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Beginn meines Projekts. Arbeitstitel: Quantum


 
 
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FlinkeTinte
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Alter: 46
Beiträge: 17
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Beitrag26.10.2022 10:32
Beginn meines Projekts. Arbeitstitel: Quantum
von FlinkeTinte
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Hi,
noch recht neu hier, möchte ich die Gelegenheit für den Einstand nutzen. Ich schreibe schon einige Zeit, bisher eher für mich, als für die Gesellschaft. Nun möchte ich diese persönliche Grenze durchbrechen. Auch wenn ich einige Ratgeber zum Handwerk gelesen habe, bin ich mir unsicher, ob ich in eigenen Werken gut anwende. Insofern freue ich mich auf Eure Hinweise und Meinung. Nun aber zum eigentlichen Text, der als Beginn eines Romans dienen soll. Ziel soll es also sein, nicht alles zu verraten, Neugier zu wecken und den Leser auf Kapitel zwei zu schubsen.
Vielen Dank vorab.

-------------------

Jahrelang lief ich wie ein Uhrwerk. Pünktlich. Perfekt. Und mit höchster Präzision. Nun klemmt manchmal der Zeiger. Bleibt stehen. Tickt mehrmals über derselben Stelle. Verzögert meine Welt.

»Steig' jetzt bitte aus und versuche es doch wenigstens«. Ihre Stimme zittert. Ich werfe die Tür auf. Lenas kleiner Fiat schwankt heftig, als die Türscharniere den Schwung abrupt stoppen. Sie meint es sicher gut und schon aus Respekt vor ihr und ihrer Unterstützung steige ich aus. Und natürlich, weil es ihr Auto ist. Doch die Hoffnung, dass die Welt außerhalb nicht einfach in das Innere des Autos eindringen kann, ist weg, als ich die Autotür zuschlage. Und es ist kalt. Zittere ich deshalb?
Ich schaue durch das kleine Seitenfenster und sehe, wie es sie quält. Sehe ihre feuchten Augen.

Nimm mich mit

Einmal, zweimal, dreimal ziehe ich am Griff der Autotür, doch sie öffnet sich nicht.
Lena dreht ihren Kopf zur Windschutzscheibe, legt den ersten Gang ein und fährt an. Ihr Auto stottert kurz, aber bleibt nicht wieder stehen.
Leise, und im Bewusstsein, dass sie es nicht hören kann, flüstere ich: »Es tut mir leid.«

Erst als ich sie am Ende der kleinen Allee nach links abbiegen und das Grundstück durch das schwere Tor des mannshohen, verzierten Zauns verlassen sehe, drehe ich mich um.

Vor mir liegt ein altes Herrenhaus, eingefasst in eine großzügige Parkanlage mit weiteren Nebengebäuden. Anstatt mich meiner Umgebung zu vergewissern, starre ich auf das Schild an der Hausmauer.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Lannysmoor. Lenas ‚Überraschung‘ liest sich beschissen.

Mit einem Schlag fühle ich mich als der Freak, der ich wahrscheinlich mittlerweile bin. Und ich falle in mich. Kalter Schweiß beginnt, meine Haut zu bedecken. Ich drehe mich im Kreis, finde aber nichts, dass mich beruhigt, mich neutralisiert. Linke Jackentasche. Mein Mobiltelefon ist an Ort und Stelle, wo ich es heute schon mehrfach zur Kontrolle gesucht habe. Das Display zeigt die Uhrzeit: 11:07. Null, die Null ist gut. Ein gutes Zeichen. Ich schließe meine Augen und atme tief durch.

Ich muss hier weg

Lena wird wieder enttäuscht sein. Sie wird mir aber in ein paar Tagen auch wieder verzeihen, dass ich ihren gut gemeinten Rat erneut ausschlage. Zeit, ein Taxi zu bestellen. 87% Akku, kein einziger Balken Empfang. Meinen Blick zieht es erneut zur Uhrzeit: 11: Null 8.

Die massive Eichentür des Hauses ist von hier betrachtet der einzige Zugang zum Hauptgebäude. Da die Anlage sehr abgelegen ist, aber auch der einzige Zugang zu einem Telefon.
Im Empfangsbereich riecht es geradezu einladend. Ein Potpourri unterschiedlicher Düfte, vermutlich, um den typischen Krankenhausduft zu überdecken. Ein, zwei, drei Ausgänge aus dem Raum, die große Eingangstür nicht mitgerechnet. Die einzige weitere Person im Raum telefoniert und hebt seinen Zeigefinger, um mir zu zeigen, dass ich mich etwas gedulden soll. Meine Finger zählen das Kleingeld in meiner Hosentasche und ich überlege, warum.

»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«. Der Mitarbeiter an der Rezeption hat mittlerweile aufgelegt und winkt mich zu sich. Auf dem Weg zum Empfangstisch vermeide ich auf die hellen Rechtecke zu treten, welche die Sonne durch die Sprossen der Fenster zeichnet, nur warum? Ich schlucke den golfballgroßen Kloß herunter.

»Mein Name ist David Gesner. Ich … glaube, ich habe reserviert.«

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Bananenbrot
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B
Beitrag26.10.2022 12:52

von Bananenbrot
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Hallo Flinke Tinte,

bin in der Pause gerade auf deinen Text gestoßen. Ich halt mich kurz, nicht nur, weil ich gleich los muss, sondern auch, weil ich kaum was anzukreiden habe.

Der Einstieg hat mich persönlich direkt gepackt. Von Anfang bis Ende war es spannend, flott geschrieben, ohne dass du mich als Leser mit Infodump zugeworfen hast. Meine Neugier hast du auf jeden Fall geweckt.

Ich habe die Situation so verstanden: dein Protagonist Gesner kämpft mit einer Zwangsstörung (die nebenbei bemerkt sehr authentisch auf mich wirkt). Die Zwangsstöung wurde mit der Zeit schlimmer - bis zur Dysfunktionalität (?) - und seine Frau/Freundin will ihn deshalb in eine Heilanstalt schicken. Nach kurzem Zögern entscheidet sich Gesner auch dafür.

Hier ist auch mein einziger Kritikpunkt: Der Stimmungsumschwung von Gesner kommt für mich etwas zu abrupt. Erst "Ich muss hier weg", dann bleibt er doch. Ich verstehe, dass du das mit den Kacheln und dem Münzgeldzählen als letzte Sargnägel für sein Umdenken nutzen möchtest, für mein Gefühl fehlt da aber noch das Zünglein an der Waage. Vielleicht nimmt er das Telefon in die Hand, wechsel noch ein zwei beklemmende Worte mit dem Mann an der Theke und scheitert nach mehreren Versuchen beim Wählen, weil zu wenig "gute" Nullen in der Nummer vorkommen oder so... spontaner Einfall.

Eine letzte Anmerkung: Der Satz "Leise, und im Bewusstsein, dass sie es nicht hören kann, flüstere ich: »Es tut mir leid.«" ,
ist mir persönlich an der Stelle zu viel. Ich persönlich würde diese Gefühlsregung ggf. auch kurzen Kommentar zur Einsamkeit nach dem Folgesatz anbringen - ist aber wohl eher Geschmackssache.

