Alternativtitel gibt, der nicht nur das entscheidende historische Ereignis benennt, sondern sich natürlich auch sehr für eine literarische Geschichte eignet.


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tronde
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Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag28.11.2022 23:21

von tronde
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Hallo!
Klasse Text, prägnante Charakterdarstellung. Spannendes Thema (wieder was gelernt!), gute Sprache, fesselnd.

Ganz weit oben

Herzliche Grüße!
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hobbes
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Beiträge: 4290

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
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Beitrag29.11.2022 11:36

von hobbes
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Oh, das ist also die Infodump-Geschichte. Mal eben noch eine Romanze drumherum gemalt.
Reicht leider nicht.


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Michel
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Beitrag29.11.2022 15:02

von Michel
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Hochintelligente Wissenschaftlerin, unnahbar, untäuschbar, verschwindet (zunächst) in der  stalinistischen UdSSR. Der fiktive Beinahe-Partner fragt sich, ob er sie hätte retten können.
Bislang die einzige Geschichte in Du-Perspektive, in der das LI wohl mit sich selbst spricht (oder?). Hier funktioniert sie (für mich) völlig problemlos und macht aus der Geschichte ein Schlaglicht, das eine bedeutende Wissenschaftlerin aus einer ungewöhnlichen Perspektive beleuchtet: Der des potenziellen Partners, der ihr nicht das Wasser reichen kann und damit nur schwer klar kommt. Ein Kind seiner Zeit eben. Einer Zeit, in der in manchen Ländern Denkerinnen wahllos verhaftet wurden und Männer mit klugen Frauen Probleme hatten.
Eigentlich wie heute.


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Elisa
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Beiträge: 276



E
Beitrag29.11.2022 16:53

von Elisa
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Hallo du,
deine Geschichte gehört zu meinen Favoriten. Smile
Ich habe sie gern gelesen, sie unterhält, und bietet zudem Stoff zum Nachdenken.
Für Anspruch, Plot und deinen gekonnten Schreibstil gebe ich dir 8 Punkte.
Meine Lieblingsstelle:
Postkartenprosa hat Folgendes geschrieben:
Warum sich mit einer Hülle befassen, mit zufälliger Bedeutung belegt, wenn man versuchen konnte, den innersten Kern zu verstehen?

Liebe Grüße
Elisa
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d.frank
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D
Beitrag29.11.2022 19:45

von d.frank
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Es ist mir irgendwie zu auserzählt. Da kommt keine Atmosphäre auf, nicht mal die des Ortes und der Zeit. Stalin steht da im Text, aber man bekommt nicht die geringste Vorstellung davon, was das bedeutet.

_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Murnockerl
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M


Beiträge: 340



M
Beitrag30.11.2022 11:01

von Murnockerl
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Gefällt mir stilistisch sehr gut, Linas Betrachtungsweise des alltäglichen lässt eingängige Bilder zurück. Leider bleiben mir keine Punkte übrig.
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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

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Beitrag30.11.2022 13:15

von V.K.B.
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Ein Text über Lina Solomonovna Stern/Shtern, einzige Überlebende von Stalins Geheimprozess gegen das Jüdische Antifaschistische Komitee, aber das wissen die Personen in der Geschichte natürlich nicht und fürchten das schlimmste, als Stalins Geheimpolizei sie verschwinden ließ. Spannend, dass du dich hier eines geschichtlichen Themas annimmst, das hierzulande wenig bekannt ist. Auf die Idee, nach historischen Linas zu suchen, die Material für eine Geschichte abgeben könnten, bin ich gar nicht gekommen, aber mit Lina Stern hast du eine gute Wahl getroffen.
Dennoch blieb die Geschichte hinter meinen Erwartungen zurück. Diese Lina muss eine extrem coole Person gewesen sein. Als man ihr beim Prozess den abstrusen Vorwurf (zu vielen anderen) machte, sie habe sich bei Auslandskonferenzen prostituiert, konterte sie, in ihrem Alter wäre ja höchstens sie wohl diejenige, die für Sex bezahlen müsste. Was ihr letztendlich das Leben rettete, war aber wohl ihre Wichtigkeit für die Wissenschaft, eine solche Ressource wollte selbst Stalin nicht einfach erschießen lassen.   

