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Glöckchen


 
 
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Sandschlange
Geschlecht:weiblichSchneckenpost

Alter: 29
Beiträge: 14
Wohnort: Steiermark


Beitrag11.10.2022 21:11
Glöckchen
von Sandschlange
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Glöckchen

Ich sitze am Esstisch und lächle. Oma backt Weihnachtskekse. Es riecht nach Staubzucker und Vanille. Jedes Jahr fängt Oma Ende September damit an. „Im Dezember haben die Leute meistens schon genug davon“, sagt sie, wenn jemand sie danach fragt.
Mein Lächeln verblasst. Multiples Organversagen, denke ich und das Bild von Oma wie sie in der Küche steht und Kekse backt, verschwindet für einen Moment vor meinen Augen. Ich habe sie sterben sehen. Heute Nacht habe ich geträumt, dass Oma tot ist. Es war ein langer Traum, der sich über Wochen hinweggezogen hat. Ich bin vor ihrem Grab gestanden, habe auf ihren Sarg hinuntergesehen. Die ganze Familie war da, nach und nach haben sie Erde in das Grab geschüttet. Oma ist nicht wieder aufgewacht.
Ich schüttle den Gedanken ab und ermahne mich, die Zeit zu genießen. „Wie gehts Inge?“, frage ich beiläufig und da fällt mir auf, das Oma gar nicht backt. Es riecht auch nicht nach Vanillie und Staubzucker.
„Besuchen wir sie doch!“ Oma strahlt. „Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, dabei wohnen wir Haustür an Haustür.“ Als Oma aufsteht, fällt mir auf, dass sie viel trittfester ist, seit sie aus dem Krankenhaus zurück ist. Sie tastet sich durch die Küche und erst als sie keinen Halt mehr findet und mit zittrigen Händen nach mir greift, eile ich zu ihr. Sie hackt sich bei mir ein und blickt sich um. „Wo ist mein Rollator?“, fragt sie.
Irgendwo in meinem Unterbewusstsein meldet sich eine Stimme: Onkel hat Rollstuhl und den Rollator hergeschenkt. Er denkt sicher noch immer, dass Oma tot ist. Ich schüttle den Kopf, als mir klar wird, wie irrational der Gedanke ist. Natürlich hat ihm Papa schon gesagt, dass Oma lebt. Wobei Onkel lange im Ausland war ... Während ich mit Oma nach draußen gehe, ziehe ich mein Handy aus der Jackentasche und wähle seine Nummer. Omas Finger fühlen sich warm an. Natürlich lebt sie, denke ich. Wir sprechen nur nicht darüber, weil es traumatisch ist. Immerhin haben wir sie beerdigt.

„Leute kommen nicht einfach so zurück“, hat Helga gesagt, die alte Babysitterin von meinem Vater. Als ich an sie denke, kommt es mir vor, als würde sie vor mir stehen. Die Gegenwart verschwimmt. In meinem Kopf formen sich Erinnerungen, die mir ganz neu vorkommen, aber das ist dumm. Erinnerungen entstehen doch nicht einfach so in dem Moment, indem man sich an sie erinnert. Sicher habe ich nur vergessen, dass sie bei Oma wohnt. Als die Beerdigung war, hat sie es nicht geschafft von England nach Österreich zu fliegen - daran erinnere ich mich noch. Danach hat sie den Flug gebucht, um der Familie Trost zu spenden und darum ist sie jetzt da und darum konnte ich sie auch im Gästezimmer besuchen.
„Leute kommen nicht einfach so zurück, wie stellst du dir das vor?“, hat sie gesagt. „Ihr habt deine Oma beerdigt, sie war drei Tage in der Erde und davor war ihr Zustand schon kritisch. Wie kommst du darauf, dass sie das überleben könnte?“
„Ich war nicht dabei“, habe ich gesagt, ohne ihr in die Augen zu sehen.
„Juli.“ Helga hat mich an den Schultern gepackt. „Es war im Juli, nicht wahr? Jetzt ist es Ende September. Wie lange war deine Oma tot?“
„Lass mich los!“, habe ich geschrien und dann hab ich Helgas Hände von meinen Schultern gewischt und bin aufgestanden. „Frag doch Papa, wenn du’s genau wissen willst! Er war dabei und er hat sich um alles gekümmert. Ich hab doch keine Ahnung, ich bin einfach nur froh!“
„Wie haben sie entdeckt, dass sie noch lebt?“ Helga wollte nicht aufhören, diese unbequemen Fragen zu stellen, also bin ich zur Tür gelaufen, aber einen Moment habe ich im Rahmen ausgeharrt.
„Da gibt’s doch diese Glöckchen ...“, habe ich gemurmelt. „Die kann man läuten, wenn man lebendig begraben wird.“ Danach bin ich aus dem Zimmer gerannt, weil ich Angst vor ihrer Antwort hatte. Ich wollte den Grabstein nicht sehen, ich war einfach froh, sie an meiner Seite zu haben.

Vor der Garage bleiben Oma und ich stehen. Sie dreht sich um und lächelt. „Das Auto hab ich schon lange nicht mehr gesehen.“ Ich folge ihrem Blick, entdecke den alten, silbernen Golf. Der ist doch schon vor Jahren eingegangen, denke ich.
„In der Garage steht auch kein Rollator mehr?“, fragt Oma.
Ich blicke auf mein Handy. Es liegt noch immer in meiner Hand. Stimmt ja, denke ich, als ich den Namen meines Onkels auf dem Display sehe. Ich wollte ihn anrufen und nach dem Rollator fragen, aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht sicher sagen, ob ich schon gewählt habe oder nicht. Als ich ihn anrufen will, kommt mein Vater durch die Einfahrt. Vor sich schiebt er einen Rollator her und neben ihm geht eine Kindheitsfreundin, die ich schon seit Jahren nicht gesehen habe.
„Woher wusstest du-...?“, fange ich an, doch mein Vater lächelt verschmitzt und schiebt den Rollator so vor Oma, so dass sie sich leicht daran festhalten kann.
„Na, da wunderst du dich, was? Ich weiß eben alles“, sagt er und zwinkert, bevor er Oma ansieht. „Bist du auf dem Weg zur Frau Nachbarin?“Oma lacht und kneift ihm in die Wange. „Nachdem ich so lange keinen Piccolo mehr getrunken habe und jetzt darf ich ja wieder.“
„Aber nicht zu viel“, mahnt mein Vater halbernst, bevor er Oma einen dicken Kuss auf die Stirn drückt und mir seine Hand über die Schulter legt. „Gehen wir ein Stück?“
Ich nicke. Irgendetwas irritiert mich. Ich lasse mich von meinem Vater mitziehen, sehe noch einmal zurück zu Oma, wie sie über die Straße hin zu Inge geht, die von ihrer Terrasse aus schon fröhlich winkt. Mir kommt es so vor, als wäre da noch etwas gewesen, aber das Bild will sich nicht zusammenfügen und darum lasse ich mich widerstandslos von Papa mitziehen.
Gemeinsam gehen wir ums Haus und als wir die Ecke erreichen, erwarte ich, die alte Weinpresse zu sehen, aber stattdessen steht dort ein Wachturm. „Was ist -...“
„Den hat dein Opa gebaut, bevor er ins Altersheim kam“, sagt Papa und er kneift die Augen zusammen. „Erinnerst du dich nicht mehr?“
„Doch natürlich“, murmle ich, dabei habe ich keine Ahnung, wovon er spricht.
„Pass auf beim Raufsteigen, der Turm ist alt.“
Gemeinsam steigen wir die morschen Holzbretter hinauf. Ich halte mich am Geländer fest und blicke nach unten. Mir wird schwindlig, als mir auffällt, wie hoch wir schon sind. „Wie-...“
„Ja, dein Opa wusste halt, wie man Türme baut“, sagt Papa und lacht. „Man merkt gar nicht, wie weit man raufsteigt, erst wenn man oben ist, kommt der Schwindel.“
„Sag Papa...“, fange ich an. Ich halte mich vom Geländer fern, denn mir kommt vor, dass der Turm hin und her schwankt. Ich bin mir sicher, dass er jeden Moment einbrechen wird. Mein Vater scheint das nicht zu bemerken, denn er steht nur lächelnd vor mir.
„Du bist so blass, alles gut?“
Ich schüttle den Kopf. „Ich weiß nicht“, sage ich und setze mich auf einen Stuhl. Nur am Rande fällt mir die schöne Sitzgarnitur auf, der polierte Glastisch, die flecklosen Sitzpolster, die aussehen, als wären sie gerade erst frisch gewaschen worden. „Sag Papa, wie lange war Oma begraben?“
„Drei Tage“, sagt er und sein Blick verändert sich. Sein Grinsen ist nicht länger amüsiert, eher mitleidig, so als hätte ich ihm einen schlechten Witz erzählt.
„Und wie lange dachten die Ärzte davor schon, dass sie tot ist?“
„Wieso fragst du das alles?“
„Naja...“, ich wage kaum, es auszusprechen. Der Turm wackelt, die morschen Holzbretter brechen nach und nach aus dem Boden und fallen in die Tiefe. „Papa... Oma war doch schon eine Woche tot, bevor wir sie beerdigt haben, oder nicht?“
Papa lächelt. Die Bretter unter seinen Füßen verschwinden. Ich spüre die Tränen über meine Wangen laufen, aber ich empfinde nichts, als sie auf meine gefalteten Hände fallen. Der Glastisch ist nicht poliert. Die Sitzkissen sind nicht gewaschen, sondern verstaubt und alt. Oma backt keine Kekse in der Küche. Die Nachbarin sitzt alleine auf ihrer Terrasse und trinkt einen Piccolo zum Andenken.
„Du weißt ja ...“, sagt Papa. „... die geben den Verstorbenen ein Glöckchen mit, damit sie läuten können.“
„Ja“, flüstere ich. „Gut, dass Oma ein Glöckchen hatte.“