LG
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FlinkeTinte
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Beiträge: 17
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F
Beitrag26.10.2022 13:56

von FlinkeTinte
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Hallo Bananenbrot.

Vielen lieben Dank. Deine Wiedergabe der Situation trifft ins Schwarze. Ich habe mir schwer getan, den akuten Sinneswandel so zu verpacken, dass es überraschend wirkt. Deine Anmerkung zeigt mir also sehr gut, dass ich hier zu schnell werde.

Der Satz "Leise, und.." ist tatsächlich der letzte Satz, den ich in die Szene eingefügt habe. Weniger ist mehr wink, auch da, danke für die Bestätigung.

Viele Grüße und gute Tastenanschläge
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Nils S
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Beiträge: 12
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Beitrag27.10.2022 16:39
Re: Beginn meines Projekts. Arbeitstitel: Quantum
von Nils S
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Hallo FlinkeTinte,
ganz viel Lob für den Einstand. Ich bin oft kein Freund von dem erlebenden Ich-Erzähler, aber du hast die persönlichen Eindrücke von David Gesner auf sehr authentische Weise präsentiert. Das finde ich sehr beeindruckend. Ich finde seine Zwänge und sein Leiden ganz gut gewählt. Zumindest denke ich, dass mich diese Eigenschaften von David nicht stören würden, der Geschichte zu folgen. Spannungen erzeugen für mich die Klischees bezüglich der Einrichtung und deshalb bin ich am Ende in der Erwartung, dass irgendwas besonders an dieser Einrichtung ist und David noch gar nicht ahnt, wie schwierig dieser Aufenthalt werden kann.
Ich habe einfach mal in den Text reingeschrieben, wenn mir etwas auffällt. Da sind Gedanken, meine rohen Reaktionen, die hoffentlich genau das widerspiegeln, was du erzeugen wolltest.
FlinkeTinte hat Folgendes geschrieben:


Jahrelang lief ich wie ein Uhrwerk. Pünktlich. Perfekt. Und mit höchster Präzision. Nun klemmt manchmal der Zeiger. Bleibt stehen. Tickt mehrmals über derselben Stelle. Verzögert meine Welt.
Starker Beginn. Klingt für mich direkt nach der Beschreibung seines Leidens. Vor allem "Tickt mehrmals über derselben Stelle" klingt für mich nach der oft gebrauchten Metapher der kaputten Schallplatte. Den letzten Satz "Verzögert meine Welt." verstehe ich jedoch auch nach mehrmaligem Lesen nicht. Vielleicht die Beschreibung von etwas, das noch nicht erwähnt wurde, oder weil "Welt" so vage wie nur möglich ist.

»Steig' jetzt bitte aus und versuche es doch wenigstens«. Ihre Stimme zittert. Zittert? Ist sie selbst nicht überzeugt? Das Problem in dem Kontext ist, dass sie das offenbar schon öfter gemacht hat. Wir kennen Lena zwar wenig, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass dies ein so schwerer Schritt für sie ist. Vielleicht beim ersten Mal, aber sie scheint ja hartnäckig und damit überzeugt zu sein, dass er in diese/irgendeine Einrichtung muss. Ich wäre an der Stelle eher genervt, wenn ich jemanden zum x-ten Mal irgendwo hinbringe und er sich nur ein Taxi ruft. Ich werfe die Tür auf. Lenas kleiner Fiat schwankt heftig, als die Türscharniere den Schwung abrupt stoppen. Sehr detailliert und technisch beschrieben. Ungewöhnlich und erweckt in mir den Eindruck, dass David Technikaffin ist. Sie meint es sicher gut und schon aus Respekt vor ihr und ihrer Unterstützung steige ich aus. Und natürlich, weil es ihr Auto ist. Doch die Hoffnung, dass die Welt außerhalb nicht einfach in das Innere des Autos eindringen kann, ist weg, als ich die Autotür zuschlage. Ist mir nicht klar was diese Hoffnung ist, und warum sie jetzt weg ist. Das sollte doch beim Öffnen der Autotür passieren, oder nicht? Wenn er schon die Tür zugemacht hat, dann weiß er auch nicht, ob die "äußere Welt" eingedrungen ist. Schließlich kann er nur diese erleben, wenn er selbst schon draußen ist.  Vielleicht eher sowas wie: "Doch die Hoffnung, dass die äußere Welt doch nicht so rau und feindlich ist, vergeht, als ich die Autotür zuschlage. Und es ist kalt. Zittere ich deshalb?
Ich schaue durch das kleine Seitenfenster und sehe, wie es sie quält. Sehe ihre feuchten Augen. hier auch nochmal: Reaktion ist schwierig einzuschätzen, wenn später gesagt wird, dass es nicht das erste Mal ist.

Nimm mich mit

Einmal, zweimal, dreimal ziehe ich am Griff der Autotür, doch sie öffnet sich nicht. Er ist etwas sprunghaft. Redet sich ein, dass ihre Entscheidung respektiert, und jetzt entscheidet er sich um, will doch wieder in das Auto. Es hat sich eigentlich wenig geändert. Vielleicht liegt das einfach daran, dass die äußere Welt doch viel schlimmer als gedacht ist. Nur ein Gedanke.
Lena dreht ihren Kopf zur Windschutzscheibe, legt den ersten Gang ein und fährt an. Ihr Auto stottert kurz, aber bleibt nicht wieder stehen. Wieder sehr technisch beschrieben, fällt mir auf.
Leise, und im Bewusstsein, dass sie es nicht hören kann, flüstere ich: »Es tut mir leid.« Die Person spricht hier ihre Wahrheit, aber es nicht klar, was gemeint ist. Vielleicht die "Unterstützung" von Lena, auf der er sich ausgeruht hat, obwohl er zu stolz ist, die richtige Hilfe wahrzunehmen, oder ein bisschen Selbstmitleid. Vielleicht auch die Gewissheit, dass er sie wieder enttäuschen wird. So im Vakuum wirkt das etwas übertrieben, zumal ich Schwierigkeiten habe, ihn an dieser Stelle so selbstreflektiert zu sehen, falls irgendwas davon zutrifft.

Erst als ich sie am Ende der kleinen Allee nach links abbiegen und das Grundstück durch das schwere Tor des mannshohen, verzierten Zauns verlassen sehe, drehe ich mich um. Schick! Bei der Allee musste ich jetzt schon an so ein Grundstück mit riesiger Villa vom Anfang des 20. Jhrh. denken.

Vor mir liegt ein altes Herrenhaus, eingefasst in eine großzügige Parkanlage mit weiteren Nebengebäuden. Anstatt mich meiner Umgebung zu vergewissern, starre ich auf das Schild an der Hausmauer.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Lannysmoor. Lenas ‚Überraschung‘ liest sich beschissen. Bedient wirklich ein wenig das Klischee und das ist auch gut so, weil hier wechselt es bei mir von milde interessant zu "Oha! Die Katze ist aus dem Sack". Ist das etwa Davids kleines Shutter Island?