Aber zurück zu deiner Geschichte: Geschrieben in der eher sperrigen du-Perspektive, wird jemand angesprochen, der mal mit Lina zusammen war, aber sie war eben mehr an Wissenschaft denn an Beziehungen interessiert. Hier habe ich dann mein Problem mit der Geschichte. Warum erklärt der Sprecher dem lyrischen Du, wer Lina Stern war, was sie machte und wie sie dachte. Das müsste der doch wissen, wenn er sie kennt. So geht mir das leider ein bisschen zu sehr in Erklärbär-Berichterstattung unter. Hier erscheint mir eine Menge Potenzial verschenkt, aus dem Stoff hätte man sehr viel mehr machen können.

1 Punkt von mir

Beste Grüße,
Veith


Edit: Jetzt, wo ich auch die Lyrik kommentiert und bewertet habe, komme ich in Versuchung, meine Wertung noch einmal umzuwerfen, da die Geschichte mit dem dazugehörigen Gedicht nachträglich das Potential entfaltet, dass ich hier zuerst vermisst habe. Aber nein, dies ist der Prosawettbewerb und der Text steht hier für sich allein, ohne das Gedicht. Und die Vermischung der beiden Wettbewerbsteile, die ich hier für überaus gelungen halte (und hat auch, wenn ich mich recht erinnere, sonst noch nie jemand so gemacht), habe ich bereits im Lyrik-Teil gewürdigt.


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holg
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Beitrag01.12.2022 16:07

von holg
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Hm.
liest sich die erste Hälfte noch wie eine schräg-skurrile Nerd-Liebesgeschichte, mutet der zweite Teil wie ein nacherzählter Lebenslauf aus der Wikipedia an. Und tatsächlich, enbendort finde ich Lina Solomonovna Stern, die die Nacht der ermordeten Dichter überlebt und später noch einiges an Forschung betrieben hat.

Nun bin ich ein wenig zwiegespalten. Einerseits beginnt der Text mE gut und ohne ihn wüsste ich nichts von Frau Solomonovna, andererseits ist mir der eher spröde Lebenslauf in der zweiten Hälfte zu wenig. Wieder andererseits, was für ein Leben! So etwas ist besser als jede ausgedachte Geschichte (ok, das dachte ich auch bei Julie D'Aubigny und Mary Fields, um nur zwei zu nennen).


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gold
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Beitrag03.12.2022 12:23

von gold
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Hallo Inko,

Wikipedia sei Dank. Auf diese Weise macht dein Text Sinn und - erschüttert ob der Tragik, die sich dahinter verbirgt.

Daher zählt deine Geschichte zu meinen zehn Favoriten.

Gern gelesen. Smile

Liebe Grüße
gold


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Nachtvogel
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Beitrag04.12.2022 01:25

von Nachtvogel
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Die Geschichte ist sehr schön geschrieben. Mir gefällt besonders, wie du herüberbringst, wie Lina die Welt sieht (vor allem durch die Stelle mit dem Schal, der Perlenkette usw., die sie eher als die Zusammensetzung ihrer chemischen Bestandteile sieht). Auch die Beziehung zwischen dem "du"-Protagonisten (nennt man das so?) und Lina wird gut dargestellt.
Richtig berührt hat mich der Text erst, nachdem ich mir die wahre Geschichte dahinter angeschaut hatte (ich musste Lina Solomonovna googeln). Beim ersten Lesen war es nur eine Geschichte über eine unerfüllte Liebe und Spionage in der UdSSR, wobei mir der Zusammenhang nicht klar war.
Vor allem wegen der sehr schönen sprachlichen Darstellung bist du auf meinem Platz 3.
8 Punkte
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wohe
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W

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Beiträge: 631
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W
Beitrag04.12.2022 18:35

von wohe
Antworten mit Zitat

Die Vorgaben und die üblichen Kriterien (Stil, Aufbau, Spannung bzw. Stimmung, usw. = ok) sind erfüllt.
Die Charakterisierung Linas und die Beschreibung der Beziehung zu ihr gipfeln in der Benennung des geschichtlichen Kontextes und stellen damit die Chancenlosigkeit eines Wiedersehens bzw. des Schreckens von Linas Ende dar.
Insgesamt eine glaubhafte Beschreibung, die mir gut gefällt.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag05.12.2022 14:48

von Constantine
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Bonjour sehr geehrte Postkarte

Wikipedia, ich höre dich hier deutlich trapsen.

Lina Solomonowna (1878 - 1968, geborene Stern/Shtern), sowjetische Physiologin und Biologin, die im Stalinistischen Russland 1942 Mitglied im Jüdischen Antifaschistischen Komitee wurde, 1949 verhaftet worden ist, 3 1/2 Jahre Freiheitsstrafe abbüßte, am 12./13. August 1952 wurden die titelgebenden Dichter ermordet, als einzige wurde sie verschont und nach Kasachstan verbannt, anschließend, nach Stalins Tod 1953, wurde sie rehabilitiert und kehrte in ihre alten Funktionen zurück.

