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Kaoswolf Erklärbär
Alter: 31 Beiträge: 2 Wohnort: Paradoxopolis
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28.08.2022 14:49 Erstes Oneironautikum von Kaoswolf
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Da momentan die Zeit fehlt, in bewusster Kleinarbeit ein Schriftstück zu zimmern, ich mich aber doch nach einer prägnanten Schreib - und Stilübung zum Ankommen im Forum sehnte, will ich euch an dem teilhaben lassen, was sich mir vorletzte Nacht ganz von selbst offerierte.
Mhh, schwierig zu klassifizieren, da fehlt mir auch noch etwas Fachwissen, wie ich sehe
Ich wanderte über einen nächtlichen Friedhof, denn das lärmende Stadtfest interessierte mich nicht länger.
Auch meine Nachbarn, die mich damit bedrängten, wie toll sie doch ihre neuen Frühstücksknusperflocken fanden, gingen mir nur noch auf den Nerv. Auf dem Rücken trug ich einen Sack, einen geräumigen, schwarzen Plastiksack, gefüllt mit allerlei Lebensmitteln, auch irgendwelchem Billigkram, den ich gar nicht essen wollte.
Vermutlich auch Frühstücksknusperflocken.
So schritt ich also durch die Dunkelheit an den Grabsteinen vorüber, lamentierte über meine alte, sehr innige und doch frisch zu Bruch gegangene Liebesbeziehung, klagte über vermeintliche Verantwortliche für unsere Trennung und grämte mich meiner eigenen Unzulänglichkeiten. Darauf verpasste ich den Ort, an dem ich mich ursprünglich niederlassen wollte: einen großen, alleinstehenden Grabhügel, noch von den Kelten errichtet.
Als ich mir aufgrund der immer häufiger auf Bänken sitzenden und vor sich hin plappernden Menschen gewahr wurde, mich wieder dem Stadtzentrum zu nähern, ging ich den Weg zurück.
Der morgen dämmerte und ein mittelgroßer, streunender Hund, oder vielleicht auch sehr junger Wolf, sprang aus einem Gebüsch und tollte sich vor mir auf der Erde. Sein Fell hatte Übergänge von hellem Grau zu einem dunklen aschblond, vor allem an Kopf und Schultern. Ich versuchte ihn zu streicheln, worauf er mich biss, was ich ihm jedoch durchgehen ließ, immerhin kannten wir uns doch kaum und ich hatte ihm mit meiner Übergriffigkeit Angst gemacht. Ich bat um Entschuldigung, worauf er mich, ungestüm alle Winkel rechts und links des Weges erforschend, begleitete.
Aber der Grabhügel war fort, statt seiner standen dort drei ziemlich große, sehr alte und schon zum Teil zerfallende Gebäue, drei- oder vierstöckig, mit weitläufigen, von einigen Balustraden und Veranden unterbrochenen Fassaden und von leicht verwirrender, klassische Stilarten durchmischender Architektur.
In dem Haus links von mir lebten die Nachbarn aus meiner Kindheit, so viel wusste ich und wunderte mich, warum sie noch nicht renoviert hatten, hat sie der Erwerb des Baus doch viel Geld gekostet.
Jenes rechts von mir gehörte, wie hieß er noch gleich, dieser Schauspieler mit der komischen Stimme – Til Schweiger! Er nutzte es als Atelier, das wusste ich, weil ich mich daran erinnerte, bei meinem Großvater einen Tierfilm geschaut zu haben, der mich aber so langweilte, dass ich meinen Laptop auspackte um selbst eine Künstlerdokumentation darauf zu sehen. Der Ton wurde dauernd laut, obwohl ich ihn wieder und wieder herunter drehte, wofür ich mich etwas schämte (dabei war mein Großvater doch schwerhörig und verfolgte weiter mit wie aus Stein gehauenem Lächeln seine Sendung).
In der Dokumentation wurden das innere der Gebäudes gezeigt, ein kleiner, geheimnisvoll wirkender Treppenaufgang endete in einem weiten, geradezu festlichen Raum, in dessen Mitte drei gewaltige Eichenbalken die hohe Decke stützten, welche selbst ihr mächtiges Gebälk präsentierte. Der Saal selbst war jedoch völlig leer, bis auf dicke Teppiche von Staub, der sogar wie eine Schicht grauer Farbe auf den Wänden und den hohen Fenstern haftete. Dadurch war der Raum in fahles Licht getaucht und die prächtigen Wandmalereien waren nur noch an wenigen Stellen zu erahnen. Ein Moderator stellte Fragen und Til Schweiger, im Treppenaufgang stehend, erzählte munter, was er alles für großartige Pläne habe; seine Stimme dröhnte mir grausam in den Ohren.