Mit einem Schlag fühle ich mich als der Freak, der ich wahrscheinlich mittlerweile bin. Und ich falle in mich. Kalter Schweiß beginnt, meine Haut zu bedecken. Ich drehe mich im Kreis, finde aber nichts, dass mich beruhigt, mich neutralisiert. Linke Jackentasche. Mein Mobiltelefon ist an Ort und Stelle, wo ich es heute schon mehrfach zur Kontrolle gesucht habe. Das Display zeigt die Uhrzeit: 11:07. Null, die Null ist gut. Ein gutes Zeichen. Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Hier das erste Mal explizite Beschreibung von zwanghaften Verhalten. Klingt gut und wirkt.

Ich muss hier weg

Lena wird wieder enttäuscht sein. Sie wird mir aber in ein paar Tagen auch wieder verzeihen, dass ich ihren gut gemeinten Rat erneut ausschlage. "Erneut". Das ist, was ich meine. Ich wäre genervt als Lena, aber das bin vielleicht nur ich. Zeit, ein Taxi zu bestellen. 87% Akku, kein einziger Balken Empfang. Meinen Blick zieht es erneut zur Uhrzeit: 11: Null 8.
Akku, Empfang und Uhrzeit, sind sehr interessante Details. Ich denke direkt, er brauch das Akku noch, also wird diese Geschichte wohl zeitlich in den nächsten 15 Stunden passieren. Kein Empfang, ist, denke ich, ein typisches Klischee für das Genre. 11:07, 11:08, ich frage mich jetzt schon, was 11:11 passiert, wenn die Null fehlt, und das gute Omen schwindet.

Die massive Eichentür des Hauses ist von hier betrachtet der einzige Zugang zum Hauptgebäude. Da die Anlage sehr abgelegen ist, aber auch der einzige Zugang zu einem Telefon.
Im Empfangsbereich riecht es geradezu einladend. Ein Potpourri unterschiedlicher Düfte, vermutlich, um den typischen Krankenhausduft zu überdecken. Ein, zwei, drei Ausgänge aus dem Raum, die große Eingangstür nicht mitgerechnet. Die einzige weitere Person im Raum telefoniert und hebt seinen Zeigefinger, um mir zu zeigen, dass ich mich etwas gedulden soll. Meine Finger zählen das Kleingeld in meiner Hosentasche und ich überlege, warum.

»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«. Der Mitarbeiter an der Rezeption hat mittlerweile aufgelegt und winkt mich zu sich. Auf dem Weg zum Empfangstisch vermeide ich auf die hellen Rechtecke zu treten, welche die Sonne durch die Sprossen der Fenster zeichnet, nur warum? Ich schlucke den golfballgroßen Kloß herunter.

»Mein Name ist David Gesner. Ich … glaube, ich habe reserviert.«
Ok. Er hat sich also nochmal umentschieden. Es bleibt aber ein bisschen im Verborgenen, wie es dazu kam.


Insgesamt ein tolles erstes Kapitel. Die Situation ist klar, es ist spannend und hat eine gute Geschwindigkeit. Darüber hinaus ein sehr vielversprechender Einstand. Du hast den erlebenden Ich-Erzähler gut umgesetzt und es passt doch alles sehr gut zusammen. Ich hoffe, dir helfen die Anmerkungen etwas weiter.

LG Nils
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FlinkeTinte
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Beitrag28.10.2022 13:26
Re: Beginn meines Projekts. Arbeitstitel: Quantum
von FlinkeTinte
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Hallo Nils,

vielen Dank für dein Lob, bin immer noch ganz rot im Gesicht. Deine direkten Reaktionen und Einblicke in Dein Verständnis des Texts sind super und genau das, was ich mir auch erhoffe. Ich würde gerne einige Deiner Anmerkungen und Fragen kommentieren. Nicht, um meinen Text zu verteidigen oder Dich als Leser in Deiner Reaktion umzustimmen, sondern weil ich diesen Dialog zwischen Leser und Autor so spanned finde.

Zitat:


Jahrelang lief ich wie ein Uhrwerk. Pünktlich. Perfekt. Und mit höchster Präzision. Nun klemmt manchmal der Zeiger. Bleibt stehen. Tickt mehrmals über derselben Stelle. Verzögert meine Welt.
Starker Beginn. Klingt für mich direkt nach der Beschreibung seines Leidens. Vor allem "Tickt mehrmals über derselben Stelle" klingt für mich nach der oft gebrauchten Metapher der kaputten Schallplatte. Den letzten Satz "Verzögert meine Welt." verstehe ich jedoch auch nach mehrmaligem Lesen nicht. Vielleicht die Beschreibung von etwas, das noch nicht erwähnt wurde, oder weil "Welt" so vage wie nur möglich ist.
Ich wählte hier den Begriff Welt, um bereits zu Beginn die Tragweite der Probleme für David zu äußern. Welt als Metapher für Alles.


»Steig' jetzt bitte aus und versuche es doch wenigstens«. Ihre Stimme zittert. Zittert? Ist sie selbst nicht überzeugt? Das Problem in dem Kontext ist, dass sie das offenbar schon öfter gemacht hat. Wir kennen Lena zwar wenig, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass dies ein so schwerer Schritt für sie ist. Vielleicht beim ersten Mal, aber sie scheint ja hartnäckig und damit überzeugt zu sein, dass er in diese/irgendeine Einrichtung muss. Ich wäre an der Stelle eher genervt, wenn ich jemanden zum x-ten Mal irgendwo hinbringe und er sich nur ein Taxi ruft.
Good Point. Ich sah hier Lena im Konflikt, zwischen dem Wunsch David zu helfen, aber auch im Bewusstsein, dass sie ihm so etwas zumutet, ihn vielleicht durch die Aktion verlier, ihre Freundschaft aufs Spiel setzt.

Ich werfe die Tür auf. Lenas kleiner Fiat schwankt heftig, als die Türscharniere den Schwung abrupt stoppen. Sehr detailliert und technisch beschrieben. Ungewöhnlich und erweckt in mir den Eindruck, dass David Technikaffin ist.
Das Problem liegt nicht bei David, sondern bei mir, da ich sehr technikaffin bin. Ingenieur, schuldig im Sinne der Anklage.
Sie meint es sicher gut und schon aus Respekt vor ihr und ihrer Unterstützung steige ich aus. Und natürlich, weil es ihr Auto ist. Doch die Hoffnung, dass die Welt außerhalb nicht einfach in das Innere des Autos eindringen kann, ist weg, als ich die Autotür zuschlage. Ist mir nicht klar was diese Hoffnung ist, und warum sie jetzt weg ist. Das sollte doch beim Öffnen der Autotür passieren, oder nicht? Wenn er schon die Tür zugemacht hat, dann weiß er auch nicht, ob die "äußere Welt" eingedrungen ist. Schließlich kann er nur diese erleben, wenn er selbst schon draußen ist.  Vielleicht eher sowas wie: "Doch die Hoffnung, dass die äußere Welt doch nicht so rau und feindlich ist, vergeht, als ich die Autotür zuschlage. Und es ist kalt. Zittere ich deshalb?
Ich schaue durch das kleine Seitenfenster und sehe, wie es sie quält. Sehe ihre feuchten Augen. hier auch nochmal: Reaktion ist schwierig einzuschätzen, wenn später gesagt wird, dass es nicht das erste Mal ist.