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Miné
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Wohnort: Köln


Beitrag12.10.2022 09:00
Re: Glöckchen
von Miné
Antworten mit Zitat

Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Glöckchen

Ich sitze am Esstisch und lächle. Oma backt Weihnachtskekse. Es riecht nach Staubzucker und Vanille. Jedes Jahr fängt Oma Ende September damit an. „Im Dezember haben die Leute meistens schon genug davon“, sagt sie, wenn jemand sie danach fragt.
Mein Lächeln verblasst. Multiples Organversagen, denke ich und das Bild von Oma wie sie in der Küche steht und Kekse backt, verschwindet für einen Moment vor meinen Augen. Ich habe sie sterben sehen. Heute Nacht habe ich geträumt, dass Oma tot ist. Es war ein langer Traum, der sich über Wochen hinweggezogen hat. Ich bin vor ihrem Grab gestanden, habe auf ihren Sarg hinuntergesehen. Die ganze Familie war da, nach und nach haben sie Erde in das Grab geschüttet. Oma ist nicht wieder aufgewacht.
Ich schüttle den Gedanken ab und ermahne mich, die Zeit zu genießen. „Wie gehts Inge?“, frage ich beiläufig und da fällt mir auf, das Oma gar nicht backt. Es riecht auch nicht nach Vanillie und Staubzucker.
„Besuchen wir sie doch!“ Oma strahlt. „Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, dabei wohnen wir Haustür an Haustür.“ Als Oma aufsteht, fällt mir auf, dass sie viel trittfester ist, seit sie aus dem Krankenhaus zurück ist. Sie tastet sich durch die Küche und erst als sie keinen Halt mehr findet und mit zittrigen Händen nach mir greift, eile ich zu ihr. Sie hackt sich bei mir ein und blickt sich um. „Wo ist mein Rollator?“, fragt sie.



Hallo Sandschlange, das liest sich eigentlich ganz gut, aber ich schwebe zwischen Traum und Wirklichkeit?! smile Deine Sätze kommen mir teilweise ein wenig zu kurz und abgehackt vor. Zumindest die Ersten ganz am Anfang.

Liebe Grüße
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hobbes
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Beitrag12.10.2022 13:52

von hobbes
Antworten mit Zitat

Hallo Sandschlange,

ich mag den Titel nicht. Der passt natürlich zum Text, aber er hört sich so lieblich an, nach Weihnachtslied, was nun wieder zur Weihnachtsbäckerei passt, aber nun ja, ich finde, du könntest noch einen besseren finden.

Den Text mag ich hingegen sehr gern, was schon daran zu merken ist, dass ich ihn problemlos zu Ende lesen konnte. Je mehr ich lese (also allgemein), desto ungeduldiger scheine ich mit Texten zu werden, da braucht es nicht viel und ich bin raus.

Ich verstehe nicht unbedingt alles, was du schreibst, also insofern, dass ich keine Ahnung hätte, wer von diesen Personen wirklich ist, also wirklich wie: noch am Leben. Oder auch wirklich wie: ja, diese Person lebt vermutlich tatsächlich, aber sagt und tut sie auch die beschriebenen Dinge oder findet das nur in der Vorstellung der Erzählerin statt?
Und warum gehe ich eigentlich von einer Erzählerin aus? Keine Ahnung, ob der Text das hergibt. Ist ja auch egal, zumindest macht es für mich keinen Unterschied, wer das erzählt. Ich nehme jetzt einfach mal an, es ist eine Erzählerin.

Dass man nicht weiß, was real ist, macht den Text natürlich auch aus, der Absatz oben ist nicht als Vorwurf zu verstehen. Beim Turm hingegen würde ich mir vielleicht noch mehr Hilfe wünschen. Bei dem weiß ich auch nicht so genau, für was er steht. Für das Wunschdenken der Erzählerin, dass dann auch zusammenbricht? Zuerst dachte ich, der Turm sei vielleicht ein Weg ins Totenreich und die Erzählerin stirbt. Das scheint mir aber nicht zu passen.
Und warum wurde er von Opa erbaut, irgendwie muss das doch wichtig sein, aber mir erschließt sich nicht, warum. War Opa tatsächlich Türmebauer? Oder hat das eher metaphorische Bedeutung? Mit dem Opa kommt hier was in den Text, was nicht aufgelöst wird. Natürlich muss man nicht alles auflösen, aber man muss auch nicht unbedingt Fässer aufmachen, die es gar nicht braucht. Beziehungsweise, wenn es die Fässer braucht, noch mehr Beschriftung dran, für was das Fass stehen soll.

Zitat:
„Leute kommen nicht einfach so zurück“, hat Helga gesagt, die alte Babysitterin von meinem Vater.

Das mag ich sehr gern, wobei der Satz durchaus in die Verwirrung führen könnte, dahingehend, dass der Vater eine Babysitterin braucht. Also in der Jetzt-Zeit.
Aber das, was Helga sagt, wie es dasteht und in Frage gestellt wird und überhaupt viele Fragen dazugestellt werden und überhaupt die Frage, wie man mit den Toten umgeht, mit oder über sie redet, das mag ich natürlich auch deshalb, weil mich das selbst immer wieder beschäftigt.


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Jenni
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Beitrag12.10.2022 20:38

von Jenni
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Hallo.

Ich möchte Hobbes, der ungekrönten Königin der Titelei, entschieden widersprechen. Nein,  möchte natürlich ich nicht, bin aber gezwungen das zu tun, Achtung, jetzt: Den Titel dieses Textes finde ich außerordentlich gelungen.