Der Text spielt nach 1949 und vor der 12./13. August 1952. Er ist eine kurze Biografie über Lina Solomonowna, aus der Sicht ihres Ehemannes berichtet. Der Ehemann wird leider kaum entwickelt und im Vergleich zu den recherchierten Quellen bietet dieser Beitrag leider keinen künstlerischen Mehrwert für mich. 400 Wörter sind eine Herausforderung, um einen Text zu verfassen. Leider klebt dieser Text zu sehr an den verwendeten Quellen, hangelt sich mehr schlecht als recht an einen Versuch heran, die unglückliche Beziehung des Ehemannes zu seiner Wissenschafts-Ehefrau anzudeuten, bleibt das Text-Resultat aber letzten Endes leblos in den eigenen Grenzen.

Zu diesem Text liegt im Lesezeichenpoesie-Wettbewerb das Gedicht "shtern" vor, das Linas Haft vor der Nacht der ermordeten Dichter und ihrer Verbannung nach Kasachstan leider eintönig, sehr repetitiv und wenig inspiriert thematisiert.

Auch wenn mich dieser Beitrag nicht überzeugt hat, so danke ich sehr für die historische Erinnerung: zéro points.

Merci beaucoup
Constantine
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dürüm
Wolf im Negligé

Alter: 46
Beiträge: 966
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Das bronzene Eis am Stiel Das Bronzene Pfand
Der bronzene Spiegel - Lyrik Podcast-Sonderpreis
Vorlesbar I


Beitrag05.12.2022 16:10

von dürüm
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Dieser Text hat mich schon im ersten Absatz gepackt. Was für ein großartiger zweiter Satz!

Im Verlauf zeigt sich, dass Du über eine Wissenschaftlerin geschrieben hast. Dieselbe, wie in dem Gedicht Shtern. Und hier gefällt mir das Ergebnis deutlich besser, obwohl Du zum Teil der Versuchung erlegen bist, zu viele biographische Details einzupacken. Um wen es geht, war schon im Titel klar.

Lieblingsstelle:
Zitat:
Lina gab nichts auf Äußerlichkeiten. Es war dir unmöglich, ihr ein Geschenk zu machen. Sie ließ sich nicht blenden, sah den Dingen auf den Grund
.

Sehr gerne gelesen!

Vierter Platz und damit 7 Punkte

Gruß
Kerem


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(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca)
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silke-k-weiler
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Beiträge: 748

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag05.12.2022 16:56

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

mir gefällt die Einbeziehung des historischen Kontexts auch vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens. Der Ton wird in diesem Zusammenhang auch gut getroffen, er ist zurückgenommen, melancholisch, fatalistisch. Verpasste Gelegenheiten, Worte, die nicht gesagt worden sind. Ein sehr ruhiges Stück, das mir ausnehmend gut gefallen hat.

VG
Silke
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F.J.G.
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Alter: 33
Beiträge: 1955
Wohnort: Wurde erfragt


Beitrag05.12.2022 17:35

von F.J.G.
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Liebes unbekanntes schreibendes Wesen,

was soll ich sagen? An diesem Text finde ich wirklich alles stimmig.

Alles.

Ebenso stimmig, wie dass dein Text ganz bestimmt Punkte von mir bekommen wird.

Vielen Dank fürs Lesenlassen,
der Kojote


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Heidi
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Alter: 42
Beiträge: 1424
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag05.12.2022 18:02

von Heidi
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Der Titel

Zunächst klingt der Titel etwas kryptisch. Ich habe gegoogelt und konnte dann zuordnen, warum er gewählt wurde. Zumindest der erste Begriff, bzw. der Name. Den Rest kann ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht mit dem Text in Verbindung bringen, oder sind sämtliche Juden im Text mit Dichtern gemeint? Der Dichter als Synonym für Juden?
Für sich allein finde ich den Titel interessant oder ich fände ihn ohne „oder“ tatsächlich noch interessanter. Nacht der ermordeten Dichter; so in etwa.

Die Sprache

Der Text ist solide geschrieben.

Die Figur(en)

Lina wird als Figur deutlich, zumindest von außen. Ihr Charakter wird ausführlich beschrieben. Analysierend, forschend, die Liebe und Leidenschaft gilt keinem Menschen, sondern der Biochemie. Mit etwas anderen Worten steht das so auch im Text.
Weil Linas Charakter durch Beschreibung dargestellt wird, ich komme ihr nicht so nahe, wie ich es gerne täte, sie wird nicht bildhaft lebendig.