Nimm mich mit

Einmal, zweimal, dreimal ziehe ich am Griff der Autotür, doch sie öffnet sich nicht. Er ist etwas sprunghaft. Redet sich ein, dass ihre Entscheidung respektiert, und jetzt entscheidet er sich um, will doch wieder in das Auto. Es hat sich eigentlich wenig geändert. Vielleicht liegt das einfach daran, dass die äußere Welt doch viel schlimmer als gedacht ist. Nur ein Gedanke.
Unsicherheit und Angst > Respekt. Muss ich definitiv dann noch besser ausarbeiten
Lena dreht ihren Kopf zur Windschutzscheibe, legt den ersten Gang ein und fährt an. Ihr Auto stottert kurz, aber bleibt nicht wieder stehen. Wieder sehr technisch beschrieben, fällt mir auf.
Immer noch schuldig. Aber ich gelobe Besserung

Leise, und im Bewusstsein, dass sie es nicht hören kann, flüstere ich: »Es tut mir leid.« Die Person spricht hier ihre Wahrheit, aber es nicht klar, was gemeint ist. Vielleicht die "Unterstützung" von Lena, auf der er sich ausgeruht hat, obwohl er zu stolz ist, die richtige Hilfe wahrzunehmen, oder ein bisschen Selbstmitleid. Vielleicht auch die Gewissheit, dass er sie wieder enttäuschen wird. So im Vakuum wirkt das etwas übertrieben, zumal ich Schwierigkeiten habe, ihn an dieser Stelle so selbstreflektiert zu sehen, falls irgendwas davon zutrifft.
Ist das etwas, was man auflösen sollte, oder kann es am Leser bleiben, so eine Stelle zu interpretieren in der frühen Phase? Wie siehst Du das generell? Übertrieben darf es natürlich auf keinen Fall wirken.

Erst als ich sie am Ende der kleinen Allee nach links abbiegen und das Grundstück durch das schwere Tor des mannshohen, verzierten Zauns verlassen sehe, drehe ich mich um. Schick! Bei der Allee musste ich jetzt schon an so ein Grundstück mit riesiger Villa vom Anfang des 20. Jhrh. denken.

Vor mir liegt ein altes Herrenhaus, eingefasst in eine großzügige Parkanlage mit weiteren Nebengebäuden. Anstatt mich meiner Umgebung zu vergewissern, starre ich auf das Schild an der Hausmauer.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Lannysmoor. Lenas ‚Überraschung‘ liest sich beschissen. Bedient wirklich ein wenig das Klischee und das ist auch gut so, weil hier wechselt es bei mir von milde interessant zu "Oha! Die Katze ist aus dem Sack". Ist das etwa Davids kleines Shutter Island?

Mit einem Schlag fühle ich mich als der Freak, der ich wahrscheinlich mittlerweile bin. Und ich falle in mich. Kalter Schweiß beginnt, meine Haut zu bedecken. Ich drehe mich im Kreis, finde aber nichts, dass mich beruhigt, mich neutralisiert. Linke Jackentasche. Mein Mobiltelefon ist an Ort und Stelle, wo ich es heute schon mehrfach zur Kontrolle gesucht habe. Das Display zeigt die Uhrzeit: 11:07. Null, die Null ist gut. Ein gutes Zeichen. Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Hier das erste Mal explizite Beschreibung von zwanghaften Verhalten. Klingt gut und wirkt.

Ich muss hier weg

Lena wird wieder enttäuscht sein. Sie wird mir aber in ein paar Tagen auch wieder verzeihen, dass ich ihren gut gemeinten Rat erneut ausschlage. "Erneut". Das ist, was ich meine. Ich wäre genervt als Lena, aber das bin vielleicht nur ich. Zeit, ein Taxi zu bestellen. 87% Akku, kein einziger Balken Empfang. Meinen Blick zieht es erneut zur Uhrzeit: 11: Null 8.
Akku, Empfang und Uhrzeit, sind sehr interessante Details. Ich denke direkt, er brauch das Akku noch, also wird diese Geschichte wohl zeitlich in den nächsten 15 Stunden passieren. Kein Empfang, ist, denke ich, ein typisches Klischee für das Genre. 11:07, 11:08, ich frage mich jetzt schon, was 11:11 passiert, wenn die Null fehlt, und das gute Omen schwindet.
Bin auch schon ganz gespannt. Spass beiseite, super, wenn es diese Wirkung hat.

Die massive Eichentür des Hauses ist von hier betrachtet der einzige Zugang zum Hauptgebäude. Da die Anlage sehr abgelegen ist, aber auch der einzige Zugang zu einem Telefon.
Im Empfangsbereich riecht es geradezu einladend. Ein Potpourri unterschiedlicher Düfte, vermutlich, um den typischen Krankenhausduft zu überdecken. Ein, zwei, drei Ausgänge aus dem Raum, die große Eingangstür nicht mitgerechnet. Die einzige weitere Person im Raum telefoniert und hebt seinen Zeigefinger, um mir zu zeigen, dass ich mich etwas gedulden soll. Meine Finger zählen das Kleingeld in meiner Hosentasche und ich überlege, warum.

»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«. Der Mitarbeiter an der Rezeption hat mittlerweile aufgelegt und winkt mich zu sich. Auf dem Weg zum Empfangstisch vermeide ich auf die hellen Rechtecke zu treten, welche die Sonne durch die Sprossen der Fenster zeichnet, nur warum? Ich schlucke den golfballgroßen Kloß herunter.

»Mein Name ist David Gesner. Ich … glaube, ich habe reserviert.«
Ok. Er hat sich also nochmal umentschieden. Es bleibt aber ein bisschen im Verborgenen, wie es dazu kam.
Ja, definitv zu schnell. Hier muss mehr Kontext hin. Danke.


Nochmals vielen lieben Dank für die konstruktive Kritik und die Mühe, die Du Dir gemacht hast.

Gute Tastenanschläge!
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finest.fire
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Alter: 36
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Wohnort: Berlin


Beitrag28.10.2022 22:54

von finest.fire
Antworten mit Zitat

Ich finde das mit dem Akkustand auch toll und bin gespannt, ob er als "Zwangi" da in Bedrängnis kommen wird, oder sicher immer gleich mehrere Ladegeräte dabei hat.

Zwangserkrankte fragen sich glaube ich nicht so sehr, "wieso mache ich den Mist". Sie wissen, dass es eigentlich Quatsch ist, aber wenn sie es lassen, stehen sie erhebliche Ängste aus...
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Nils S
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Alter: 27
Beiträge: 12
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Beitrag29.10.2022 10:57
Re: Beginn meines Projekts. Arbeitstitel: Quantum
von Nils S
Antworten mit Zitat

Hallo FlinkeTinte,
schön, dass dir die Kritik gefallen hat.