Nämlich deshalb.
Wenn ich den Text anfange zu lesen, zusammen mit dem Titel "Glöckchen", dann denke ich, oh nein, eine Weihnachtsgeschichte, jetzt schon, aber: eine Weihnachtsgeschichte, die mich (und zwar durch die mit so schlichten Worten wie "Staubzucker" sehr gelungen eingefangene Stimmung) so lange hält bis sie kippt und mich ab da sowieso interessiert. Wie sie kippt, das gefällt mir schon gut, diese Gedankenfetzen, die in die warme Küche brechen. Und dann freilich wird das immer surrealer, aber angenehmerweise ohne ein Rätsel um sich zu machen: Ich habe es mit einem Traum zu tun, das wird schnell genug deutlich, und zwar nicht indem jemand aufwacht, sondern indem die Logik der Erzählung (auch das sehr gelungen!) der Logik von Traumgedanken folgt. Die Träumende merkt auch, dass es ein Traum ist, aber sie möchte es sich nicht eingestehen, denn wacht sie auf, ist die Oma tot. Und jetzt zurück zum Titel: Der symbolisiert  einerseits diese schlicht-schöne Weihnachtsstimmung am Anfang, aber viel wichtiger noch dieses Festhalten an der Realität des Traumes, während dessen Traumcharakter immer deutlicher zutage tritt. Denn alles spricht ja dagegen, selbst im Traumgeschehen, dass die Oma noch lebt. Die einzige Möglichkeit ihr Überleben zu erklären, ist das Glöckchen, mit dem sie vom Grab aus auf ihr Überleben aufmerksam machen konnte (eine urban legend, dieses Glöckchen, oder gibt es das wirklich?). Und in dieser zweifachen Bedeutung finde ich das Glöckchen als Titel schon sehr, sehr gelungen.

Den Text als ganzen auch. Aus den gleichen Gründen. Und wegen der Schuldfrage, die so unaufdringlich hineingestrickt ist, da wo die Oma schon sieben Tage in ihrer Wohnung lag, bevor sie gefunden wurde. Und die wiederum sehr schön mit der Verleugnung des Traumes verflochten ist. Sehr schöne runde Geschichte, die zum Nachdenken anregt, ohne auf eine verrätselte Pointe angewiesen zu sein.
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Sandschlange
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Beiträge: 14
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Beitrag14.10.2022 20:52
Re: Glöckchen
von Sandschlange
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Miné hat Folgendes geschrieben:


Hallo Sandschlange, das liest sich eigentlich ganz gut, aber ich schwebe zwischen Traum und Wirklichkeit?! smile Deine Sätze kommen mir teilweise ein wenig zu kurz und abgehackt vor. Zumindest die Ersten ganz am Anfang.

Liebe Grüße


Hey Mine, danke für deinen Kommentar. Wenn du zwischen Traum und Wirklichkeit schwebst, hat der Text seine gewünschte Wirkung erzielt. lol2
Ja, das stimmt, ich habe beim Überarbeiten vor dem hineinstellen schon gemerkt, dass der Anfang noch nicht "flüssig" ist, da werde ich bei der Überarbeitung noch einmal drüber schauen.

LG Sandschlange


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Sandschlange
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Alter: 29
Beiträge: 14
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Beitrag14.10.2022 21:12

von Sandschlange
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hobbes hat Folgendes geschrieben:
Hallo Sandschlange,

ich mag den Titel nicht. Der passt natürlich zum Text, aber er hört sich so lieblich an, nach Weihnachtslied, was nun wieder zur Weihnachtsbäckerei passt, aber nun ja, ich finde, du könntest noch einen besseren finden.

Den Text mag ich hingegen sehr gern, was schon daran zu merken ist, dass ich ihn problemlos zu Ende lesen konnte. Je mehr ich lese (also allgemein), desto ungeduldiger scheine ich mit Texten zu werden, da braucht es nicht viel und ich bin raus.


Hallo Hobbes,
auch dir ein Danke für den Kommentar und ja, über den Titel lässt sich sicher streiten. Er klingt niedlich - scheint nicht wirklich zu dem Text zu passen, vor allem mit der Verniedlichung der Glocken, die sich eigentlich auf die Todesglöckchen beziehen.

Es freut mich, dass dir der Text gefallen hat, vor allem, wenn du eher zu den ungeduldigen Lesern gehörst, empfinde ich das als großes Lob. smile


hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht unbedingt alles, was du schreibst, also insofern, dass ich keine Ahnung hätte, wer von diesen Personen wirklich ist, also wirklich wie: noch am Leben. Oder auch wirklich wie: ja, diese Person lebt vermutlich tatsächlich, aber sagt und tut sie auch die beschriebenen Dinge oder findet das nur in der Vorstellung der Erzählerin statt?
Und warum gehe ich eigentlich von einer Erzählerin aus? Keine Ahnung, ob der Text das hergibt. Ist ja auch egal, zumindest macht es für mich keinen Unterschied, wer das erzählt. Ich nehme jetzt einfach mal an, es ist eine Erzählerin.


Was die Wirklichkeit angeht. Der ganze Text ist eine Traumsequenz, aber mein Gedanke war schon, dass alle Personen, die da auftauchen auch in der Wirklichkeit existieren und auch noch immer am Leben sind. Die Dinge die sie in dem Text tun und sagen finden jedoch nur in der Vorstellung des Erzählers oder der Erzählerin statt. Die Babysitterin symbolisiert quasi den Teil des Bewusstseins, der weiß, dass die Oma tot ist. Der Vater ist dafür da, die "Traumwelt" aufrecht zu erhalten, quasi der Part, der dem Erzähler/der Erzählerin dabei hilft, die Verleugnung aufrecht zu erhalten. Die Kindheitsfreundin die wieder verschwindet hatte nur zwei Funktionen, zum einen sollte sie dem Leser noch einmal einen Hinweis darauf geben, dass die Szene nicht real ist und zum anderen sollte sie das Bild der Traumwelt noch etwas "greifbarer" machen - im Traum verschwinden ja oft auch einfach so Personen oder tauchen aus dem Nichts auf. Aber in der Lebensrealität des Erzählers/der Erzählerin hat die Kindheitsfreundin auch wirklich existiert und vermutlich lebt sie auch noch.

Was die Erzählerstimme angeht, ich habe das Geschlecht bewusst offen gelassen, weil es in dieser Geschichte eigentlich keine Rolle spielt. Also ist es ganz legitim, dass du eine Erzählerin darin siehst. Ich werde im folgenden auch nur noch von der Erzählerin reden - also mich deiner Leseweise anpassen. smile

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Dass man nicht weiß, was real ist, macht den Text natürlich auch aus, der Absatz oben ist nicht als Vorwurf zu verstehen. Beim Turm hingegen würde ich mir vielleicht noch mehr Hilfe wünschen. Bei dem weiß ich auch nicht so genau, für was er steht. Für das Wunschdenken der Erzählerin, dass dann auch zusammenbricht? Zuerst dachte ich, der Turm sei vielleicht ein Weg ins Totenreich und die Erzählerin stirbt. Das scheint mir aber nicht zu passen.


Ja, die Turmszene werde ich mir noch einmal anschauen. Der Gedanke war, dass der Turm quasi symbolisch für die Traumwelt steht und als er zusammenbricht soll damit quasi angedeutet werden, dass die Erzählerin sich nun bewusst ist, dass die Oma tot ist, was konträr zu ihren Worten ist, weil sie ja dem Papa wieder glaubt, indem sie sagt: "Gut, dass Oma ein Glöckchen hatte." Also - sie will es glauben, kann aber nicht länger in dem Traum verweilen, in dem Moment als der Turm einstürzt. Ich werde versuchen, das noch ein wenig klarer hervorzuheben, sobald ich mich an die Überarbeitung setze. Also danke dir auch für diesen Hinweis. lol2

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Und warum wurde er von Opa erbaut, irgendwie muss das doch wichtig sein, aber mir erschließt sich nicht, warum. War Opa tatsächlich Türmebauer? Oder hat das eher metaphorische Bedeutung? Mit dem Opa kommt hier was in den Text, was nicht aufgelöst wird. Natürlich muss man nicht alles auflösen, aber man muss auch nicht unbedingt Fässer aufmachen, die es gar nicht braucht. Beziehungsweise, wenn es die Fässer braucht, noch mehr Beschriftung dran, für was das Fass stehen soll.


Ja, de Opa. Eigentlich ist das eine Figur zu viel, hier muss ich mir überlegen, ob ich das näher ausbaue oder streiche, indem der Turm einfach schon da steht. Ich muss zugeben, dass ich mich hier ein wenig habe verleiten lassen, ein wenig "Biographisches" einzubringen. Da werde ich mir noch überlegen, was genau ich da mache - weil der Opa - anders als die anderen Figuren ja keine wirkliche Rolle spielt, außer, dass er eben (und das auch nur im Traum) den Turm gebaut hat. Ich denke, ich werde ihn streichen und das stattdessen irgendwie auf Papa ummünzen. Ich denke, das würde schon alleine deshalb besser passen, weil Papa der Teil vom Bewusstsein ist, der den Traum stabil halten will.


hobbes hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
„Leute kommen nicht einfach so zurück“, hat Helga gesagt, die alte Babysitterin von meinem Vater.