Der Inhalt

Ich musste mir erst mittels Wikipedia einen Zugang zu Lina verschaffen. Der biografische Hintergrund hat den Text für mich spannender gemacht. Ehe ich von der "echten" Lina wusste, fand ich ihn mehr oder weniger langweilig. Es kam inhaltlich nicht viel rüber, außer der Beschreibung einer Person namens Lina, die sich dem lyrischen Du gegenüber so und so verhält, erzählt von einer  allwissenden Erzählstimme.

Erzählt wird der Abriss einer Biografie. Das lyrische Du ist Lehrer und war mit Frau Shtern zusammen. Sie hat aber die Biochemie mehr geliebt als das Du, obwohl sie durchaus auch Liebe für es empfunden hat. Irgendwann ging es auseinernder. Nun fragt sich das Du, wo sie sein könnte.

Der Gesamteindruck

Texte bei denen ich erst exzessiv nachforschen muss, um ihnen näher zu kommen haben es bei mir nicht leicht. Ich finde es zwar spannend, wenn ich etwas Neues kennenlerne durch das Lesen einer Geschichte, allerdings hat das auch seine Grenzen.

Ein Text kann durchaus einen biografischen Hintergrund haben, aber er sollte auch für sich allein sprechen können. Das ist natürlich herausfordernd zu schreiben – gerade, wenn es eine echte Person gegeben hat, die dargestellt werden soll.
Es kommt noch dazu, dass ich die Themenumsetzung „Wo ist Lina?“ im Text suchen muss und nicht wirklich fündig werde. Ich schätze mal, es soll damit gelöst sein, weil das Du Lina Shtern an unterschiedlichen Orten vermutet, aber nicht wirklich weiß, wo genau sie "heute" tatsächlich lebt? Na ja, das ist mir etwas zu vage angelegt und durchzieht den Text auch nicht wirklich. Diese Sache kommt erst am Ende zum Tragen und auch nicht in der Deutlichkeit zwischen den Zeilen, die ich mir dafür wünschen würde.

Außerdem frage ich mich, was es mit den letzten Sätzen auf sich hat:

Zitat:
Wenn Lina doch nur, denkst du. Wenn ich doch nur, denkst du.


Die klingen schön, aber ich kann sie mit dem Rest des Textes nicht zusammenfügen.

Es gibt leider keine Punkte.
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag05.12.2022 19:19

von Jenni
Antworten mit Zitat

Eine verhinderte Liebe vor historischem Hintergrund, mutiges Unterfangen für einen so kurzen Text. Wirklich interessant, was es mit Lina auf sich hat und auch mit der Nacht der ermordeten Dichter, wenn man das googelt. Der Text deutet einen Zusammenhang an, Lina sei möglicherweise Opfer der Hinrichtungen in jener Nacht geworden, Wikipedia behauptet anderes. Aber im Text geht es ja darum, was der Erzähler glaubt, und dass er bereut, nur was eigentlich. Alles ist eben so passiert, wie es passieren musste. Lina wäre nicht Lina gewesen, hätte sie.
Und der Text würde nicht genauso gut (aber auch nicht schlecht!) funktionieren, wüsste man nicht um den Hintergrund. Das kann man ihm anlasten, muss man aber nicht.
Jedenfalls gerne gelesen, den Text und den Hintergrund.
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag05.12.2022 23:12

von MoL
Antworten mit Zitat

Lieber Inko!

Solide, spannend, tragisch, alles drin, was man braucht, daher von mir 5 Punkte und gedrückte Daumen für Lina...


_________________
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"Menschen und andere seltsame Wesen"
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Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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Bananenfischin
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Goldene Feder Prosa Pokapro IV & Lezepo II
Silberne Harfe



Beitrag06.12.2022 11:07

von Bananenfischin
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Als ich zur Inspiration rund um den Namen Lina herumgoogelte, stieß ich auf Lina Stern, und dann gab es kein Zurück und kein Vorwärts mehr zu einer anderen Idee, auch wenn ein biografischer Text innerhalb des Wettbewerbs wohl nicht die beste Idee ist.
Ich kannte Lina Stern vorher nicht, allein dafür hat der Wettbewerb sich für mich gelohnt. Es war gar nicht so leicht, etwas über ihr Privatleben herauszufinden, aber als ich dann auf diese Liebe gestoßen bin, hatte ich das Element gefunden, das es mir erlaubt, ihre Geschichte auch als Geschichte zu erzählen.


_________________
Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge

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I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf)
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