FlinkeTinte hat Folgendes geschrieben:

Leise, und im Bewusstsein, dass sie es nicht hören kann, flüstere ich: »Es tut mir leid.« Die Person spricht hier ihre Wahrheit, aber es nicht klar, was gemeint ist. Vielleicht die "Unterstützung" von Lena, auf der er sich ausgeruht hat, obwohl er zu stolz ist, die richtige Hilfe wahrzunehmen, oder ein bisschen Selbstmitleid. Vielleicht auch die Gewissheit, dass er sie wieder enttäuschen wird. So im Vakuum wirkt das etwas übertrieben, zumal ich Schwierigkeiten habe, ihn an dieser Stelle so selbstreflektiert zu sehen, falls irgendwas davon zutrifft.
Ist das etwas, was man auflösen sollte, oder kann es am Leser bleiben, so eine Stelle zu interpretieren in der frühen Phase? Wie siehst Du das generell? Übertrieben darf es natürlich auf keinen Fall wirken.


Nochmal dazu: Wenn es ein Teaser ist und es nicht um die gerade erlebte Situation geht, dann würde ich das irgendwie klar stellen. Dann wird das auch bedeutsam für den Leser, der nicht nur auf die Zukunft sondern auch auf die Vergangenheit neugierig wird. Dass da wirklich etwas ist, sollte zumindest beim ersten Mal explizit genannt werden. Das wäre meine Meinung dazu.
Es gibt so eine Faustregel, dass man solche Sachen 3 Mal zu verschiedenen Zeitpunkten bearbeitet.
1. ein erster Teaser, dass der Leser von der Existenz von etwas weiß.
2. eine Erinnerung, dass es wirklich wichtig ist, weil es Einfluss auf die Geschichte hat.
3. das große Payoff, bei dem ganz explizit geklärt wird, was da eigentlich war und ist.
Davon kann man natürlich immer abweichen, aber das funktioniert ganz gut bei Dingen, die man erstmal versteckt halten will, ohne den Leser zu oft zu ärgern.
Also falls das „Es tut mir leid.“ auf sowas hindeutet würde ich anstreben das der Leser sich danach denkt: „Da war etwas!“ mit Bestimmtheit. Wenn das ein bedeutsamer Satz ist, dann muss die Bedeutsamkeit klar werden, auch wenn die Bedeutung verborgen bleibt.
Es gibt aber viele Arten etwas Bedeutsam zu machen auch wenn es beim ersten Mal nicht verstanden wird. Vielleicht ist es auch nur ein Thema, dass er sich überall schuldig fühlt. Vielleicht tauchen ja in deinem Manuskript an den verschiedensten Stellen „Es tut mir leid“ auf und das in einer Häufigkeit, die einem irgendwann klar macht, dass irgendwas dieses Denken ausgelöst hat. Sowas kann aber mitunter auch etwas nervig sein. Auch wieder nur ein Gedanke.

LG Nils
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FlinkeTinte
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Alter: 46
Beiträge: 17
Wohnort: Main-Kinzig-Kreis


F
Beitrag29.10.2022 15:18

von FlinkeTinte
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finest.fire hat Folgendes geschrieben:
Ich finde das mit dem Akkustand auch toll und bin gespannt, ob er als "Zwangi" da in Bedrängnis kommen wird, oder sicher immer gleich mehrere Ladegeräte dabei hat.

Zwangserkrankte fragen sich glaube ich nicht so sehr, "wieso mache ich den Mist". Sie wissen, dass es eigentlich Quatsch ist, aber wenn sie es lassen, stehen sie erhebliche Ängste aus...


Hi Finest.Fire,

vielen Dank.

Du beziehst Dich vermutlich auf das "warum", dass zum Ende zweimal vorkommt. Absolut richtig, Zwangserkrankte wissen zumeist, dass der Zwang den sie erleben 'Quatsch' ist.
Hier fragt sich David nicht, wieso er explizit Kleingeld zählt, sondern warum er von der Krankheit betroffen ist. Er versteht nicht, was ihn dazu verleitet. Und letztlich hofft er, dass die Klinik ihm dann doch helfen kann, weshalb er bleibt. Der Abschnitt ist für Verbesserung markiert und die eigentliche Frage nach dem Warum, sollte dann mehr Platz einnehmen.

Viele Grüße
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realo
Leseratte


Beiträge: 185



Beitrag01.11.2022 10:41

von realo
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Beim Beginn einer Geschichte, erst recht eines Romans hätte ich gerne als Leser am Anfang etwas Einstimmung ins Geschehen, ein wenig Stimmung erzeugen, bevor die Protagonisten losschlagen. Ob da eine Autotür aufgeht oder nicht, interessiert mich nicht, wenn ich nicht mitfiebern kann und das kann ich nur mit der richtigen Stimmung. Manch einer bringt die Stimmung mit und ist begeistert, ich nicht, ich bin skeptisch, was will der mir jetzt erzählen? Man kann es vertrauensbildende Maßnahmen nennen am Anfang, um sich der Szene zu öffnen und von seinem eigenen Alltag wegzukommen.
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FlinkeTinte
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F
Beitrag01.11.2022 12:06

von FlinkeTinte
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Hallo realo,

vielen Dank für Deine Antwort. Siehst Du das zwingend im ersten Kapitel der Haupthandlung oder erfüllt für Dich ein Prolog eben diesen Zweck?

Viele Grüße
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Immanuel
Wortedrechsler

Alter: 44
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Wohnort: bei Freiburg


Beitrag01.11.2022 14:13

von Immanuel
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Für mich erzeugt das Verhalten der Personen genug Stimmung. Aber ich glaube, das ist Geschmacksache. Ich kriege zuviel, wenn ich merke, dass AutorInnen mir erst einmal die Stimmung der Szene nahebringen wollen. Das kriegen nur wenige hin, ohne sich dabei als Schreibende bemerkbar zu machen. Ein abrupter Einstieg, der ein Fragezeichen aufwirft, zieht mich am ehesten an. Insofern funktioniert der Anfang für mich.

Auch die folgenden Absätze haben mir gefallen. Aber da hätte mir dann etwas mehr Stimmung gefallen Mr. Green
Die Umentscheidung zu bleiben und "einzuchecken" kam auch mir etwas zu plötzlich. Die Zweifel des Protas hättest Du noch mehr ausgestalten können. (vielleicht in der Art und Weise, wie er die Umgebung mustert und ablehnt, ohne gute Gründe dafür zu haben?)

Was mir persönlich am wenigsten gefiel, war das "warum", das der Prota im Kopf hatte im Moment der Zwangshandlung, die hellen Rechtecke beim Laufen zu vermeiden. Ich glaube, wenn Jemand solche Zwänge entwickelt hat, fragt er sich nicht mehr ständig, warum er so handelt. Es ist vermutlich eher eine selbstverständliche Handlung geworden (glaubt mein innerer Binsen-Therapeut).
Als Leser würde ich die Problematik noch mehr verstehen, wenn der Prota sich ihrer gar nicht mal richtig bewusst wäre, sondern sich nur darauf konzentrierte, seinem Zwang gerecht zu werden.