Das mag ich sehr gern, wobei der Satz durchaus in die Verwirrung führen könnte, dahingehend, dass der Vater eine Babysitterin braucht. Also in der Jetzt-Zeit.
Aber das, was Helga sagt, wie es dasteht und in Frage gestellt wird und überhaupt viele Fragen dazugestellt werden und überhaupt die Frage, wie man mit den Toten umgeht, mit oder über sie redet, das mag ich natürlich auch deshalb, weil mich das selbst immer wieder beschäftigt.


Ja mit der Babysitterin des Vates war gemeint, dass sie früher die Babysitterin von ihm war und auch jetzt noch gute Verbindungen zur Familie pflegt, heißt öfter mal da ist. Das werd ich bei der Überarbeitung noch präzisieren. smile

Mich freut es auf jeden Fall sehr, dass dir der Text gefallen hat und dass er ich damit ein Thema getroffen habe, dass dich auch beschäftigen konnte.

LG Sandschlange


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Sandschlange
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Beitrag14.10.2022 21:38

von Sandschlange
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Hallo.

Wenn ich den Text anfange zu lesen, zusammen mit dem Titel "Glöckchen", dann denke ich, oh nein, eine Weihnachtsgeschichte, jetzt schon, aber: eine Weihnachtsgeschichte, die mich (und zwar durch die mit so schlichten Worten wie "Staubzucker" sehr gelungen eingefangene Stimmung) so lange hält bis sie kippt und mich ab da sowieso interessiert. Wie sie kippt, das gefällt mir schon gut, diese Gedankenfetzen, die in die warme Küche brechen. Und dann freilich wird das immer surrealer, aber angenehmerweise ohne ein Rätsel um sich zu machen: Ich habe es mit einem Traum zu tun, das wird schnell genug deutlich, und zwar nicht indem jemand aufwacht, sondern indem die Logik der Erzählung (auch das sehr gelungen!) der Logik von Traumgedanken folgt. Die Träumende merkt auch, dass es ein Traum ist, aber sie möchte es sich nicht eingestehen, denn wacht sie auf, ist die Oma tot.


Hey Jenni, erst einmal: Danke für die Blumen! Es freut mich, dass die Darstellung des Traumes funktioniert hat. Ich bin da lange dabei gesessen, immer in der Angst, dass es zu surreal oder zu wenig surreal wird. Denn richtige Träume sind manchmal so verwirrend, ich habe versucht das einzufangen und trotzdem noch eine Geschichte zu erzählen, der man folgen kann. Im Fordergrund sollte trotz des Traumes ja noch immer das reale Thema von Omas Tod stehen, weshalb ich es auch nicht zu sureal werden lassen wollte. Dass das funktioniert hat, freut mich! lol2

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Und jetzt zurück zum Titel: Der symbolisiert  einerseits diese schlicht-schöne Weihnachtsstimmung am Anfang, aber viel wichtiger noch dieses Festhalten an der Realität des Traumes, während dessen Traumcharakter immer deutlicher zutage tritt. Denn alles spricht ja dagegen, selbst im Traumgeschehen, dass die Oma noch lebt. Die einzige Möglichkeit ihr Überleben zu erklären, ist das Glöckchen, mit dem sie vom Grab aus auf ihr Überleben aufmerksam machen konnte (eine urban legend, dieses Glöckchen, oder gibt es das wirklich?). Und in dieser zweifachen Bedeutung finde ich das Glöckchen als Titel schon sehr, sehr gelungen.


Ja, der eigentliche Gedanke mit dem ich den Titel gewählt habe, waren diese "Grabglocken", die waren eigentlich namensgebend für die Geschichte. Die Sache mit den Keksen und der Weihnachtsstimmung am Anfang kam dann nur nachträglich ergänzend hinzu. Ein weiterer Gedanke war auch das "Aufwachen" durch das Läuten von Glocken - ursprünglich war das im Text, aber das habe ich nachträglich gestrichen, weil ich das Gefühl hatte, dass das zu viel des guten wäre (und noch dazu verwirrend, weil ja eigentlich Oma - zumindest im Traum - diese Glöckchen hat. ABer es freut mich auf jeden Fall, dass du den Titel gelungen findest. smile

Und ja, diese Glöckchen gab es tatsächlich und sie waren auch eine Zeit lang in der Literatur des 19. Jahrhunderts sehr vertreten. Daher kenne ich sie aber nicht, ich habe eine Dokumentation gesehen, in der sie vorkamen und dann für diese Geschichte verwendet. Heute verwendet man sie aber nicht mehr - also soweit ich weiß. Ich hab hier nur einen Wikipedia-Artikel ausgegraben: https://de.wikipedia.org/wiki/Taphephobie
Da steht eigentlich eh nur drinnen, dass der Grund dafür der war, dass früher noch mehr Menschen begraben wurden, die man für tot gehalten hat und so kam es zu diesen Glöckchen. Aber frag mich nicht wo und ob das wirklich jemandem geholfen hat.

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Den Text als ganzen auch. Aus den gleichen Gründen. Und wegen der Schuldfrage, die so unaufdringlich hineingestrickt ist, da wo die Oma schon sieben Tage in ihrer Wohnung lag, bevor sie gefunden wurde. Und die wiederum sehr schön mit der Verleugnung des Traumes verflochten ist. Sehr schöne runde Geschichte, die zum Nachdenken anregt, ohne auf eine verrätselte Pointe angewiesen zu sein.


Das mit der Schuldfrage finde ich interessant und auch das mit den sieben Tagen in der Wohnung, also dass du das so gelesen hast - ich habe es gar nicht so gemeint. Aber klar, ich habe offen gelassen, wieso sie erst sieben Tage später begraben wurde und nicht gleich nach dem Tod. Mein Gedanke war der, dass sie im Krankenhaus verstarb und das verschiedene Umstände dazu geführt haben, dass die Beerdigung nach hinten geschoben wurde (Geschäftsreisen des Onkels, Verzögerung des Fluges von der Babysitterin Helga, etc.) Frag mich bitte nicht, wieso ich mir diese Sachen überlegt habe, ohne sie dann in der Kurzgeschichte zu verwenden. Normalerweise mache ich mir keine usführlichen Gedanken über die Geschehnisse vor der Geschichte - zumindest nicht bei einer Kurzgeschichte. Aber das Ding schwebt schon einige Monate in meinem Kopf herum und dadurch hatte ich beim Schreiben schon ein recht klares Bild von der Familie. In meiner Version der Geschichte - die ich so aber nicht ausführlich nieder geschrieben habe, darum ist es auch durchaus legitim sie so zu interpretieren, dass die Oma sieben Tage in der Wohnung lag  - war die Oma immer umgeben von ihrer Familie. Der Ich-Erzähler/die Ich-Erzählerin war öfter in der Woche bei der Oma, die Nachbarin war täglich da (oder die Oma bei der Nachbarin), der Vater war jeden Tag nach der Arbeit dort, etc. Nur die letzten Wochen, die war Oma im Krankenhaus und dann starb sie und der/die ErzäherIn träumt von der Rückkehr aus dem Krankenhaus, die nie stattgefunden hat. Und das ist das, was der/die ErzählerIn nicht glauben will, er/sie sieht Oma noch immer in der Küche die Kekse backen, so wie immer.

Die Version mit der Oma, die schon eine Woche lang in der Wohnung lag und dann erst aufgefunden wurde, ist tragischer und sie würde durchaus auch zu der Stimmung passen und es gibt nichts im Text, was dem widersprechen würde, nur die Blumen kann ich hierführ nicht annehmen, weil so war es von mir nicht gemeint. Aber es freut mich auf jeden Fall, dass der Text dich zum Nachdenken gebracht hat und danke für deinen Kommentar. smile

LG Sandschlange


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Araragi
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Beitrag15.10.2022 17:58

von Araragi
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Hallo Sandschlange,

beim ersten Durchlesen deiner Geschichte war ich ein wenig verwirrt. Jetzt nach dem zweiten Mal bin ich weniger verwirrt, jedoch gibt es da noch ein paar kleine Dinge. Ich nenne die Protagonistin, den Protagonisten einfaches halber mal Prota.


Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Onkel hat Rollstuhl und den Rollator hergeschenkt. Er denkt sicher noch immer, dass Oma tot ist. Ich schüttle den Kopf, als mir klar wird, wie irrational der Gedanke ist. Natürlich hat ihm Papa schon gesagt, dass Oma lebt. Wobei Onkel lange im Ausland war...


Heißt das sein Auslandsaufenthalt hinderte ihn daran den Rollator zurückzubringen? Im dritten Teil möchte Prota den Onkel anrufen um
ihn danach zu fragen. Allerdings habe ich mich als Leser schon viel früher gefragt was denn nun eigentlich mit dem Rollator ist. Ich würde den Satz aus Teil drei gleich hier an diese Stelle setzen.
 
Den folgenden Satz habe ich zu Beginn kaum verstanden und würde ihn deshalb zum besseren Verständnis um noch ein paar Dinge ergänzen.

Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Erinnerungen entstehen doch nicht einfach so in dem Moment, indem man sich an sie erinnert. Etwas Erlebtes muss ihnen vorangehen. Etwas nicht Erlebtes kann sich nicht mal eben so als eine Erinnerung dazwischen mogeln.



Zusammenfassend sieht die Handlung für mich so aus: Oma ist am Leben und backt Kekse. Dann stellt sich plötzlich raus, dass sie doch keine Kekse backt. Dann kommt Helga in Form einer Erinnerung und sagt Oma ist tot. Doch Prota sagt, sie hatte ein Glöckchen dabei, welches sie vermutlich klingelte. Also ist sie doch am Leben. Dann kommt der Vater. Er redet mit Oma und gibt ihr einen Kuss. Er steigt mit Prota auf einen Turm, der sich jedoch kurz darauf in Luft auflöst. Also ist alles doch nicht echt und Oma ist tot.

Das Durchlesen der Geschichte macht durchaus viel Spaß. Wäre sie in einem Wettbewerb hätte sie von mir Punkte bekommen, dafür ist sie einfach zu gut geschrieben. Die Spannung ist da. Lebt die Oma nun oder glaubt Prota das einfach nur? Auf emotionaler Ebene hat sie mich auch gepackt mit einem wirklich traurigen Ende.

Schwieriger wird es aber wenn ich versuche sie vollkommen zu verstehen. Ist das bloß ein Traum oder ist die Geschichte psychologisch zu verstehen in Form einer Traumabewältigung? Wäre das klar gewesen, hätte sie mir noch mehr gefallen. Und was genau hat es mit den Glöckchen auf sich? Irgendwie scheinen sie ja ziemlich wichtig zu sein.

Ich glaube du hast geschrieben, dass du die Leute mit der Geschichte zum Nachdenken anregen wolltest. Bei mir hast du es geschafft. Mein Kopf qualmt regelrecht vom Denken. Schönen Dank auch Very Happy


Grüße

Araragi



PS: Gerne freue ich mich auf mehr Geschichten von dir


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Beiträge: 4292

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
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Beitrag15.10.2022 18:49

von hobbes
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Ich finde das gerade sehr spannend. Drei Lesys, drei Sichtweisen. Also eigentlich vier Lesys, aber Mines Kommentar ist mir zu kurz, um daraus auf die Lesart zu schließen.

Was ich spannend finde:
Ich lese das als "echte" Geschichte. Also eine reale Geshichte, in der surreale Dinge passieren.
Jenni: Na, das ist natürlich ein Traum.
(Ich so: Hä, ein Traum? Echt jetzt?)
Und Araragi: Liest eine reale Geschichte, folglich: Hä, wie soll das gehen, das ist doch gar nicht möglich?

Ich finde es übrigens superdoof, das als Traum zu lesen. Also nein, anders gesagt: Wenn ich das als Traum lese, mag ich die Geschichte gleich viel weniger.
Das Gute: Ich habe nichts gefunden (im Text), was mich zwingt, das als Traum zu lesen. Hurra! smile


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Sandschlange
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Beitrag15.10.2022 22:20

von Sandschlange
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Hallo Araragi,

vielen Dank auch für deinen Kommentar. smile

Araragi hat Folgendes geschrieben:



Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Onkel hat Rollstuhl und den Rollator hergeschenkt. Er denkt sicher noch immer, dass Oma tot ist. Ich schüttle den Kopf, als mir klar wird, wie irrational der Gedanke ist. Natürlich hat ihm Papa schon gesagt, dass Oma lebt. Wobei Onkel lange im Ausland war...


Heißt das sein Auslandsaufenthalt hinderte ihn daran den Rollator zurückzubringen? Im dritten Teil möchte Prota den Onkel anrufen um
ihn danach zu fragen. Allerdings habe ich mich als Leser schon viel früher gefragt was denn nun eigentlich mit dem Rollator ist. Ich würde den Satz aus Teil drei gleich hier an diese Stelle setzen.


Ja, das habe ich nicht gut formuliert. Der Gedankengang des Prota hier ist ein wenig wirr - gemeint war, dass der Onkel den Rollator hergeschenkt hat - das ist eine Sache, die in der Realität passiert ist und sich im Traum auch widerspiegelt. Also das Fehlen des Rollators hat eigentlich nichts mit den Geschäftsreisen des Onkels zu tun, sondern ist nur ein indirekter Hinweis darauf, dass Oma in der tot ist. Prota sucht hier - ähnlich wie bei den Glöckchen - eine Erklärung dafür, wieso der Rollator nicht da ist, obwohl Oma lebt und die Erklärung die Prota findet ist: Ah, Onkel weiß das wahrscheinlich noch gar nicht, das Oma lebt. Korrigiert sich dann aber gleich selbst. Das Fehlen des Rollators wird danach - weil Prota dafür keine Erklärung findet - vom Unterbewusstsein verdrängt, ähnlich wie die Kindheitsfreundin, die neben dem Vater geht einfach verschwindet. Wenn Prota sich mit der Frage nach dem Rollator näher beschäftigt, wird der Tod von Oma auch realer.
Prota will den Onkel auch nicht anrufen, weil der Rollator fehlt - das muss ich beim Überarbeiten auch unbedingt klarer machen - sondern um ihm zu sagen, dass Oma noch lebt. Darum dann auch der nachfolgende Gedanke: "Omas Finger fühlen sich warm an. Natürlich lebt sie, denke ich." Damit wollte ich eigentlich das Zögern ausdrücken, die Unsicherheit, ob Prota wirklich den Onkel anrufen soll, die Unsicherheit, ob Oma wirklich noch lebt. Aber das habe ich nicht ausführlich beschrieben, ich habe da sehr viel offen gelassen. Das werde ich noch klarer machen, damit man als Leser merkt, dass es bei diesem Anruf eigentlich nicht um den Rollator geht.

 
Araragi hat Folgendes geschrieben:
Den folgenden Satz habe ich zu Beginn kaum verstanden und würde ihn deshalb zum besseren Verständnis um noch ein paar Dinge ergänzen.

Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Erinnerungen entstehen doch nicht einfach so in dem Moment, indem man sich an sie erinnert. Etwas Erlebtes muss ihnen vorangehen. Etwas nicht Erlebtes kann sich nicht mal eben so als eine Erinnerung dazwischen mogeln.


Danke auch für diesen Hinweis, habe ich mir notiert und wird bei der Überarbeitung eingebaut. smile




Araragi hat Folgendes geschrieben:
Das Durchlesen der Geschichte macht durchaus viel Spaß. Wäre sie in einem Wettbewerb hätte sie von mir Punkte bekommen, dafür ist sie einfach zu gut geschrieben. Die Spannung ist da. Lebt die Oma nun oder glaubt Prota das einfach nur? Auf emotionaler Ebene hat sie mich auch gepackt mit einem wirklich traurigen Ende.

Schwieriger wird es aber wenn ich versuche sie vollkommen zu verstehen. Ist das bloß ein Traum oder ist die Geschichte psychologisch zu verstehen in Form einer Traumabewältigung? Wäre das klar gewesen, hätte sie mir noch mehr gefallen.