Das Haus vor mir erinnerte mich an einen Ort, der mir vor vielen Jahren im Traum begegnete. Ich meinte, dass sich darin eine große, dunkle Halle befinden musste, in der eine nur aus grob entrindeten und in die Wand eingefügten Baumstämmen bestehende Treppe die Wand entlang führte. Fackeln beleuchteten diese spärlich und unter ihr gähnte ein finsterer, wenn auch nicht tiefer Abgrund, in dem es leicht plätscherte, sich dünne, aufragende Spieße erahnen ließen und von dem ein Duft aus Moor und Verwesung, sowie auch berauschendem Räucherwerk aufstieg.
Kein Ort, den ich jetzt sehen wollte, obgleich die Tür, zu der die Treppe hinaufführte, gewiss einen Schatz oder gar eine kostbare Offenbarung bewahrte.
Im Erdgeschoss jedenfalls, leicht in den Boden eingelassenen, befand sich die kleine Wohnung einer guten Freundin und ich wusste, dass ich dort vorübergehend wohnen durfte. Alle Türen standen offen, das Licht war an, aber das Mädchen war auf reisen, oder bei ihrem Partner. Es war hübsch dekoriert, die Wände gänzlich mit Regalen behängt und diese reichlich mit Speisen und Kräutern ausgestatteten, die ein wohltuendes Aroma verbreiteten. Ich stellte meinen Sack auf den Tisch, der sich in der Mitte befand, aber angesichts der feinen Ausstattung vor mir, interessierte er mich nicht länger. Das Wölfchen machte Anstalten auf den Boden zu pinkeln (an der Stellung erkannte ich, as es sich um ein Weibchen handelte), aber ein nachdrücklicher Gedanke meinerseits genügte, dass es dafür einen Ort vor der Tür suchte. Ich folgte ihm und schaute zu, wie es anschließend zwischen den Gebäuden umher tobte.
Til Schweigers Haus geriet daraufhin wieder in meinen Fokus und mir kam der Gedanke, dass er es doch sicher nur aus Prestige gekauft hatte und nun zerfallen ließ. Ein genauerer Blick durch die noch immer mit Staub beschichteten Fenster bestätigte meine Befürchtung und da es mir für das altehrwürdige Gebäude leid tat, fasste ich den Entschluss, es selbst in stand zu setzen und vielleicht auch darin zu leben.
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Miné Eselsohr
Alter: 38 Beiträge: 242 Wohnort: Köln
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14.09.2022 18:46 Re: Erstes Oneironautikum von Miné
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Irgendwie hat dein Text gar keine Handlung, geschweige denn einen roten Faden, oder?
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Kaoswolf Erklärbär
Alter: 31 Beiträge: 2 Wohnort: Paradoxopolis
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28.10.2022 00:39
von Kaoswolf
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Rote Fäden brauch doch nur, wer aus dem Labyrinth heraus finden möchte. Aber liegt der Schatz nicht im Zentrum?
Wie zu Beginn erwähnt: "Schreib - und Stilübung"
Denn was hilft eine Handlung, wenn sie von keinen lebendigen Bildern getragen ist?
Also die Frage, erzeugt der Text Bilder?
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6154 Wohnort: Nullraum
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28.10.2022 03:51
von V.K.B.
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Hallo Kaoswolf
Gerade wieder bei den aktuellen Texten aufgeploppt, der Titel zog mich an, also gelesen, und dann sehe ich, der Text ist schon 2 Monate alt und der Autor seitdem kaum im Forum gewesen. Wo man sich bei Einstandstexten doch eh immer die Frage stellt, ob sich das Kommentieren überhaupt lohnt, oder der Autor schon weitergezogen ist.
Von daher nur kurz:
Zitat: | Also die Frage, erzeugt der Text Bilder? | Ein paar definitiv, z.B. die Baumstammtreppe sah ich förmlich vor mir. Die hielt ich gleich für eine gute Idee und überlegte, ob man sowas wirklich mal bauen sollte (wahrscheinlich aber lieber ohne die Spikes).
Was mich irritiert hat, war, dass der Wolf am Ende plötzlich wieder erwähnt wird, ich dachte, der hätte sich zwischenzeitlich erledigt (ist jedenfalls in meinen Träumen so, da hat wenig Fortbestand und Permanenz, jedenfalls solange ich nicht luzide bin).
Ansonsten: Könnte ein bisschen abgefahrener sein für das Thema, also auch traumhafter geschrieben. Für mich liest sich vieles zu real und rational beschrieben, da passt die Erzählstimme nicht ganz zur surrealen Sprunghaftigkeit des Inhalts.
Soweit mein kurzer Eindruck, vielleicht ist ja was hilfreiches für dich dabei. Mehr Zeit habe ich jetzt aber nicht, sehe gerade, ist schon wieder kurz vor vier, ich sollte selbst mal ganz dringend oneironauten gehen.
beste Grüße und nachträglich willkommen im Forum,
Veith
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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