Alles in allem ein interessanter Start, der das Potential hätte, mich weiterlesen zu lassen.


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FlinkeTinte
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Beitrag01.11.2022 14:30

von FlinkeTinte
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Hallo Immanuel,

vielen Dank auch Dir. Wenn ich das Kapitel überarbeitet habe, würde ich mich freuen nochmal Feedback zu bekommen. Aktuell 'quäle' ich noch eine andere Textpassage wink

Vielleicht eine generelle Frage zur Nutzung des Forums. Es gibt die Möglichkeit einen Post in einem Thread als Fortsetzung zu markieren. Ist das im Forum Einstand sinnvoll, oder sollte es denn besser in die Werkstatt verschoben werden? Frage das auch gerne die Moderation. Ist mir nur gerade eingefallen.

Viele Grüße und gute Tastenanschläge
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Gedankenvogel
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Beiträge: 65



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Beitrag02.11.2022 19:07

von Gedankenvogel
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Lieber FlinkeTinte,

ich möchte gar nichts wiederholen, du hast schon viele gute Anmerkungen bekommen.

Aber ich möchte trotzdem ein kleines Lob da lassen, denn abseits von handwerklichen oder inhaltlichen Unschärfen, über die man nochmal drüber könnte, hast du auch bei mir geschafft, Interesse und Spannung zu erzeugen. Ich finde auch deinen Schreibstil sehr angenehm.

Das ist vermutlich eine Geschmacksfrage, aber für mich haben die technischen Details gut funktioniert, weil ich sie David zugeschrieben habe und dadurch das Gefühl hatte, in seine Welt/Wahrnehmung eintauchen zu können.

Ein kleines Feedback zu den "Warum"-Fragen von einer Psychologin: ich finde auch, dass sie nicht ganz passen; mir war beim Lesen nicht klar, was genau er sich da fragt. Und fachlich gesehen möchte ich mich meinen Vorrednern anschließen; ich denke, dass eine Person mit massiven Zwangshandlungen und -gedanken (die ja schon lange bestehen müssen), nicht unbedingt ständig die Frage im Kopf hat, "warum" er so empfindet. Es wurde schon einmal geschrieben - die Zwänge dienen ja mehr oder weniger der Angstvermeidung, der persönlichen Sicherheit, dem eigenen Kontrollerleben. Natürlich leiden die Personen darunter, fragen sich auch ganz bestimmt mal, wieso es sie "getroffen" hat; aber vielleicht nicht in der Wiederholung und vor allem nicht in der von dir beschriebenen Szene. So zumindest mein bescheidener Eindruck. David kommt gerade in einer Klinik an, ich schätze, er hat andere Bedenken in dieser Situation im Foyer...
Aber wie gesagt - das ist nur mein persönlicher Eindruck.
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FlinkeTinte
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Beitrag03.11.2022 10:32

von FlinkeTinte
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Hallo Gedankenvogel,

vielen Dank für Deine Anmerkungen. An dieser Stelle muss ich mal sagen, dass mich, in der kurzen Zeit schon, das Forum wirklich begeistert. Tolle, konstruktive Kommentare, viele Perspektiven und Vielfalt der Mitglieder. Ich hatte nicht erwartet, so schnell oder überhaupt jemanden mit Deiner Ausbildung antreffen zu können.

Ich habe gestern Abend das Kapitel überarbeitet und hoffe Eure Anmerkungen gut umgesetzt zu haben. Dazu gleich der neue Text als Post.
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FlinkeTinte
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 46
Beiträge: 17
Wohnort: Main-Kinzig-Kreis


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Beitrag03.11.2022 10:37

von FlinkeTinte
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Vielen Dank, für all Eure Kommentare, Anmerkungen, lieben Worte. Eine neue Version des Eingangskapitels ist entstanden, den ich sehr gerne wieder Euren Ideen und Meinungen zur Verfügung stelle.

-----

Jahrelang lief ich wie ein Uhrwerk. Pünktlich. Perfekt. Und mit höchster Präzision. Nun klemmt manchmal der Zeiger. Bleibt stehen. Tickt mehrmals über derselben Stelle. Verzögert meine Welt. Ergreift mehr und mehr Besitz von mir.

»Steig' jetzt bitte aus und versuche es doch wenigstens.« Ihre Stimme zittert. Sie meint es sicher gut, und schon aus Respekt vor ihr und ihrer Unterstützung sollte ich aussteigen, und doch kann ich es nicht. Mit gesenktem Kopf sitze ich neben ihr und rühre mich nicht. Kann nicht zugeben, wie schlecht es mir geht.
Sie beugt sich kurz über mich und versucht die Beifahrertür ihres kleinen Fiats zu öffnen. »Bitte. Du brauchst Hilfe.« Ich schaue zu ihr und sehe, wie es sie quält. Sehe ihre feuchten Augen.
»Es tut mir … leid«, flüstere ich in mich. Dann drehe ich mich zur Tür.

Durch das kleine Seitenfenster sieht die Welt bunt und einladend aus. Doch ich weiß es besser. Ich weiß, wie bedrohlich und abrupt sie zuschlagen kann. Einmal, zweimal, dreimal ziehe ich am Griff der Autotür, um mich abzusichern, dann werfe ich die Tür auf und steige aus. Und es ist kalt. Zittere ich deshalb?

Lena dreht ihren Kopf zur Windschutzscheibe, legt den ersten Gang ein und fährt an. Ihr Auto ruckt kurz, aber bleibt nicht wieder stehen.

Nimm mich mit

Erst als ich sie am Ende der kleinen Allee nach links abbiegen und das Grundstück durch das schwere Tor des mannshohen, verzierten Zauns verlassen sehe, drehe ich mich um.

Vor mir liegt ein altes Herrenhaus, eingefasst in eine großzügige Parkanlage mit weiteren Nebengebäuden. Anstatt mich meiner Umgebung zu vergewissern, starre ich auf das Schild an der Hausmauer.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Lannysmoor. Lenas ‚Überraschung‘ liest sich beschissen.

Mit einem Schlag fühle ich mich als der Freak, der ich wahrscheinlich mittlerweile bin. Und ich falle in mich. Kalter Schweiß beginnt, meine Haut zu bedecken. Ich drehe mich im Kreis, finde aber nichts, dass mich beruhigt, mich neutralisiert. Linke Jackentasche. Mein Mobiltelefon ist an Ort und Stelle, wo ich es heute schon mehrfach zur Kontrolle gesucht habe. Das Display zeigt die Uhrzeit: 11:07. Null, die Null ist gut. Ein gutes Zeichen. Ich schließe meine Augen und atme tief durch.