Danke, dass ist ein großes Lob - ich habe zwar keine Ahnung wie so ein Wettbewerb ablauft, aber Punkte bekommen hört sich positiv an! lol2
Mein Gedanke beim Schreiben dieses Textes war ganz klar die Darstellung eines Traumes; die Szene an sich ist nicht real, die FIguren existieren wirklich und ich hatte ursprünglich vor, das bei der Überarbeitung auch klarer heraus zu heben, allerdings lässt mich hobbes Kommentar zögern:

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ich finde es übrigens superdoof, das als Traum zu lesen. Also nein, anders gesagt: Wenn ich das als Traum lese, mag ich die Geschichte gleich viel weniger.
Das Gute: Ich habe nichts gefunden (im Text), was mich zwingt, das als Traum zu lesen. Hurra! smile


Es gibt inhaltlich eigentlich keinen Grund dem Leser einen Zugang zu dem Text aufzuzwingen. Die Geschichte, die ich erzählen will, ist ja keine über einen Traum, sondern es geht um den Tod der Oma und wie er im Bewusstsein des Prota verdrängt wird. Aber ich verstehe was du meinst, ich werde versuchen mehr Klarheit in die Geschichte zu bringen, indem ich die gestreuten Hinweise weiter ausarbeite und klarer mache, wie bestimmte Dinge gemeint sind - wie auch das mit dem Rollator, so dass zumindest die psychologische Ebene klarer hervortritt - weil die spielt in der Geschichte die Hauptrolle, unabhängig davon ob es sich bei der Szene nun um einen Traum handelt oder um einen tranceartigen oder traumaartigen Zustand. smile


Araragi hat Folgendes geschrieben:
Und was genau hat es mit den Glöckchen auf sich? Irgendwie scheinen sie ja ziemlich wichtig zu sein.


Die Glöckchen sind zum einen ein Motiv, das ich mir geborgt habe, da ich nicht weiß, ob dir das Motiv bekannt ist, schreibe ich erst einmal dazu etwas, bevor ich auf den Sinn in der Geschichte eingehe. im 18. und 19. Jahrhundert (glaube ich, hab's schon wieder vergessen, ich bin verdammt schlecht mit Zahlen) passierte es oft, dass Leute lebendig begraben wurden - das erkannte man, als man Gräber verlegen musste und Kratzspuren am Sarg fand und dagegen wurden dann Maßnahmen eingeleitet, unter anderem auch diese Glöckchen. Hier ein kurzer Text dazu: "Weit verbreitete Hilfsmittel waren im 18. und 19. Jahrhundert das Anbringen eines Totenhorns oder Glöckchens am Grab, das Beilegen von Werkzeugen oder Maßnahmen wie der Herzstich vor dem Begräbnis."

In der Geschichte weiß Prota, dass Oma beerdigt wurde. Das zeigt sich in der Szene, in der Prota sich erinnert, wie Erde auf das Grab geschaufelt wurde und auch in den Gedanken: Wir haben sie begraben, das war traumatisch. Diesen Umstand, also dass die Beerdigung so einprägend war, dass das Bewusstsein das nicht einmal im Traum verdrängen kann, nutzt Helga (der Teil des Bewusstseins, der den Prota aufwecken will) aus. Der Teil des Prota, der den Tod der Oma verleugnen will, sucht eine Möglichkeit, wie Oma, obwohl sie beerdigt wurde, noch leben kann und so kommt das Glöckchenmotiv in der Geschichte vor. Prota hat irgendwann im Laufe seines/ihres Lebens von diesem Motiv erfahren und im Traum greift ein Teil des Bewusstseins, das den Tod der Oma verdrängen will, auf diese Erinnerung an das Glöckchenmotiv zurück und erklärt somit das eigenltich Unmögliche vor dem Teil des Bewusstseins, das die Illusion zerstören will.
Später, am Ende der Geschichte, als der Turm einbricht, kommen die Glöckchen noch einmal zur Sprache. Das Einbrechen des Turmes soll das Aufwachen symbolisieren, also das "zurückstürzen" in die Wirklichkeit, während die Worte des Prota „Gut, dass Oma ein Glöckchen hatte.“ zeigen sollen, dass die Verdrängung des Todes noch nicht überwunden wurde und ein Teil des Prota noch immer in diesem Traum "gefangen" ist.

Araragi hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube du hast geschrieben, dass du die Leute mit der Geschichte zum Nachdenken anregen wolltest. Bei mir hast du es geschafft. Mein Kopf qualmt regelrecht vom Denken. Schönen Dank auch Very Happy


Grüße

Araragi



PS: Gerne freue ich mich auf mehr Geschichten von dir


Ja, das war ein Grund und es freut mich, dass ich es bei dir geschafft habe - wobei ich hoffe, dass du nicht zu viel Kopfweh hast. Ich habe dank deines Kommentars gemerkt, dass ich einige Sachen sehr unklar formuliert habe. ^^"

Und es freut mich natürlich auch, dass du dich auf mehr Geschichten von mir freust - wobei ich sagen muss, dass solche Geschichten eigentlich nicht mein Stil sind. Also ich schreibe normalerweise eher im Fantasybereich und recht "straightforward" - wenn man so will. Sich kaputt lachen

Danke noch einmal für deinen Kommentar.

LG Sandschlange


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Sandschlange
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Beitrag15.10.2022 22:27

von Sandschlange
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hobbes hat Folgendes geschrieben:

Was ich spannend finde:
Ich lese das als "echte" Geschichte. Also eine reale Geshichte, in der surreale Dinge passieren.
Jenni: Na, das ist natürlich ein Traum.
(Ich so: Hä, ein Traum? Echt jetzt?)
Und Araragi: Liest eine reale Geschichte, folglich: Hä, wie soll das gehen, das ist doch gar nicht möglich?


Hallo hobbes - ja, ich bin auch echt überrascht von den unterschiedlichen Eindrücken. Es war auf jeden Fall nicht so geplant - ich hatte einen Traum im Kopf, aber es ist auf jeden Fall interessant. Mich würde ja auch interessieren, ob die Art, wie man träumt einen Unterschied macht, wie man die Geschichte liest - ich erinnere mich recht klar an meine Träume, aber ich kenne auch viele, die das nicht haben oder "gar nicht träumen". Vielleicht liest man deshalb diese Geschichte auch verschieden. Aber ich finde es cool, dass sie funktioniert, egal ob man sie jetzt als Traum liest oder nicht. smile

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ich finde es übrigens superdoof, das als Traum zu lesen. Also nein, anders gesagt: Wenn ich das als Traum lese, mag ich die Geschichte gleich viel weniger.
Das Gute: Ich habe nichts gefunden (im Text), was mich zwingt, das als Traum zu lesen. Hurra! smile


Finde ich interessant, dass du es superdoof finden würdest, es als Traum zu lesen - wieso? smile Und ja, dein Kommentar hat mich von der Idee abgebracht, klarer herauszuarbeiten, dass es sich um einen Traum handelt. Ich hab es vorher schon Araragi geschribeen - da die Geschichte sich um den Tod der Oma dreht und die Verarbeitung dieses Todes, nicht darum, ob es nun ein Traum ist oder real, gibt es eigentlich keinen Grund, den Leser in seinem Zugang zu der Geschichte einzuschränken. Also keine Sorge, es bleibt offen. lol2

LG Sandschlange


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Jenni
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Beitrag16.10.2022 23:24

von Jenni
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Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Mich würde ja auch interessieren, ob die Art, wie man träumt einen Unterschied macht, wie man die Geschichte liest - ich erinnere mich recht klar an meine Träume, aber ich kenne auch viele, die das nicht haben oder "gar nicht träumen". Vielleicht liest man deshalb diese Geschichte auch verschieden. Aber ich finde es cool, dass sie funktioniert, egal ob man sie jetzt als Traum liest oder nicht. smile

Das würde ich ja jetzt echt auch gerne wissen. Ich verstehe nämlich schon, was Hobbes meint, dass sie es nicht als Traum lesen möchte. Weil man dann an diese Geschichten denkt, die einen im Unklaren lassen und am Ende ist alles nur ein Traum, Lesy verarscht. Aber genau das passiert ja hier überhaupt nicht, also für mich. Weil die Geschichte eben nicht durch überraschendes Erwachen als Traum aufgedeckt wird, sondern sich fast von Anfang an als solcher offenbart und zwar durch eine total traumähnliche Dramaturgie. Also: So, wie ich auch träume. Diese Selbsttäuschung, wie man sich für abstruseste Zusammenhänge dann im Traum schnell eine "logische" Erklärung zusammenbastelt, die hast du toll umgesetzt.