Ich muss hier weg

Lena wird enttäuscht sein. Wird sie mir verzeihen, dass ich ihren gut gemeinten Rat ausschlage? Es wird ein paar Tage dauern, dann sieht sie bestimmt ein, dass ich nicht hierher gehöre. Zeit, ein Taxi zu bestellen. 87% Akku, kein einziger Balken Empfang. Meinen Blick zieht es erneut zur Uhrzeit: 11: Null 8.

Die massive Eichentür des Hauses ist von hier betrachtet der einzige Zugang zum Hauptgebäude. Da die Anlage sehr abgelegen ist, aber auch der einzige Zugang zu einem Telefon.
Im Empfangsbereich riecht es geradezu einladend. Ein Potpourri unterschiedlicher Düfte, vermutlich, um den typischen Krankenhausduft zu überdecken. Ein, zwei, drei Ausgänge aus dem Raum, die große Eingangstür nicht mitgerechnet. Die einzige weitere Person im Raum telefoniert und hebt seinen Zeigefinger, um mir zu zeigen, dass ich mich etwas gedulden soll. Zeit, die ich alleine mit meinen Gedanken verbringen muss. Momente, die ich fürchte. In diesen Momenten kostet es mich unendlich viel Kraft gegen die Bilder anzukämpfen, die mich immer und immer wieder in meinem Kopf besuchen. Die Erinnerungen zu verdrängen, die mich entgleisen lassen. Doch auch ohne sie entgleise ich mittlerweile; auf gerader Strecke. Ich trete von einem Fuß auf den anderen und entsperre mein Telefon. Wenigstens die Gesichtserkennung weiß noch, wer ich bin. Aber was hatte ich vor? Wollte ich wieder Lena anrufen, mit ihr sprechen, mich ablenken? Ich starre auf die Empfangsbalken auf meinem Telefon. Nichts.

Du brauchst Hilfe

»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«. Der Mitarbeiter an der Rezeption hat mittlerweile aufgelegt und winkt mich zu sich. Auf dem Weg zum Empfangstisch vermeide ich auf die hellen Rechtecke zu treten, welche die Sonne durch die Sprossen der Fenster zeichnet? Ich muss es einfach. Mit staubtrockenem Mund antworte ich: »Mein Name ist David Gesner. Ich … glaube, ich habe reserviert.«
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Daniel de Iguazu
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 46
Beiträge: 86



Beitrag04.11.2022 17:20

von Daniel de Iguazu
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Hallo FlinkeTinte,

mir hat es viel Spaß gemacht, deinen Text zu lesen. Die erste Version gefällt mir übrigens besser als die zweite (auch wenn der Meinungsumschwung unklarer ist). Sie wirkt stärker und ist atmosphärisch dichter.

Zitat:
… Zeit, die ich alleine mit meinen Gedanken verbringen muss. Momente, die ich fürchte. In diesen Momenten kostet es mich unendlich viel Kraft gegen die Bilder anzukämpfen, die mich immer und immer wieder in meinem Kopf besuchen. Die Erinnerungen zu verdrängen, die mich entgleisen lassen. Doch auch ohne sie entgleise ich mittlerweile; auf gerader Strecke.

Das klingt für mich zu reflektiert. Gedankenvogel als Psychologin kann das wahrscheinlich besser beurteilen als ich. Aber selbst wenn das realistischer als die erste Version sein sollte, finde ich, dass die Selbstreflexion an dieser Stelle dem Text die Energie nimmt.

Ich habe noch folgende Detailkritik:
Zitat:
Die einzige weitere Person im Raum telefoniert

Hier bin ich ins Stocken geraten. Welche Person? Ich denke, es sollte klar beschrieben werden, dass es sich um den Mitarbeiter an der Rezeption handelt.


_________________
"The difference between fiction and reality is that fiction has to make sense." Tom Clancy
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realo
Leseratte


Beiträge: 185



Beitrag05.11.2022 19:04

von realo
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FlinkeTinte hat Folgendes geschrieben:
Hallo realo,
vielen Dank für Deine Antwort. Siehst Du das zwingend im ersten Kapitel der Haupthandlung oder erfüllt für Dich ein Prolog eben diesen Zweck?


Ein Prolog ist nicht Anfang der Geschichte, das ist eine Vorbemerkung. Hier soll es um den Anfang eines Romans gehen und ich lege ihn weg, wenn mir zuerst die Protagonisten vor der Nase herumzappeln. Jeder gute zwischenmenschliche Kontakt fängt mit der Wahrnehmung der gegebenen Stimmung an, das sollte Raum bekommen. Beim Sex nennt man es Vorspiel und beim Dialog nennt man es Smalltalk. Wenn es fehlt, entstehen Missverständnisse. Mit der Tür ins Haus fallen ja, bei Ausgehungerten, da braucht man nicht mit delikater Vorspeise anzukommen, da wird sofort der deftige Hauptgang verschlungen. Sind wir literarisch ausgehungert in Deutschland oder sind wir eher übersättigt? Sind wir in einer Notlage und brauchen sofort eine Dosis Zuwendung in Form einer Figur? Ist es nicht besser zunächst zu sich zu kommen, bevor ich mich auf eine Geschichte einlasse, die mir einer erzählt? Sonst verliere ich mich darin und brauche Hilfe, um wieder selbstständig zu werden. Aus meiner Sicht hat sich an dem Text nichts geändert.
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Bananenbrot
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
B

Alter: 34
Beiträge: 36
Wohnort: Daheim


B
Beitrag13.11.2022 13:26

von Bananenbrot
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Hallo FlinkeTinte,

ich habe deine zweite Version gelesen und schließe mich Daniel de Iguazu an. Die erste Version hat mir besser gefallen. Ich mache ein paar Anmerkungen, aber es fällt mir unheimlich schwer, im Detail darauf hinzuweisen, wieso mir die erste Version besser als die zweite gefällt.

Zitat:
Jahrelang lief ich wie ein Uhrwerk. Pünktlich. Perfekt. Und mit höchster Präzision. Nun klemmt manchmal der Zeiger. Bleibt stehen. Tickt mehrmals über derselben Stelle. Verzögert meine Welt. Ergreift mehr und mehr Besitz von mir. Mir gefällt es ohne den neuen Satz besser. Finde es griffiger, und irgendwie ist es, rein vom Gefühl her, zuviel.


»Steig' jetzt bitte aus und versuche es doch wenigstens.« Ihre Stimme zittert. Sie meint es sicher gut, und schon aus Respekt vor ihr und ihrer Unterstützung sollte ich aussteigen, und doch kann ich es nicht. Mit gesenktem Kopf sitze ich neben ihr und rühre mich nicht. Kann nicht zugeben, wie schlecht es mir geht. Der Abschnitt ist zu Teilen genauso in der ersten Version enthalten. Den Zusatz "Kann nich zugeben, wie schlecht es mir geht" ist neu und den braucht es nicht. Das verschlechtert den Text deshalb, weil es (in der ersten Version) auch durch das Verhalten deines Protas schon heruübergekommen ist. Also show don't tell wie ich finde sehr gut angewandt worden ist.
Sie beugt sich kurz über mich und versucht die Beifahrertür ihres kleinen Fiats zu öffnen. »Bitte. Du brauchst Hilfe.« An der Stelle stolpere ich deshalb auch über das "Bitte. Du brauchst Hilfe." Das ist mir zu viel, weil es vorher im Kopf deines Protas schon gesagt wurde, dass es ihm schlecht geht - also dem Leser schon offensichtlich aufgedrückt worden ist. In der ersten Version, war es bis dahin hingegen nur subtil heruaszulesen. In dem Kontext hat der Satz der Freundin für mich besser gepasst. Das ist sehr kritisch, weil du alles in allem immer noch sehr subtil und vorsichtig damit umgehst, welche Informationen du dem Leser gibst, aber im direkten Vergleich deiner Versionen ist das eine doch klar besser (in meinen Augen). Ich schaue zu ihr und sehe, wie es sie quält. Sehe ihre feuchten Augen.
»Es tut mir … leid«, flüstere ich in mich. Dann drehe ich mich zur Tür.

Durch das kleine Seitenfenster sieht die Welt bunt und einladend aus. Doch ich weiß es besser. Ich weiß, wie bedrohlich und abrupt sie zuschlagen kann. Einmal, zweimal, dreimal ziehe ich am Griff der Autotür, um mich abzusichern, dann werfe ich die Tür auf und steige aus. Und es ist kalt. Zittere ich deshalb? Weniger ist hier mehr. Man reimt sich das bedrohliche Äußere und die Unsicherheit des Protas selber zusammen und wirkt schlicht stärker.

Lena dreht ihren Kopf zur Windschutzscheibe, legt den ersten Gang ein und fährt an. Ihr Auto ruckt kurz, aber bleibt nicht wieder stehen.

Nimm mich mit

Erst als ich sie am Ende der kleinen Allee nach links abbiegen und das Grundstück durch das schwere Tor des mannshohen, verzierten Zauns verlassen sehe, drehe ich mich um.

Vor mir liegt ein altes Herrenhaus, eingefasst in eine großzügige Parkanlage mit weiteren Nebengebäuden. Anstatt mich meiner Umgebung zu vergewissern, starre ich auf das Schild an der Hausmauer.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Lannysmoor. Lenas ‚Überraschung‘ liest sich beschissen.

Mit einem Schlag fühle ich mich als der Freak, der ich wahrscheinlich mittlerweile bin. Und ich falle in mich. Kalter Schweiß beginnt, meine Haut zu bedecken. Ich drehe mich im Kreis, finde aber nichts, dass mich beruhigt, mich neutralisiert. Linke Jackentasche. Mein Mobiltelefon ist an Ort und Stelle, wo ich es heute schon mehrfach zur Kontrolle gesucht habe. Das Display zeigt die Uhrzeit: 11:07. Null, die Null ist gut. Ein gutes Zeichen. Ich schließe meine Augen und atme tief durch.

Ich muss hier weg

Lena wird enttäuscht sein. Wird sie mir verzeihen, dass ich ihren gut gemeinten Rat ausschlage? Es wird ein paar Tage dauern, dann sieht sie bestimmt ein, dass ich nicht hierher gehöre. Zeit, ein Taxi zu bestellen. 87% Akku, kein einziger Balken Empfang. Meinen Blick zieht es erneut zur Uhrzeit: 11: Null 8.

Die massive Eichentür des Hauses ist von hier betrachtet der einzige Zugang zum Hauptgebäude. Da die Anlage sehr abgelegen ist, aber auch der einzige Zugang zu einem Telefon.
Im Empfangsbereich riecht es geradezu einladend. Ein Potpourri unterschiedlicher Düfte, vermutlich, um den typischen Krankenhausduft zu überdecken. Ein, zwei, drei Ausgänge aus dem Raum, die große Eingangstür nicht mitgerechnet. Die einzige weitere Person im Raum telefoniert und hebt seinen Zeigefinger, um mir zu zeigen, dass ich mich etwas gedulden soll. Zeit, die ich alleine mit meinen Gedanken verbringen muss. Momente, die ich fürchte. In diesen Momenten kostet es mich unendlich viel Kraft gegen die Bilder anzukämpfen, die mich immer und immer wieder in meinem Kopf besuchen. Die Erinnerungen zu verdrängen, die mich entgleisen lassen. Doch auch ohne sie entgleise ich mittlerweile; auf gerader Strecke. Den Part finde ich tatsächlich auch zu reflektiert, die Probleme fast etwas zu stark benannt. Ich trete von einem Fuß auf den anderen und entsperre mein Telefon. Wenigstens die Gesichtserkennung weiß noch, wer ich bin. Aber was hatte ich vor? Wollte ich wieder Lena anrufen, mit ihr sprechen, mich ablenken? Ich starre auf die Empfangsbalken auf meinem Telefon. Nichts.

Du brauchst Hilfe

»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«. Der Mitarbeiter an der Rezeption hat mittlerweile aufgelegt und winkt mich zu sich. Auf dem Weg zum Empfangstisch vermeide ich auf die hellen Rechtecke zu treten, welche die Sonne durch die Sprossen der Fenster zeichnet? Ich muss es einfach. Mit staubtrockenem Mund antworte ich: »Mein Name ist David Gesner. Ich … glaube, ich habe reserviert.«


Der Schwachpunkt deines ersten Kapitels bleibt in meinen Augen das Ende. Manchmal ist es unheimlich schwierig zu sagen, warum ein Text nicht funktioniert und die gewünschte Wirkung entfaltet. Wo du mir am Anfang zu viel erzählt hast (in der zweiten Version), ist das Problem meiner Ansicht nach am Ende das, dass du es zu kurz halten möchtest. Du "showst" die Gefühlswelt deines Protas am Anfang so gut, dass du es mir - im direkten Vergleich zum Ende des Textes - zu sehr mit dem Holzhammer versuchst. Deshalb würde ich raten, lass dem Sinnungswandel etwas mehr Raum, lass die Selbsterkenntnis deines Protas über seinen Wahn mehr zwischen den Zeilen mitschwingen als es auszubuchstabieren.

Das ist meckern auf hohem Niveau. Dein Kapitel ist auch so schon sehr gut. Aber ist gibt noch Verbesserungspotential. Was ja auch etwas Gutes ist smile
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FlinkeTinte
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Beitrag14.11.2022 15:11

von FlinkeTinte
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Hallo Daniel, hallo Bananenbrot,

vielen Dank für Eure nachvollziehbaren Anmerkungen und Eure Sicht auf den Text. Das ist sehr hilfreich und triggert eine weitere Überarbeitung.
Bzgl. des reflektierenden Monologs, mein Versuch diesen in diesem frühen Abschnitt zu akzeptieren, um die Handlung von David zu erklären ist schief gegangen. Wie auch zu Recht angemerkt, muss hier ein anderer Weg her, damit verliert er seine Berechtigung. Damit kann ich gut leben, auch wenn die Lücke dann offen bleibt für den Moment.

Viele Grüße und vielen Dank für Eure Mühe
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