Auch für mich handelt die Geschichte nicht davon, dass sie einen Traum beschreibt, das ist nur die Form (und das ja gerade eine Stärke des Textes, dass es Form bleibt und sich nicht thematisiert). Inhaltlich habe ich es ebenso verstanden, dass es um Trauerbewätigung geht (und wie ich es interpretierte, weil ich einfach mal ignoriert habe, dass Zeit zwischen Leichenfund und Beerdigung vergeht, auch um Schuldgefühle - was ich trotzdem noch einen interessanten Aspekt finde oder fände).

Dazu noch:
Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Ja, der eigentliche Gedanke mit dem ich den Titel gewählt habe, waren diese "Grabglocken", die waren eigentlich namensgebend für die Geschichte. Die Sache mit den Keksen und der Weihnachtsstimmung am Anfang kam dann nur nachträglich ergänzend hinzu. Ein weiterer Gedanke war auch das "Aufwachen" durch das Läuten von Glocken - ursprünglich war das im Text, aber das habe ich nachträglich gestrichen, weil ich das Gefühl hatte, dass das zu viel des guten wäre (und noch dazu verwirrend, weil ja eigentlich Oma - zumindest im Traum - diese Glöckchen hat. ABer es freut mich auf jeden Fall, dass du den Titel gelungen findest.

Irgendwo steht das womöglich doch zwischen den Zeilen drin. Denn ich dachte beim Glöckchen auch daran, dass oft Träume ja geradezu beruhen auf dem Weckgeräusch, was dann im Traum zu irgendeinem anderen prägnanten Ton umfunktioniert wird. Hab das nur nicht erwähnt, weil es nicht unmittelbar mit dem Text zu tun hatte bzw. darin nicht thematisiert ist.
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Sandschlange
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Beitrag24.10.2022 19:38

von Sandschlange
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Jenni hat Folgendes geschrieben:

Das würde ich ja jetzt echt auch gerne wissen. Ich verstehe nämlich schon, was Hobbes meint, dass sie es nicht als Traum lesen möchte. Weil man dann an diese Geschichten denkt, die einen im Unklaren lassen und am Ende ist alles nur ein Traum, Lesy verarscht. Aber genau das passiert ja hier überhaupt nicht, also für mich. Weil die Geschichte eben nicht durch überraschendes Erwachen als Traum aufgedeckt wird, sondern sich fast von Anfang an als solcher offenbart und zwar durch eine total traumähnliche Dramaturgie. Also: So, wie ich auch träume. Diese Selbsttäuschung, wie man sich für abstruseste Zusammenhänge dann im Traum schnell eine "logische" Erklärung zusammenbastelt, die hast du toll umgesetzt.


Ja, das verstehe ich auch ganz gut. Ich kann dieses "und dann wachte er auf" auch nicht leiden. Das Relativiert für mich immer die gesamte Geschichte, weil im Endeffekt - vor allem, wenn das das Ende ist - hat die ganze Geschichte keine Bedeutung.

Und danke, die "logische" Erklärung passiert mir häufig in meinen Träumen und ich hab versucht sie hier auch zu übertragen - allerdings nicht ganz so übersteigert, wie es oft in (meinen) Träumen ist. Letztens erst habe ich geträumt, dass neben mir meine Schwester ging und ich auf sie aufpassen musste. Also wurde sie zum Gameboy, weil den kann man leichter in die Tasche stecken und so besser beschützen - das wäre dann wohl zu viel des Guten gewesen. Sich kaputt lachen

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Auch für mich handelt die Geschichte nicht davon, dass sie einen Traum beschreibt, das ist nur die Form (und das ja gerade eine Stärke des Textes, dass es Form bleibt und sich nicht thematisiert). Inhaltlich habe ich es ebenso verstanden, dass es um Trauerbewätigung geht (und wie ich es interpretierte, weil ich einfach mal ignoriert habe, dass Zeit zwischen Leichenfund und Beerdigung vergeht, auch um Schuldgefühle - was ich trotzdem noch einen interessanten Aspekt finde oder fände).


Ja, genau das sollte es auch sein - also Traumabewältigung in Form eines Traumes. Und ja, das mit den Schuldgefühlen ist auch ein sehr interessanter Aspekt und es ergibt durchaus Sinn. smile

LG Sandschlange


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hobbes
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Beitrag25.10.2022 20:47

von hobbes
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Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Mich würde ja auch interessieren, ob die Art, wie man träumt einen Unterschied macht, wie man die Geschichte liest (...)

Ich erinnere mich fast nie an meine Träume.

Sandschlange hat Folgendes geschrieben:
Finde ich interessant, dass du es superdoof finden würdest, es als Traum zu lesen - wieso?

Ich glaube, zum einen, wegen allem, was Jenni schon dazu geschrieben hat: haha, alles nur ein Traum.
Auch wenn das hier nicht so ist, ich mir hier nicht an der Nase herumgeführt vorkomme.
Vor allem aber, weil ich das, was passiert, viel interessanter finde, wenn es kein Traum ist. Im Traum kann ja alles passieren, alles ist möglich. Wie kriegt man das jetzt aber in der "Wirklichkeit" unter? Das finde ich sehr viel spannender.


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FantasieVoll
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Beitrag08.11.2022 01:29

von FantasieVoll
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Ich fand die Geschichte wirklich gut, hat was von Stephen King, weil alles ein wenig surreal wirkt, fast so, als ob dein Prota sich in zwei Realitäten befindet...eine, in der die Oma tot ist, und eine, in der sie noch am Leben ist.
Ich würde deine Geschichte so deuten, dass der Protagonist unter dem Tod seiner Oma leidet, und dabei mehrere multiple Persönlichkeiten seines Vaters, der Nachbarin, inklusive der eigentlich toten Oma, entwickelt. Vielleicht ist meine Interpretation ja falsch. Ich deute es so, weil die Oma schon eine Woche tot war, als sie begraben wurde, und da ist es unmöglich, dass jemand wieder aufwacht. Und in deiner Geschichte ist da noch die Szene, als der Prota mit seinem Vater redet, die Holzbretter unter dessen Füßen einfach verschwinden. Am Ende erkennt dein Protagonist ja die Realität, da beschreibst du ja, dass die Oma gar nicht in der Küche backt und ihre Sitzkissen verstaubt sind. Der Vater ist auch tot, so interpretiere ich das, starb vielleicht schon vor der Oma, denn wäre der Vater real, würde er ja in die Tiefe stürzen, nachdem die Bretter unter ihm wegbrechen.
Wie ich schon sagte, alles wirkt ein wenig surreal, und lässt somit viele Interpretationen zu. Es könnte auch sein, das der Protagonist einfach einen Traum hat, Träume wirken ja oft so surreal.
Mir hat deine Geschichte gut gefallen, ich finde es sehr gut, dass sie so viele Interpretationen zulässt.
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Sandschlange
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Beitrag02.12.2022 23:56

von Sandschlange
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FantasieVoll hat Folgendes geschrieben:
Ich fand die Geschichte wirklich gut, hat was von Stephen King, weil alles ein wenig surreal wirkt, fast so, als ob dein Prota sich in zwei Realitäten befindet...eine, in der die Oma tot ist, und eine, in der sie noch am Leben ist. Ich würde deine Geschichte so deuten, dass der Protagonist unter dem Tod seiner Oma leidet, und dabei mehrere multiple Persönlichkeiten seines Vaters, der Nachbarin, inklusive der eigentlich toten Oma, entwickelt. Vielleicht ist meine Interpretation ja falsch.


Hallo @FantasieVoll,

und vielen Dank für dein Lob. smile
Ich denke, ich lasse die Katze jetzt auch mal aus dem Sack. Ja, es ist wirklich so, dass der Protagonist um die Oma trauert - in Wahrheit handelt es sich bei der Geschichte um einen Traum, den ich (fast) genauso geträumt habe, etwa eine Woche nachdem meine Oma gestorben ist. Ich habe ihn so umbearbeitet, dass man ihm folgen kann - weil echte Träume doch sehr verwirrend sein können.
Demnach könnte man sagen, dass all eure Interpretationen zu meiner Geschichte eigentlich Traumdeutungen. lol2  

FantasieVoll hat Folgendes geschrieben:
Am Ende erkennt dein Protagonist ja die Realität, da beschreibst du ja, dass die Oma gar nicht in der Küche backt und ihre Sitzkissen verstaubt sind.


Dieses Ende mit den Sitzkissen und dass die Oma keine Kekse in der Küche backt habe ich zum Traum hinzugefügt, damit die Geschichte rund wird. Deine Interpretation, dass auch der Vater schon lange tot ist, finde ich interessant (gehört übrigens auch zu den erfundenen Stellen) - vor allem weil du es auch mit dem Wegbrechen der Bretter in Verbindung bringst. smile

Vielen Dank auf jeden Fall für dein Feedback

LG Sandschlange


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realo
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Beiträge: 185



Beitrag03.12.2022 18:14

von realo
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Aha, jetzt weiß ich, warum ich nicht weit gekommen bin beim Lesen. Es wird ein Traum beschrieben, also etwas Irreales und dann noch bewusst moduliert, damit es dem Leser genehm ist. Das ist zu viel für meine Fantasie, ist es Fiktion oder ist es dem Leser zurechtgebastelt. Hier passt es mal: Ich lasse mir gerne von einer Frau einen Orgasmus vortäuschen, aber es muss so gut gemacht sein, dass ich keinen Verdacht hege. So sollte eine fiktive Geschichte so gut gemacht sein, dass ich nicht merke, dass alles Fantasie ist. Den Tod der Oma verarbeiten, o.k., aber wenn man alle Leser daran teilhaben lässt, sollten dessen Gefühle im bewussten Zustand angesprochen werden, denn der Leser ist nicht im Traumzustand, er liest voller Konzentration. Wenn von mir Bewusstseinstrübung verlangt wird vom Text, oder Flucht in die Fiktion, dann lasse ich es. Omas Tod ist eine natürliche Realität in der Welt von Werden und Vergehen, völlig der Natur entsprechend. Da braucht es keine verschlüsselte Gefühlswahrnehmung im übertragenen Sinn, anders, wenn ein Kind stirbt.
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tronde
Klammeraffe
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Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag04.12.2022 00:54

von tronde
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Hallo Sandschlange!
Das Tolle an Deinem Text ist, dass er so über die Grenze hüpft und wieder zurück vom Realen zum Surrealen. Und dass mich das gar nicht stört.
Verluste verarbeiten kann jedeR auf die eigene Weise, da gibt es kein Richtig oder Falsch.
Und das Schöne an meinem oder anderen Kommentaren ist es, dass Du Dir das rausnehmen kannst, was Dir zusagt oder mit was Du was anfangen kannst und den Rest kannst du getrost ignorieren.
Herzliche Grüße!
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Sandschlange
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Beitrag06.12.2022 13:28

von Sandschlange
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Hallo @realo,

realo hat Folgendes geschrieben:
Aha, jetzt weiß ich, warum ich nicht weit gekommen bin beim Lesen. Es wird ein Traum beschrieben, also etwas Irreales und dann noch bewusst moduliert, damit es dem Leser genehm ist. Das ist zu viel für meine Fantasie, ist es Fiktion oder ist es dem Leser zurechtgebastelt.


danke erstmal für deinen Kommentar - insbesondere dafür, dass du einen geschrieben hast, obwohl die Geschichte nicht bei dir angekommen ist. smile Im folgenden habe ich einige Fragen, weil ich nicht alle Aussagen in deinem Kommentar begriffen habe bzw. glaube, sie falsch verstanden zu haben.

realo hat Folgendes geschrieben:
Hier passt es mal: Ich lasse mir gerne von einer Frau einen Orgasmus vortäuschen, aber es muss so gut gemacht sein, dass ich keinen Verdacht hege. So sollte eine fiktive Geschichte so gut gemacht sein, dass ich nicht merke, dass alles Fantasie ist.


Ich bin mir nicht ganz sicher, was du mir mit dieser Stelle sagen willst - den die Frage ob die Geschichte fiktiv ist oder nicht, stellt sich meiner Meinung nach selten in einer Traumsequenz ebenso wenig wie in einer "Illusion" - weil der Inhalt alleine schon daran zweifeln lässt, ob die beschriebene Sache tatsächlich passiert. Ganz mitgehen könnte ich natürlich, wenn es um Szenen geht, bei denen ganz klar Dinge beschrieben werden (oder WElten) die für die Charaktere in der Geschichte tatsächlich passieren.
Für mich ist es in dieser Geschichte aber eher eine Frage nach: Kann ich mir so gut vorstellen, dass eine Frau einen Orgasmus vortäuscht, dass ich ihr obwohl ich weiß, dass es eine Vorstellung [von mir] ist, glaube, dass sie einen Orgasmus gehabt hat. Aber vielleicht habe ich dich da auch falsch verstanden - ich werde auf jeden Fall versuchen, darüber nachzudenken. Ansonsten, falls du es näher ausführen willst, würde ich mich freuen. smile  

realo hat Folgendes geschrieben:
Den Tod der Oma verarbeiten, o.k., aber wenn man alle Leser daran teilhaben lässt, sollten dessen Gefühle im bewussten Zustand angesprochen werden, denn der Leser ist nicht im Traumzustand, er liest voller Konzentration. Wenn von mir Bewusstseinstrübung verlangt wird vom Text, oder Flucht in die Fiktion, dann lasse ich es. Omas Tod ist eine natürliche Realität in der Welt von Werden und Vergehen, völlig der Natur entsprechend.


Hier ist meine Intention auch eine andere gewesen - es ging um das mystische, den Traum an sich und nicht um die Aufarbeitung der Gefühle, aber ich verstehe, was du meinst - wenn es um Aufarbeitung hätte gehen sollen, müssten natürlich Gefühle, Lösungsansetze, vielleicht auch "das Leben an sich" - wie geht man mit Verlust um, etc. im Mittelpunkt stehen. Das war hier aber nicht gewollt.

realo hat Folgendes geschrieben:
Da braucht es keine verschlüsselte Gefühlswahrnehmung im übertragenen Sinn, anders, wenn ein Kind stirbt.


Diesen Satz verstehe ich auch nicht ganz: Warum sollte man beim Tod eiens Kindes die (verschlüsselte) Gefühlswarnehmung anwenden? Oder geht es hier um Geschichten, die man für ein Kind schreibt?

LG Sandschlange


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Beitrag06.12.2022 13:43

von Sandschlange
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tronde hat Folgendes geschrieben:
Hallo Sandschlange!
Das Tolle an Deinem Text ist, dass er so über die Grenze hüpft und wieder zurück vom Realen zum Surrealen. Und dass mich das gar nicht stört.
Verluste verarbeiten kann jedeR auf die eigene Weise, da gibt es kein Richtig oder Falsch.
Und das Schöne an meinem oder anderen Kommentaren ist es, dass Du Dir das rausnehmen kannst, was Dir zusagt oder mit was Du was anfangen kannst und den Rest kannst du getrost ignorieren.
Herzliche Grüße!


Hallo tronde,

auch dir ein Danke für den Kommentar und es freut mich, dass der Text für dich funktioniert hat, was die Mischung aus Realem und Surrealen angeht. Und was die Verarbeitung des Verlustes angeht - da bin ich ganz bei dir, wobei ich diesen Text nicht aus diesem Gurnd geschrieben habe. smile
Und ja, ich finde die Deutungen der Kommentare super und habe mir auch ein paar Deutungen herausgeschrieben, die ich bei der Überarbeitung des Textes (sobald die Zeit es zulässt ^^") berücksichtigen werde.

LG Sandschlange


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